Mukopolysaccharidosen im Überblick – Teil 1

Mukopolysaccharidosen (MPS) sind erbliche, progrediente Speicherkrankheiten, hervorgerufen durch die intrazelluläre Anhäufung von Glykosaminoglykanen (sauren Mukopolysacchariden). MPS werden durch einen genetisch bedingten Mangel lysosomaler Enzyme verursacht, die für den Abbau von Glykosaminoglykanen verantwortlich sind. Die Erkrankungen manifestieren sich häufig bereits im Kindesalter. Das klinische Bild ist vielfältig und initial häufig unspezifisch. Gelenksteifigkeit und Gelenkkontrakturen in Kombination mit Skelettveränderungen und beidseitiger Hüftdysplasie in Abwesenheit von Entzündungszeichen können frühe Hinweise liefern. Im Verlauf können fast alle Organsysteme betroffen sein. Da es kein spezifisches „MPS-Symptom“ gibt, sondern erst die Summe vieler unspezifischer und variabler Symptome zur Diagnose führt, werden MPS oft übersehen oder mit rheumatologischen Erkrankungen verwechselt.

Eine frühe Diagnosestellung und rechtzeitige Einleitung des Therapiemanagements können die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamen und schweren Komplikationen vorbeugen. Für die Therapie stehen insbesondere die hämatopoetische Stammzelltransplantation und die spezifische Enzymersatztherapie zur Verfügung. Die genetische Beratung betroffener Familien hat einen hohen Stellenwert für die Prävention.

Zum Teil 2 der Fortbildung.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123078160018
Zeitraum 21.08.2023 - 20.08.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Christina Lampe
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Fachartikel
Lernmaterial Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Sanofi-Aventis Deutschland GmbH
Bewertung 4.3 (416)

Einleitung

Mukopolysaccharidosen (MPS), wie z. B. die Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I), gehören zur Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten (LSD, engl. lysosomal storage disorders). LSD zählen zu den seltenen Erkrankungen. Insgesamt sind über 50 verschiedene LSD-Erkrankungen beschrieben. Dabei handelt es sich um genetisch bedingte Stoffwechselstörungen, die durch das gänzliche Fehlen oder einen Mangel von lysosomalen Enzymen verursacht werden. Lysosomen spielen eine zentrale Rolle beim Abbau von zellulären Substraten. Der Abbau dieser Substrate wird von spezifischen lysosomalen Enzymen katalysiert. Bei MPS sind bestimmte lysosomale Enzyme durch Mutationen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt funktionsfähig. Infolge kommt es zu einer Akkumulation der entsprechenden Substrate in den Lysosomen, da diese durch die verminderte oder fehlende Enzymaktivität nicht mehr abgebaut werden können. Die Akkumulation der Substrate in den Lysosomen führt langfristig zu Zell-, Gewebe- und Organschäden. Die meisten MPS-Formen werden autosomal rezessiv vererbt. Bei gesunden Eltern, die jeweils ein mutiertes Allel aufweisen und somit gesunde Träger für MPS I sind, erkranken die Nachkommen mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 %. Die mittlere Häufigkeit der MPS liegt weltweit bei 3,5/100.000 Geburten mit einer Schwankung von 1,8 (Skandinavien) bis 3,8 (Irland). Allerdings wird die Anzahl der Patienten mit MPS vermutlich unterschätzt. Insbesondere Patienten mit weniger schweren oder langsameren Krankheitsverläufen werden wahrscheinlich häufig nicht erkannt. Kinder mit MPS erscheinen nach der Geburt zunächst unauffällig. Die jeweilige Mutation führt allerdings in der Folge fortschreitend zu Schäden in verschiedenen Gewebe- und Organsystemen, einschließlich Skelett, Gelenke, Herz, Lunge, Augen, Ohren, Haut, Zähne, Atemwege, Leber, Milz und zentrales Nervensystem. MPS sind somit chronisch progrediente Multisystemerkrankungen. Um ein Voranschreiten der Erkrankung zu verhindern, ist eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung von kritischer Bedeutung. Das Verständnis von MPS wurde in den letzten Jahren wesentlich erweitert. Damit verbunden wurden auch neue Therapiemöglichkeiten entwickelt und die Prognose der betroffenen Patienten verbessert. So steht beispielsweise heute für die MPS I, II, IV-A, VI und VII eine rekombinante Enzymersatztherapie zur Verfügung.

