Orthopädische Aspekte der Mukopolysaccharidosen

Mukopolysaccharidosen (MPS) sind seltene, angeborene Stoffwechselstörungen mit einer hochgradigen Heterogenität im klinischen Bild und im Verlauf. Skelett- und Gelenkbeteiligungen sind eine der wichtigsten Krankheitsmanifestationen bei MPS. Die Gelenkerkrankung bei den MPS ist progressiv und typischerweise ohne klinische Anzeichen einer Entzündung. Die Arthropathie bei den MPS führt zu einem fortschreitenden Verlust der manuellen Fertigkeiten, der Wirbelsäulenausrichtung, der Hüftgelenkfunktion und beeinträchtigt die Beweglichkeit durch die Gelenkkontrakturen und damit die Lebensqualität stark.

Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, da mit einer frühen und adäquaten Therapie das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt werden kann. In dieser Fortbildung erfahren Sie u. a., welche skelettalen Manifestationen bei MPS charakteristisch sind, woran Sie frühzeitig eine attenuierte MPS-Form erkennen können und welche orthopädischen Maßnahmen als symptomatische, supportive Therapien zur Verfügung stehen.

Dr. med. Christina Lampe, Gießen
"Die MPS sind nicht nur eine Stoffwechselerkrankung, sondern auch Teil der großen Gruppe der Skelettdysplasien, die charakterisiert sind durch Wachstums-, Entwicklungs-, Differenzierungs- und Erhaltungsanomalien bei Knochen und Knorpel".


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709122019740011
Zeitraum 15.02.2022 - 14.02.2023
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Christina Lampe
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (Webcast)
Lernmaterial Vortrag (40:28 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Sanofi-Aventis Deutschland GmbH
Bewertung 4.3 (216)

Einleitung

Mukopolysaccharidosen (MPS) sind eine Gruppe von sieben seltenen Stoffwechselstörungen, die zwischen 3,4 und 4,5 pro 100.000 Lebendgeburten betreffen. Sie werden durch elf spezifische Enzymdefekte verursacht, die für den Katabolismus von Glykosaminoglykanen (GAG) verantwortlich sind, langkettigen Polysacchariden, die mit einem Proteinkern verbunden sind und die Grundsubstanz des Bindegewebes bilden. Der unvollständige Abbau der GAG führt zu ihrer Akkumulation in den Lysosomen der Zellen im gesamten Körper, in der Folge zu einer Multiorgandysfunktion und bei den meisten Patienten zu einer erheblichen Morbidität. Wie die meisten anderen erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen zeigen die MPS eine hochgradige Heterogenität im klinischen Bild und im Verlauf. Skelett- und Gelenkbeteiligungen sind einer der wichtigsten Krankheitsmanifestationen bei MPS. Daher werden die MPS auch den Skelettdysplasien zugeordnet, einer großen Gruppe genetisch bedingter Erkrankungen, die durch Wachstums-, Entwicklungs-, Differenzierungs- und Erhaltungsanomalien bei Knochen und Knorpel charakterisiert sind.

Klassifikation der Skelettdysplasien (SD)

In den 1960er-Jahren wurden Patienten mit disproportioniertem Kleinwuchs entweder als Achondroplasie (short-limbed type of SD, langer Stamm und kurze Extremitäten) oder Morquio-Syndrom (short-trunked type of SD, kurzer Stamm und lange Extremitäten) eingestuft. In den 1970er-Jahren waren die Einteilungen weitestgehend klinisch und beschreibend. Aktuell umfasst die zehnte Version der Nosologie von 2019 insgesamt 461 verschiedene Krankheiten, die auf der Grundlage ihrer klinischen, röntgenologischen und/oder molekularen Phänotypen in 42 Gruppen eingeteilt sind. Bemerkenswert ist, dass für 92 % (425/461) dieser Erkrankungen pathogene Varianten gefunden wurden, die 437 verschiedene Gene betreffen. Die „Gruppe 27” umfasst die lysosomalen Speicherkrankheiten mit skelettaler Beteiligung, die auch als „Dysostosis-multiplex-Gruppe” bezeichnet wird. Diese Gruppe beinhaltet die Untergruppe der Mukopolysaccharidosen.

