Personalisierte Planung der Augeninnendrucksenkung in der Glaukomtherapie – Teil 2

In Deutschland sind rund eine Million Menschen am Glaukom erkrankt – mit steigender Tendenz. Wirkungsvolle Therapien stehen zur Verfügung, um den Betroffenen möglichst langfristig eine gute Seh- und Lebensqualität zu erhalten. Allerdings ist – nach einer exakten Therapieplanung, die im ersten Teil dieser Fortbildung erläutert wurde – unbedingt auf deren dauerhaft konsequente Umsetzung zu achten. Dabei spielt die Verträglichkeit der Therapie eine maßgebliche Rolle. Zudem sollte der Therapieerfolg regelmäßig kontrolliert und die Therapie gegebenenfalls angepasst werden.

Erfahren Sie in dieser Fortbildung, welche Faktoren eine konsequente Anwendung der medikamentösen Glaukomtherapie gefährden können, welche Bedeutung eine gute Verträglichkeit der Therapie für die Adhärenz hat und welche Maßnahmen zu einem effektiven Glaukommanagement im Praxisalltag beitragen.

Teil 1 dieser Fortbildungsreihe finden Sie hier.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709121042270012
Zeitraum 08.06.2021 - 07.06.2022
Zertifiziert in D, A, CH
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Carl Erb
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (Webcast)
Lernmaterial Vortrag (41:22 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Santen GmbH
Bewertung 4.3 (170)

Einleitung

Wie in vielen anderen Bereichen der Medizin ist auch in der Glaukomtherapie ihre mangelnde Umsetzung eine große Schwachstelle. Dies beginnt schon mit der Einlösung von Rezepten: So zeigt eine Analyse von Daten einer deutschen Krankenkasse, darunter auch über 10.000 Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom, dass 33 % der Rezepte erst gar nicht in Apotheken eingelöst werden. Aber auch die verbliebenen 70 % der Patienten, die immerhin ihre Medikamente besorgen, wenden diese häufig nicht korrekt an. So hat eine Studie in zehn kanadischen Zentren mit über 500 Patienten gezeigt, dass nur die Hälfte der Patienten die Therapie eigenständig korrekt anwendet. Insgesamt müssen wir also leider davon ausgehen, dass nur 35 % aller Glaukompatienten ihre Therapie angemessen umsetzen. Wohlgemerkt: Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass der angestrebte Zieldruck auch tatsächlich erreicht wird, sondern lediglich, dass gut ein Drittel der Patienten die Therapie vernünftig umsetzt. Im Sinne eines erfolgreichen Glaukommanagements ist es daher von außerordentlicher Bedeutung, für eine gute Adhärenz des Patienten zu sorgen, da diese eine zentrale Rolle für den Therapieerfolg spielt.

Akzeptanz, gute Verträglichkeit und leichte Umsetzbarkeit der Therapie steigern Adhärenz

Ein wesentlicher Faktor für eine gute Adhärenz ist zunächst einmal die Akzeptanz der Therapie. Dazu müssen wir dem Patienten die Chancen der Therapie sowie auch die ungünstigen Folgen durch eine unzureichende Therapie verdeutlichen. Es gilt, den Patienten in die Verantwortung zu nehmen und seine Mitarbeit einzufordern, indem wir ihm die Befunde und die Gefahren der Progression erläutern. Dabei sollten wir das Wort „Erblindung“ vermeiden und vielmehr die Chancen einer dauerhaft und zuverlässig durchgeführten Therapie erläutern. Dies sollte bereits bei der ersten Besprechung der geplanten Therapie erfolgen. Aber auch alle weiteren Nachkontrollen können immer wieder genutzt werden, um dem Patienten die Bedeutung seiner Mitarbeit für eine konsequente Therapie zu verdeutlichen. Weitere, äußerst wichtige Faktoren, die zu guter Adhärenz beitragen und im Folgenden detaillierter erläutert werden, sind möglichst einfach umsetzbare Therapien sowie vor allem auch deren gute Verträglichkeit. Denn Glaukompatienten stellen in der Regel keine wahrnehmbare Verbesserung durch die Therapie fest – wohl aber deren Nebeneffekte. Fühlt sich ein Patient von lokalen oder auch systemischen Nebenwirkungen der Therapie sehr stark beeinträchtigt, so wird er nicht bereit sein, diese Therapie langfristig und konsequent umzusetzen, und gefährdet somit den Therapieerfolg. Wir sollten daher insbesondere lokale Beschwerden wie z. B. Probleme mit der Augenoberfläche sehr ernst nehmen, denn letztlich haben sie zur Folge, dass die Therapie nicht oder nur unzureichend angewendet wird.

