Theorie und Praxis bei Makulaödem – ein Update

Makulaödeme können sowohl im Rahmen einer diabetischen Retinopathie als auch infolge eines retinalen Venenverschlusses auftreten. Sie sind die häufigste Ursache für eine vaskulär bedingte Visusminderung und können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Betrifft das Makulaödem auch die Fovea, so stellt die intravitreale Therapie mit VEGF-Inhibitoren (VEGF, Vascular Endothelial Growth Factor) das Mittel der ersten Wahl dar und kann die Sehkraft wieder erheblich steigern. Wichtig ist ein möglichst rascher und intensiver Start der Therapie sowie deren konsequente Fortsetzung. Anti-VEGF-Wirkstoffe mit verlängerter Wirkdauer und individualisierte Therapieregime können die Behandlungslast bei gleichzeitig gutem Visuserhalt deutlich reduzieren.

Erfahren Sie hier, was zu Therapiebeginn und im weiteren Verlauf bei beiden Krankheitsbildern zu beachten ist und welche Ergebnisse mit dem seit Anfang 2024 in Deutschland zugelassenen Aflibercept 8 mg bei DMÖ erzielt werden können.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124089460017
Zeitraum 27.09.2024 - 26.09.2025
Zertifiziert in D, A, CH
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Ramin Khoramnia
Prof. Dr. med. Lars-Olof Hattenbach
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.3 (225)

Einleitung

Makulaödeme sind die häufigste Ursache für eine vaskulär bedingte Beeinträchtigung der Sehkraft. Sie können sowohl als Folge eines Diabetes mellitus als auch eines retinalen Venenverschlusses (RVV) auftreten. So kann im Verlauf einer diabetischen Retinopathie (DR), eine der häufigsten mikrovaskulären Komplikationen bei Patienten mit Diabetes mellitus, jederzeit ein diabetisches Makulaödem (DMÖ) entstehen. Die zweithäufigste Ursache für vaskulär bedingte Visusminderung ist ein Makulaödem (MÖ) infolge eines retinalen Venenverschlusses (RVV). In beiden Fällen stellt eine intravitreale Anti-VEGF-Therapie das Mittel der ersten Wahl dar. Wichtige Empfehlungen zur Umsetzung der Behandlung sind in den jeweiligen Stellungnahmen der deutschen Fachgesellschaften zusammengefasst, auch wenn einige der modernen Medikamente zum Zeitpunkt der Formulierung der Stellungnahmen noch nicht erhältlich waren.

Intensiver Behandlungsbeginn bei DMÖ

Bei einem klinisch signifikanten DMÖ ist es für die Therapieplanung zunächst wichtig, zwischen einem DMÖ mit fovealer Beteiligung und einem DMÖ ohne foveale Beteiligung zu unterscheiden. Liegt keine foveale Beteiligung vor, so hat nach wie vor die Laserkoagulation ihren Stellenwert. Bei einem klinisch signifikanten Makulaödem mit fovealer Beteiligung und Visusminderung ist die empfohlene Therapie der ersten Wahl die intravitreale Medikamentengabe (IVOM) von Anti-VEGF-Wirkstoffen. Für den Behandlungsbeginn empfehlen die Fachgesellschaften eine intensive Therapie mit zunächst sechs monatlichen Injektionen mit Anti-VEGF-Wirkstoffen. Dieser intensive Therapiestart ist entscheidend für den Therapieerfolg und wirkt sich positiv auf die Visusergebnisse der Patienten aus. Einen Monat nach der letzten Injektion dieser Sechserserie sowie im Verlauf sollte das Ansprechen kontrolliert werden und die Therapie anschließend mit ein bis drei monatlichen Injektionen fortgesetzt werden. Wesentlich für den klinischen Alltag ist, dass die Weiterbehandlung im Anschluss an die initiale Sechserserie mit einem individualisierten Behandlungsschema wie etwa dem Pro-renata-(PRN-)Schema oder dem „Treat & Extend”-(T&E-)Schema durchgeführt werden kann, wobei das T&E-Regime sich insbesondere bei unilateraler Erkrankung als sehr sinnvoll erweist.