Dysostosis Multiples bei MPS

Dysostosis multiplex ist der Oberbegriff für die radiologischen Veränderungen bei MPS. Alle Formen von MPS-Erkrankungen weisen mehr oder weniger stark eine Dysostosis multiplex auf. Die Dysostosis-multiplex-Veränderungen bei MPS können nahezu das gesamte Skelettsystem betreffen. Diesen Knochenveränderungen, denen eine fehlerhafte endochondrale und membranöse Knochenbildung und -reifung im gesamten Körper zugrunde liegen, beginnen früh im Krankheitsverlauf: Wie Daten einer MPS-I-Registerstudie zeigten, traten bei Scheie-Patienten, der attenuierten Verlaufsform der MPS I, die ersten orthopädischen Symptome, Gelenkkontrakturen, Dysostosis multiplex und Hüftdysplasie im Schnitt im Alter von 7,6 bis 8,4 Jahren auf. Bei Hurler-Scheie-Patienten fielen erstmals im Alter von 4,1 bis 4,6 Jahren Dysostosis multiplex, Gelenkkontrakturen und Kyphose/Gibbus auf. Sie sind jedoch in der Regel nicht die ersten Symptome, die meist unspezifisch sind, wie rezidivierende Infekte der Atemwege und Ohren sowie Nabel- und Leistenhernien.

Pathophysilologie der Knochen- und Gelenkmanifestation bei MPS

Forschungsergebnisse aus Tiermodellen deuten darauf hin, dass die Akkumulation von Glykosaminoglykanen (GAG) im Bindegewebe wahrscheinlich nicht allein für die Knochen- und Gelenkmanifestationen bei MPS verantwortlich ist. Vielmehr liegen diesen komplexe pathogene Kaskaden zugrunde, die zu metabolischen, inflammatorischen und immunologischen Antworten führen, obwohl es bei MPS in der Regel weder klinische noch laborchemische Anzeichen einer Gelenkentzündung gibt. Es wird vermutet, dass endogene GAG-Fragmente aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit Lipopolysacchariden direkt Toll-like-4-Rezeptoren aktivieren können. Diese Rezeptoren dienen u. a. der Erkennung von pathogenen Bakterienbestandteilen. Die Aktivierung des TLR-4-Signalweges führt zur Synthese und Sekretion von Entzündungsmediatoren, darunter Chemokinen, Zytokinen und I nterleukinen. Es werden vermehrt Stickoxide und Prostanoide gebildet. Die Bildung von Kollagenosen wie die Matrix-Metalloproteinasen wird angeregt, Wachstumsfaktoren werden ausgeschüttet. Auf diese werden die Osteoklastogenese, die Apoptose von Chondrozyten und die Proliferation von Synovialzellen stimuliert und so der Abbau von Extrazellulärmatrix, Knorpel und Knochen gefördert, Gelenke zerstört und die Knochendichte verringert.

Symptome und Komplikationen der Gelenk- und Skelettbeteiligung

Die verschiedenen MPS-Typen weisen einige gemeinsame Merkmale auf, darunter vor allem die Gelenksteifigkeit aufgrund der Ablagerung von GAG mit einer daraus resultierenden Verdickung von Kapseln, Sehnen und Bändern. Dies geht später, im Verlauf der Erkrankung, mit Veränderungen der deformierten Gelenkflächen einher. Während bei MPS III die Gelenke weniger betroffen sind, leiden die Patienten mit MPS I, II, VI und VII an Gelenksteifigkeit und Kontrakturen. Im Gegensatz dazu zeigen MPS-IVA- und MPS-IVB-Patienten eine Hypermobilität der Gelenke und in der Regel eine schwerere skelettale Dysplasie als die anderen MPS-Typen. Eine Veränderung des linearen Knochenwachstums, die zu einem disproportionierten Kleinwuchs führt, ist ebenfalls ein charakteristisches Merkmal aller schwer betroffenen Patienten mit MPS I, II, IV, VI und VII. Zu den Symptomen gehören Makrozephalie, Valgusdeformität der Knie, Deformität des Brustkorbes und Deformierung der Wirbelsäule. Eine Wirbelbeteiligung ist häufig und kann zu Gibbus, Skoliose, Kyphose und Rückenmarkkompression führen. Bei den attenuierten MPS-I-Formen (Hurler-Scheie und Scheie) sind vor allem Bewegungseinschränkungen infolge von Gelenksteifigkeit und Kontrakturen erste deutliche klinische Anzeichen der Erkrankung. Bei den Betroffenen können aber auch Hüftdysplasie, Valgusdeformität der Knie und/oder Deformationen der Wirbelsäule auftreten. Außerdem ist bereits ab dem zweiten Lebensjahr eine Wachstumsverzögerung zu beobachten. Die Gelenkerkrankung bei den MPS ist progressiv und typischerweise ohne klinische Anzeichen einer Entzündung. Die Arthropathie bei den MPS führt zu einem fortschreitenden Verlust der manuellen Fertigkeit, der Wirbelsäulenausrichtung, der Hüftgelenkfunktion und beeinträchtigt die Beweglichkeit und damit die Lebensqualität stark. Manche Komplikationen der Skelett- und Gelenkerkrankungen treten häufiger auf und können gelegentlich einen chirurgischen Eingriff erfordern. In jedem Fall können intensive Physiotherapie, Dehnung der Gelenke, Bänder und Sehnen, Orthesen, Einlagen und Korsetts sowie individuelles Schuhwerk die Beweglichkeit verbessern und erhalten sowie die Schmerzen verringern.

