Sprunggelenkdistorsion: Diagnostik, Therapie und Rehabilitation in der Praxis

Die Sprunggelenkdistorsion gehört zu den häufigsten Verletzungen, nicht nur im Sport. Auslöser ist meist ein Umknicken, wobei vor allem die Außenbänder betroffen sind. Bei Fehlversorgung leiden vielen Patienten langfristig an Schmerzen und Instabilität, was eine rechtzeitige und evidenzbasierte Diagnose und Therapie essenziell macht. Die „Ottawa ankle rules“ helfen, unnötige Röntgenaufnahmen zu vermeiden, indem sie gezielt auf Schmerzen und Bewegungseinschränkungen prüfen. Die Sonografie ermöglicht eine strahlungsfreie, dynamische Darstellung von Bändern, Sehnen und Gelenken, besonders bei chronischen Verletzungen.

Therapeutisch stehen funktionelle Unterstützung durch Orthesen, frühzeitige Mobilisation, Kryotherapie und gezielte Rehabilitation im Fokus. Topische Schmerzmittel wie nicht steroidale Antirheumatika oder Tr14 haben in Studien ihre Wirksamkeit gezeigt, während andere topische Ansätze wie Zinkoxid experimentell bleiben. Unzureichende Rehabilitation und ein verfrühter Sportwiedereinstieg erhöhen das Risiko für Rezidive und persistierende Beschwerden. Moderne Rehabilitationsansätze setzen auf individuelle, kriterienbasierte Programme, die Fortschritte durch Tests wie den Ankle-Function-Score überwachen. Solche Ansätze ermöglichen eine sichere Rückkehr zum Sport und minimieren Rezidive.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709125103430019
Zeitraum 02.12.2025 - 01.12.2026
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie I)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Alberto Schek
Prof. Dr. med. Götz H. Welsch
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Heel GmbH
Bewertung 4.3 (196)

Einführung

Die Sprunggelenkdistorsion zählt zu den häufigsten Sportverletzungen weltweit und macht je nach Sportart 16 bis 40 % aller Verletzungen aus. Im Profifußball stellt sie die dritthäufigste Verletzungsform dar. Die Inzidenz wird in Deutschland auf etwa 1 : 8.000 bis 1 : 10.000 pro Tag geschätzt. Sprunggelenkdistorsionen verursachen rund 14 % aller traumatologischen Notfallvorstellungen. Die überwiegende Mehrzahl der Sprunggelenkdistorsionen entsteht durch einen Inversionsmechanismus. Dabei ist primär der Außenbandkomplex betroffen, insbesondere das vordere Talofibularband (Ligamentum fibulotalare anterius, LFTA; 65 bis 85 %) und das Calcaneofibularband (CFL; 75 bis 85 %). Seltener sind Verletzungen des calcaneocuboidalen Ligamentes. Das Ligamentum bifurcatum besteht aus einem calcaneonavicularen und einem calcaneocuboidalen Anteil. Für die Distorsionsdiagnostik ist meist der calcaneocuboidale Anteil (LCC) klinisch relevant. Innenbandverletzungen treten bei 5 bis 15 % der Fälle auf, während syndesmotische Verletzungen etwa 10 % ausmachen. Sprunggelenkdistorsionen weisen eine hohe Chronifizierungsrate auf. Langfristig bestehen bei rund 30 % der Patienten anhaltende Schmerzen und bei etwa 20 % eine funktionelle Instabilität. Daher kommt es auf eine rechtzeitige Diagnosestellung und Therapie an.

