Risikokonstellation hohes Alter und/oder eingeschränkte Nierenfunktion – was ist zu beachten?

Bei Patienten mit Vorhofflimmern und weiteren Risikofaktoren empfehlen die Leitlinien eine therapeutische Antikoagulation zur Schlaganfallprophylaxe. Die Behandlung kann jedoch bei den oft älteren und/oder niereninsuffizienten Patienten und der meist vorliegenden Multimorbidität und Polypharmazie eine Herausforderung darstellen.

Es sind verschiedene Wirkstoffgruppen verfügbar, wobei vor allem zwischen den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) und den Nicht-Vitamin-K-abhängigen Antikoagulanzien (NOAK) zu differenzieren ist. Vorteile der NOAK mit besonders hoher Relevanz bei geriatrischen Patienten sind das geringere Interaktionsrisiko, das günstigere Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgrund reduzierter schwerer Blutungen, die Anwendbarkeit bei einer Niereninsuffizienz sowie die einfachere Handhabung ohne die Notwendigkeit regelmäßiger INR-Messungen.

Auch innerhalb der Gruppe der NOAK sind bei der Therapiewahl besondere Eigenschaften der jeweiligen Wirkstoffe zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei geriatrischen Patienten, bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz und allgemein bei fragilen Patienten. Die genannten Parameter können eine Dosisreduktion der Gerinnungshemmer notwendig machen, wobei jedoch auch in diesem Punkt relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen, also zwischen Rivaroxaban, Dabigatran, Edoxaban und Apixaban zu beachten sind.

Professor Dr. med. Johannes Ruef
Der alte und niereninsuffiziente antikoagulationspflichtige Patient bedarf besonderer Aufmerksamkeit.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709119071770019
Zeitraum 09.07.2019 - 09.07.2020
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Johannes Ruef
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vortrag (22:17 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.4 (2233)

Einleitung

Bei älteren Menschen besteht häufig eine Indikation zur Gerinnungshemmung, beispielsweise zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern (VHF). Bei der Therapiewahl ist auf die Morbidität des Patienten zu achten und insbesondere auf eine möglicherweise manifeste Niereninsuffizienz. Die Antikoagulation von Patienten im höheren Lebensalter und mit Begleiterkrankungen kann in der klinischen Praxis daher eine große Herausforderung darstellen. Patienten, die einer Antikoagulation bedürfen, weisen wiederum häufig ein höheres Lebensalter auf. Denn mit zunehmendem Alter steigen die Inzidenz und Prävalenz des Vorhofflimmerns und entsprechender therapeutischer Maßnahmen wie einer Kardioversion oder einer Katheterablation. Mit dem Alter nimmt zudem die Prävalenz für weitere Erkrankungen wie beispielsweise Typ-2-Diabetes sowie für eine Niereninsuffizienz zu, sodass im klinischen Alltag häufig Patienten mit einer Multimorbidität zu behandeln sind (Abbildung 1). Oftmals besteht zudem eine Polypharmazie [1–7]. Ein Lebensalter von 75 Jahren und mehr ist somit als isolierter Risikofaktor zu verstehen. Es ist mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Vorhofflimmerns verbunden und steigert das Schlaganfallrisiko wie auch das allgemeine Blutungsrisiko. Mit dem Alter steigt außerdem per se das Risiko, eine Niereninsuffizienz zu entwickeln. Komorbiditäten nehmen zu, was meist eine Polypharmakotherapie bedingt. Gleichzeitig nehmen nicht selten die kognitiven Fähigkeiten ab, was zu Problemen hinsichtlich der Therapieadhärenz führen kann. Patienten jenseits des 75. Lebensjahres, die ein Vorhofflimmern entwickeln, weisen ein überproportional gesteigertes Risiko für die Entwicklung einer Niereninsuffizienz auf und auch eine erhöhte 2-Jahres-Mortalität. Das belegen Daten der Studie GARFIELD-AF, einer internationalen multizentrischen Beobachtungsstudie zur Schlaganfallprävention bei neu diagnostiziertem VHF [8]. Für die Studie wurden Patienten aus mehr als 1.000 Zentren in 35 Ländern weltweit rekrutiert, darunter Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und dem Asien-Pazifik-Raum. Das erhöhte Risiko einer Niereninsuffizienz wie auch das erhöhte Blutungsrisiko sind bei der Indikation zur Antikoagulation zu beachten. Interdisziplinäre Experten haben sich vor diesem Hintergrund in einer Konsensuskonferenz für den bevorzugten Einsatz von Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) bei älteren Patienten gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ausgesprochen [9]. Die Empfehlung basiert entscheidend auf den Vorteilen der NOAK bei geriatrischen Patienten. Genannt wurden insbesondere
  • das geringere Interaktionsrisiko bei Arzneimitteln,
  • das günstigere Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgrund reduzierter Blutungen,
  • die Anwendbarkeit bei einer Niereninsuffizienz sowie
  • die einfachere Behandlung ohne die Notwendigkeit regelmäßiger INR-Messungen.
Bei der Therapiewahl sind die vorliegenden Risikofaktoren zu berücksichtigen. Diese bedingen sich gegenseitig und verstärken das gesamte Risikoprofil des Patienten. Eine besondere Herausforderung ist vor allem die Behandlung von Menschen mit Vorhofflimmern und manifester Niereninsuffizienz: Denn die Niereninsuffizienz steigert ihrerseits das Schlaganfall- und Thromboembolierisiko wie auch das Blutungsrisiko. Es resultiert somit eine Art therapeutisches Dilemma, wenn eine Behandlung mit Antikoagulanzien bei Senioren mit Niereninsuffizienz angezeigt ist [10]. Eine eingeschränkte Nierenfunktion ist jedoch im höheren Lebensalter eher die Regel als die Ausnahme. Denn die Nierenfunktion nimmt im Zeitverlauf ab. Es wird geschätzt, dass die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bei über 60-Jährigen pro Jahr um etwa 1 ml/min abnimmt. Das erklärt die etwa ab dem 60. Lebensjahr hohe und zunehmend mit dem Alter steigende Prävalenz von Nierenfunktionsstörungen (Abbildung 2) [11].