Hüftdysplasie

Fast alle Kinder mit MPS weisen eine Hüftdysplasie auf. Typische Veränderungen der Hüfte sind extrem flache Acetabula, eine Entrundung des Hüftkopfes und ein vergrößerter Hals-Diaphysen-Winkel. Das bedeutet, die Hüfte wächst oder schiebt sich aus der zu flachen Hüftpfanne heraus, sodass es zu Luxationen und Subluxationen kommen kann. Die Folge sind Bewegungseinschränkungen und Schmerzen, obwohl viele radiologische Veränderungen nicht mit den klinischen Symptomen korrelieren. Ob die betroffenen Patienten operativ oder konservativ behandelt werden sollen, wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert und sollte individuell entschieden werden.

Genua Valga

Genua valga sind häufige Skelettmanifestationen bei MPS, die bei fast allen Kindern mit MPS IV auftreten, aber auch bei Kindern mit MPS II, VI sowie bei allen MPS-I-Formen beobachtet werden. Aufgrund der geringen Fallzahlen liegen die Angaben zur Prävalenz bei MPS I je nach Studie zwischen 3 % und ca. 30 %. Die Beinfehlstellung schreitet gewöhnlich ab dem Beginn der Gehfähigkeit fort, sodass eine Operation erforderlich werden kann. Unbehandelt kommt es zu Gelenkinstabilitäten; langfristig kann sich eine Gonarthrose entwickeln.

Fußdeformationen

Typische Deformitäten bei MPS sind Spitzfuß, Rückfußvalgus, Vorfußadduktus mit Vorwölbung des ersten Mittelfußköpfchens und Krallenzehen. Auch ein Valgus des Sprunggelenkes ist recht häufig. Röntgenuntersuchungen und Ganganalysen deuten darauf hin, dass die Deformitäten in Knöchel und Füßen in erster Linie auf eine Pronation des unteren Sprunggelenkes und eine Schwäche der Tibialis-posterior-Sehne zurückzuführen sind, die beide durch das Valgusknie und die Hüftdysplasie verschlimmert werden können. In der Mehrzahl der Fälle können Fuß- und Knöchelprobleme konservativ mit Einlagen, Orthesen und maßgefertigtem Schuhwerk behandelt werden. Es kann aber auch eine chirurgische Korrektur in Betracht gezogen werden. Allerdings können die Deformitäten wieder auftreten.

Karpaltunnelsyndrom und Triggerfinger

Bei MPS I, II und VI sind Karpaltunnelsyndrom (KTS) und Triggerfinger häufig zu beobachten. Die GAG-Akkumulation im Retinaculum flexorum und im Weichgewebe um den Nervus medianus im Karpaltunnel verursacht eine chronische Kompression des N. medianus. Wichtig ist eine rechtzeitige Diagnosestellung und Behandlung, bevor der Nerv irreversibel geschädigt wird. Der Goldstandard zur Erkennung eines KTS ist die regelmäßige Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, z. B. alle ein bis zwei Jahre. Da frühe klinische Anzeichen und Symptome meist fehlen, ist die Diagnose in der Regel nur in Zusammenschau mit anamnestischen Angaben, klinischen Befunden und einer hochdifferenzierten Elektrophysiologie zu stellen. Da es sich nicht um einen inflammatorischen Prozess handelt, sondern die GAG-Ablagerungen das KTS hervorrufen, ist auch keine antientzündliche Therapie und Ruhigstellung indiziert, sondern die operative Dekompression des N. medianus die einzige Therapieoption. Triggerfinger erfordern in der Regel ebenfalls einen chirurgischen Eingriff.