Klinische Untersuchungsprotokolle bei Sprunggelenkverletzungen

Die „Ottawa ankle rules” sind ein evidenzbasiertes klinisches Instrument zur Identifikation von Patienten mit klinisch relevanten Frakturen der Malleolen und des Mittelfußes. Sie wurden von Notfallärzten in Ottawa entwickelt mit dem Ziel, unnötige Röntgenuntersuchungen zu vermeiden. Studien zeigen, dass in der klinischen Routine >95 % der Patienten mit Sprunggelenkverletzungen radiologisch untersucht werden, wobei etwa 85 % der Aufnahmen unauffällig sind. Die nicht selektive Anwendung von Röntgenuntersuchungen ist also sehr ineffizient. Die Anwendung der „Ottawa ankle rules” reduziert die Zahl der unnötigen Röntgenaufnahmen um 28 % für das Sprunggelenk und um 14 % für den Fuß. Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes sind nach den „Ottawa ankle rules” nur dann erforderlich, wenn Schmerzen in der Malleolarzone bestehen und zusätzlich eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: Druckschmerz entlang der distalen 6 cm der hinteren Tibia- oder Fibulakante oder am Spitzenbereich der medialen oder lateralen Malleolen, Unfähigkeit, unmittelbar nach der Verletzung und in der Notaufnahme vier Schritte zu gehen. Für eine Röntgenserie des Fußes gelten entsprechende Kriterien für die Mittelfußzone: Indikation besteht bei Schmerzen im Mittelfußbereich und einem der folgenden Befunde:
  • Druckschmerz am Basenende des fünften Mittelfußknochens oder am Naviculare
  • Unfähigkeit, vier Schritte zu gehen
Ausgeschlossen von der Anwendung der Regeln sind bestimmte Patientengruppen, insbesondere Schwangere sowie Personen mit eingeschränkter Untersuchungsfähigkeit (z. B. nach Kopfverletzung oder unter Intoxikation). Studien bestätigen die hohe Sensitivität der „Ottawa ankle rules” bei Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen ab sechs Jahren (ca. 98,5 %), während die Aussagekraft bei jüngeren Kindern noch nicht ausreichend untersucht ist. Die palpatorische Untersuchung des Bandapparates umfasst die systematische Beurteilung folgender Strukturen:
  • Ventrale Syndesmose
  • LFTA
  • CFL
  • LCC
  • Basis des fünften Mittelfußknochens (MT5) Deltoidbandkomplex
Diese gezielte Palpation unterstützt die klinische Differenzierung von Außenband-, Syndesmosen- und Mittelfußverletzungen und dient der Indikationsstellung für weiterführende Bildgebung. Zur Beurteilung der Bandstabilität werden verschiedene klinische und sonografische Funktionstests eingesetzt:
  • Anteriorer und posteriorer Drawer-Test (ADT/PDT, ggf. mit Lateralisierung A(L)DT/RADT): Zur Prüfung der vorderen und hinteren Stabilität des Talokruralgelenkes.
  • Kleiger-Test/Frick-Test: zur Beurteilung der Syndesmosenstabilität
  • Talar-Tilt-Test: Dient der Diagnostik von Lateralligamentverletzungen, insbesondere des CFL.

Ultraschallprotokoll und Bandpathologien

Die Sonografie bietet mehrere Vorteile bei der Beurteilung von Sprunggelenkverletzungen: Sie ermöglicht eine dynamische, hochauflösende Bildgebung oberflächlicher Strukturen in Echtzeit, ist strahlungsfrei, sicher und beliebig wiederholbar, zudem mobil einsetzbar (Point-of-Care) sowie kosteneffizient. Für die Diagnostik von Bandverletzungen weist die Sonografie eine hohe diagnostische Genauigkeit auf:
  • LFTA: Sensitivität 57 bis 97 % (akut), 84 bis 100 % (chronisch); Spezifität 89 bis 100 % (chronisch besonders zuverlässig).
  • CFL: Sensitivität 49 bis 100 % (akut), 90 bis 96 % (chronisch); die Darstellung kann durch die Peronealsehnen erschwert sein.
  • Anteriores tibiofibulares Ligament (AiTFL): Sensitivität 64 bis 100 % (akut), 91 bis 100 % (chronisch); Spezifität 91 bis 100 %
Die Sonografie eignet sich insbesondere für chronische Verletzungen und kann dynamisch durchgeführt werden, um Funktion und Stabilität der Bänder unter Belastung zu beurteilen. Ergänzend ermöglicht die Dopplersonografie eine exzellente Visualisierung eines verlangsamten Blutflusses (z. B. bei chronischer Entzündung oder im Muskel- und Sehnengewebe nach Verletzungen) und zeigt häufig eine Korrelation mit Schmerzen (Indikator für aktive Entzündung oder Gewebeirritation). Die Sonografie hat jedoch trotz der genannten Vorteile mehrere Limitationen:
  • Erfahrungsabhängigkeit: Die diagnostische Qualität hängt stark von der Fachkenntnis (einschließlich pathoanatomischer Kenntnisse) und Erfahrung des Untersuchers ab.
  • Anatomische Faktoren: Komplexe oder tief liegende Strukturen können schwer darstellbar sein.
  • Patientenabhängige Einschränkungen: Schmerzen, Schwellung oder eingeschränkte Beweglichkeit können die Untersuchung erschweren.
  • Hinzu kommen die Erfordernis spezifischer Gerätekenntnisse sowie Artefaktanfälligkeit.