Erste Nachkontrolle nach vier bis sechs Wochen

Ein klinisch sinnvolles Zeitfenster für eine erste Nachkontrolle sind etwa vier bis sechs Wochen, nachdem die Behandlung mit dem dynamischen Zieldruckkonzept geplant, der Patient für deren Anwendung gewonnen und mit der Therapie begonnen wurde. Dann sollte noch einmal ernsthaft überprüft werden, ob die Therapie so erfolgreich ist wie gewünscht, das heißt, ob der angepeilte Zieldruck auch tatsächlich erreicht wird. Ist dies nicht der Fall, sollten im Patientengespräch die genauen Ursachen dafür herausgefunden und die Therapie entsprechend optimiert werden. Die Gründe für einen unzureichenden Therapieerfolg können äußerst vielfältig sein und reichen von Schwierigkeiten bei der Applikation über nicht ausreichend drucksenkende Effekte der gewählten Medikation bis hin zu lokalen oder systemischen Nebeneffekten, die das Wohlbefinden des Patienten beeinträchtigen. Daher sollte im Gespräch zunächst erfragt werden, wie der Patient mit der Therapie zurechtkommt und ob er sie zuverlässig anwenden kann. Gerade ältere Menschen haben häufig Probleme mit der Beweglichkeit und Kraft ihrer Finger. Hinzu kommen Tremor und natürlich ein eingeschränktes Gesichtsfeld. In der Summe kann dies dazu führen, dass die kleinen Tropfflaschen nur schwierig geöffnet werden können. Auch die Gabe der Tropfen kann Probleme bereiten; teilweise erreichen nicht alle Tropfen das Auge. Bei Patienten, bei denen Schwierigkeiten vermutet werden, kann es daher sinnvoll sein, sich die Vorgehensweise demonstrieren zu lassen und gegebenenfalls Tipps zu einer zuverlässigeren Anwendung zu geben.