Pathogenese der Mukopolysaccharidosen

Primäre Ursache der MPS sind Mutationen von Genen, die lysosomale Enzyme kodieren. Aufgabe dieser Enzyme ist der intralysosomale Abbau von Glykosaminoglykanen. Glykosaminoglykane, früher auch als Mukopolysaccharide bezeichnet, sind komplexe Zuckermoleküle, die der Erkrankungsgruppe der Mukopolysaccharidosen ihren Namen verleihen. Die wichtigsten Glykosaminoglykane sind Chondroitin-4-sulfat, Chondroitin-6-sulfat, Heparansulfat, Dermatansulfat, Keratansulfat und Hyaluronan. Glykosaminoglykane dienen u. a. als strukturelle Komponenten der extrazellulären Matrix oder sind als Signalmoleküle an der Modulation verschiedener zellulärer Prozesse beteiligt. Welches Glykosaminoglykan sich ansammelt, ist abhängig von dem spezifischen Enzym, das in seiner Funktion beeinträchtigt ist oder gänzlich fehlt. Daraus ergeben sich dann die entsprechenden klinischen Merkmale. Obwohl die Pathophysiologie nicht vollständig verstanden ist, scheint sich die Akkumulation von Glykosaminoglykanen störend auf die Zellfunktionen auszuwirken. Dies führt zur Beeinträchtigung der physiologischen Zellfunktion und Störung der Gewebe- und Organhomöostase. Damit verbundene inflammatorische Prozesse resultieren in einer Zytokinausschüttung und frühen Apoptose. Die Enzymrestaktivität korreliert allerdings nur eingeschränkt mit dem klinischen Erscheinungsbild. Wahrscheinlich beeinflussen sowohl externe als auch weitere genetische Faktoren den Phänotyp zusätzlich. Daher treten selbst bei Geschwistern, die Träger derselben Mutation sind, unterschiedliche Krankheitsausprägungen auf.

Allgemeine Symptome der Mukopolysaccharidosen

Häufige Symptome bei schwer betroffenen Patienten mit MPS I, II, VI und VII sind ein disproportionierter Kleinwuchs, ein kurzer Hals, vergröberte Gesichtszüge, Hornhauttrübung (nicht bei MPS II), Makroglossie, thorakolumbale Kyphoskoliose, häufige Otitiden, gehäufte Atemwegsinfekte, Herz-/Lungenbeteiligung, Hepatosplenomegalie, Steifigkeit und Kontraktur von Gelenken, typische Skelettveränderungen (Dysostosis multiplex) sowie Hernien. Mitunter tritt eine Demenz auf, die nach zunächst normaler geistiger Entwicklung bereits im Kindesalter beginnt.

Einteilung der Mukopolysaccharidosen

Manche MPS-Formen ähneln sich in ihrer Symptomatik und sind, vor allem anfangs, klinisch schwer voneinander zu unterscheiden. Abhängig vom angereicherten Glykosaminoglykan und dem zugrunde liegenden Enzymdefekt unterscheidet man bei den MPS zwischen mehreren Krankheitsformen. Es sind elf Enzymdefekte für sieben verschiedene MPS-Formen beschrieben.

Mukopolysaccharidose Typ I

Je nach Verlaufsform und Alter stehen verschiedene Symptome im Vordergrund. Bei Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I) handelt es sich um eine Multisystemerkrankung mit einem großen Spektrum an Symptomen, die je nach Ausprägung zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Aus historischen Gründen wird im Rahmen der Nomenklatur der MPS I zwischen dem Morbus Hurler (MPS I-H) und dem Morbus Scheie (MPS I-S) unterschieden. Diese beiden klinischen Zustandsbilder können zugleich als die Pole eines kontinuierlichen Spektrums verstanden werden, zwischen denen sich der jeweils individuelle Schweregrad der Erkrankung manifestiert. Eine klare biochemisch oder genetisch begründbare Trennlinie zwischen diesen beiden Formen existiert nicht. Bei den mittelschweren Verlaufsformen wird auch vom Morbus Hurler-Scheie gesprochen. Häufig manifestiert sich die Erkrankung bereits im Säuglings- oder Kindesalter. Da die Kinder bei Geburt zunächst gesund erscheinen, sich anfangs normal entwickeln und die auftretenden Symptome vielfach unspezifisch sind, lassen die Beschwerden oft zuerst an typische Kinderkrankheiten denken:
  • Häufige Atemwegsinfekte
  • Wiederkehrende Otitiden
  • Nabel- und/oder Leistenhernien
  • Chronische Rhinitis
  • Atemgeräusche wie Schnaufen oder Schnarchen
Im Verlauf der Erkrankung und je nach Alter und Ausprägung kommen weitere, meist progrediente Symptome hinzu, wie z. B.:
  • Gelenkkontrakturen und Gelenksteifigkeit
  • Veränderung der Wirbelsäule (Kyphose/Skoliose/Gibbus)
  • Hornhauttrübung
  • Verzögerung in der Entwicklung
  • Herzklappenvitien
MPS I ist variabel im Krankheitsbeginn, in der Schwere der Erkrankung und im Krankheitsverlauf. Da ein typisches Erstsymptom fehlt, ist die Diagnose anfangs erschwert. Die Kombination der genannten Symptome sollte allerdings den Verdacht auf MPS lenken. Die drei klinischen Formen von MPS I können anhand des zeitlichen Verlaufes differenziert werden. Die Übergänge zwischen ihnen können jedoch fließend sein. Manchmal kann die genetische Untersuchung hilfreich sein, eine klare Genotyp-Phänoyp-Korrelation gibt es jedoch nicht.