Ultraschalltechnik und Patientenlagerung bei Sprunggelenkuntersuchungen

Die Sonografie des Sprunggelenkes wird typischerweise mit einer hochfrequenten Linearsonde (12 bis 22 MHz) durchgeführt, um eine hohe Auflösung der oberflächennahen Strukturen zu gewährleisten. Die Patientenlagerung wird an die zu untersuchende Region angepasst:
  • Rückenlage: Für die Untersuchung der anterioren (z. B. Gelenkergüsse bei Dorsalflexion, Gelenkkapsel, vordere Syndesmose, Talonaviculargelenk) und lateralen Strukturen. Optional kann die mediale Seite in der sogenannten „Viererposition“ (Bein angezogen, Fuß gekreuzt über das andere Knie) untersucht werden.
  • Seitenlage: Für eine optimale Darstellung der lateralen Strukturen (z. B. laterale Bänder, Peronealsehnen), insbesondere bei eingeschränkter Beweglichkeit
  • Bauchlage oder hängender Fuß: Für die Untersuchung der posterioren Strukturen (z. B. Achillessehne, Plantaraponeurose, hintere Syndesmose)
Die Messung des anterioren tibiofibularen Spalts („anterior tibiofibular gap“, ATFG) unter Belastung mittels Sonografie ermöglicht die quantitative Beurteilung von Syndesmosenverletzungen. Untersuchungen zeigen, dass der ATFG im Stehen breiter ist als im Sitzen, wobei der Spalt mit zunehmender Dorsalflexion des Sprunggelenkes weiter zunimmt, unabhängig von der Patientenlagerung. Diese Messungen können helfen, seitendifferenzielle Veränderungen zu erkennen und eine unphysiologische Spreizung der Syndesmose zu quantifizieren. Die sonografische Untersuchung des Sprunggelenkes erfolgt regionspezifisch und ermöglicht die differenzierte Beurteilung von Band-, Sehnen- und Gelenkstrukturen. Anterior liegt der Fokus auf der Erkennung von Gelenkergüssen, insbesondere unter Dorsalflexion, der Kapsel, der vorderen Syndesmose sowie des Talonaviculargelenkes. Lateral werden das LFTA, CFL, LCC, MT5 sowie die Peronealsehnen dargestellt. Diese Strukturen sind besonders relevant für die Diagnostik von Außenband- und Mittelfußverletzungen. Medial umfasst die sonografische Beurteilung den Deltoidbandkomplex, das Springligament sowie die Sehnen von Tibialis posterior, Flexor digitorum longus und Flexor hallucis longus. Die Darstellung dieser Strukturen ist entscheidend für die Erkennung medialer Bandverletzungen und die Erfassung von Funktionsstörungen der Fußwurzel. Posterior werden bei Befund die Achillessehne, der Kager-Fettkörper, die Plantarfaszie sowie das hintere tibiofibulare Ligament („posterior talofibular ligament”, PTFL) untersucht. Dies erlaubt die Identifikation seltenerer Band- und Sehnenverletzungen sowie Veränderungen im Bereich der Plantarfaszie. Die systematische regionale Sonografie ermöglicht nicht nur die gezielte Detektion akuter Verletzungen, sondern auch die Beurteilung chronischer Veränderungen, die für die Planung therapeutischer Maßnahmen relevant sind.

