Vaskuläre Protektion bei Atherosklerose

Interview Prof. Dr. Eike Debus

Interview Prof. Dr. Eike Debus

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie heute zu meinem Vortrag zur vaskulären Protektion bei Patienten mit symptomatischer peripherer arterieller Verschlusserkrankung, die in mehrfacher Hinsicht eine echte Herausforderung darstellt.

Prävalenz der pAVK ist hoch und nimmt mit dem Alter zudem deutlich zu

Aus der Rotterdam Studie wissen wir, dass etwa 20% der Patienten die älter als 55 Jahre sind an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) leiden. Dieser Prozentsatz steigt kontinuierlich an – bei Frauen stärker als bei Männern. Das ist eine erhebliche Herausforderung für die Behandlung. Darüber hinaus wissen wir seit kurzem, dass die kardiovaskuläre Ereignisrate bei Patienten mit nachgewiesener peripher-arterieller Verschlusserkrankung hoch ist. Wir müssen damit rechnen, dass insgesamt etwa 10% der Patienten mit dieser Erkrankung innerhalb eines Jahres Folgeerkrankungen auf kardiovaskulärem Gebiet erleiden. Hierzu zählen kardiovaskulär bedingter Tod, nicht-kardiovaskulär bedingter Tod, Krankenhausaufenthalte, ischämischer Schlaganfall, akute Extremitätenischämien oder auch Amputationen. Wir wissen, dass die gegenwärtigen Behandlungsoptionen bei diesen Patienten nur einen begrenzten Nutzen haben.

Kardiovaskuläre Ereignisrate nach 1 Jahr

Wenn wir davon ausgehen, dass etwa 50% der AVK-Patienten invasiv behandelt werden, so ist deren Situation ein Jahr nach der Behandlung dergestalt, dass nur ein Viertel dieser Patienten definitiv geheilt von ihren Beschwerden ist. Die anderen dreiviertel dieser Patienten sind entweder amputiert, versterben innerhalb dieser Zeit oder haben keine definitive Besserung ihrer Symptomatik durch die Behandlung erfahren.
Ende 2017 wurde die aktuelle Evidenz in der Behandlung der pAVK in den Leitlinien der ESVS und der ESC zusammengefasst. Hierin sehen wir, dass die Evidenz nur in der konservativen Therapie dieser Erkrankung wirklich hoch ist. Die medikamentöse Behandlung aber nach invasiven Eingriffen also nach PTAs, Stentapplikationen und nach operativen Eingriffen ist deutlich niedriger und insbesondere niedrig nach operativen Eingriffen. Wir haben hier keine ausreichende Datenlage, weil uns gute randomisierte Studien fehlen. Wir wissen also, dass trotz erfolgreicher Revaskularisation die Patienten nach diesen Eingriffen ein hohes Risiko für sogenannte MACE- und MALE-Ereignisse haben. Darunter versteht man major adverse cardiac events also Schlaganfälle, Herzinfarkte, kardiovaskulärer Tod oder major adverse limb events unter denen wir akute Extremitätenischämien verstehen oder auch Amputationen.

Patienten nach Revaskularisation haben auch unter Therapie ein anhaltend hohes Risiko für MACE und MALE

Wenn wir uns also nun auf die Details der Folien konzentrieren, dann ist hier sehr klar zu sehen, dass bei Patienten mit vorausgegangener Revaskularisation (dunkelgrau) oder vorausgegangener Amputation (hellgrau) ein sehr stark erhöhtes Risiko für kardiovaskulären Tod, Schlaganfall, auch Hospitalisierung, für eine Verschlechterung einer vorbestehenden Claudicatio oder sogar der Amputation der betroffenen oder auch einer anderen Gliedmaße haben. Dies insbesondere bei den Patienten, die schon amputiert sind. Ganz besonders hoch ist das Risiko für Folgeeingriffe nach Revaskularisation, also entweder Operationen oder Stentangioplastien.

Intensivierte Thrombozytenaggregationshemmung bei Patienten mit pAVK führt zu unterschiedlichen Ergebnissen

Es hat in der Vergangenheit eine große Reihe an Anstrengungen gegeben um das Risiko dieser Patienten zu minimieren. Große randomisierte Studien, die eine Optimierung der medikamentösen Begleittherapie dieser Patienten zum Fokus hatten, haben dies zum Inhalt gehabt. Wie Sie aber an diesem Slide sehen können, ist der Effekt dieser Studien heterogen. Es konnte zusammengefasst kein einheitlicher signifikanter Nutzen für die Patienten in Bezug auf Reduktion von MACE und MALE erreicht werden. Die unterschiedlichen Studien haben hier sehr unterschiedliche Ergebnisse erbracht – alle mit dem Endergebnis, dass eine effektive Verbesserung der aktuellen, in den Leitlinien dargestellten Behandlungen nicht erreicht werden konnte. Insbesondere müssen wir leider festhalten, dass die Mortalität dieser Patienten im Langzeitverlauf nicht gesenkt werden konnte.

Prof. Dr. Eike Debus: Rivaroxaban plus ASS verbessert Prophylaxe bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung oder symptomatischer peripherer arterieller Verschlusserkrankung und hohem Ischämierisiko.