Morbus Hurler – schwere Verlaufsform mit schneller Krankheitsprogression und mentaler Retardierung

Die Krankheit manifestiert sich bereits beim Säugling. Sie ist progredient und führt unbehandelt meist schon vor dem zehnten Lebensjahr zum Tod. Erste Symptome der Erkrankung sind zunächst unspezifisch: Nabel- und/oder Leistenbrüche (Hernien), häufige Atemwegsinfektionen, Atem- und Schnarchgeräusche. Junge Säuglinge erscheinen zunächst für ihr Alter eher zu groß. Im zweiten Lebenshalbjahr stellen sich thorakale Kyphose, vergröberte Gesichtszüge, eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit und Hepatosplenomegalie ein. Spätestens im zweiten Lebensjahr wird die psychomotorische Behinderung deutlich. Das Vollbild der Erkrankung ist bis zum vierten Lebensjahr erreicht. Betroffene Kinder bleiben auch in der weiteren Entwicklung kleinwüchsig. Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann der Morbus Hurler innerhalb der ersten zehn Lebensjahre zum Tod durch kardio-respiratorisches Versagen führen. Die hämatopoetische Stammzelltransplantation vor Abschluss des zweiten Lebensjahres kann den Verlust kognitiver Fähigkeiten aufhalten, die Hepatosplenomegalie und Mukopolysaccharidausscheidung reduzieren, die Lebenserwartung verlängern sowie die Progredienz von Herzerkrankungen und der Hornhauttrübung verlangsamen. Sie wirkt sich jedoch nur geringfügig auf die Skelettdysplasie aus. Eine durchgehende Enzymsubstitution vor und nach der Transplantation verbessert die Ergebnisse. Eine Enzymsubstitution ohne Stammzelltransplantation verbessert Gelenkbeweglichkeit und kardiopulmonale Funktionen, verhindert aber nicht die fortschreitende Neurodegeneration.

Morbus Hurler-Scheie und Morbus Scheie – attenuierte Verlaufsformen mit mittlerer bis langsamer Krankheitsprogression

Die beiden attenuierten Verlaufsformen der MPS I, Morbus Hurler-Scheie und Morbus Scheie, unterscheiden sich untereinander vor allem bezüglich Alter bei Symptombeginn und der Erkrankungsprogression. Während beim Morbus Hurler-Scheie die ersten Symptome bereits im Alter von zwei bis drei Jahren auffallen und eine eher mittlere Progressionsgeschwindigkeit aufweisen, treten die Symptome bei der langsam progredienten Verlaufsform, dem Morbus Scheie (auch Scheie-Syndrom), erst etwa im fünften Lebensjahr auf. Leitsymptom sind Gelenkkontrakturen, vor allem der Finger- und Schultergelenke. Einige Kinder fallen auch durch eine Verlangsamung des Längenwachtsums auf und verlassen ihre Wachtsumsperzentile oder der Pubertätswachstumsschub bleibt aus. Im Gegensatz zur schweren Verlaufsform Morbus Hurler weisen die attenuierten Verlaufsformen keine, oder im Falle des Morbus Hurler-Scheie, nur eine geringe mentale Retardierung auf. Die Gesichtsdysmorphie erscheint bei beiden Verlaufsformen milder, beim Morbus Scheie tritt sie erst spät im Krankheitsverlauf in Erscheinung. Die Aortenklappen, seltener andere Herzklappen, sind meist verdickt. Eine Schwerhörigkeit kann vorkommen.