Therapie bei Sprunggelenkdistorsion

Die Evidenz aus sieben Leitlinien zeigt, dass die wirksamsten Maßnahmen zur Behandlung von Sprunggelenkdistorsionen folgende Elemente umfassen:
  • Klinische Diagnostik nach „Ottawa ankle rules” zur gezielten Indikationsstellung für bildgebende Verfahren
  • Funktionelle Unterstützung des Sprunggelenkes, wobei semirigide Orthesen gegenüber Tapeverbänden oder Gips eine höhere Wirksamkeit aufweisen.
  • Frühzeitige Mobilisation kombiniert mit manueller Therapie zur Förderung der Beweglichkeit und Stabilität.
  • Kryotherapie zur Reduktion von Schmerzen und Schwellung in der akuten Phase
  • Gezieltes Rehabilitations- und Trainingsprogramm zur Wiederherstellung der Funktion, Propriozeption und Muskelkraft
Diese Maßnahmen bilden die Grundlage einer evidenzbasierten, stufenweisen Therapie und Rehabilitation, die akute Symptome adressiert und das Risiko chronischer Instabilität minimiert. Einige weiterhin praktizierte Therapieansätze bei Sprunggelenkdistorsionen bleiben umstritten: Hierzu zählen vor allem die längere Immobilisation sowie operative Maßnahmen. Auch Akupunktur wird teilweise eingesetzt; die Evidenz für eine Wirksamkeit ist jedoch begrenzt. Nicht gesichert ist zudem die Wirksamkeit von Modalitäten wie Ultraschalltherapie, Elektrotherapie, Laser- und Diathermieanwendungen sowie der Einsatz von Opiaten zur akuten Schmerzbehandlung. Diese Behandlungen werden in Leitlinien daher nicht empfohlen.

Topische Therapieoptionen bei Sprunggelenkverletzungen

Die Anwendung topischer Substanzen spielt eine ergänzende Rolle in der Behandlung von Sprunggelenkverletzungen. Zinkoxid wird in der Praxis gelegentlich eingesetzt; für Sprunggelenkverletzungen oder sportbedingte Traumata liegen für Zinkoxid jedoch bislang keine randomisierten kontrollierten Studien vor. Die Wirksamkeit von Zinkoxid ist bislang nur für Wunden, Hautirritationen und Dermatitis dokumentiert. Die Verwendung von Zinkoxid bei Sportverletzungen bleibt derzeit experimentell und sollte nicht als Standardtherapie betrachtet werden. Für topische nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) besteht dagegen eine solide Evidenz. Sie reduzieren Schmerzen und Schwellungen effektiv und bieten im Vergleich zur oralen Gabe ein geringeres Risiko systemischer Nebenwirkungen. Topische NSAR sind insbesondere für Patienten geeignet, bei denen eine orale Therapie aufgrund von Nebenwirkungen oder Begleiterkrankungen eingeschränkt ist. Eine weitere topische Option stellt zudem Tr14 dar. Es handelt sich um ein Kombinationspräparat aus verschiedenen pflanzlichen und mineralischen Bestandteilen. Zwei randomisierte kontrollierte Studien untersuchten die Wirksamkeit von Tr14 im Vergleich zu topischem Diclofenac. Die Studienlage zeigt eine Nichtunterlegenheit gegenüber Diclofenac hinsichtlich Schmerzen und Funktion bei akuter Distorsion bei gleichzeitiger Überlegenheit gegenüber Placebo. Die Gesamtevidenzmenge ist jedoch geringer als für topische NSAR, weshalb NSAR weiterhin als Standardtherapie gelten.