Effekte der Antikoagulation auf die Nieren

Liegt eine Niereninsuffizienz vor, so hat eine Behandlung mit VKA gegenüber der Gabe von NOAK eine Reihe relevanter Nachteile. Gegen die VKA spricht unter anderem das enge therapeutische Fenster der Wirkstoffe und der verlängerte Onset-/Offset-Effekt, der unter Umständen sogar ein Bridging notwendig machen kann. Problematisch kann auch das hohe Interaktionsrisiko sein, das insbesondere bei Patienten zum Tragen kommt, die aufgrund der Multimorbidität verschiedene Medikamente einnehmen müssen. Bei den VKA nimmt bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz unter der Therapie das Blutungsrisiko gegenüber der Effektivität überproportional zu. Die VKA wirken zudem nephrotoxisch, und es besteht eine erhöhte Gefahr für die Entwicklung von Nierenschäden im Sinne einer sogenannten Warfarin-Nephropathie, die mit einer erhöhten Mortalität behaftet ist. Ein weiterer Nachteil ist die VKA-induzierte vaskuläre Kalzifikation (Calciphylaxis) [12]. Die beschriebenen Nachteile gelten für alle VKA und haben zur Folge, dass für die Behandlung mit diesen Wirkstoffen bei manifester Niereninsuffizienz eine Kontraindikation besteht. Die Nachteile der VKA bei manifester Niereninsuffizienz spiegeln sich in einem deutlich besseren Nutzen-Risiko-Profil der NOAK wieder. Denn je ausgeprägter die Niereninsuffizienz ist, umso größer sind die Vorteile der NOAK. Während beispielsweise unter der Behandlung mit Warfarin die Blutungsrate bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz ansteigt, ist das bei Rivaroxaban nicht der Fall [13]. Hinzu kommt, dass VKA quasi die physiologische Abnahme der Nierenfunktion mit zunehmendem Alter deutlich mehr verstärken als beispielsweise Rivaroxaban. So nahm in der ROCKET-AF-Studie die Kreatinin-Clearance (KrCL) im Studienverlauf unter Rivaroxaban um durchschnittlich 3,5 ml/min ab, unter dem VKA Warfarin jedoch um 4,3 ml/min. Der Unterschied ist statistisch signifikant [14]. Dass die Effekte auf die Nierenfunktion auch Auswirkungen auf die Wirksamkeit wie auch die Sicherheit der Antikoagulation haben, belegt eine Subgruppenanalyse der ROCKET-AF-Studie zum Vergleich von Rivaroxaban und Warfarin bei Patienten mit Vorhofflimmern und abnehmender Nierenfunktion. Den Daten zufolge resultiert unter Rivaroxaban eine bessere klinische Wirksamkeit hinsichtlich der Schlaganfallprophylaxe sowie des Auftretens systemischer Embolien. Die Blutungshäufigkeit war in beiden Gruppen gleich, allerdings traten unter Rivaroxaban deutlich weniger intrakranielle Blutungen auf [14]. Inzwischen sind vier verschiedene NOAK zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern zugelassen. Es handelt sich um
  • den direkten Thrombin-Inhibitor (DTI) Dabigatranetexilat,
