Neue Evidenz für Patienten mit pAVK – von der akuten bis hin zur chronischen Phase

Wenn bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eine Revaskularisation ansteht, ergibt sich zwangsläufig die Frage nach einer wirksamen Gerinnungshemmung. Nach einer PTA oder einer Bypass-OP ist das Risiko für schwere Extremitäten- und kardiovaskuläre Ereignisse deutlich erhöht.

Mit den Studien VOYAGER PAD, COMPASS und ATLAS konnte gezeigt werden, dass die vaskuläre Protektion mit einer niedrigen Dosis von Rivaroxaban zweimal 2,5 mg und einmal 100 mg ASS funktioniert. VOYAGER PAD ist die erste positive Phase-III-Studie mit einem Antithrombotikum, die bei pAVK-Patienten nach Revaskularisation einen relevanten Nutzen gezeigt hat. Die Kombination führt allerdings im Vergleich zur ASS-Monotherapie zu einem Anstieg von leichteren Blutungskomplikationen.

Für die Patienten mit einer interventionsbedürftigen pAVK steht jetzt ein evidenzbasiertes wirksames Therapieregime zur Thromboseprophylaxe zur Verfügung.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709120082000016
Zeitraum 28.09.2020 - 27.09.2021
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. Rupert Bauersachs
Dr. med. Markus Pfistner
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (Webcast)
Lernmaterial Vortrag (37:51 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.2 (856)

Kasuistik: Patientin mit Claudicatio nach <100 m Gehstrecke

Eine 71-jährige ehemalige Steuerberaterin klagt über Wadenschmerzen nach einer Gehstrecke von weniger als 100 m. Die Beschwerden hätten sich in den letzten zwei Monaten verschlechtert, und das Golfspielen sei nun nicht mehr möglich. An Begleiterkrankungen sind eine KHK, eine Hypercholesterinämie und eine arterielle Hypertonie bekannt. Bislang gab es keinen Infarkt, die Patientin berichtet jedoch über eine PTCA vor vier Jahren. Bei den Laborwerten liegt das LDL bei 74 mg/dl, das Lp(a) ist normal, aus dem Serumkreatinin von 1,0 mg/dl und dem Alter der Patientin ergibt sich rechnerisch eine GFR von 54 ml/min. Die derzeitige Medikation besteht aus ASS 100 mg, Atorvastatin 40 mg, Bisoprolol 5 mg und Candesartan 8 mg. Bei der körperlichen Untersuchung können links keine Fußpulse festgestellt werden, und auch in der Arteria poplitea fehlt der Puls. Die Patientin ist trotz Therapie noch hypertensiv, hat links deutlich reduzierte Dopplerdrücke und einen Knöchel-Arm-Index unter 0,5. Im Duplex sind in der Arteria femoralis superficialis (AFS) eine Stenose und distal ein kurzstreckiger Verschluss zu sehen. Die Patientin hat Leidensdruck, die Angiografie zeigt Stenosen und den Verschluss, der nicht ausreichend kollateralisiert ist. Nach erfolgreicher PTA mit Stentimplantation ergibt sich jetzt die Frage nach der weiteren antithrombotischen Behandlung, um langfristig ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Patientin hat ein erhebliches kardiovaskuläres Risiko.

Thromboserisiko

Wenn Patienten mit einer pAVK und einer Stenose in der AFS interventionell mit einer Stentimplantation revaskularisiert wurden, ist die anschließende duale Plättchenhemmung mit Clopidogrel für einen Zeitraum von mindestens einem bis maximal sechs Monaten zusätzlich zu ASS therapeutischer Standard, um das Thromboserisiko zu senken. Außerdem sind bei der oben genannten Patientin eine aggressive Cholesterinsenkung und eine gute Blutdruckeinstellung erforderlich. Unmittelbar nach einer Revaskularisation ist bei den betroffenen Patienten nicht nur das Risiko für ein schweres Extremitätenereignis (Major Adverse Limb Event, MALE) sehr hoch, sondern langfristig besteht auch ein sehr hohes Risiko für das Auftreten von kardiovaskulären Komplikationen (Major Adverse Cardiac Event, MACE). Diese Entwicklung zeigt die Subanalyse der EUCLID-Studie. Die Evidenzsituation für die antithrombotische Therapie bei Patienten mit einer pAVK war bislang unbefriedigend. Keine antithrombotische Strategie konnte bisher die Rate an MACE und MALE nach peripherer Revaskularisation reduzieren. Die CASPAR-Studie mit Clopidogrel nach chirurgischer Revaskularisation verlief negativ. Die Studie musste wegen einer unzureichenden Rekrutierung abgebrochen werden. Ein Benefit für die duale Plättchenhemmung wurde nicht gezeigt, das Blutungsrisiko war erhöht. Das gilt auch für die Dutch-BOA-Studie, bei der die Antikoagulation mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin mit ASS verglichen wurde. Auch hier ergab sich für die Patienten nach chirurgischer Revaskularisation kein Vorteil für Warfarin, sondern nur ein erhöhtes Blutungsrisiko.