Rehabilitation nach Sprunggelenkdistorsion

Unzureichende Rehabilitation und ein verfrühter Wiedereinstieg in den Sport sind maßgebliche Risikofaktoren für wiederkehrende Sprunggelenkdistorsionen. Diese Verletzungen zeichnen sich durch hohe Inzidenz- und Rezidivraten aus und haben weitreichende Konsequenzen für Athleten, Trainer, Vereine und Versicherungen. Sie beeinträchtigen nicht nur die individuelle Leistungsentwicklung, sondern verursachen auch erhebliche medizinische und finanzielle Belastungen. Persistierende Beschwerden beruhen bei chronischer Instabilität weniger auf strukturellen Schäden, sondern überwiegend auf veränderter neuromuskulärer Kontrolle und Propriozeptionsverlust. Die aktuelle Evidenz unterstreicht, dass Rehabilitation oft zeitbasiert erfolgt, wobei Fortschrittsentscheidungen stark auf der klinischen Erfahrung der Behandler beruhen, was zu inkonsistenten Ergebnissen führen kann. Um die funktionelle Wiederherstellung zu optimieren und Rezidive effektiv vorzubeugen, werden zunehmend Rehabilitationsalgorithmen empfohlen, die auf funktionellen Kriterien basieren. Ein einflussreicher von Flore und Kollegen empfohlener Algorithmus gliedert den Prozess in vier Makrophasen: Return to Activity (RTA; Rückkehr zu alltäglichen Aktivitäten), Return to Sports (RTS; Rückkehr zum sportartspezifischen Training), Return to Play (RTP; Rückkehr zum vollen Spielbetrieb) und Return to Competition (RTC; Rückkehr zum Wettkampf. Der Übergang zwischen diesen Phasen erfolgt nicht chronologisch, sondern basierend auf klar definierten funktionellen Kriterien. Voraussetzung für den Fortschritt im Prozess ist das erfolgreiche Bestehen von drei standardisierten Assessments: einem patientenberichteten Outcome-Maß wie dem Ankle-Function-Score (AFS), einer klinisch-funktionellen Untersuchung (z. B. zur Überprüfung von Stabilität, Schwellung und Schmerz) sowie spezifischen Leistungstests (z. B. Sprung- oder Balanceaufgaben). Der Athlet bleibt auf dem aktuellen Level, bis alle Kriterien erfüllt sind, was eine individualisierte Progression ermöglicht und das Risiko von Überlastungen minimiert. Innerhalb der RTA-Phase – und analog in den Folgephasen – sind Testbatterien und Trainingsformen progressiv aufgebaut und orientieren sich an der Anatomie sowie biomechanischen Belastbarkeit der Bandstrukturen, den Phasen der Wundheilung (z. B. entzündlich, proliferativ und remodellierend) und den erforderlichen Belastungsreizen für eine optimale Regeneration, wie der dosierten Förderung der Kollagensynthese durch kontrollierte Zug- und Druckbelastung. Die Integration dieser drei Assessment-Instrumente ermöglicht eine multi-dimensionale, evidenzbasierte Beurteilung der Rehabilitationsbereitschaft, wobei das patientenberichtete Outcome-Maß eine wertvolle Ergänzung zu objektiven Leistungstests darstellt, da er subjektive Aspekte wie Schmerz, Funktion und Lebensqualität einbezieht. Frühe klinische Erfahrungen mit diesem kriterienorientierten Algorithmus belegen seine praktische Umsetzbarkeit in der Sportmedizin und Physiotherapie. Ob dieser Ansatz langfristig auch die Rezidivrate nach lateralen Sprunggelenkdistorsionen bei Athleten nachhaltig senken kann, muss jedoch durch prospektive, randomisierte Studien weiter validiert werden, idealerweise unter Einbeziehung von Langzeit-Follow-ups und Vergleichen mit konventionellen Methoden.

Fallbeispiele

Im Folgenden sollen die vorgestellten Konzepte anhand praktischer Fallbeispiele aus der sportorthopädischen und traumatologischen Praxis illustriert werden.

Fallbeispiel 1 - Syndesmosenverletzung bei Athleten

Ein 28-jähriger Leistungssportler zog sich vor 14 Tagen im Zweikampf eine Distorsion des oberen Sprunggelenkes zu. In der initialen klinischen Untersuchung zeigte sich das Gelenk stabil, weshalb zunächst eine konservative Behandlung eingeleitet wurde. Im weiteren Verlauf berichtete der Athlet jedoch über anhaltende Schmerzen während der Belastungssteigerung im Aufbautraining über sieben Tage hinweg. Eine Niederfeld-Magnetresonanztomografie ergab einen deutlichen Gelenkerguss sowie Zeichen einer Zerrung der Syndesmose, ohne Nachweis einer diastatischen Instabilität. Trotz stabilisierender Tapeversorgung empfand der Sportler weiterhin ein deutliches Instabilitätsgefühl, weshalb er zur Einholung einer Zweitmeinung vorgestellt wurde. Auf Grundlage der klinischen und sonografischen Befunde wurde die Diagnose einer partiellen, stabilen Syndesmosenläsion gestellt. Therapeutisch erfolgte eine konservative Behandlung mit vorübergehender Entlastung und funktioneller Stabilisierung. Ergänzend wurde ein physiotherapeutisch überwachtes Rehabilitationsprogramm begonnen, mit schrittweiser Belastungssteigerung und propriozeptivem Training. Unter dieser Behandlung kam es zu einer sukzessiven Beschwerdebesserung und einer vollständigen Wiederherstellung der Belastbarkeit, sodass der Athlet nach entsprechender Rehabilitation in den regulären Trainingsbetrieb zurückkehren konnte.