Individuelle Behandlung

Diese individualisierte Behandlungsstrategie trägt entscheidend dazu bei, den Grundsatz zu realisieren, so viel wie nötig und so wenig wie möglich zu behandeln. Ziel ist es, eine Unterbehandlung ebenso wie eine Übertherapie zu vermeiden und eine bedarfsgerechte, individualisiert auf den Erkrankungsverlauf des Patienten zugeschnittene Therapie umzusetzen. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, Kontrolluntersuchungen konsequent durchzuführen und im weiteren Verlauf der Therapie individualisiert zu behandeln. Nur so ist es möglich, die zur Behandlung dieser chronischen Erkrankung erforderliche langfristige Adhärenz der Patienten dauerhaft aufrechtzuerhalten. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch immer der Befund und der Erkrankungsverlauf des Partnerauges. Bei der gewählten Behandlungsstrategie ist daher zu berücksichtigen, dass beide Augen einer unterschiedlichen Behandlungsintensität bedürfen.

Individualisierte Behandlungsregime

Die beiden im klinischen Alltag häufig eingesetzten individualisierten Behandlungsschemata sind das PRN-Regime und das T&E-Regime. Beim PRN-Schema müssen Patienten auch nach der Aufsättigungsphase zu monatlichen Kontrollen in die Sprechstunde kommen. Eine Injektion wird allerdings nur bei vorliegender Erkrankungsaktivität verabreicht. Beim T&E-Schema erhalten Patienten nach der initialen Behandlungsphase bei jedem Besuch eine Injektion. Die Beurteilung der Erkrankungsaktivität dient dazu, das folgende Behandlungsintervall festzulegen. Bei stabiler Erkrankung kann das Intervall in Zweiwochen- oder Vierwochenschritten verlängert werden – und bei vorliegender Erkrankungsaktivität entsprechend verkürzt werden. So kann bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Erkrankungsstabilität die Behandlung individuell auf den Bedarf zugeschnitten werden.

Visusverluste bei mangelnder Adhärenz

Im klinischen Alltag stellt eine dauerhaft konsequente Behandlung der Patienten oftmals eine große Herausforderung dar. Verschiedene Real-World-Studien der letzten Jahre zeigen übereinstimmend, dass Patienten in der klinischen Routinebehandlung oftmals weniger Injektionen als in klinischen Studien erhalten und untertherapiert sind. Selbst bei Anwendung aktueller, individualisierter Behandlungskonzepte erreichen Patienten in der Realität oftmals nicht die gleichen guten Visusergebnisse wie in den Zulassungsstudien, wie die 5-Jahres-Ergebnisse einer Real-World-Untersuchung zeigen. Eine wesentliche Ursache ist eine zu geringe Injektionszahl, das heißt, die Therapie wird nicht ausreichend konsequent umgesetzt und die Adhärenz an die Therapie ist unzureichend. Gerade bei Patienten mit DMÖ ist das Thema Nichtadhärenz von entscheidender Bedeutung. Das Risiko für eine Nichtadhärenz scheint noch ausgeprägter zu sein als bei anderen Erkrankungen. In einer Untersuchung der Freiburger Universitätsklinik wiesen 44 % der Patienten mit DMÖ schon im ersten Behandlungsjahr keine ausreichende Adhärenz mehr auf – mehr als dies bei nAMD (neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration) bzw. RVV der Fall war. Auch in dieser Analyse erzielten adhärente Patienten statistisch signifikant bessere funktionelle Ergebnisse als nicht adhärente Patienten.

Angst vor Injektion

Die Gründe für Nichtadhärenz sind äußerst vielfältig. So entstehen auch seitens der Behandler Abweichungen vom Behandlungsplan, z. B. indem nicht ausreichend Termine für Kontrollen oder Injektionen vergeben werden. Eine Untersuchung des Moorfields Hospital in London ergab, dass die Anti-VEGF-Behandlung eine erhebliche zeitliche Belastung für die Patienten darstellt und Patienten mit DMÖ ohne hin durch Arzttermine bezüglich ihrer Grunderkrankung zusätzlich belastet sind. Zudem zeigte sich, dass viele Patienten Angst vor der Injektion haben – oftmals über mehrere Tage vor dem Injektionstermin. Mehr als die Hälfte der Patienten konnte sich vor der Injektion nicht mehr entspannen, ein Viertel der Patienten hatte sogar Schlafstörungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich 42 % der Patienten wünschen, weniger Injektionen zu erhalten und dennoch gleichzeitig unverändert gute Ergebnisse zu erzielen. Es besteht deshalb ein großer ungedeckter Bedarf für Medikamente, die eine geringere Injektionshäufigkeit ermöglichen.