Voyager-Pad-Studie

Für die VOYAGER-PAD-Studie wurden insgesamt 6564 Patienten ≥50 Jahre mit mittelschwerer bis schwerer symptomatischer pAVK der unteren Extremität nach technisch erfolgreicher interventioneller oder operativer Revaskularisation und jeweils stratifiziert nach Art des Eingriffes randomisiert [5]. Die antithrombotische Behandlung begann nach erfolgter Hämostase spätestens zehn Tage nach dem Eingriff und bestand entweder aus einer Kombinationstherapie aus 2,5 mg Rivaroxaban zweimal täglich und 100 mg ASS einmal täglich oder aus einmal täglich 100 mg ASS und Placebo. Die demografischen Ausgangsmerkmale waren in beiden Behandlungsgruppen ausgeglichen und typisch für Patienten mit pAVK. Etwa ein Drittel der Patienten hat geraucht, 40 % hatten einen Diabetes mellitus, ein Fünftel der Patienten hatte eine eingeschränkte Nierenfunktion mit einer GFR von unter 60 ml/min, ein knappes Drittel der Patienten hatte zusätzlich noch eine KHK und 11 % hatten bereits einen Myokardinfarkt [6]. Auch die klinischen Merkmale zu Studienbeginn waren in beiden Behandlungsgruppen ausgeglichen. Der mediane Knöchel-Arm-Index lag bei 0,56, zwei Drittel der Patienten wurden endovaskulär und ein Drittel gefäßchirurgisch behandelt. Fast 30 % hatten eine kritische Extremitätenischämie. Die Basisbehandlung der Patienten war gut, 80 % erhielten ein Statin und über 60 % einen ACE-Hemmer oder einen Angiotensin-Rezeptorblocker. Der kombinierte primäre Endpunkt der Studie bestand aus der kumulativen Inzidenz von ALI, gefäßbedingter Majoramputation, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall und kardiovaskulär bedingtem Tod. Die Kombination aus Rivaroxaban in vaskulärer Dosierung plus ASS bewirkte im Vergleich zu ASS allein eine signifikante Reduktion des Risikos für den kombinierten primären Endpunkt um 15 %. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Ereignisrate im ASS-Behandlungsarm mit 19,9 % sehr hoch war, was das hohe kardiovaskuläre Risiko der Klientel unterstreicht. Der Effekt von Rivaroxaban setzte bereits sehr früh nach Randomisierung ein. Die NNT war mit 39 niedrig. Die signifikante Reduktion des primären Endpunktes beruhte im Wesentlichen auf einer Reduktion des Risikos für ein Adverse Limb Event (ALI) um 33 % durch die kombinierte Therapie mit zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und 100 mg ASS. Der primäre Sicherheitsendpunkt, die schweren Blutungen gemäß TIMI (Thrombolysis in Myocardial Infarction), waren zwar mit 62 gegenüber 44 Patienten mit diesem Ereignis in der Rivaroxaban-plus-ASS-Gruppe numerisch höher, dieser Unterschied war aber mit einer Hazard Ratio von 1,43 nicht signifikant. Bei den sehr schweren, intrakraniellen oder tödlichen Blutungen zeigte sich kein Unterschied in den Behandlungsgruppen bei gleichzeitig niedrigen Ereignisraten in beiden Gruppen. Schwere Blutungen gemäß ISTH (International Society of Thrombosis and Haemostasis), einem sensitiveren Parameter, waren mit einer Hazard Ratio von 1,42 in der Rivaroxaban-plus-ASS-Gruppe signifikant häufiger. Aus der Darstellung des zeitlichen Verlaufes der verhinderten oder verursachten Ereignisse ergibt sich, dass das Risiko für schwere Blutungen gemäß TIMI initial nach dem Eingriff etwas erhöht war und dann annähernd gleich blieb, während der Benefit initial schon sehr groß war und sich über die Zeit weiter verbesserte. Dies spricht für eine klinisch relevante vaskuläre Protektion durch die Kombination von Rivaroxaban und ASS.

