Einführung
Die Zusammenhänge zwischen einem Diabetes mellitus und der Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung sind schon lange bekannt. Während der physiologische Verlust der glomerulären Filtrationsrate (GFR) ab dem 45. Lebensjahr bei etwa 1 ml/min/1,73 m2/Jahr liegt, ist der Verlauf einer diabetischen Nierenerkrankung mit einem Verlust von bis zu 5 ml/min/1,73 m2/Jahr und einem abhängig vom Zeitpunkt der Erstdiagnose deutlich früheren Beginn wesentlich dramatischer. Mit diesem pathologischen Filtrationsverlust erreichen die Patienten innerhalb weniger Jahrzehnte das dialysepflichtige Endstadium der chronischen Nierenerkrankung (ESDR), das mit einer Filtrationsleistung von ≤10 ml/min/1,73 m2 definiert ist. Die meisten Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) versterben aber bereits, bevor sie dialysepflichtig werden. Das Behandlungsziel aus nephrologischer Sicht besteht darin, die Geschwindigkeit des GFR-Verlustes mit verschiedenen wirksamen pharmakologischen Ansätzen deutlich zu reduzieren und das kardiovaskuläre Risiko zu minimieren. Um die kardiorenale Situation der Patienten in der Praxis richtig einschätzen zu können, sind Erkenntnisse über den Verlauf der diabetischen Nephropathie hilfreich. In der Anfangsphase sind noch 100 % der Nierenmasse mit einer großen Filtrationsreserve zwischen 100 und 180 ml/min/1,73 m2 funktionsfähig. Abhängig vom Grad der Blutzuckereinstellung folgt eine Phase der Hyperfiltration, in der es zu einer Abnahme der funktionsfähigen glomerulären Einheiten auf nahezu 50 % kommt. Die glomeruläre Filtrationsrate bleibt in dieser Phase normal, während die Albuminausscheidung im Urin (UAE) kontinuierlich ansteigt. Erst im weiteren Verlauf sinkt die Filtrationsleistung mit weiter abnehmender Nierenmasse deutlich ab, während die Albuminausscheidung weiter zunimmt. Der beginnende Verlust der Filtrationsleistung kündigt sich also sehr früh mit dem Anstieg der Albuminausscheidung an. Für die Prognose von Patienten mit einem Diabetes mellitus ist es demnach entscheidend, diesen Parameter zu überwachen, um rechtzeitig geeignete Behandlungen einzuleiten.
Patientenfall – Vorstellung
Ahmed ist ein 71-jähriger Patient mit Migrationshintergrund. Das Körpergewicht beträgt 82 kg bei einer Größe von 167 cm; mit einem BMI von 29,4 besteht leichtes Übergewicht. Ein Typ-2-Diabetes besteht schon lange, wegen ständiger Aufenthalte in Marokko war der Patient schwer zu führen und wurde häufig medikamentös umgestellt. Zusätzlich zum Diabetes besteht eine arterielle Hypertonie und eine Hypercholesterinämie. Aktuelle Medikation: Candesartan 16 mg, Lercanidipin 20 mg, Xipamid 20 mg, Rosuvastatin 40 mg, Metformin zweimal 850 mg jeweils pro Tag. Aktuelles Labor: Serumkreatinin 1,0 mg/dl, eGFR 72 ml/min/1,73 m2, UACR 150 mg/g, Blutzucker 173 mg/dl, HbA1c 7,4 %, Gesamtcholesterin 148 mg/dl, HDL 37mg/dl, LDL 100 mg/dl, Triglyceride 131 mg/dl, Serumkalium 3,5 mmol/l.