Medikamente mit dem Ziel für weniger Injektionen

Das erste Präparat, das auf eine längere Wirkdauer abzielte, war Brolucizumab. Die beiden Zulassungsstudien KITE und KESTREL haben gezeigt, dass bei Patienten mit DMÖ mit Brolucizumab bei geringerer Injektionszahl vergleichbare Visusergebnisse wie mit Aflibercept 2 mg erreichbar sind. Allerdings wurden im Zusammenhang mit Brolucizumab intraokuläre Inflammationen zwar selten, aber dennoch häufiger als bei anderen intravitrealen Anti-VEGF-Medikamenten berichtet, auch bereits nach einmaliger Gabe. Dies kann zu einer massiven Visusverschlechterung beitragen. Das Thema intraokulare Inflammation ist daher bei diesem Präparat von Bedeutung. Durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen kann das Risiko der Inflammation minimiert werden. Diesbezüglich ist es vor allen Dingen wichtig, vor jeder Injektion die Pupille zu erweitern und auf Anzeichen einer bestehenden Entzündung zu achten. Im Fall einer intraokulären Inflammation sollte keine weitere intravitreale Injektion erfolgen. Ein weiteres Präparat, das auf längere Injektionsintervalle abzielt, ist das Faricimab. Die Zulassungsstudien YOSEMITE und RHINE haben gezeigt, dass unter Faricimab mit Injektionsintervallen von zwölf oder 16 Wochen ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden konnten wie mit Aflibercept 2 mg in achtwöchigen Intervallen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass in dem Aflibercept-2-mg-Arm die Behandlungsintervalle nicht verlängert werden durften. Die ergänzende Stellungnahme der Fachgesellschaften hält dazu fest: „Hierbei ist aufgrund des Studiendesigns für Brolucizumab und Faricimab kein direkter Wirksamkeitsvergleich mit den anderen Wirkstoffen für die üblichen Behandlungsstrategien möglich. Auch die klinische Relevanz unterschiedlicher Therapieintervalle ist in zukünftigen Studien noch weiter zu klären.”

PHOTON-Studie zu Aflibercept 8 mg

Seit Anfang 2024 steht nun mit Aflibercept 8 mg ein weiteres Präparat zur Verfügung. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Aflibercept 8 mg bei therapienaiven Patienten mit DMÖ wurde in der globalen, randomisierten, doppelt maskierten, 96-wöchigen Phase-III-Studie PULSAR untersucht. Direkt zu Studienbeginn wurden die Patienten auf drei Behandlungsarme randomisiert. Im ersten Behandlungsarm wurde Aflibercept 2 mg alle acht Wochen (2q8) appliziert und in den beiden anderen Armen Aflibercept 8 mg entweder in 12-wöchigen (8q12) oder in 16-wöchigen Intervallen (16q8) verabreicht. Im ersten Behandlungsjahr konnten die Intervalle in den beiden Aflibercept-8-mg-Armen verkürzt werden, sofern ein Verlust von über zehn ETDRS-Buchstaben (ETDRS, Early Treatment Diabetic Retinopathy Study) und eine Zunahme der zentralen Netzhautdicke um >50 µm beobachtet wurden. Im zweiten Behandlungsjahr waren in den beiden Aflibercept- 8-mg-Behandlungsarmen zudem auch Intervallverlängerungen möglich, sofern der Visus im Vergleich zu Woche 12 weniger als fünf Buchstaben verringert war und gleichzeitig die zentrale Netzhautdicke unter 300 µm (bzw. 320 im Spectralis® SD-OCT) lag.