Fallbeispiel 2 - Chronische Außenknöchelbeschwerden bei Athletin

Eine 19-jährige Leistungssportlerin stellte sich mit seit mehreren Monaten progredienten Schmerzen im Bereich des lateralen Sprunggelenkes vor. Sie berichtete über wiederholte Distorsionen („häufiger mal umgeknickt”) während des Trainings und Spielbetriebes. Zuletzt kam es aufgrund zunehmender Beschwerden zu einem schmerzbedingten Spielabbruch. Klinisch zeigten sich Druckschmerzen über dem lateralen Malleolus und der Peronealsehnenloge, jedoch keine akute Schwellung oder Instabilität des oberen Sprunggelenkes. Sonografisch ergaben sich Zeichen einer chronischen Überlastung mit Reizung der Peronealsehnen und knöchern betonter Prominenz im Bereich des lateralen Talusprozesses. Aufgrund der persistierenden Schmerzen und des erhöhten Risikos einer Peronealsehnenruptur wurde eine operative Versorgung empfohlen. Der Eingriff umfasste die Resektion störender knöcherner Anteile und die Revision des Sehnengleitlagers. Postoperativ erfolgte eine Teilbelastung im Walker sowie eine physiotherapeutisch angeleitete Rehabilitation mit Fokus auf propriozeptivem Training und lateraler Stabilisierung. Unter dieser Therapie kam es zu einer deutlichen Beschwerdebesserung und Wiederherstellung der sportlichen Belastbarkeit.

Fallbeispiel 3 - Persistierende Beschwerden nach Sprunggelenkosteosynthese

Eine 40-jährige Physiotherapeutin erlitt beim Festivalbesuch ein Distorsionstrauma des oberen Sprunggelenkes. Aufgrund einer nachgewiesenen Fraktur erfolgte zeitnah eine operative Stabilisierung mit Metallimplantation. Die postoperative Heilung verlief zunächst regelrecht unter sechswöchiger Entlastung. Die Patientin ist Raucherin mit einem Konsum von etwa einer Packung pro Tag. Acht Wochen postoperativ berichtete sie über persistierende Schmerzen und ein Einklemmungsgefühl dorsal des lateralen Malleolus. Die klinische Untersuchung ergab eine druckdolente Schwellung im Bereich der Operationsregion. Im Röntgenbild zeigte sich die osteosynthetische Versorgung durch Schrauben und Platten in situ. Sonografisch fanden sich Zeichen einer lokalen Weichteilreaktion mit beginnender Infektion im Bereich des Osteosynthesematerials. Aufgrund des Verdachtes auf eine Frühinfektion wurde eine operative Revision mit Metallentfernung, Débridement und temporärer Vakuumtherapie (VAC) durchgeführt. Begleitend erfolgte eine leitliniengerechte antibiotische Therapie. Eine Reosteosynthese war nicht erforderlich, da die Fraktur konsolidiert war. Anschließend erfolgte eine Ruhigstellung im Gipsverband bis zur vollständigen Wundheilung.

Fazit

  • Sprunggelenkdistorsionen weisen eine hohe Chronifizierungstendenz auf, bis zu 30 % der Patienten zeigen persistierende Schmerzen, 20 % eine funktionelle Instabilität.
  • Persistierende Beschwerden beruhen bei chronischer Instabilität weniger auf strukturellen Schäden, sondern überwiegend auf veränderter neuro-muskulärer Kontrolle und Propriozeptionsverlust.
  • Die „Ottawa ankle rules” sind Standard zur Frakturausschlussdiagnostik und Reduktion unnötiger Röntgenaufnahmen.
  • Die Sonografie erlaubt eine dynamische, strahlungsfreie und hochauflösende Beurteilung von Band-, Sehnen- und Gelenkstrukturen, besonders bei chronischen Verletzungen.
  • Funktionelle Stabilisierung, frühe Mobilisation, Kryotherapie und strukturierte Rehabilitation sind wirksam; längere Immobilisation und chirurgische Eingriffe sind meist nicht indiziert.
  • Topische NSAR sind effektiv; das natürliche Arzneimittel Tr14 zeigte in Studien eine vergleichbare Wirksamkeit zu Diclofenac.
  • Mangelhafte Rehabilitation und zu früher Sportwiedereinstieg erhöhen das Risiko für Rezidive und chronische Beschwerden.
  • Ein kriterienbasierter Rehabilitationsalgorithmus mit multidimensionaler Funktionsbeurteilung reduziert Rezidive und optimiert die Rückkehr zum Leistungssport.

Bildnachweis

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