Kyphosen und Skoliosen

Bei den meisten MPS-Formen ist die Wirbelsäule deformiert, wenn auch mit großer Variabilität. Eine Kyphoskoliose oder thorakolumbale Kyphose gilt als typisches klinisches Zeichen. Die Gibbus-Deformität kann bei nahezu allen MPS-Typen auftreten. Eine schwere thorakolumbale Kyphose liegt häufig bei Patienten mit MPS I und MPS VI vor. Krümmungen mit einem Cobb-Winkel von über 40 Grad zeigen eine Tendenz zur Progression. Eine chirurgische Stabilisierung, die das Fortschreiten der Kyphose stoppen kann, ist bei MPS I und MPS VI häufig erforderlich, auch nach einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT). Die Indikationen für eine Operation sind je nach den Bedürfnissen des Kindes und den Wünschen der Familie unterschiedlich. Eine Korsettbehandlung kann die Deformität zumindest zeitweise stabilisieren. Das individuelle Anästhesierisiko, potenzielle Komplikationen und der Leidensdruck durch die Fehlstellung sind bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen.

Rückenmarkkompression

Probleme mit der Halswirbelsäule sind bei Kindern mit MPS extrem häufig und potenziell lebensbedrohlich. Bei MPS IV führt häufig eine Hypoplasie des Processus odontoideus (Dens axis) zusammen mit der Hypermobilität der Gelenke zu einer Instabilität im Bereich der beiden ersten Halswirbel (atlantoaxiale Instabilität) mit dem Risiko einer Kompression des Rückenmarkes. Auch bei MPS VI und bei schwerer unbehandelter MPS I (M. Hurler) wurde über eine atlantoaxiale Instabilität berichtet. Kinder mit MPS I, die sich einer HSZT unterzogen haben, wiesen häufig eine Normalisierung ihres odontoiden Prozesses auf. Bei vielen MPS-Patienten lagen jedoch weiterhin Ablagerungen von GAG im Subarachnoidalraum direkt hinter dem C2-Wirbel vor; bei einigen war auch nach einer HSZT noch eine chirurgische Behandlung der Halswirbelsäulenerkrankung erforderlich. Attenuierte Formen von MPS I (Hurler-Scheie und Scheie) können ebenfalls eine Halswirbelsäulenstenose mit Myelopathie entwickeln und erfordern daher eine sorgfältige Überwachung dieses Prozesses. Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist der Goldstandard unter den Bildgebungsverfahren zum Nachweis einer Rückenmarkkompression. Zumindest sollten ein Computertomografie-(CT-)Scan durchgeführt und die folgenden Informationen vom Radiologen erfragt werden: 1. Vorhandensein, Fehlen oder Dysplasie des Odontoidfortsatzes von C2, posteriore Elemente, Wirbelkörper und Bandscheiben 2. Grad der Band- und Duraverdickung 3. Wirbelsäulenkyphose, Skoliose, Instabilität, Stenose oder Gleitwirbel 4. Vollständiger oder teilweiser Austritt von Rückenmarkflüssigkeit um das Rückenmark herum 5. Veränderungen der Rückenmarkkontur und des Kompressionsgrades der Wirbelsäule 6. Signalveränderung im Rückenmark, das auf eine Myelomalazie oder ein Ödem hinweist.