Einschätzung der Nierenfunktion in der Praxis
Die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate reicht als Parameter nicht aus, um die Dynamik des erhöhten Filtrationsverlustes und das individuelle kardiorenale Risiko bei einem Patienten mit Typ-2-Diabetes zu erfassen. Die Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) ist unabhängig von der Urinkonzentration und gibt die Menge des ausgeschiedenen Albumins in Relation zum Kreatinin an. Der Normalwert liegt <30 mg/g Kreatinin. Die UACR schließt deshalb im Vergleich zur einfachen Bestimmung der Albuminkonzentration im Urin Verdünnungseffekte aus und ist neben der eGFR der wichtigste Parameter für die Verlaufskontrolle. Die UACR liefert einen Hinweis darauf, wie schnell die chronische Nierenerkrankung fortschreitet und der Patient sich in Richtung einer Dialysepflicht entwickelt. Die Albuminurie ist zudem ein wichtiger prognostischer Marker für das kardiovaskuläre Risiko und die Gesamt-Sterblichkeit. Trotz dieser Erkenntnisse wird die UACR in der täglichen Praxis immer noch zu wenig bestimmt. Die fünf häufigen Fragen lauten:
- Wie wird der Urin gesammelt?
- Wohin wird die Probe geschickt?
- Wie viel kostet die Bestimmung?
- Wer bezahlt die Bestimmung?
- Welche Bedeutung hat der Wert (mg/g)?
Die Probe mit morgendlichem Spontanurin kann in ein Labor geschickt werden. Die Kosten für die quantitative Albuminbestimmung werden über die EBM-Ziffer 32435, die für die enzymatische Kreatinin-Bestimmung über die 32067 abgerechnet und sind für das Laborbudget relevant. Der UACR-Wert wird daraus in den meisten Laboren automatisch berechnet. Die Bedeutung der UACR zur Bestimmung des renalen Risikos wurde bereits erläutert und erhält durch die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen renalem und kardiovaskulärem Risiko ein noch größeres Gewicht. Neben der genaueren Analyse im Labor sind auch semiquantitative Streifentests zum Stückpreis von etwa einem Euro verfügbar, die eine Abschätzung der UACR direkt in der Praxis ermöglichen und über die EBM-Ziffer 32135 (Urin-Mikroalbumin, bei Diabetikern unter Abrechnung von EBM 32022 nicht für das Laborbudget relevant) abgerechnet werden können. Spätestens nach der Diagnose einer CKD und der Einleitung einer nephroprotektiven Therapie sollte aus nephrologischer Perspektive die UACR-Bestimmung im Rahmen von Kontrolluntersuchungen über ein Labor erfolgen.
Heatmap zur Bestimmung des renalen Risikos
Im Konsensusbericht der Amerikanischen Diabetesgesellschaft (ADA) und der „Kidney Disease: Improving Global Outcome” (KDIGO) wurden die ursprünglich von der KDIGO aufgearbeiteten Erkenntnisse zur Entwicklung der chronischen Nierenerkrankung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes in einer Heatmap zusammengefasst. Sie erlaubt mit den Parametern eGFR und UACR eine eindeutige Einstufung der Patienten im Hinblick auf das Risiko für die Entwicklung einer terminalen Nierenerkrankung (ESDR) und enthält zusätzlich noch Hinweise zur Therapieeinleitung, zur fachärztlichen Konsultation und zur Frequenz von Kontrolluntersuchungen.
Zusammenhang zwischen renalem und kardiovaskulärem Risiko
Ein Typ-2-Diabetes reduziert die Lebenserwartung deutlich. Die standardisierte zehnjährige kumulative Mortalitätsrate (95%-KI) bei Menschen mit einem mittleren Alter von 46 Jahren wird durch einen Typ-2-Diabetes um 4,1 % erhöht. Die gleiche Mortalitätsrate ist bei durchschnittlich 62 Jahre alten Patienten mit einem Typ-2-Diabetes, einer Albuminurie und einer eGFR ≤60 ml/min/1,73 m2 um 47 % erhöht. Mit abnehmender glomerulärer Filtrationsrate steigt die kardiovaskuläre Mortalität an. Der gleiche Zusammenhang wurde bei einer steigenden UACR dokumentiert. Renales und kardiovaskuläres Risiko sind demnach eng miteinander verknüpft. Die ADA/KDIGO-Heatmap zur Bestimmung des renalen Risikos schließt somit das kardiovaskuläre Risiko mit ein, dessen Bestimmung in der Praxis allerdings durch die regelmäßige Überwachung der Lipidwerte ergänzt werden muss.