Visus und Morphologie verbessert, weniger Injektionen

Patienten mit DMÖ erreichten mit Aflibercept 8 mg sowohl in 8-wöchigen als auch in 16-wöchigen Behandlungsintervallen zu Woche 48 vergleichbare Visusergebnisse wie Patienten mit Aflibercept 2 mg – und dies bei gleichzeitig geringerer Injektionszahl. So benötigten Patienten mit 16-wöchiger Behandlung von Aflibercept 8 mg im Mittel nur fünf Injektionen, während im Aflibercept-2-mg-Arm fast acht Injektionen erforderlich waren. Zudem konnten die erzielten Visusgewinne bis zu Woche 96 aufrechterhalten werden, auch dies wiederum mit deutlich reduzierten Injektionen: Bis zum Studienende wurden im 8q16-Arm insgesamt sechs Injektionen weniger benötigt als im 2q8-Arm. Entsprechend der Visusentwicklung wurde im ersten Behandlungsjahr auch eine zügige und anhaltende Abnahme der zentralen Netzhautdicke beobachtet, die ebenfalls über die gesamte zweijährige Studiendauer aufrechterhalten wurde.

Fast 90 % auf 12 Wochen

Wesentlich ist auch, dass fast 90 % der Patienten in den Aflibercept-8-mg-Armen die verlängerten Behandlungsintervalle, auf die sie zu Studienbeginn randomisiert worden waren, beibehalten konnten und auch zum Studienende mit Intervallen von zwölf Wochen oder länger behandelt wurden. Darüber hinaus waren bei einem großen Teil der Patienten weitere Verlängerungen auf Intervalle von 20 oder mehr Wochen möglich. Insgesamt erreichten zu Woche 96 44 % der Patienten unter Aflibercept 8 mg ein zugewiesenes Behandlungsintervall von 20 Wochen oder länger.

Gutes Sicherheitsprofil

Über die gesamte zweijährige Studiendauer war das Sicherheitsprofil von Aflibercept 8 mg vergleichbar mit dem bekannten Sicherheitsprofil von Aflibercept 2 mg. Neue Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet. Auch hinsichtlich einer intraokularen Inflammation ergaben sich keine Unterschiede zu Aflibercept 2 mg. Befürchtungen, das höhere Injektionsvolumen von Aflibercept 8 mg könnte möglicherweise einen stärkeren Augeninnendruckanstieg zur Folge haben, bestätigten sich ebenfalls nicht. So waren die Fälle mit einer Augeninnendruckzunahme ≥10 mmHg vor einer Injektion im Vergleich zu Baseline in allen Armen vergleichbar selten. Ein Anstieg des Augeninnendruckes auf 35 mmHg trat im Aflibercept-2-mg-Arm sogar numerisch etwas häufiger auf, als in den beiden 8-mg-Armen. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass dank zahlreicher Entwicklungen in den letzten Jahren mit den modernen Anti-VEGF-Medikamenten heute längere Behandlungsintervalle und damit eine Reduktion der Behandlungslast möglich sind.

Retinale Venenverschlüsse

Obwohl MÖ infolge eines RVV seltener als ein DMÖ zu beobachten sind, so sind in Deutschland dennoch etwa 300.000 Menschen davon betroffen, wobei Venenastverschlüsse (VAV) deutlich häufiger auftreten als Zentralvenenverschlüsse (ZVV). habe. Auch wenn einige Gefäßverschlüsse über einen längeren Zeitraum lediglich beobachtet werden können, kommt es bei fast der Hälfte der Patienten im weiteren Verlauf zu teils schwerwiegenden, das Sehvermögen beeinträchtigenden Komplikationen, die eine Behandlung erfordern. Dies zeigt eine große Verlaufsstudie von erwachsenen Patienten mit RVV. Zwar traten ZVV seltener als VAV auf, waren allerdings mit schwerwiegenderen Komplikationen assoziiert als VAV, so wie dies bereits aus anderen Studien bekannt ist. Insgesamt entwickelten knapp ein Drittel der Patienten mit RVV ein MÖ im weiteren Erkrankungsverlauf, bei weiteren 4 % traten zusätzlich auch Neovaskularisationen auf.