Wachstumsstörungen und Kleinwüchsigkeit

Wachstumsstörungen und Kleinwüchsigkeit sind Merkmale, die bei allen MPS-Patienten auftreten, unabhängig von MPS-Typ oder Schweregrad. Allerdings wird im ersten Lebensjahr sowohl bei schweren als auch bei attenuierten Phänotypen ein normales oder sogar ein verstärktes Wachstum beobachtet. Erst im Alter von zwei Jahren weicht die Körpergröße bei den attenuierten MPS-I-Formen von den Referenzkurven ab. Besonders auffallend sind die signifikanten Wachstumsdefizite zwischen fünf und zwölf Jahren, eine verzögerte Pubertät und ein geringfügiger oder fehlender pubertärer Wachstumsschub. Die von erwachsenen Patienten erreichte Größe hängt vom Schweregrad des Phänotypes ab, bei Hurler-Scheie und Scheie reicht diese von 130 bis 164 cm. Obwohl die Wachstums-, Geschlechts- und Schilddrüsenhormonfunktionen bei Kindern mit MPS unauffällig sind, wird eine späte Knochenreifung oder verzögerte Ossifikation des Knochens beobachtet. Als mögliche Erklärung wird angenommen, dass der Wachstumsprozess durch die Akkumulation von GAG in den Epiphysenplatten direkt gestört wird. Eine Enzymersatztherapie kann das Wachstum positiv beeinflussen (bei MPS I und MPS II), wenn die Behandlung vor der Pubertät begonnen wird.

Supportives orthopädisches Managament

Skelettdysplasien erfordern in der Regel eine koordinierte, multidisziplinäre Versorgung. Regelmäßige klinische Untersuchungen, die Messung des Bewegungsumfanges der Gelenke, Röntgenaufnahmen, CT und MRT (insbesondere Wirbelsäule) können helfen, den Krankheitsverlauf und die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffes zu evaluieren. Insbesondere die Entscheidung für einen chirurgischen Eingriff muss wegen des hohen Anästhesierisikos bei MPS sehr sorgfältig gestellt werden. Die Behandlungsprinzipien für orthopädische Komplikationen sind die Verhinderung oder Korrektur von Deformitäten, die Stabilisierung bei Gelenkhypermobilität, die Vorbeugung von Frakturen, der Ausgleich von Längenunterschieden der Gliedmaßen und der Gelenkersatz bei arthrotischen Veränderungen oder Luxationen. Ziel ist außerdem, die Wirbelsäule zu entlasten, neu auszurichten und zu stabilisieren, um Fehlbildungen und neurologische Schäden zu verhindern. Dabei ist zu bedenken, dass jede Korrektur eines Gelenkes Auswirkungen auf alle anderen Gelenke nach sich zieht. Selbst Einlagen in den Schuhen verändern die Belastung und die Funktion der Kniegelenke, der Hüftgelenke und der Wirbelsäule. Bei Kontrakturen sind Physiotherapie mit Dehnung sowie mit isometrischer Muskelstärkung zur Schienung und Kontrolle der Gelenke sinnvoll. Schwimmen eignet sich sehr gut für diese Patienten. Neben regelmäßiger Rehabilitation können auch Orthesen für die Hand oder Handgelenke eingesetzt werden, um diese zu stabilisieren. Wichtig ist eine Schulung der Feinmotorik. Nach Schmerzen sollte gezielt gefragt werden, da sie die Lebensqualität stark einschränken können. Bei Personen mit einem kleinen Brustumfang ist eine Atemunterstützung unerlässlich.

Fazit

Die Variabilität und Heterogenität der einzelnen Mukopolysaccharidosen (MPS) ist groß. Dennoch weisen alle MPS-Erkrankungen mehr oder weniger starke klinische und radiologische Knochen- und Gelenkveränderungen auf (Dysostosis multiplex) und werden daher den Skelettdysplasien zugeordnet. Die Knochenveränderungen, denen eine fehlerhafte endochondrale und membranöse Knochenbildung und -reifung im gesamten Skelettsystem zugrunde liegen, beginnen schon sehr früh im Krankheitsverlauf. Typisch sind Gelenksteifigkeit und Kontrakturen, außer bei MPS-IV-Patienten, die eine Hypermobilität der Gelenke aufweisen. Eine Veränderung des linearen Knochenwachstums, die zu einem disproportionierten Kleinwuchs führt, ist ebenfalls ein charakteristisches Merkmal. Die Gelenkerkrankung bei den MPS ist progressiv und typischerweise ohne klinische Anzeichen einer Entzündung. Die Patienten sollten sorgfältig überwacht werden, um Deformitäten zu verhindern oder zu korrigieren und gegebenenfalls chirurgisch zu behandeln. Im orthopädischen Management spielen Physiotherapie, Schmerzmedikation, Einlagen, Orthesen, Korsetts und Spezialschuhe eine zentrale Rolle.

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