Möglichst einfaches Therapieschema festlegen, Fixkombinationen nutzen

Weiterhin sollte bei nicht erreichtem Zieldruck geprüft werden, ob möglicherweise eine Therapieumstellung auf einen anderen Wirkstoff oder eine Kombinationstherapie erforderlich ist. Dazu stehen uns heute in großem Umfang Mono- und Kombinationstherapien mit verschiedenen Wirkprinzipien und unterschiedlichem Ausmaß der Drucksenkung zur Verfügung. Zwar sind zunächst Monotherapien zu bevorzugen, da sie mit geringeren Nebeneffekten einhergehen. Kann allerdings der Augeninnendruck mit einer Monotherapie nicht mehr ausreichend gesenkt werden, so sollte eine Kombinationstherapie eingesetzt werden. Diesbezüglich sind Fixkombinationen immer den freien Kombinationen vorzuziehen, da sie vereinfachte Therapieschemata ermöglichen und dementsprechend zu einer verbesserten Therapieadhärenz beitragen können. Denn wenn der Patient nicht zu oft tropfen und nicht zu viele verschiedene Flaschen anwenden muss, so erleichtert dies eine konsequente Therapieumsetzung erheblich. Dies belegt auch eine evidenzbasierte Übersichtsarbeit, die zeigt, dass bei einmal täglicher Gabe die Adhärenz signifikant besser ist als bei dreimal täglicher Gabe. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn schließlich lässt sich eine einmal tägliche Gabe viel leichter in die Alltagsroutine wie etwa das morgendliche oder abendliche Zähneputzen integrieren und wird so seltener vergessen. Und gerade bei dauerhaften Therapien wie der Glaukomtherapie ist Vergesslichkeit der wesentliche Faktor für eine nur unzureichende Therapieumsetzung. Insgesamt gewinnen die Kombinationstherapien im Praxisalltag an Bedeutung und werden häufig eingesetzt: So ergaben die „Ocular Hypertension Treatment Study“ sowie auch unsere eigene Studie, dass etwa 40 % aller Patienten -sowohl mit okulärer Hypertension als auch mit Glaukomkombinationstherapien anwenden. Auch in einer Studie mit über 16.000 Glaukompatienten unter Prostaglandin-Analoga-Monotherapie wurden 42 % der Patienten im Verlauf der Therapie auf eine Kombinationstherapie umgestellt. Bei deren Anwendung sollte ihre unterschiedliche Wirkstärke beachtet werden, wobei der stärkste drucksenkende Effekt die Fixkombinationen aus Prostaglandin-Analoga (bzw. Prostamiden) in Kombination mit Timolol entfalten. Reicht auch dieser drucksenkende Effekt nicht aus, so kann die Fixkombination mit einer dritten Substanz ergänzt werden. In diesem Fall sind unbedingt die Wirkprinzipien der verschiedenen Antiglaukomatosa zu beachten. Die beste Kombinationswirkung erzielt man mit unterschiedlichen, additiven Wirkprinzipien. Weiterhin sollte man bei der Kontrolle des Zieldruckes auch die Kurzzeit-Tachyphylaxie bedenken, das heißt den Wirksamkeitsverlust eines Medikamentes nach einer gewissen Zeit. Ebenso sollte die Pigmentbindung bei der Beurteilung der Therapieeffektivität berücksichtigt werden: Liegt sehr viel Pigment vor, dann kann dort in den ersten zwei bis drei Wochen sehr viel Wirkstoff gespeichert werden, ohne eine Wirkung zu entfalten. Auch bei einem Therapiewechsel ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der zuerst eingesetzten Wirkstoffe noch im Pigment gebunden vorliegt, sodass bei Umstellung auf ein neues Medikament gewissermaßen eine Kombinationstherapie entsteht. Dementsprechend erzielt man in den ersten 14 Tagen oft sehr gute Drucksenkungen, die sich nach sechs Wochen jedoch schon wieder relativieren können, da dann das ausgewechselte Medikament aus dem Pigment ausgewaschen wurde und seine zusätzliche Wirkung entfällt. Angesichts dieser Effekte wird deutlich, dass ein Termin zur Nachkontrolle – sowohl nach Therapiebeginn als auch nach Umstellung – erst nach sechs Wochen sinnvoll ist, um die Effektivität der Therapie wirklich sicher beurteilen zu können.