Kriterien für die Patientenauswahl in der Praxis

Was bedeuten die Ergebnisse der VOYAGER-PAD-Studie für die Behandlung der Patienten mit einer pAVK in der täglichen Praxis? Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse aus der COMPASS-Studie, war bereits absehbar, dass Patienten mit einer pAVK sehr wahrscheinlich von einer Kombinationstherapie aus Rivaroxaban und ASS profitieren werden. Diese Ansicht wurde durch die Ergebnisse von VOYAGER PAD bestätigt. Welche Patienten mit einer symptomatischen pAVK können profitieren, und bei wem kann eine antithrombotische Therapie mit zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und einmal 100 mg ASS auch unter wirtschaftlichen Aspekten in der täglichen Praxis sinnvoll sein? Eine Kombinationstherapie bei pAVK-Patienten mit Rivaroxaban und ASS kann sinnvoll sein bei…
  • neu manifestierter pAVK,
  • progredienter pAVK,
  • wiederholten vaskulären Komplikationen in der Vergangenheit, kürzlicher oder anstehender Intervention, Revaskularisation,
  • Fontaine-Stadium III und IV,
  • „instabilem Gefäßsystem“,
  • hohem vaskulären Risiko oder
  • niedrigem Blutungsrisiko.
Zu nennen sind hier insbesondere Patienten, die kürzlich eine pAVK entwickelt haben oder die unabhängig von der Lokalisation des Gefäßes bei einer bekannten pAVK neue Komplikationen zeigen. Des Weiteren kommen instabile Patienten infrage mit wiederholten vaskulären Komplikationen in der Anamnese, wie rezidivierende Gefäßverschlüsse und mehrfache Stentimplantationen, Patienten nach einer endovaskulären oder chirurgischen Intervention und ganz besonders auch solche im Stadium III und IV nach Fontaine. Von letzteren ist bekannt, dass sie nach einer Intervention ein hohes Risiko für weitere Komplikationen an ihren Gefäßen haben. Das gilt natürlich auch für Patienten mit einem hohen vaskulären Risiko, die zusätzlich zur pAVK noch eine KHK und eine Karotisstenose haben, bei denen also zahlreiche Gefäße atherosklerotisch vorgeschädigt sind. Bei welchen Patienten ist die Kombinationstherapie in der Praxis eher nicht zu empfehlen? Bei einem stabilen Verlauf über viele Jahre hat eine Veränderung der Therapie nicht die oberste Priorität. Hier sollten die Ressourcen in der Praxis eher auf diejenigen verteilt werden, die einen größeren Therapiebedarf haben. Sehr alte Patienten, mit Ausnahme von biologisch jünger wirkenden Menschen, oder Patienten mit einer nur noch geringen Lebenserwartung oder schwerwiegenden nicht vaskulären Begleiterkrankungen (z. B. schwere COPD, schwere Herzinsuffizienz) kommen ebenfalls eher weniger infrage. Zurückhaltung ist auch bei Patienten zu empfehlen, die ein erhöhtes Blutungsrisiko aufweisen oder bei denen aufgrund einer notwendigen Polypharmazie von einer erhöhten Rate an Wechselwirkungen auszugehen ist. Eine Kombinationstherapie bei pAVK-Patienten mit Rivaroxaban und ASS ist eher nicht sinnvoll bei…
  • stabilem Verlauf über viele Jahre,
  • Alter >80 Jahre (mit Ausnahme von biologisch jünger wirkende Menschen),
  • geringer Lebenserwartung oder schwerwiegenden nicht vaskulären Komorbiditäten (COPD),
  • deutlich erhöhtem Blutungsrisiko oder,
  • Polypharmazie mit mehr als zehn Medikamenten.
Eine Analyse der eigenen Patientenklientel in der Praxis mit etwa 170 behandelten Patienten (Stand Februar 2020) ergab, dass die meisten Patienten in die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren eingeordnet werden können, was gut mit der Altersstruktur in den klinischen Studien übereinstimmt. Bei mehr als drei Vierteln der Patienten liegt eine pAVK im Stadium 2a und 2b vor, fast ein Drittel der Patienten haben gleichzeitig eine KHK und 25 % haben Karotisstenosen. Mehr als die Hälfte aller Patienten (104 von 170) wurde bereits interventionell behandelt. 54 sind operiert worden, kleinere Amputationen wurden bei sieben Patienten vorgenommen, die Anzahl von derjenigen mit Majoramputationen ist mit insgesamt zwei niedrig.