Patientenfall – Einstufungxxxx
Mit einer eGFR von 72 ml/min/1,73 m2 kann der Patient der Kategorie G2 mit einer gering reduzierten Filtrationsrate zugeordnet werden. Die mit einem smiquantitativen Streifentest in der Praxis zweifach bestimmte UACR lag bei 150 mg/g. Damit ist die Voraussetzung für die Einstufung in die Albuminkategorie A2 mit einer mittelgradigen Erhöhung erfüllt. Der Patient befindet sich aktuell demnach im CKD-Stadium G2A2 und hat ein erhöhtes Risiko. Die CKD sollte behandelt werden, eine Überweisung zum Nephrologen ist noch nicht notwendig. Die Nierenfunktion sollte einmal jährlich kontrolliert werden. Das LDL-Cholesterin befindet sich mit 100 mg/dl noch nicht im Zielbereich.
Regelmäßiges Screening in der hausärztlichen Praxis
Mit Blick auf die Entwicklung der chronischen Nierenerkrankung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes wird schnell klar, warum der schleichende und im Allgemeinen schmerzfreie Filtrationsverlust der Nieren von den Patienten nicht bemerkt wird. Durch die natürliche renale Funktionsreserve wird ein Abfall der GFR lange kompensiert. Fehlt dann noch ein Screening durch hausärztliche Untersuchungen, bleibt die beginnende CKD unerkannt. Damit vergeht wertvolle Zeit, in der mit einer frühzeitigen nephroprotektiven Therapie der GFR-Verlust deutlich verzögert werden könnte. Tatsächlich wissen weltweit neun von zehn Patienten nichts von ihrer chronischen Nierenerkrankung. Deshalb soll in der hausärztlichen Praxis bei Patienten mit einem erhöhten Risiko ein Screening auf chronische Nierenerkrankungen erfolgen. Dies liegt vor bei Patienten mit Diabetes mellitus, Hypertonie, kardiovaskulären Erkrankungen, Alter >65 Jahre, Adipositas (BMI >30) oder einer familiären Vorgeschichte für Nierenerkrankungen. Bei einem deutlich erhöhten Risiko sollte das Screening regelmäßig erfolgen. Bei einem Typ-1-Diabetes jährlich beginnend fünf Jahre nach der Diagnose und bei einem Typ-2-Diabetes jährlich beginnend mit der Diagnose. Aus den bereits genannten Gründen sollten eGFR und UACR immer gemeinsam bestimmt werden.
Möglichst frühzeitiger Beginn einer prognoseverbessernden Therapie
An erster Stelle stehen Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensstiles, eine optimale Einstellung des Blutzuckers und das Management des Körpergewichtes. Sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes sollten mit einer Renin-Angiotensin-System-(RAS-)Blockade behandelt werden. Bei einer Hypercholesterinämie sollte abhängig vom Grad einer Nierenfunktionseinschränkung der Low-Density-Lipoprotein-(LDL-)Zielwert mit einem wirksamen Statin erreicht werden. Dieser liegt bei Patienten mit einer CKD bei <70 mg/dl. Bei einer eGFR <30 ml/min/1,73 m2 liegt das LDL-Ziel wie bei einem Myokardinfarkt bei <55 mg/dl. Patienten mit einem Typ-2-Diabetes und einer CKD mit einer eGFR ≥20 ml/min/1,73 m2 profitieren laut einer Metaanalyse eindeutig von der Gabe eines SGLT2-Inhibitors mit einer mittleren relativen Risikoreduktion von 38 % in Bezug auf die CKD-Progression. Trotz dieser wirksamen therapeutischen Maßnahmen bleibt ein immer noch deutliches kardiorenales Restrisiko bestehen. Als dritte medikamentöse Säule empfehlen die Leitlinien die Gabe eines nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (nsMRA).