Diagnosestellung

Die Vielzahl von Symptomen und der betroffenen Organsysteme erfordert die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das Hurler-Syndrom wird aufgrund des rasch progredienten und offensichtlichen Verlaufes meist schnell diagnostiziert. Bei den attenuierten Formen Morbus Hurler-Scheie und insbesondere bei Morbus Scheie ist die Diagnosestellung jedoch eine größere Herausforderung, da die Erkrankung langsamer fortschreitet und die Symptome subtiler erscheinen. Einzeln betrachtet wirken die ersten Symptome einer MPS I wie typische Kinderkrankheiten und lassen zunächst nicht an eine schwere genetische Multisystemerkrankung denken. Treten die verschiedenen, scheinbar nicht zusammenhängenden Symptome jedoch gleichzeitig auf, sollten behandelnde Ärzte Verdacht schöpfen. Als Suchtest lässt sich die Glykosaminoglykan-Ausscheidung im Urin (vorzugsweise 24-Stunden-Urin) nutzen. Dieser Test ist allerdings störanfällig, da die natürliche Glykosaminoglykan-Ausscheidung im Urin mit dem Alter ebenfalls abnimmt. Daher können bei weniger schwer betroffenen oder bereits erwachsenen Patienten Normwerte vorliegen, die dann zu einer Fehlinterpretation führen. Für die Diagnosestellung ist daher die Bestimmung der spezifischen Enzymaktivität – bei MPS I also der α-L-Iduronidase – entscheidend. Der Goldstandard ist die Bestimmung der Enzymaktivität in Leukozyten oder Fibroblasten. Es sind mittlerweile aber auch Trockenbluttests verfügbar. Da die verschiedenen MPS-Formen klinisch überlappende Symptomkonstellationen aufweisen, empfiehlt sich zur breiteren Abklärung die Nutzung von sogenannten Enzympanels. Bei diesen Enzympanels werden viele Formen der MPS sowie teilweise weitere lysosomale Erkrankungen mit überlappenden Symptomen gleichzeitig getestet. Ist die Enzymaktivität auffällig verringert, sollte eine genetische Analyse des IDUA-Gens erfolgen, um die Diagnose MPS I zu sichern. Bei positivem Befund sollte eine Verdachtsabklärung auch bei symptomatischen Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern in Erwägung gezogen werden, um eine frühe Diagnose zu ermöglichen. Auch bei weiterem Kinderwunsch führt die Kenntnis der Mutation zu einer Vereinfachung der Pränataldiagnostik. Hierzu ist eine genetische Beratung essenziell. Die Diagnostik und Beratung sollten in Kooperation mit einem spezialisierten Zentrum erfolgen.

Tipp für die Praxis: Hands-Up-Test

Ob eine Bewegungseinschränkung in Gelenken vorliegt, lässt sich mit einem schnellen und einfachen Praxistest abklären. Hierfür soll der Patient die Arme gerade über den Kopf strecken. Auffällig ist der Test, wenn dies dem Patienten nicht gelingt und zudem kompensatorisch bestimmte Bewegungen hinzukommen. Ist dies der Fall und liegen zudem noch weitere mit MPS I vereinbare Symptome vor, sollten weiterführende diagnostische Maßnahmen veranlasst werden.

Wichtige Differenzialdiagnosen

Beispiele für ähnliche Skelettdysplasien sind die spondyloepiphysäre Dysplasie und die bilaterale Perthes-Krankheit. Aufgrund von häufigen Beschwerden der Hand-, Knie-, Schulter- und Fingerendgelenke werden Patienten mit MPS I häufig an einen Rheumatologen oder Orthopäden überwiesen. Bis zu 72 % der Gelenkkontrakturen bei MPS I werden anfangs irrtümlicherweise einer juvenilen rheumatoiden Arthritis (JIA) zugeordnet. Gemeinsame Merkmale dieser Erkrankungen sind die Bewegungseinschränkungen, Schmerzen und Gelenkkontrakturen sowie ein bei der Polyarthritis meist symmetrischer Gelenkbefall. Im Gegensatz zu den rheumatischen Erkrankungen fehlen bei MPS I jedoch Entzündungszeichen und die rheumatypische Morgensteifigkeit. Zusätzliche Differenzialdiagnosen, die bei Verdacht auf MPS I berücksichtigt werden sollten, sind andere Formen der Mukopolysaccharidose sowie weitere lysosomale Speicherkrankheiten, wie z. B. Mukolipidosen, α-Mannosidose und die multiple Sulfatase-Defizienz (Austin-Syndrom). Diese Erkrankungen treten sehr selten auf und lassen sich durch enzymatischen und molekulargenetischen Nachweis diagnostizieren.