  • den direkten Faktor-Xa-Inhibitor (DXI) Rivaroxaban,
  • den direkten Faktor-Xa-Inhibitor (DXI) Apixaban und
  • den direkten Faktor-Xa-Inhibitor (DXI) Edoxaban.
Die Wirkstoffe sind für die Schlaganfallprophylaxe bei nicht valvulärem Vorhofflimmern (nvVHF) sowie für die Therapie und Rezidivprophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) und somit für die beiden bedeutendsten Anwendungsgebiete der VKA zugelassen. In einer retrospektiven Datenbankanalyse, die Beobachtungen bei 9.769 Patienten über zwei Jahre umfasste, haben Yao et al. [15] kürzlich die Antikoagulanzien Warfarin, Apixaban, Rivaroxaban und Dabigatran im Hinblick auf ihre Wirkung auf die Nieren verglichen. Dabei diente Warfarin als Referenzsubstanz. Als Nierenschädigung wurde eine mindestens 30%ige Abnahme der GFR definiert, ein akutes Nierenversagen, eine Nierenschädigung, die innerhalb von sieben Tagen zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Abnahme der Nierenfunktion führte und eine Verdoppelung des Kreatinins. Tendenziell schnitten in dieser Untersuchung die Wirkstoffe Rivaroxaban und Dabigatran am besten ab. Im konkreten Vergleich von Rivaroxaban gegenüber Warfarin zeigten sich unter dem NOAK seltener eine mindestens 30%ige Abnahme der eGFR (estimated GFR), eine Verdoppelung des Serumkreatinins und ein akutes Nierenversagen [15]. Bei Apixaban war in der Datenbankanalyse kein Unterschied auf die Nierenparameter im Vergleich zu Warfarin zu sichern, sodass tatsächlich innerhalb der Gruppe der NOAK von unterschiedlichen Effekten auf die Nierenfunktion auszugehen ist [15]. Aufgrund der potenziellen Effekte der Antikoagulanzien auf die Nieren sollte die Nierenfunktion bei Patienten, die entsprechend behandelt werden und eine Kreatinin-Clearance von 30 ml/min aufweisen, alle drei Monate kontrolliert werden. Die Empfehlungen zu den Kontrolluntersuchungen sind auf internationaler Ebene allerdings nicht einheitlich. So empfehlen die Leitlinien der American Heart Association (AHA) jährliche Kreatinin-Kontrollen. Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) gehen pragmatischer vor: Liegt die GFR unter 60 ml/min, so sollte die Kreatin-Clearance alle sechs Monate bestimmt werden. Bei einer GFR von 40 ml/min verkürzt sich das Intervall auf alle vier Monate. Es gilt die Faustregel: Bei jeder Minderung der GFR um 10 verkürzt sich das Untersuchungsintervall, was die Empfehlung von Kontrollen alle drei Monate bei einer GFR von 30 ml/min erklärt [16]. Bei Patienten, die älter sind als 75 Jahre, und bei insgesamt fragilen Patienten wird ebenfalls eine Kontrollmessung alle sechs Monate empfohlen. Zusätzlich zur Nierenfunktion sollten dann auch der Hb-Wert und die Leberwerte bestimmt werden.