Nephroprotektion durch Blockade des Mineralokortikoid-Rezeptors
Hämodynamische und metabolische Faktoren sind nicht die einzigen Progressionstreiber einer chronischen Nierenerkrankung. Inflammation und Fibrosierung schädigen die Niere zusätzlich und können durch Drucksenkung und verbesserte Blutzuckereinstellung nur indirekt beeinflusst werden. Hyperglykämie, hohe Salzlast und oxidativer Stress führen zu einer Überaktivierung des Mineralokortikoid-Rezeptors, der wiederum inflammatorische und fibrotische Prozesse triggert und über hämodynamische Mechanismen eine Verschlechterung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen vorantreibt. Finerenon ist ein hochselektiver nicht steroidaler Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (nsMR-Antagonist), der die überaktivierten Rezeptoren gezielt blockiert und dadurch seine protektive kardiale und renale Wirkung entfaltet. Wegen des eigenständigen Wirkungsmechanismus wirkt Finerenon zusätzlich zu RAS-Blockade und SGLT2-Inhibition. Im Vergleich zu den bekannten steroidalen MR-Antagonisten Spironolacton und Eplerenon hat Finerenon ein günstigeres Nebenwirkungsprofil.
Finerenon bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD
Finerenon konnte bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) mit Albuminurie sowohl einen kombinierten renalen Endpunkt als auch einen kombinierten kardiovaskulären Endpunkt reduzieren. Der Nachweis der Risikoreduktion wurde mit der präspezifizierten gepoolten FIDELITY-Analyse aus den beiden randomisierten klinischen Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD mit einer Gesamtzahl von 13.026 Patienten erbracht, in denen Finerenon in Dosierungen von 10 mg oder 20 mg im Vergleich zu Placebo zusätzlich zu einer optimierten RAS-Blockade mit maximal tolerierten Dosierungen verabreicht wurde. 6,7 % der Patienten erhielten zum Zeitpunkt der Randomisierung zusätzlich einen SGLT2-Inhibitor, bei weiteren 8,5 % der Patienten wurde während der Studie die Behandlung mit einem SGLT2-Inhibitor initiiert. 72,2 % der Patienten waren zu Beginn der Studie mit einem Statin behandelt. Finerenon reduzierte bereits nach vier Monaten die UACR um 32 % im Vergleich zu Placebo. Dieser Effekt hielt über den gesamten Beobachtungszeitraum von bis zu vier Jahren an. Der kombinierte renale Endpunkt setzte sich zusammen aus der Zeit bis zum Nierenversagen, bis zur anhaltenden Abnahme der eGFR um ≥57 % – das entspricht etwa der Verdopplung des Serumkreatinins – gegenüber Baseline oder bis zum renal bedingten Tod. Finerenon reduzierte das relative Risiko für die Progression der Nierenerkrankung im Vergleich zu Placebo um 23 % (HR: 0.77; 95%-KI: 0.67–0.88; p = 0.0002). Der kombinierte kardiovaskuläre Endpunkt setzte sich zusammen aus der Zeit bis zum kardiovaskulären Tod, dem nicht tödlichen Myokardinfarkt, dem nicht tödlichen Schlaganfall oder der durch Herzinsuffizienz bedingten Hospitalisierung. Finerenon reduzierte das relative Risiko für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität im Vergleich zu Placebo um 14 % (HR: 0.86; 95%-KI: 0.78–0.95; p = 0.0018). Das Risiko für eine durch Herzinsuffizienz bedingte Hospitalisierung wurde durch Finerenon im Vergleich zu Placebo um 22 % gesenkt (HR: 078; 95%-KI: 0.66–0.92; p = 0.030). Steroidale Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten wie Spironolacton und Eplerenon haben eine ausgeprägte blutdrucksenkende Wirkung. In der FIDELIO-DKD-Studie war der Blutdruck bei den meisten Patienten mit einer RAS-Blockade bereits gut kontrolliert, bevor Finerenon eindosiert wurde. Der mittlere systolische Blutdruck sank unter Finerenon im Vergleich zu Placebo um moderate 3,7 mmHg im Monat 4 und um 3,0 mmHg im Monat 12. Bei den Patienten, die zum Studienbeginn einen eher unkontrollierten Blutdruck hatten, war der drucksenkende Effekt von Finerenon deutlicher ausgeprägt. Bei einem systolischen Ausgangsdruck zwischen 140 und 150 mmHg betrug die mittlere Drucksenkung nach einem Monat 4,8 mmHg, lag der Ausgangsdruck zwischen 150 und 160 mmHg, lag die mittlere Drucksenkung bei 10,8 mmHg. Auch die rund 900 Studienteilnehmer, die zu Studienbeginn zusätzlich zur RAS-Hemmung einen SGLT2-Hemmer einnahmen, profitierten hinsichtlich der