Systemische Nebenwirkungen berücksichtigen

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Überprüfen der systemischen Nebenwirkungen, denn Antiglaukomatosa sind nicht nur im Auge wirksam, sondern haben auch zahlreiche subklinische Wirkungen. Diese können systemische Grunderkrankungen sowie auch deren Therapie beeinflussen: Antiglaukomatosa können z. B. die antihypertensive Therapie verstärken, Auswirkungen auf die Lunge haben, oder auch die diabetische Stoffwechsellage verändern. So können z. B. Alpha-2-Agonisten und in geringerem Umfang auch Betablocker systemisch zu einer zusätzlichen und ausgeprägten Blutdrucksenkung führen, die dann wiederum die Durchblutungssituation des Sehnervs beeinträchtigen kann. In diesem Fall hat man zwar den Augeninnendruck im Griff, hat aber gleichzeitig den Blutdruck soweit gesenkt, dass vaskulär die Situation am Sehnervenkopf eher ungünstig ausfällt. Bei Patienten mit arterieller Hypertonie kann es daher sinnvoll sein, ein 24-Stunden-Blutdruckprofil zu erstellen, um sicherzugehen, dass auch unter der Glaukomtherapie die diastolische Untergrenze von 60 mmHg – insbesondere nachts – nicht unterschritten wird. Denn gerade nächtliche Blutdruckabfälle sind stark mit einer Progression assoziiert. Weiterhin ist zu beachten, dass bei Lungenerkrankungen wie z. B. chronisch obstruktiven Bronchitis, Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung Betablocker kontraindiziert sind, allerdings in der Praxis dennoch häufig eingesetzt werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Diabetespatienten: Bei ihnen besteht mit den lokalen Betablockern die Gefahr, die hypoglykämischen Symptome zu maskieren, sodass es über ein Delir bis zum Koma kommen kann mit zum Teil unberechenbaren Stürzen. Bei Patienten mit Fettstoffwechselstörungen können topische Betablocker außerdem mit dem Lipidmetabolismus interagieren und die Lipolyse blockieren. Wie bereits beschrieben müssen wir in der patientengerechten Glaukomtherapie auch die lokalen Beschwerden bei den Patienten beachten. Dazu zählen im Wesentlichen: das trockene Auge, die Meibom-Drüsen-Dysfunktion und die konjunktivale Hyperämie. Alle drei Faktoren können die Lebensqualität der Patienten und ihre Zufriedenheit mit der Therapie erheblich beeinträchtigen und in der Folge dazu führen, dass die Therapie nicht ausreichend konsequent umgesetzt wird. Denn oft ist die Glaukomtherapie nicht sehr angenehm für die Patienten. So zeigt eine epidemiologische Querschnittstudie, dass unter einer Glaukomtherapie der Anteil an Patienten mit trockenem Auge erheblich anstieg und dies direkt assoziiert war mit ihrer Unzufriedenheit hinsichtlich ihrer Glaukomtherapie. Zudem ergab die Studie, dass die konjunktivale Hyperämie bei den Beschwerden mit Abstand an erster Stelle genannt wurde. Das ist sehr gut verständlich, denn ein stark gerötetes Auge stellt für viele Patienten im Alltag ein erhebliches Problem dar, da sie oft darauf angesprochen werden. Unsere eigene Studie mit über 20.000 Glaukompatienten liefert ein vergleichbares Bild und zeigt, dass etwa jeder zweite Glaukompatient gleichzeitig auch ein trockenes Auge aufwies. Im Vergleich zu Patienten ohne Trockenes Auge waren bei diesen Patienten Beschwerden wie Fremdkörpergefühl, gerötetes Auge, Jucken und Kratzen um den Faktor 10 bis 12 gesteigert. Auch in einer französischen Umfrage berichteten 62 % der Glaukompatienten von mindestens einer Nebenwirkung wie Augenjucken, Brennen, Tränen oder verschwommenes Sehen. Ein Fünftel der Patienten litt sogar unter vier oder mehr Nebenwirkungen gleichzeitig. Insgesamt zeigt die Studienlage einheitlich, dass lokale Beschwerden bei Glaukompatienten häufig auftreten, diese die Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Therapie erheblich beeinträchtigen und dazu führen, dass Therapien nicht ausreichend umgesetzt werden.

Lokale Nebenwirkungen mit höherer Progression assoziiert

Zudem ist die vom Patienten wahrgenommene Lebensqualität mit dem Schweregrad eines trockenen Auges assoziiert: je ausgeprägter die Symptome sind, desto stärker ist auch die Lebensqualität eingeschränkt. Das Gleiche gilt für die Lesefähigkeit, die durch ein trockenes Auge ebenfalls deutlich beeinträchtigt wird, was den Patienten wiederum den Alltag deutlich erschweren kann. Daher sind insbesondere Patienten mit fortgeschrittenem Glaukom und einem ausgeprägten trockenen Auge erheblich betroffen. Dies wiederum kann ihre Zufriedenheit mit der Therapie mindern, in der Folge die Adhärenz herabsetzen und damit den langfristigen Erfolg der Glaukomtherapie gefährden: So weisen Patienten, bei denen Nebenwirkungen auftreten oder die mit ihrer Therapie unzufrieden sind, ein höheres Progressionsrisiko auf als Patienten, bei denen das nicht der Fall ist. Dabei liegt das relative Risiko für eine Progression bei Patienten mit Nebenwirkungen mit 3,3 recht hoch. Insgesamt bedeutet dies, dass die tatsächliche Anwendung und die Zufriedenheit mit der Therapie sehr wichtige Aspekte sind, um die wir uns im Gespräch mit den Patienten kümmern müssen. Eine reine Fokussierung auf den Zieldruck ist nicht zielführend, denn die Therapie muss von den Patienten auch vertragen werden, damit sie konsequent angewendet wird und wirken kann. Im Praxisalltag bedeutet dies, dass wir uns bei der Therapieplanung und Kontrolle unbedingt auch mit diesen Faktoren beschäftigen müssen, da sie erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität und auf die Therapietreue der Patienten nehmen.