Patienten mit pAVK und Komorbiditäten

Patienten, die nur eine pAVK und keine weiteren Begleiterkrankungen haben, sind sehr selten. Oft liegt gleichzeitig eine KHK vor, ein Diabetes mellitus, eine Hypercholesterinämie, und viele Patienten rauchen noch oder haben geraucht. Es handelt sich meist um ein schwer krankes Patientengut. Die zunächst mit einem Schwerpunkt auf die Behandlung von KHK-Patienten ausgelegte COMPASS- Studie liefert ebenfalls relevante Daten zur pAVK-Therapie. Von den insgesamt 27.395 randomisierten Patienten hatten 91 % eine KHK und immerhin 27 % eine pAVK. Sie wurden entweder mit Rivaroxaban 2,5 mg zweimal täglich plus ASS 100 mg pro Tag, mit Rivaroxaban 5,0 mg zweimal täglich oder mit ASS 100 mg pro Tag behandelt. Die Studie wurde aufgrund der Überlegenheit des Kombinationsarmes vorzeitig abgebrochen. Die durchschnittliche Follow-up-Zeit betrug zu diesem Zeitpunkt 23 Monate. Der kombinierte primäre Wirksamkeitsendpunkt (MACE) bestand aus der Risikoreduktion von Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod. In der COMPASS-Studie hatten über 7000 Patienten eine pAVK, die entweder direkt bildgebend oder durch einen niedrigen ABI bei gleichzeitig bestehender KHK nachgewiesen wurde. Bei den Patienten mit einer KHK konnte durch die Kombinationstherapie aus zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und einmal 100 mg ASS die MACE-Inzidenz signifikant um 26 % gesenkt werden (Hazard Ratio 0,74; 95%-KI 0,65–0,86). KHK-Patienten mit einer nachgewiesenen pAVK haben ein besonders hohes kardiovaskuläres Risiko und profitieren von der Kombinationstherapie mit einer absoluten Reduktion des MACE-Risikos um 2,7 % besonders deutlich. Die Sicherheit betreffend wird durch die Kombinationstherapie im Vergleich zu einer ASS-Monotherapie das Risiko schwerer Blutungen (modifizierte ISTH-Kriterien) zwar signifikant erhöht, aber bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren ist dieser Anstieg nicht höher als beim Gesamtkollektiv. Patienten mit KHK und pAVK profitieren also mehr von der Kombinationstherapie, ohne dass gleichzeitig das Blutungsrisiko überproportional ansteigt. Durch die Kombination von zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und 100 mg ASS wurde nicht nur die MACE-Inzidenz signifikant gesenkt, sondern auch das Risiko von Extremitätenereignissen (MALE) einschließlich von Majoramputationen. Auch hier wurde ein Anstieg des Risikos für schwere Blutungen dokumentiert. Diese Daten wurden durch VOYAGER PAD bestätigt. Schwer kranke Patienten profitieren von einer deutlich größeren Risikoreduktion bei einem gleichzeitig vertretbaren Blutungsrisiko. Dieses Profil lässt sich in der täglichen Praxis gut umsetzen.

Leitlinie zur pAVKh

2019 sind mehrere Leitlinien aktualisiert worden, die detaillierte Angaben zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit KHK und pAVK enthalten. Die ESC-Leitlinien zur Diagnose und Behandlung des chronischen Koronarsyndroms enthalten eine Klasse-IIa-Empfehlung für den Zusatz eines zweiten antithrombotischen Medikamentes zu ASS zur Langzeitsekundärprävention bei Patienten mit einem moderaten oder hohen Risiko für ischämische Ereignisse ohne hohes Blutungsrisiko. Die Bedingung eines moderaten ischämischen Risikos ist dabei bereits mit dem Vorliegen einer pAVK erfüllt. In den Leitlinien der ESVM wird bei Patienten mit symptomatischer pAVK die Therapie mit Rivaroxaban 2,5 mg zweimal täglich und ASS 100 mg einmal täglich empfohlen, wenn kein hohes Blutungsrisiko oder andere Kontraindikationen bestehen. Bei Patienten mit Diabetes und einer pAVK der unteren Extremitäten wird die gleiche Kombination in den ESC/EASD-Leitlinien empfohlen, wenn kein hohes Blutungsrisiko besteht. Dem hat sich auch die DDG in einem Positionspapier zur Behandlung von Patienten mit pAVK und hohem Risiko für ischämische Ereignisse angeschlossen. Es bleibt die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für den Therapiebeginn in der täglichen Praxis.