kardiorenalen Protektion unter Finerenon mit ersten Hinweisen auf einen synergistischen Effekt. Ein weiterer bekannter Effekt der Blockade des Mineralokortikoid-Rezeptors mit steroidalen MRA ist ein Anstieg der Serumkaliumkonzentration. Der Serumkaliumspiegel musste deshalb in den klinischen Studien vor Beginn der Therapie mit Finerenon mindestens 4,8 mmol/l betragen und wurde regelmäßig überwacht. Der mittlere Anstieg des Serumkaliums unter einer Behandlung mit Finerenon betrug in Studien allerdings nur etwa 0,2 mmol/l und war durch eine vorrübergehende Unterbrechung der Behandlung gut beherrschbar. Bei einer kombinierten Behandlung mit einem SGLT2-Inhibitor war die Rate an Hyperkaliämien unter Finerenon deutlich geringer. Präklinische Untersuchungen haben gezeigt, dass Finerenon im Gegensatz zu Spironolacton und Eplerenon die Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringen kann. Damit ist eine Voraussetzung für ein günstigeres Profil bei zentralnervösen Nebenwirkungen gegeben.
Erstklassige Empfehlung von Finerenon in allen relevanten Leitlinien in kurzer Zeit
Die bisherigen Ergebnisse des klinischen Studienprogrammes mit Finerenon haben dazu geführt, dass innerhalb von nur zwei Jahren die Leitlinien von ADA, KDIGO, European Society of Hypertension (ESH) und European Society of Cardiology (ESC) Finerenon als ersten nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten zur Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD auf Klasse-IA-Niveau empfehlen. Diese Empfehlungen gelten sowohl zur Senkung des renalen als auch des kardiovaskulären Risikos. Die ESC-Empfehlungen für die medikamentöse Therapie von Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD sind sehr praxisorientiert. Die Gabe von Statinen oder einer Statin-Ezetimib-Kombination reduziert das kardiovaskuläre Risiko. Als Zielwert für das LDL-Cholesterin soll bei einem Diabetes ohne Endorganschaden oder einer moderaten CKD (eGFR 30 bis 59 ml/min/1,73 m2) eine Serumkonzentration von mindestens <70 mg/dl erreicht werden. Bei kardiovaskulären Risikopatienten oder einem Typ-2-Diabetes mit Endorganschäden (≥3 Hauptrisikofaktoren) oder einer schweren CKD (eGFR <30 ml/min/1,73 m2) beträgt der LDL-Zielwert <55 mg/dl. Die RAS-Blockade bis zur maximal verträglichen Dosierung senkt das Risiko einer terminalen Nierenerkrankung. SGLT2-Inhibitoren bei einer eGFR von mindestens 20 ml/min/1,73 m2 und eine Blutdruckkontrolle mit einem Zielwert von 130/80 mmHg senken sowohl das kardiovaskuläre als auch das renale Risiko. Finerenon wird auf Klasse-IA-Level zusätzlich zur RAS-Blockade bei Patienten mit einer eGFR von mindestens 60 ml/min/1,73 m2 und einer UACR über 300 mg/g oder mit einer eGFR von 25 bis 60 ml/min/1,73 m2 und einer UACR >30 mg/g empfohlen. Neben diesen Maßnahmen können zur weiteren Kontrolle des Blutzuckers GLP-1-Rezeptoragonisten (Glucagon-like-Peptid 1) bis zu einer eGFR von 15 ml/min/1,73 m2 eingesetzt werden, außerdem ohne zusätzlichen kardiovaskulären Benefit Metformin, DPP-4-Inhibitoren und Insulin. In den aktuellen ADA-Leitlinien zur Behandlung des Diabetes von 2024 lautet im Kapitel „Kardiovaskuläre Erkrankungen und Risikomanagement” sowie im Kapitel „Chronische Nierenerkrankungen” die Klasse-A-Empfehlung, Finerenon einzusetzen, um das Risiko für eine durch Herzinsuffizienz bedingte Hospitalisierungsrate von Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD zu senken. Die aktuellen Empfehlungen der KDIGO verfolgen nach wie vor einen ganzheitlichen Ansatz. An erster Stelle stehen Lebensstilmodifikationen mit den Schwerpunkten Ernährung, körperliche Aktivität, Nikotinabstinenz und Gewichtsmanagement. Die medikamentöse Erstlinientherapie besteht aus SGLT2-Inhibitoren, RAS-Blockade und der Gabe von Statinen. Für die zielgerichtete Therapie von Komplikationen empfiehlt die KDIGO abhängig vom kardiovaskulären oder renalen Risiko GLP-1-Rezeptoragonisten und andere blutzuckersenkende Medikamente, nicht steroidale Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten zusätzlich zur RAS-Blockade, weitere blutdrucksenkende Medikamente zur Erreichung des Zielwertes sowie Thrombozytenaggregationshemmer und weitere Lipidsenker bei unzureichendem Effekt einer hochdosierten Statingabe.