Umstellung auf konservierungsmittelfreie Therapie erwägen

Stellt man im Gespräch fest, dass der Patient unzufrieden mit der Therapie ist und unter lokalen Nebenwirkungen leidet, so sollte man eine Therapieumstellung erwägen. So kann man die Situation erheblich verbessern, wie unsere prospektive Studie mit über 2000 Patienten zeigte, die vorwiegend ein primäres Offenwinkelglaukom aufwiesen und mit konservierten Prostaglandin-Analoga behandelt wurden. Der häufigste Grund für eine Therapieumstellung waren lokale Beschwerden: Insgesamt wünschte mehr als die Hälfte der Patienten eine Therapieumstellung aufgrund lokaler Nebeneffekte, etwa ein Drittel dieser Patienten litt unter einer konjunktivalen Hyperämie. Sechs bis zwölf Wochen nach einer Therapieumstellung auf konservierungsmittelfreies Tafluprost 0,0015 % war eine erhebliche Verbesserung der lokalen Symptomatik festzustellen: Über 80 % der Patienten bewerteten die Verträglichkeit ihrer Therapie mit „gut“ oder „sehr gut“. Vor der Therapieumstellung waren dies weniger als 10 % der Patienten .

Jeder zweite Glaukompatient von trockenem Auge betroffen

Wie relevant dieses Thema im Praxisalltag ist, zeigen auch die Ergebnisse unterschiedlicher Studien, die einheitlich belegen, dass etwa jeder zweite Glaukompatient unter einem trockenen Auge leidet. Dies hat mehrere Ursachen: Erstens weisen Glaukompatienten auch ohne Behandlung ohnehin eine um 27 % niedrigere basale Tränenproduktion auf als altersentsprechende gesunde Probanden und haben somit ein primäres Sicca-Syndrom. Entscheidender für die Glaukompatienten ist allerdings das sekundäre Sicca-Syndrom, das als Folge einer langfristigen topischen Glaukomtherapie auftreten kann. Dabei spielen die antiglaukomatösen Wirkstoffe selbst, aber vor allem auch Konservierungsstoffe, eine ganz wesentliche Rolle. So greifen sämtliche Antiglaukomatosa in den pathophysiologischen Teufelskreis des trockenen Auges ein. Unter den Prostaglandin-Analoga kommt es zum Beispiel experimentell zu einer ausgeprägten Ausschüttung des transformierenden Wachstumsfaktors-ß im Überstand von humanen Tenon-Fibroblasten. Insgesamt führt eine lokale Therapie daher langfristig zu entzündlichen Reaktionen und Fibrosierungen, die Strukturveränderungen der Bindehaut induzieren. Unterstützt wird dies durch die Tatsache, dass sich die Tränenfilmsituation unter der Therapie ebenfalls zu einer entzündlichen Situation wandelt. Auch über diesen Weg wird eine erhöhte Ausschüttung von NF-κB, einem der wichtigsten Transkriptionsfaktoren für Entzündungsreaktionen, induziert. Demensprechend führen sämtliche einzelnen Störungen, die unter langfristiger Glaukomtherapie auftreten können, zur Aktivierung von NF-κB und in der Folge zu oxidativem Stress, Entzündungsreaktionen und schließlich zum trockenen Auge, zur konjunktivalen Hyperämie und zur Meibom-Drüsen-Dysfunktion. In diesem Zusammenhang kann auch eine Hyperkeratinisierung der Ausführungsgänge auftreten, sodass das Sekret nicht mehr nach außen abgegeben werden kann. In der Folge kommt es zu einer Störung der Oberflächenstabilität des Tränenfilms, da die Meibom-Drüsen für die lipidhaltige Schicht des Tränenfilms verantwortlich sind.