Zeitpunkt des Therapiebeginns

Der Therapiebeginn mit Rivaroxaban und ASS bei Patienten mit pAVK ist sinnvoll bei anstehender Intervention (Cave: duale Plättchenhemmung, DAPT), bei anstehender Gefäßchirurgie (kurz vor dem Eingriff pausieren) oder nach Ende DAPT oder Antikoagulation (Cave: Compliance-Probleme). Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der VOYAGER-PAD-Studie gibt es eigentlich keinen Grund mehr, den Patienten mit einer pAVK zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine Behandlung mit zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und 100 mg ASS vorzuenthalten, wenn keine Kontraindikationen vorliegen. Das gleiche gilt natürlich für die Behandlung mit einem Statin bei Hypercholesterinämie. Wenn nach einer endovaskulären Revaskularisation eine DAPT ansteht, kann die Verordnung von Rivaroxaban pausiert werden. Nach den bislang vorliegenden Erfahrungen ist diese Vorgehensweise aber nicht zwingend erforderlich. Für Patienten mit einem hohen Risiko kommt eine Therapie mit Rivaroxaban plus ASS plus Clopidogrel für einen begrenzten Zeitraum infrage; für Patienten mit einem niedrigen Risiko ist eine Therapie mit Rivaroxaban und ASS ausreichend. Die Frage zur Dauer einer zusätzlichen Therapie mit Clopidogrel kann nicht abschließend geklärt werden, sollte aber möglichst kurz gehalten werden, da die erhöhte Blutungsrate direkt mit der Dauer der Clopidogrel-Gabe korreliert. Bei einem anstehenden gefäßchirurgischen Eingriff wird Rivaroxaban kurz vorher abgesetzt und die Behandlung danach fortgeführt. Bei allen Patienten mit einer kardiologischen Indikation zur dualen Plättchenhemmung kann nach dem Ende der DAPT die Behandlung mit Rivaroxaban und ASS begonnen werden, sofern die Compliance des Patienten das zulässt. Es gibt in der täglichen Praxis Patienten, die bereits mit der Einnahme von ASS und einem Statin überfordert sind. Hier ist zu empfehlen, den Patienten etwas Zeit zu geben, damit sie ihre persönliche Risikosituation verstehen können, bevor man ihnen Rivaroxaban verordnet.

Stellenwert von Clopidogrel bei Patienten mit pAVK

Die insgesamt unbefriedigende Evidenzsituation zur dualen Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel ist als Grund für bislang individuelle und nicht einheitliche therapeutische Strategien nach endovaskulären Prozeduren anzusehen. Zur vaskulären Protektion mit Rivaroxaban und ASS liegen mittlerweile drei große Stu dien vor, und die Evidenz ist eindeutig. Neben VOYAGER PAD und COMPASS lieferte auch ATLAS relevante Daten. In der VOYAGER-PAD-Studie wurde die Hälfte der Patienten in beiden Behandlungsarmen zum Zeitpunkt der Randomisierung mit Clopidogrel behandelt. Im Median wurde diese Behandlung für etwa einen Monat bei fast 60 % der Patienten beibehalten. Bei etwa 30 % der Patienten dauerte die Therapie mit Clopidogrel bis zu drei Monaten und bei 6 % bis zu einem halben Jahr. Die Therapie mit Clopidogrel wurde in VOYAGER PAD nicht randomisiert und wurde nach der Entscheidung des Prüfarztes verordnet. Ein direkter Vergleich der Patienten mit und ohne Clopidogrel ist daher nicht möglich. Somit kann eine Aussage, wann eine Clopidogrel-Therapie effektiv ist und wie lange diese durchgeführt werden sollte, nicht abschließend getroffen werden. Bei VOYAGER PAD handelte es sich um Patienten nach einer Intervention, die natürlich ein höheres Risiko haben als die Patienten ohne Intervention. Trotzdem ist bei diesen Patienten der Benefit von Rivaroxaban durch die Reduktion der akuten Extremitätenischämie und vaskulärer Komplikationen genau der gleiche wie bei den Patienten ohne Clopidogrel. Die Zahl der Blutungen war durch Clopidogrel zwar numerisch etwas erhöht, der Unterschied aber nicht statistisch signifikant. Interessant war allerdings die Beobachtung, dass das Blutungsrisiko bei den Patienten, die länger als 30 Tage mit Clopidogrel behandelt wurden, deutlich anstieg. Clopidogrel als Add-on zu Rivaroxaban und ASS sollte deshalb bei Patienten mit einer pAVK nach einer längeren Stentimplantation der Arteria femoralis superficialis oder einer Dissektion während der Intervention nicht länger als einen Monat gegeben werden. Nach einer PTA im Beckenbereich kann auf eine duale Plättchenhemmung ganz verzichtet werden.