Rascher Therapiebeginn

Liegt ein MÖ infolge RVV vor, so ist eine rasche und konsequente Therapie mit Anti-VEGF-Medikamenten als Therapie der ersten Wahl indiziert und erzielt bessere Visusergebnisse, als eine fokale Laserbehandlung. Studien zeigen, dass Patienten mit MÖ nach RVV bei optimaler Anti-VEGF-Behandlung etwa 15 bis 20 ETDRS-Buchstaben gewinnen können und die Entwicklung von Neovaskularisationen unterbunden wird. Wesentliche Grundvoraussetzung ist allerdings – wie bei DMÖ auch – ein rascher und intensiver Behandlungsstart, denn je rascher sich das Ödem zurückbildet, umso geringer sind morphologische Schäden und desto größer die Chance auf gute Visusergebnisse. Die aktuelle Stellungnahme empfiehlt mit einer Dreierserie monatlicher Anti-VEGF-Injektionen zu beginnen, mindestens nach der dritten IVOM das Ansprechen zu kontrollieren und bei weiterem Behandlungsbedarf die Therapie mit einer weiteren Dreierserie monatlicher Injektionen fortzusetzen. Zeigt sich ein Ansprechen auf die Therapie, liegt aber dennoch noch ein klinisch relevantes Restödem vor, muss auf jeden Fall weiter therapiert werden. Ab dem siebten Behandlungsmonat können verschiedene individualisierte Injektionsschemata eingesetzt werden. Gemäß Leitlinie ist dabei im Anschluss an die beiden initialen Dreierserien der Einsatz des T&E-Regimes oder des PRN-Regimes möglich. Studien zeigen, dass das T&E-Regime ein gut geeignetes Behandlungsschema ist, um ein funktionell sehr gutes Ergebnis bei Patienten mit RVV zu erzielen.

Kontinuierliche, intensive Therapie erforderlich

Insgesamt ist – selbst bei Anwendung individualisierter Behandlungsschemata mit der Möglichkeit zur Intervallverlängerung – von einem hohen Therapiebedarf auszugehen. Dies zeigt u. a. die CRYSTAL-Studie, in der Patienten nach einem Dreier-Upload gemäß PRN-Schema behandelt wurden. Im Median erhielten die Patienten im Verlauf von 24 Monaten 15 Anti-VEGF-Injektionen. Im klinischen Alltag ist es daher wichtig, Patienten schon von Beginn an über den voraussichtlich hohen Therapiebedarf zu informieren, damit sie sich darauf einstellen können. Dies kann dazu beitragen die Adhärenz zu verbessern. Andernfalls ist zu befürchten, dass Patienten die Therapie unterbrechen. Dies kann weitreichende Folgen für ihr Sehvermögen haben, wie eine retrospektive Studie mit 90 Augen mit RVV zeigt, bei denen die Therapie für mehr als sechs Monate unterbrochen wurde. Selbst nach Wiederaufnahme der Therapie wird zwar wieder eine Reduktion der Netzhautdicke erzielt. Allerdings erreicht der Visus nicht wieder das Niveau vor der Therapieunterbrechung. Die Autoren der Studie betonen dementsprechend die Bedeutung einer konsequenten und kontinuierlichen Therapie bei Patienten mit RVV.

Real-Life-Ergebnisse – Switching?