COMPASS-Studie

Mit der vor kurzem veröffentlichten COMPASS-Studie wurden zum ersten Mal sehr vertrauenserweckende Daten publiziert, die einen echten Netto-Benefit für diese Patienten erbracht haben. Es wurden in diese Studie stabile Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eingeschlossen, über 27.000 an der Zahl. In einem dreiarmigen Studiendesign konnte hier klar gezeigt werden, dass Patienten die eine Therapie von 2x2,5mg Rivaroxaban + ASS einen eindeutigen Benefit erreicht haben im Vergleich zu den anderen beiden Studienarmen. Der Benefit für die so behandelten Patienten war so groß, dass die Studie aus ethischen Gründen vorzeitig abgebrochen wurde. In dem Gesamtkollektiv dieser Studie konnte eine Reduktion der Gesamtmortalität um 18% erreicht werden. Das ist ein erheblicher Benefit für die behandelten Patienten. Darüber hinaus gab es in den Subgruppenanalysen dieser Gesamtkohorte erhebliche Vorteile in Bezug auf Reduktion von major adverse cardiac events und major adverse limb events.

Verbessertes Outcome bei Patienten mit symptomatischer pAVK der unteren Extremitäten

Wenn wir uns nun die Subgruppe der Patienten anschauen die unter einer symptomatischen arteriellen Verschlusserkrankung litten, so zeigt sich dieser Benefit sogar noch akzentuiert. Es konnte eine absolute Risikoreduktion in Bezug auf major adverse cardiac events von 2,0% und in Bezug auf das Auftreten von major adverse limb events von 1,6% erreicht werden – allerdings unter Inkaufnahme einer erhöhten Blutungsrate. Diese Blutungen betrafen insbesondere gastrointestinale Blutungen und führten zu einer Rehospitalisierung der Patienten. Schwerste Blutungen also intrakranielle Blutungen, spinale Blutungen, okuläre Blutungen waren nicht erhöht.

Kumulatives Risiko von Majoramputationen deutlich erhöht

Auch in dieser Untersuchung zeigte sich wiederum, dass nach Auftreten eines major adverse limb events, also einer akuten Extremitätenischämie oder aber auch einer Amputation, das Risiko für eine Amputation nachfolgend massiv erhöht war – um über 200% nämlich. Dieses Risiko betraf insbesondere das erste Jahr nach dem Auftreten des major adverse limb events. Sehr ähnlich, wenn auch nicht so hoch, muss man das Risiko für die Mortalität nach einer Amputation oder nach Auftreten einer akuten Extremitätenischämie bewerten. Hier ist das Risiko dreifach erhöht. Schauen wir uns diese Ergebnisse nun in Bezug auf die COMPASS-Studie nochmal genau an. Sie sehen den direkten Vergleich der beiden Gruppen in Bezug auf den kardiovaskulären Tod, Majoramputationen und den kombinierten Endpunkt von MACE und Majoramputationen. Die kombinierte Behandlung mit Rivaoxaban 2x2,5mg + ASS 100mg ist also der Monotherapie mit ASS 100mg in Bezug auf die Endpunkte kardiovaskulärer Tod, Amputation sowie dem Kombinationsendpunkt von MACE und Amputationen erheblich überlegen.

Wenn wir diese Ergebnisse jetzt nochmal interpretieren, dann können wir festhalten, dass im Vergleich zur ASS-Monotherapie die vaskuläre Dosis von Rivaroxaban 2x2,5mg + ASS 100mg die Inzidenz von MALE signifikant um 43% senkte, die aller Gefäßamputationen um 58%, die der peripheren Gefäßeingriffe um 24% und auch die aller peripheren Gefäß-Outcomes um 24%. Ein solcher Benefit wurde bisher von keiner anderen Studie für diese Patienten erreicht.

Große Fortschritt bei der Behandlung der pAVK

Somit können wir also zusammenfassend festhalten, dass weltweit über 200 Millionen Menschen an einer peripher arteriellen Verschlusskrankheit leiden. Dennoch bleibt diese Erkrankung häufig unentdeckt oder wird nicht wirksam behandelt. Eine Revaskularisation führt nicht zur Heilung. Für Patienten mit chronischen Extremitätenischämien besteht dagegen ein anhaltendes Rezidivrisiko, sowie ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Die bis dato üblichen Behandlungsstrategien für die chronische und post-interventionelle pAVK unterliegen leider bis heute einer schwachen Evidenz. Daher waren weitere Daten erforderlich, die eine wirksame und sichere Therapie stützen.

Die vaskuläre Dosis von Rivaroxaban von 2x2,5mg täglich + ASS 100mg täglich ist das einzige Behandlungsregime bisher, das eine signifikante Verbesserung des Outcomes der Patienten mit pAVK der unteren Extremitäten gegenüber der alleinigen ASS-Therapie zeigen konnte. Zwar erhöhte sich erwartungsgemäß bei Gabe von Rivaroxaban + ASS die Anzahl von schweren Blutungen, verglichen mit der alleinigen Gabe von ASS jedoch zeigte sich kein signifikanter Anstieg bei tödlichen Blutungen, kritischen Organblutungen und Blutungen, die das Cerebrum betrafen. Die Behandlung von Rivaroxaban 2x2,5 mg pro Tag + 100mg ASS pro Tag verbessert das Outcome der Patienten nach MALE erheblich. Insgesamt konnte also gezeigt werden, dass die Daten aus der COMPASS-Studie einen erheblichen Netto-Benefit in der Behandlung von Patienten mit symptomatischer Verschlusserkrankung gezeigt haben“.

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