Konservierungsmittelfreie Therapie – von Beginn an

Zusätzlich wird das sekundäre Sicca-Syndrom allerdings auch durch die langfristige Anwendung von Benzalkoniumchlorid (BAC) hervorgerufen, einem Konservierungsmittel, das bei vielen Antiglaukomatosa zum Einsatz kommt. Es hat zwar eine sehr gute und breite antibakterielle Wirkung, gleichzeitig zeigt es allerdings auch negative Effekte auf die Bindehautzellen – und dies bei einer relativ langen Halbwertszeit von etwa 20 Stunden. Dies bedeutet, dass bei zweimal täglicher Therapie die Augen dem Konservierungsmittel permanent ausgesetzt sind. Dabei sind die schädigenden Effekte von BAC vielfältig. So wird z. B. die Energieversorgung der Zellen gestört, und es kommt zu massiven Entzündungs- und Umbaureaktionen im Bereich der Bindehaut, die bei langjähriger BAC-Anwendung zu einer verstärkten fibrotischen Wundheilung führen und somit den Erfolg möglicherweise erforderlicher, filtrierender operativer Verfahren gefährden kann. Zudem entfaltet BAC negative Wirkungen im gesamten Auge bis in den Hinterabschnitt hinein. So wurde in Tierexperimenten gezeigt, dass BAC auch im Bereich des Trabekelwerkes, der Aderhaut sowie am Sehnerv und im Bereich der Netzhaut zu massiven Anstiegen von Entzündungsmarkern führt. Somit werden durch Antiglaukomatosa und vor allem durch Konservierungsmittel wie BAC Entzündungsprozesse am und im Auge begünstigt. Diese fördern die Entwicklung eines trockenen Auges, einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion sowie der konjunktivalen Hyperämie . In diesem Zusammenhang sollte man sich verdeutlichen, dass Glaukompatienten – wie oben beschrieben – erheblich z. B. unter einer konjunktivalen Hyperämie leiden und etwa ein Drittel der Glaukompatienten mit trockenem Auge davon betroffen ist. Dabei kann durch geschickte Wahl der Medikation die Häufigkeit einer konjunktivalen Hyperämie signifikant reduziert werden. So hat eine Metaanalyse zweier Phase-III-Studien ergeben, dass nach Umstellung von BAC-konserviertem Latanoprost auf konservierungsmittelfreies Tafluprost die Symptome und Anzeichen einer Augenoberflächenerkrankung sowie einer konjunktivalen Hyperämie signifikant vermindert waren. Bestätigt wird dies durch eine Studie, die zeigt, dass verschiedene Prostaglandin-Analoga unterschiedlich starke entzündliche Effekte hervorrufen, wobei die niedrigste Rate unter dem konservierungsmittelfreien Tafluprost auftrat. Dessen Effekt war kaum noch von dem einer reinen Kontrolllösung zu unterscheiden. Daher ist nach meiner Meinung die konservierungsmittelfreie Therapie heute die Methode der Wahl, da sich damit lokale Nebeneffekte und insbesondere eine konjunktivale Hyperämie von vornherein verringert, was wiederum zu einer besseren Therapietreue beiträgt. Deshalb ist die unkonservierte Therapie auch schon zu Beginn einer antiglaukomatösen Therapie einzusetzen. Zwar kann nach Umstellung von konservierter auf konservierungsmittelfreie Therapie auch eine Linderung der lokalen Nebeneffekte erzielt werden. Allerdings ist eine Therapieumstellung in der Regel mit höheren Kosten verbunden. Somit ist es sowohl aus medizinischen als auch aus ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll, schon primär mit einer konservierungsmittelfreien Therapie zu starten.