Patientenfall – Einstellung auf SGLT2-Inhibitor und Finerenon
Der Patient hatte bereits eine RAS-Blockade in der Medikation. Er erhielt dann im Juli 2023 zusätzlich 5 mg Dapagliflozin mit einer Dosiserhöhung bei guter Verträglichkeit nach vier Wochen auf 10 mg pro Tag. Der Patient war anschließend wieder in Marokko und erlitt im September einen Schlaganfall mit einer residualen armbetonten Hemiparese links. Die Medikation wurde um ASS 100 mg ergänzt. Im Dezember stellte sich der Patient wieder in der Praxis vor. Die Laborwerte: Serumkreatinin 1,2 mg/dl, eGFR 62 ml/min/1,73 m2, UACR (semiquantitativ als Streifentest) 150 mg/g, Blutzucker 128 mg/ml, HbA1c 7,2 %, Serumkalium 3,8 mmol/l. Bis auf eine zu erwartende leicht reduzierte Abnahme der eGFR unter SGLT2-Inhibition waren die Werte unverändert. Mit einem Serumkalium ≤4,8 mmol/l und einer eGFR ≥60 ml/min/1,73 m2 wurde die Behandlung mit Finerenon mit der Zieldosis von 20 mg einmal täglich eingeleitet. Bei der Kontrolle nach vier Wochen im Januar 2024 lag das Serumkalium bei 3,9 mmol/l, die Dosis von Finerenon wurde deshalb nicht verändert. Labor im März 2024: Serumkreatinin 1,3 mg/dl, eGFR 56 ml/min/1,73 m2, UACR (semiquantitativ als Streifentest) 50 mg/g, Blutzucker 191 mg/dl, HbA1c 7,8 %, Serumkalium 3,8 mmol/l. Der HbA1c-Anstieg war durch einen erhöhten Konsum von Datteln erklärbar. Unter der Behandlung mit Finerenon kam es bedingt durch den nephroprotektiv wirksamen niedrigeren Filtrationsdruck zu einem leichten Anstieg des Serumkreatinins und einer leichten Abnahme der eGFR sowie einer deutlichen Abnahme der UACR. Dem Patienten geht es gut, und er ist mit seiner Behandlung zufrieden.