Auch im klinischen Alltag können bei RVV mit einer konsequenten Behandlung gute Therapieerfolge erzielt werden. Eine Analyse des „Fight Retinal Blindness!”-Registers untersuchte die 3-Jahres Ergebnisse einer breiten Patientenpopulation von 527 Patienten mit RVV unter Anti-VEGF-Therapie im klinischen Alltag. Im Mittel gewannen die Patienten zehn Buchstaben, 44 % gewannen 15 Buchstaben und 37% erzielten einen Visus von 70 Buchstaben oder besser. Patienten, die über drei Jahre durchgehend behandelt wurden („completers”), erreichten im Mittel mit 18 Injektionen und 26 Visiten einen Visusgewinn von 14 Buchstaben. Bei Patienten mit Therapieunterbrechung („non-completers”) fiel der Visusgewinn geringer aus: Im Mittel wurde ein Visusgewinn von sieben Buchstaben erzielt (mit sieben Injektionen über 18 Monate). Die meisten Patienten wurden mit einer Monotherapie behandelt, 19 % wurden auf ein anderes Anti-VEGF-Medikament umgestellt, in der Hälfte der Fälle auf Aflibercept. Zudem unterschieden sich die Umstellungsraten innerhalb von drei Jahren je nach initial eingesetztem Anti-VEGF-Medikament signifikant und waren für Aflibercept am niedrigsten (Bevacizumab 43 %, Ranibizumab 38 % und Aflibercept 11 %; P < 0,001). Auch die AURIGA-Studie, die derzeit größte, weltweite prospektive Beobachtungsstudie mit über 600 Patienten mit MÖ infolge RVV zum Einsatz von Aflibercept im klinischen Alltag, zeigt, dass rasche und klinisch relevante Visusgewinne sowie eine Reduktion der zentralen Netzhautdicke erreicht werden können. Diese wurden trotz geringerer Injektionsfrequenz ab Monat 6 über 24 Monate weitestgehend erhalten. So erreichten behandlungsnaive Patienten mit VAV zu Monat 24 nach durchschnittlich 6,5 Injektionen einen mittleren Visusgewinn von 13,2 Buchstaben, bei behandlungsnaiven Patienten mit ZVV betrug dieser im Mittel 8,8 Buchstaben nach durchschnittlich 7,4 Injektionen innerhalb von zwei Jahren. Bei den vorbehandelten Patienten wurde nach dem Switch auf Aflibercept ebenfalls ein deutlicher Visusgewinn festgestellt, der sich bis zum Ende der Studie auf dem Niveau von Monat 6 einpendelte, wobei Patienten mit ZVV am deutlichsten von einem Medikamentenwechsel profitierten (im Mittel 6,8 Buchstaben Visusgewinn vs. 2,3 Buchstaben zu Monat 24).

Hinweise für gutes Ansprechen?

Gleichzeitig gibt es Faktoren, die Hinweise für ein gutes Ansprechen und ein möglicherweise frühes Therapieende darstellen. So zeigt eine retrospektive Analyse von 214 Augen mit MÖ infolge RVV, dass eine ausgeprägte Reduktion der zentralen Netzhautdicke bereits innerhalb der ersten sechs Monate der Anti-VEGF-Therapie bei Patienten mit ZVV und hemi-ZVV mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für ein erfolgreiches Behandlungsende assoziiert war. Ein höherer bestkorrigierter Visus zu Monat 6 war bei allen Patienten mit RVV mit besseren Visusergebnissen zu Monat 24 verbunden und kann daher im klinischen Alltag als Prädiktor für ein gutes Ansprechen herangezogen werden. Dass gerade auch ein frühzeitiges Eingreifen zu einem guten Ansprechen beitragen kann, zeigt der Fall eines Patienten mit venöser Stase-Retinopathie. Dieser nahm bereits sehr früh eine subjektive Visusminderung wahr und erhielt bei beginnendem Ödem eine Anti-VEF-Injektion. Aufgrund des raschen Ansprechens und der Visusverbesserung wurde bereits ab der zweiten Injektion im T&E-Regime behandelt und die Therapie dann nach einem langen Intervall von 16 Wochen rezidivfrei beendet.

Fazit

  • Eine Anti-VEGF-Therapie ist das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung eines visusmindernden Makulaödems mit fovealer Beteiligung bei Diabetes sowie nach RVV.
  • In beiden Fällen sind ein intensiver Therapiestart und konsequente, kontinuierliche Weiterbehandlung wesentlich für langfristig gute Visusergebnisse.
  • Individualisierte Behandlungsregime ermöglichen sowohl bei DMÖ als auch bei MÖ infolge RVV, initial erzielte Visusgewinne dauerhaft zu erhalten.
  • In der PHOTON-Studie erreichten fast 90 % der Patienten mit DMÖ unter Aflibercept 8 mg verlängerte Intervalle von ≥12 Wochen.
  • Bei RVV liefert ein hoher Visus zu Monat 6 Hinweise für gutes Ansprechen.

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