Update Interstitielle Zystitis

Geschaedigte Blasenwand Interstitielle Zystitis

Abbildung 1: Geschädigte bzw. unvollständige GAG-Schicht bei Interstitieller Zystitis

Blasenschmerzen bei gefüllter Blase, dazu permanenter Harndrang und Pollakisurie auch in der Nacht sind charakteristische Beschwerden der Interstitiellen Zystitis (IC). Die nicht-infektiöse, chronische Blasenerkrankung wird bisher zu selten erkannt und angemessen therapiert.

Leiden Patienten unter Blasenschmerzen im Zusammenhang mit ständigem Harndrang, Pollakisurie und Nykturie, kann ein chronisches Blasenschmerzsyndrom (BPS)/eine Interstitielle Zystitis (IC) die Ursache sein. Diese chronische Blasenentzündung ist selten und ähnelt in ihrer Symptomatik vor allem im Anfangsstadium anderen, häufigeren urologischen Erkrankungen wie Harnwegsinfekten (HWI), überaktiver Blase (OAB), benigne Prostatahyperplasie (BPH) oder Prostatitis. Treten Schmerzen insbesondere in der Füllungsphase der Blase auf oder bessern sich die Symptome auch nach Antibiotikatherapie bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten nicht, ist an eine Interstitielle Zystitis zu denken.
Die Entstehung dieser chronischen Entzündung mit progredientem Verlauf ist zwar noch teilweise ungeklärt, es werden aber einige Noxen als Auslöser diskutiert. Dazu zählen ionisierende Strahlen, Chemotherapeutika sowie Immunprozesse. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Läsionen der Blasenschleimhaut spielt u. a. eine Störung der Glykosaminoglykan-(GAG) Schicht. So führt ein GAG-Defekt zu epithelialer Dysfunktion mit erhöhter Permeabilität für toxische Harnbestandteile. Dadurch können diese Noxen in tiefere Gewebeschichten vordringen und zusammen mit einem Kaliumeinstrom in die Blasenwand eine Reizung bzw. Drang und schmerzhafte Entzündungen unterhalten.

Diagnose

Die Diagnose umfasst immer eine gründliche Anamnese, ein Miktions-/Trinkprotokoll, ein Schmerztagebuch (VAS), körperliche Untersuchung, Urinuntersuchung und Zystoskopie. Wichtig ist es, verwechselbare Krankheiten, die auch meist behandelbar sind, als Ursache der Symptome auszuschließen. Hilfreich für die Diagnosesicherung ist eine Zystoskopie ggf. mit Hydrodistension unter Anästhesie, da sie bei nicht eindeutigem Befund die Aufdeckung der typischen Glomerulationen und Hunner Läsionen erleichtert. So kann bei einer bestehender IC die Blasenschleimhaut beim Ablassen des Füllmediums aufbrechen und es kann zum typischen „waterfall bleeding" kommen. Eine Biopsie sei zwar keine zwingende Bedingung für die Sicherung und Dokumentation der IC, zeige aber, inwieweit das Urothel defekt ist, und erlaube zudem den Ausschluss eines Carcinoma in situ.

Leitliniengerechte Therapie beim chronischen Blasenschmerzsyndrom

Ein vielversprechender Ansatz für die Behandlung des Blasenschmerz-Syndroms kann darin bestehen, die defekte GAG-Schicht wiederherzustellen und damit die Barrierefunktion des Urothels zu restituieren. Als orale Option ist Pentosan-Polysulfat Natrium verfügbar. PPS wird über die Niere ausgeschieden und bindet an das Urothel. Seine strukturelle Ähnlichkeit zu den Glykosaminen trägt zum Wiederaufbau der GAG-Schicht bei und stellt so die Barrierefunktion wieder her (Abbildung 1). Damit verhindert das PPS das weitere Eindringen schädigender Substanzen aus dem Harn und unterstützt zudem die Hemmung der Ausschüttung des Gewebehormons Histamin. In der Folge bessert sich die Entzündung und auch die Lebensqualität der Patienten.

Wirksamkeit

Seine Wirksamkeit stellte das Pentosan-Polysulfat-Natrium in 4 Zulassungsstudien unter Beweis: Hier verbesserte es im Vergleich zu Placebo signifikant Schmerzen, Harndrang, Pollakisurie und Nykturie [1]. Empfohlen wird eine Gabe von 3 x 100 mg tgl. Das Medikament darf bei gesichertem chronischem Blasenschmerzsyndrom mit Glomerulation und Hunner Läsionen verordnet werden und wird von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.

Einleitung der Therapie

Da die GAG-Schicht unter der Therapie kontinuierlich aufgebaut wird, sollte berücksichtigt werden, dass das Ansprechen möglicherweise erst nach 2-4 Monaten beurteilt werden kann. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Therapie am erfolgreichsten ist, wenn das chronische Blasenschmerzsyndrom / Interstitielle Zystitis möglichst früh diagnostiziert und schon im Anfangsstadium mit Pentosan-Polysulfat-Natrium behandelt wird [2]. Empfehlenswert ist auch eine Kombinationsbehandlung mit Schmerzmitteln und Instillationen (z. B. Dimethylsulfoxid, Hyaluronsäure oder Chondroitinsulfat intravesikal). Dass auch die Hydrodistension als therapeutische Maßnahme infrage kommt, ist in verschiedenen aktuellen Untersuchungen belegt [3, 4]. Nach Ausschöpfung aller konservativen, medikamentösen, minimalinvasiven und multimodalen Therapien einschließlich gezielter REHA bleibt als ultima ratio eine operative Blasenentfernung.

Therapeutisches Vorgehen bei Verdacht auf Interstitielle Zystitis

Einem Verdacht auf Interstitielle Zystitis sollte immer dann nachgegangen, wenn Frauen über Schmerzen klagen, die postmiktionell nachlassen. Weiter abgeklärt werde dann mit einer Zystoskopie in Narkose, d. h. beginnend mit einer konventionellen Urinkultur (UC), gefolgt von einer Hydrodistension auf 80 cm H2O über 5 Minuten, einer erneuten UC und Schlingen-PE „tiefe transmurale Resektion", gegebenenfalls Fulguration sowie der Histologie. Ist das Blasenschmerzsyndrom gesichert, sollte eine medikamentöse Basistherapie eingeleitet und eine Diätempfehlung abgegeben werden, bei Bedarf ergänzt durch Amitriptylin und ein Analgetikum. Reicht das nicht aus, kommt eine Kombination aus Lidocain + Cortison + Adrenalin, in Betracht.

Quellen:

  1. Parsons LC. Successful management of radiation cystitis with sodium pentosanpolysulfate. AM J Urol 1986; 4: 813-4
  2. Nickel et al. Time to initiation of pentosan polysulfate sodium treatment after interstitial cystitis diagnosis: effect on symptom improvement. Urology 2008; 71: 57-61
  3. Deutsch G et al. Bladder Distension Increases Blood Flow in Pain Related Brain Structures in Subjects with Interstitial Cystitis. J Urol 2016; 3: 902-10
  4. Al Shukri SK et al. Bladder hydrodistension in treating patients with interstytial cystitis/ bladder pain syndrome. Urologiia 2018; 1: 26-29

Beitrag unterstützt von Dr. R. Pfleger Chemische Fabrik GmbH, Bamberg

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