Dosierung von Finerenon
Wenn Finerenon bei Patienten mit einem Typ-2-Diabetes und einer Albuminurie eingesetzt werden soll, sind die Serumkaliumkonzentration und der eGFR-Wert notwendig. Bei einer Kaliumkonzentration von ≤4,8 mmol/l ist ein Therapiebeginn möglich, bei Konzentrationen zwischen 4,8 und 5,0 mmol/l kann der Beginn der Finerenon-Behandlung unter zusätzlicher Überwachung des Serumkaliums während der ersten vier Wochen auf Basis der Patientencharakteristika und des Serumkaliumspiegels erwogen werden. Bei einem Serumkaliumspiegel >5 mmol/l wird der Einsatz von Finerenon nicht empfohlen. Die initiale Dosierung von Finerenon richtet sich nach der eGFR. Bei einem Wert unter 25 ml/min/1,73 m2 wird Finerenon nicht empfohlen, bei Werten ab 25 bis <60 ml/min/1,73 m2 beträgt die Anfangsdosis 10 mg einmal täglich, ab einer eGFR von 60 ml/min/1,73 m2 kann Finerenon in der empfohlenen Ziel- und Höchstdosis von 20 mg einmal täglich verabreicht werden. Vier Wochen nach dem Behandlungsbeginn mit Finerenon, nach einer Wiederaufnahme der Behandlung oder einer Dosiserhöhung ist eine erneute Messung des Serumkaliums und der eGFR notwendig. Liegt das Serumkalium ≤4,8 mmol/l, kann eine Anfangsdosis von 10 mg auf 20 mg Finerenon erhöht werden. Bei einem Serumkalium zwischen 4,8 und 5,5 mmol/l sollte die gewählte Anfangsdosis beibehalten werden, bei Serumkaliumkonzentrationen >5,5 mmol/l sollte die Finerenon-Therapie pausiert und eine Wiederaufnahme mit einer Dosierung von 10 mg einmal täglich erwogen werden, wenn das Serumkalium auf Werte ≤5,0 mmol/l gesunken ist. Nach der Dosisüberprüfung vier Wochen nach Therapiebeginn muss das Serumkalium periodisch und nach Bedarf auf Basis der Patientencharakteristika und des Serumkaliumspiegels kontrolliert werden.
Die vierte Säule der Nephroprotektion
Die wichtigsten Ziele bei der Behandlung von Patienten mit einem Typ-2-Diabetes und einer CKD mit Albuminurie sind die Vermeidung einer Dialyse und die Verhinderung von kardiovaskulären Komplikationen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich mittlerweile drei evidenzbasierte medikamentöse Therapiesäulen etabliert. Neben einer RAS-Blockade und der SGLT2-Inhibition wird eine Behandlung mit dem nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten Finerenon empfohlen. Alle Behandlungen sind zugelassen und für die Therapie in der hausärztlichen Praxis verfügbar. Die Frage, ob GLP-1-Rezeptoragonisten zusätzlich zu RAS-Blockade, SGLT2-Inhibition und einer Hemmung des Mineralokortikoid-Rezeptors durch Finerenon die Progression einer chronischen Nierenerkrankung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes noch weiter reduzieren können, wurde mit der FLOW-CKD-Studie mit Semaglutid bestätigt. Insgesamt 3533 Patienten wurden 1 : 1 in einen Behandlungsarm mit 1 mg Semaglutid subkutan einmal wöchentlich und in einen Placeboarm randomisiert. Nach einer mittleren Follow-up-Zeit von 3,4 Jahren wurde durch Semaglutid das Risiko für das Erreichen eines primären Outcome-Ereignisses im Vergleich zu Placebo um 24 % gesenkt (331 vs. 410 „first events”; HR: 0.76; 95%-KI: 0.66–0.88; p = 0.0003). Die Gesamtsterblichkeit nahm um 20 % ab (HR: 0.80; 95%-KI: 0.67–0.95; p = 0.01). Für den GLP-1-Inhibitor Semaglutid konnte damit gezeigt werden, dass es mit der voraussichtlich 2025 zu erwartenden Zulassung mit den GLP-1-Rezeptoragonisten eine vierte Säule für die Nephroprotektion für Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer CKD mit Albuminurie geben wird.