Bestimmung der Nierenfunktion

Eine exakte Bestimmung der Nierenfunktion mittels des Inulins oder über einen Sammelurin über 24 Stunden ist sehr aufwendig und gehört daher nicht zur Routinediagnostik. Stattdessen erfolgt heutzutage eine Abschätzung der Kreatinin-Clearance mittels der GFR-Messung. Üblich ist dies über eine Bestimmung des Serumkreatinins. Möglich wäre auch eine Messung von Cystatin C, was aber deutlich teurer ist und kaum praktiziert wird [17]. Zur Bestimmung der GFR können drei Formeln genutzt werden:
  • Die Cockcroft-Gault-Formel, in die das Kreatinin, das Alter und das Geschlecht des Patienten eingeht sowie dessen Körpergewicht. Das Ergebnis wird als ml/min angegeben. Diese Formel wurde in den klinischen Studien zu den NOAK verwandt. Der Nachteil der Bestimmung ist, dass das Körpergewicht des Patienten bekannt sein und zur Laborbestimmung explizit auch angegeben werden muss.
  • Die CKD-EPI-Formel, bei der eine standardisierte Körperoberfläche das Körpergewicht ersetzt und die nach derzeitigem Kenntnisstand die beste Annäherung bietet.
  • Die MDRD-Formel, die ähnlich vorgeht, jedoch in bestimmten Grenzbereichen der Nierenfunktion anfällig für Abweichungen ist.

Antikoagulation bei multimorbiden Patienten

Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit der verschiedenen NOAK (Apixaban, Rivaroxaban, Dabigatran) wurde in der REAFFIRM-Studie bei 9.684 Patienten mit VHF und vorangegangenem Schlaganfall oder transitorischen Attacken (TIA) bei multimorbiden Patienten untersucht und mit Warfarin verglichen [18]. Rund 50 % der teilnehmenden Patienten war älter als 75 Jahre und der mittlere CHA2DS2-VASc-Score lag bei 90 % der Patienten über 4. Außerdem wiesen 90 % der Patienten einen Blutungsscore von über 3 auf (HASBLED-Score). In der Studie zeigte sich eine eindeutige Überlegenheit der untersuchten NOAK gegenüber Warfarin bei den multimorbiden Patienten. Ein besonders enges Konfidenzintervall zeigte dabei der Wirkstoff Rivaroxaban, gefolgt von Dabigatran. Größer war das Konfidenzintervall bei Apixaban [18]. Für Rivaroxaban wurde darüber hinaus auch eine eindeutige Überlegenheit der Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber Warfarin bei hochbetagten Patienten jenseits des 80. Lebensjahres dokumentiert [19]. In der Studie zeigten sich konsistente Daten zugunsten des NOAK insbesondere bei Schlaganfall und einer systemischen Embolie ohne Zunahme schwerer Blutungen im Vergleich zu Warfarin. Den klinischen Nutzen der Antikoagulation bei multimorbiden Patienten hat auch eine dänische retrospektive Datenbankanalyse [20] untersucht. Interessant sind insbesondere die Ergebnisse bei der Verabreichung einer gegenüber der Standarddosierung reduzierten Wirkstoffdosis. So wurde unter der Behandlung mit 15 mg Rivaroxaban pro Tag dennoch tendenziell ein Schutz vor Schlaganfall erwirkt, und es resultierten tendenziell weniger schwere Blutungen. Unter Apixaban zeigte sich ebenfalls eine reduzierte Blutungsrate – jedoch zulasten einer deutlichen Zunahme der Rate ischämischer Schlaganfälle und systemischer Embolien.

Antikoagulation bei fragilen Patienten

Eine besondere Herausforderung ist außerdem die Behandlung fragiler Patienten. Als solche sind Patienten definiert, die älter sind als 75 Jahre, die eine Niereninsuffizienz (KrCl unter 50 ml/min) und/oder ein Körpergewicht von 50 kg oder weniger aufweisen [21]. In der dänischen retrospektiven Datenanalyse [20] zeigte sich bei einer solchen fragilen Patientensubgruppe eine signifikante Reduktion des Schlaganfallrisikos unter Rivaroxaban ohne ein erhöhtes Blutungsrisiko. Auch bei Apixaban ist das Blutungsrisiko gegenüber Warfarin nicht erhöht. Allerdings ist bei den fragilen Patienten eine signifikante Zunahme von ischämischen Schlaganfällen unter der niedrigeren Dosis festzustellen. Die reduzierte Apixaban-Dosis gewährleistet offenbar nicht den vollen Schutz [20].