Therapieoptionen bei MPS

Die hämatopoetische Stammzelltransplantation kann insbesondere kognitiven Fähigkeiten stabilisieren und die Erkrankungsprogredienz verlangsamen. Eine frühzeitige Transplantation in den ersten beiden Lebensjahren kann die intellektuelle Entwicklung bei MPS I günstig beeinflussen. Eine Enzymersatztherapie mit rekombinanten lysosomalen Enzymen steht für MPS I, II, IV-A, VI und VII zur Verfügung. Unter der Behandlung ist eine Normalisierung der Urinausscheidung von Glykosaminoglykanen zu erwarten. Zudem ist in aller Regel die Hepatosplenomegalie rückläufig. Wachstum, Gelenkbeweglichkeit und körperliche Leistungsfähigkeit können verbessert werden. Die Enzymtherapie steigert zumeist die Lebenserwartung. Eine einmal eingetretene Demenz kann allerdings nicht korrigiert werden, da die Enzyme nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Außerdem werden Skelettveränderungen und Hornhauttrübung nur gering beeinflusst. Für einzelne Organmanifestationen stehen verschiedene symptomatische Therapieoptionen zur Verfügung. Die spezifischen Organschäden und ihr Therapiemanagement werden im zweiten Teil dieser Fortbildung vorgestellt.

Prävention

Eine Prävention der Erkrankung ist nur durch genetische Beratung möglich. Bei der X-chromosomal vererbten MPS II ist hierfür eine molekulargenetische Untersuchung der Mutter erforderlich. Sekundäre Prävention durch Schwangerschaftsabbruch erfordert die pränatale Analyse der von einem betroffenen älteren Geschwisterkind bekannten Mutationen oder des Enzyms aus einer Chorionbiopsie oder Amnionzellkultur. Postnatal lassen sich einzelne Symptome durch Stammzelltransplantation oder Enzymersatz verhindern oder zumindest lindern.

Schlussfolgerungen

Die MPS I ist eine fortschreitende Multisystemerkrankung mit zahlreichen Manifestationen, die sich über ein Kontinuum von Schweregraden erstrecken. Die Vielzahl unspezifischer und sich mit zahlreichen anderen Erkrankungen überschneidender Symptome führt häufig zur Verwirrung. Fehldiagnosen und eine verspätete Therapieeinleitung sind häufig Folge, mit teils verheerenden Konsequenzen für die Betroffenen. Allerdings stehen für die behandelnden Ärzte heute umfangreiche Enzympanels zur Verfügung. Mithilfe dieser Enzympanels kann simultan auf alle LSD mit ähnlicher Symptomatik getestet werden. Daher lässt sich festhalten, dass – obgleich es sich bei MPS und anderen LSD um komplexe Erkrankungen handelt – die Diagnostik durch die Einführung von Enzympanels wesentlich vereinfacht wurde. Entscheidend ist es, rechtzeitig den klinischen Verdacht zu schöpfen, dass es sich um eine Erkrankung aus diesem Formenkreis handeln könnte.

Fazit

  • Mukopolysaccharidosen (MPS) sind erbliche, chronisch progrediente lysosomale Speichererkrankungen.
  • Kinder mit MPS erscheinen nach der Geburt zunächst unauffällig, im weiteren Verlauf sind jedoch zahlreiche Organsysteme betroffen.
  • Die Betroffenen mit einer schweren Form fallen häufig durch disproportionalen Minderwuchs und muskuloskelettale Veränderungen auf.
  • Gewisse MPS-Formen, wie z. B. MPS I (speziell Morbus Hurler), sind durch hämatopoetische Stammzelltransplantation (vor dem 2 ½ Lebensjahr) und Enzymsubstitution behandelbar.
  • Unbehandelt können schwere MPS-Varianten wie der Morbus Hurler (schwere MPS I) bereits im Kindesalter zum Tod führen.
  • Daher sind eine frühe Diagnosestellung und Therapieeinleitung von kritischer Bedeutung
  • Für die spezifische Diagnostik stehen die Bestimmung der Enzymaktivität sowie die molekulargenetische Analyse zur Verfügung. Betroffenen Familien soll eine genetische Beratung angeboten werden.

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