Epidemiologie der Multimorbidität
Bei kardiovaskulären, metabolischen und renalen Erkrankungen gibt es deutliche epidemiologische Überschneidungen. Aktuelle Zahlen aus dem repräsentativen National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) in den USA belegen dies. 6,8 % der Patienten haben einen Typ-2-Diabetes, 3,2 % haben einen Typ-2-Diabetes und eine CKD, 1,7 % sind von einem Typ-2-Diabetes und einer kardiovaskulären Erkrankung betroffen. Diese Zahlen zur Multimorbidität sind insofern interessant, da unter einer Behandlung mit Finerenon das Risiko für eine durch Herzinsuffizienz bedingte Hospitalisierung im Vergleich zu Placebo um 22 % gesenkt wurde. Dabei waren Patienten mit einer eingeschränkten links-ventrikulären Funktion auch mit einer höhergradigen Symptomatik in den Studien ausgeschlossen. Da das Wirkprinzip der steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten im Rahmen der Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) in Verbindung mit einer RAS-Blockade seit vielen Jahren trotz der bekannten Nebenwirkungen wie Hypotonie und Hyperkaliämie etabliert ist, könnte auch Finerenon als nicht steroidaler und besser verträglicherer MRA einen relevanten Beitrag zur Therapieoptimierung bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz leisten. Der Stellenwert von Finerenon bei der HFpEF wird derzeit untersucht. Abhängig von den Studienergebnissen könnte dann evaluiert werden, ob Finerenon als Option für HFrEF-Patienten infrage kommt, die steroidale MRA nicht vertragen.
Klinisches Studienprogramm zum Stellenwert von Finerenon in der Kardiologie
Um Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Finerenon im Vergleich zu Placebo bei verschiedenen Formen der Herzinsuffizienz und in verschiedenen klinischen Settings zu generieren, wurde das MOONRAKER-Programm mit insgesamt über 15.000 Patienten aufgelegt. REDEFINE-HF soll Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Finerenon bei frühzeitigem Behandlungsbeginn bei Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) ≥40 % generieren, die wegen einer Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden. In die CONFIRMATION-HF-Studie werden Patienten eingeschlossen, die unabhängig von der LVEF wegen einer Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden. Hier wird der kombinierte Einsatz von Finerenon plus SGLT2-Inhibition zusätzlich zur Standardtherapie im Vergleich zur alleinigen Standardbehandlung untersucht. Um Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Finerenon bei Patienten mit symptomatischer „heart failure with reduced ejection fraction” (HFrEF) und Unverträglichkeit oder fehlender Eignung für sMRA (Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten) zu generieren, wurde FINALITY-HF aufgelegt. Die FINEARTS-HF-Studie schließt Patienten mit einer symptomatischen Herzinsuffizienz der „New York Heart Association”-(NYHA-) Stadien II–IV ein, deren LVEF ≥40 % beträgt. Damit werden sowohl „heart failure with mildly reduced ejection fraction” (HFmrEF) als auch „heart failure with preserved ejection fraction” (HFpEF) untersucht. Die Studienergebnisse wurden auf dem ESC-Kongress Anfang September 2024 in London präsentiert. Finerenon reduzierte den kombinierten Endpunkt, bestehend aus kardiovaskulären Todesfällen und der Gesamtzahl (erstmalige und wiederkehrende) von Herzinsuffizienz-Ereignissen im Vergleich zu Placebo zusätzlich zur üblichen Therapie signifikant.
Fazit
- Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes entwickelt sich eine CKD in der Anfangsphase asymptomatisch. Eine Albuminurie tritt als erstes Warnsymptom auf, bevor die Filtrationsleistung der Nieren abnimmt.
- Die Diagnostik der CKD in der Praxis ist einfach, wobei stets die eGFR und die UACR bestimmt werden sollten, um das kardiovaskuläre und renale Risiko richtig einschätzen zu können. Die Bestimmung der eGFR reicht allein nicht aus.
- Ein CKD-Screening in der Hausarztpraxis sollte bei Risikopatienten möglichst frühzeitig und regelmäßig erfolgen.
- Für den nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten Finerenon wurde die Reduktion des kardiovaskulären und renalen Risikos mit klinischen Endpunkten dokumentiert. Die vorliegende Evidenz wurde mit Klasse-A-Empfehlungen zeitnah in alle relevanten Leitlinien übernommen.
- Die FLOW-CKD-Studie mit Semaglutid konnte erstmals für einen GLP- 1-Rezeptoragonisten zeigen, dass damit renale und kardiovaskuläre Endpunkte von Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer CKD verbessert werden können.
- Finerenon wird derzeit mit dem MOONRAKER-Programm bei verschiedenen Formen der Herzinsuffizienz klinisch geprüft. Erste Ergebnisse der FINEARTS-HF-Studie zur Behandlung der symptomatischen Herzinsuffizienz mit LVEF ≥40 % wurden vor Kurzem veröffentlicht.
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