Dosisanpassung bei NOAK

Inwieweit eine Dosisanpassung bei der Antikoagulation von multimorbiden, niereninsuffizienten und fragilen Patienten erforderlich ist, hängt in erster Linie vom eingesetzten Wirkstoff ab. Das verdeutlichen unter anderem die Fachinformationen zu den jeweiligen Substanzen (Abbildung 4) [22–25]. Am einfachsten ist das Vorgehen bei Rivaroxaban, denn bei diesem Wirkstoff ist lediglich bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz eine Dosisreduktion erforderlich. Liegt die Nierenfunktion im Normbereich, so wird mit der üblichen Standarddosis von 20 mg einmal täglich behandelt. Sinkt die GFR auf einen Wert unter 50 ml/min, so ist eine Dosisreduktion auf 15 mg am Tag angezeigt. Bei einem Wert unter 15 ml/min wird eine Behandlung mit Rivaroxaban nicht empfohlen. Bei Dabigatran ist die Dosisanpassung komplizierter. Neben der Nierenfunktion ist auch das Lebensalter zu berücksichtigen. Patienten mit leichter Niereninsuffizienz, die 75 bis 80 Jahre alt sind, können mit 150 mg zweimal täglich behandelt werden. Die niedrigere Dosis von 110 mg zweimal täglich ist bei diesen Patienten zu verordnen, wenn ein niedriges thromboembolisches Risiko und ein hohes Blutungsrisiko bestehen. Bei moderater Niereninsuffizienz und einem Alter von 75 Jahren und mehr kann mit 150 mg zweimal täglich behandelt werden und bei hohem Blutungsrisiko mit der niedrigeren Dosierung von 110 mg zweimal täglich. Bei über 80-Jährigen und moderater Niereninsuffizienz ist generell die niedrigere Dosierung von 110 mg zweimal täglich angezeigt. Liegt eine Niereninsuffizienz mit Werten unter 30 ml/min vor, so ist Dabigatran kontraindiziert. Bei Apixaban ist bei der Festlegung der Dosierung neben der Nierenfunktion und dem Alter zusätzlich das Körpergewicht zu beachten. Kriterien für eine Dosisreduktion sind eine manifeste Niereninsuffizienz, ein Lebensalter ab 80 Jahren und ein Körpergewicht unter 60 kg. Nur wenn alle drei Kriterien gegeben sind, ist eine Dosisreduktion indiziert, da ansonsten keine ausreichende Schutzwirkung gegeben ist. Bei Edoxaban müssen als zusätzlicher Faktor außerdem noch Komedikationen berücksichtigen werden. Wird die Dosierung des NOAK ohne entsprechende Indikation reduziert, kann das erhebliche Folgen haben: Bei Apixaban ist in einem solchen Fall eine ausreichende Schutzwirkung hinsichtlich eines Schlaganfalls womöglich nicht mehr gegeben. Bei Dabigatran und Rivaroxaban ist auch bei ungerechtfertigter Dosisreduktion ausweislich der vorliegenden Daten offenbar weiterhin eine adäquate Schlaganafallprophylaxe gegeben [15].

Zukunftsperspektive

Weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von NOAK bei Patienten mit Vorhofflimmern und manifester Niereninsuffizienz sind von noch laufenden Studien wie beispielsweise der Studie XARENO zu erwarten [26]. Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie bei 2.500 Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern, die drei Behandlungsarme umfasst und zwar
  • Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und Niereninsuffizienz, die mit Rivaroxaban behandelt werden,
  • Patienten, die einen VKA bekommen und
  • Patienten, die ausschließlich Acetylsalicylsäure oder keine Medikation erhalten.
Die Patientenselektion und die Wahl der Medikation sowie die Dosierung und die Therapiedauer erfolgen nach Ermessen des behandelnden Arztes. Mit den Ergebnissen der Studie wird 2019 gerechnet.

Zusammenfassung

Alte und niereninsuffiziente antikoagulationspflichtige Patienten bedürfen im klinischen Alltag besonderer Aufmerksamkeit. Sie können sicher und effektiv antikoaguliert werden, allerdings sind Besonderheiten bei der Wahl des jeweiligen Antikoagulans zu berücksichtigen. Denn die Wirkstoffe unterscheiden sich bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Nierenfunktion und auch bezüglich ihrer Effizienz insbesondere hinsichtlich ihrer Schutzwirkung gegenüber einem Schlaganfall, wenn eine reduzierte Dosis zum Einsatz kommt.

Literatur:

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