Motivation des Patienten

Bei Patienten mit einer pAVK kann es eine echte Herausforderung sein, eine gute Adhärenz für die regelmäßige Einnahme der Medikamente zur vaskulären Protektion zu erreichen, und erst recht in den Fällen, wenn sie keine Beschwerden haben. Es ist den Patienten meist nicht bewusst, dass sie ein hohes kardiovaskuläres Risiko haben und dass im weiteren Verlauf der Erkrankung potenziell lebensbedrohende Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine Invalidität durch den Verlust eines Beines eintreten können. Dementsprechend müssen die Patienten intensiv über dieses Risiko informiert werden und erkennen, dass die Medikamente das Risiko nachweislich senken. Zusätzlich sollten sie natürlich an einem gesünderen Lebensstil arbeiten. Sie müssen verstehen, dass das, was bei ihnen zum Beispiel in der rechten Oberschenkelarterie passiert ist, jederzeit an jedem Gefäß ihres Körpers auftreten kann. Übersetzt in die Sprache der Patienten beruht die Ergänzung der Standardtherapie mit ASS und einem Statin durch Rivaroxaban auf den sehr positiven therapeutischen Erfahrungen und darauf, dass das Medikament bereits lange in vier- bis sechsfach höheren Dosierungen angewendet wird. Durch die zusätzliche Einnahme von Rivaroxaban wird das Risiko für weitere Gefäßereignisse noch einmal deutlich gesenkt und das Blutungsrisiko leicht erhöht. Um dem Patienten zu signalisieren, wie wichtig die Therapie ist und wie er ärztlich überwacht wird, erfolgt die Erstverordnung von Rivaroxaban zunächst für vier Wochen.

Therapiedauer bei pAVK nach Revaskularisation

Es ist bekannt, dass bei Patienten mit einer pAVK in der akuten Phase nach einer Revaskularisation das Risiko für Extremitätenereignisse (MALE) sehr hoch ist. VOYAGER PAD hat gezeigt, dass dieses Risiko mit zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und 100 mg ASS effektiv gesenkt werden kann. VOYAGER PAD lief über einen Zeitraum von 28 Monaten und stellt damit einen fließenden Übergang zur COMPASS-Studie dar, die gezeigt hat, dass die Kombination von Rivaroxaban und ASS auch in der chronischen Phase bei pAVK-Patienten das Risiko für Beinereignisse und für kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduziert. Es ist zu erwarten, dass die Risikoreduktion sich langfristig fortsetzt, und das spricht, vergleichbar mit der Einnahme eines Statins, für eine dauerhafte Behandlung der pAVK-Patienten mit zweimal 2,5 mg Rivaroxaban und 100 mg ASS.

Fazit

  • Patienten mit einer pAVK haben nach Revaskularisatonsmaßnahmen ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere Extremitäten- und kardiovaskuläre Ereignisse.
  • VOYAGER PAD hat gezeigt, dass eine niedrige Dosis von 2x 2,5mg Rivaroxaban kombiniert mit 1x 100mg ASS pro Tag im Vergleich zu 1x 100mg ASS pro Tag bei pAVK-Patienten nach Revaskularisation die kumulative Inzidenz von ALI, gefäßbedingter Majoramputation, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod signifikant senkt.
  • Im Vergleich zur ASS-Monotherapie führt die Kombination von 2x 2,5mg Rivaroxaban und 1x 100mg ASS zu einem Anstieg von leichten Blutungskomplikationen, die Rate an schweren, tödlichen und intrakraniellen Blutungen wird aber nicht signifikant erhöht.
  • Eine adäquate und für den Patienten gut verständliche Aufklärung über Nutzen und Risiken einer Antikoagulation ist eine wichtige Maßnahme für die Verbesserung der Adhärenz.