Für Schutz der Augenoberfläche sorgen

Ein letzter, wichtiger Punkt betrifft den Schutz der Augenoberfläche. Wie gerade beschrieben, weisen fast 50 % der Glaukompatienten ein trockenes Auge auf, und unser Ziel sollte es sein, ihnen eine Therapie anzubieten, um diese lokalen Beschwerden zu lindern. Wie bereits dargelegt, ist ein wichtiger Baustein die Behandlung mit einer konservierungsmittelfreien Glaukomtherapie. Auch wenn bei einer Umstellung von einer konservierten auf eine konservierungsmittelfreie Glaukomtherapie zwar keine vollständige Aufhebung der Symptome eines trockenen Auges erwartet werden kann, da die Wirkstoffe ihr Nebenwirkungsspektrum beibehalten, so wird doch sehr wohl eine signifikante und für den Patienten relevante Reduktion der Beschwerden erzielt. Zudem begünstigt auch eine große Anzahl verabreichter Medikamente das trockene Auge. So lag in unserer Studie der Anteil des trockenen Auges bei Behandlung mit einer Medikation bei 50 % und bei fünf verschiedenen Medikamenten schon bei 67 %. Auch zum Schutz der Augenoberfläche empfiehlt es sich daher, auf fixe Kombinationstherapien zurückzugreifen. Treten dennoch Folgereaktionen wie z. B. eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion auf, dann gilt es, diese möglichst frühzeitig zu therapieren, um Beschwerden zu mildern und so dazu beizutragen, dass der Patient seine Glaukomtherapie konsequent weiter anwendet. Diesbezüglich stehen heute Einmalpads zur Lidrandpflege sowie konservierungsmittelfreie Phospholipid-haltige, mit Liposomen behaftete Augensprays zur Verfügung, die die Oberfläche sehr gut mit diesen Fetten versorgen. Als Kurzzeittherapie kann auch Azithromycin zur Behandlung der Meibom-Drüsen-Dysfunktion eingesetzt werden. Wesentlich ist, dass man diese Erkrankung in das gesamte Therapiekonzept mit einbezieht. Schließlich weisen etwa 60 % aller Glaukompatienten eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion auf. Hinsichtlich der Tränenersatzmittel empfehlen wir vor allem Mehrphasenprodukte. Sie haben den großen Vorteil, dass sie eine bessere Stabilisierung in den verschiedenen Schichten des Tränenfilms erreichen. So stehen z. B. Dreiphasenpräparate zur Verfügung, die einen inneren Kern mit Triglyceriden enthalten, der von einem mittleren Kern aus grenzflächenaktiven Substanzen und einer äußeren Hülle aus Cetakoniumchlorid umgeben ist. Die grenzflächenaktiven Substanzen des mittleren Kerns sorgen für eine gute Verteilung des Tränenersatzmittels im Tränenfilm, und die kationische Hülle bindet die Nanotröpfchen an die negativ geladene Muzinschicht des Tränenfilms. Dies sorgt für eine bessere Ankopplung dieser Tröpfchen an die Oberflächenschicht des Hornhautepithels, für eine längere Verweildauer auf der Augenoberfläche sowie für eine Stabilisierung des Tränenfilms, für eine Regeneration des Epithels und insgesamt für eine längere Wirksamkeit.

Fazit

  • Akzeptanz, gute Verträglichkeit sowie einfaches Handling der Therapie unterstützen eine gute Adhärenz.
  • Die Chancen einer konsequenten Therapie und die Bedeutung seiner Mitarbeit sollten dem Patienten in jedem Gespräch vermittelt werden.
  • Erste Nachkontrollen zur Effektivität der Therapie sollten nach vier bis sechs Wochen erfolgen.
  • Lokale und systemische Nebeneffekte der Therapie können die Adhärenz beeinträchtigen und sollten daher bei Therapieplanung und Nachkontrollen unbedingt erfragt und beachtet werden.
  • Wesentliche lokale Beschwerden, die die Lebensqualität der Patienten und die Umsetzung der Glaukomtherapie erheblich beeinträchtigen, sind trockenes Auge, Meibom-Drüsen-Dysfunktion, konjunktivale Hyperämie.
  • Monotherapien stellen für den Patienten eine geringere Belastung durch die Wirksubstanzen dar, erzielen allerdings nicht immer die gewünschte Drucksenkung. In diesem Fall sollte auf Kombinationstherapien umgestellt werden.
  • Fixe Kombinationstherapien sind freien Kombinationstherapien vorzuziehen, da sie eine effektivere Drucksenkung erzielen, einfacher in der Anwendung sind (trägt zu besserer Adhärenz bei), mit weniger lokalen Beschwerden einhergehen (trägt zu besserer Adhärenz bei)
  • Die konservierungsmittelfreie Glaukomtherapie ist heute die Methode der Wahl und sollte möglichst von Beginn an eingesetzt werden, da sie lokale Beschwerden reduziert und zu einer besseren Adhärenz beiträgt.
  • Unkonservierte Therapien zum Schutz der Augenoberfläche sollten angeboten werden, um lokale Beschwerden zu minimieren und die Umsetzung der Glaukombehandlung zu unterstützen.