Geographische Atrophie – ein Update

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine der Hauptursachen für Sehbehinderung und Erblindung in Deutschland und weltweit. Die geografische Atrophie (GA) ist eine der beiden Manifestationen des Spätstadiums der Erkrankung und für etwa ein Drittel aller durch AMD verursachten Erblindungen in Deutschland verantwortlich. Während bislang nur für die neovaskuläre Spätform (nAMD) Therapien verfügbar waren, könnte demnächst erstmals auch eine Therapie zur Verfügung stehen, mit der das Voranschreiten der GA verzögert werden kann.
Erfahren Sie hier, anhand welcher histopathologischer Merkmale die Erkrankungsstadien der AMD eingeteilt werden, welche Rolle das Komplementsystem bei der Erkrankung spielt, wie rasch eine GA voranschreiten kann, mit welchen Beeinträchtigungen dies für die Patienten verbunden ist und warum eine frühzeitige Erkennung des Überganges zur GA essenziell ist.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123100270017
Zeitraum 18.12.2023 - 17.12.2024
Zertifiziert in D, A, CH
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med Hakan Kaymak
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Fachartikel
Lernmaterial Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Apellis Germany GmbH
Bewertung 4.3 (298)

Einleitung

Die geographische Atrophie (GA) stellt eines der beiden Spätstadien der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) dar. Diese chronisch fortschreitende und degenerative Erkrankung der Netzhaut ist bei Menschen ab 55 Jahren in den westlichen Industrieländern nach wie vor die Hauptursache für eine hochgradige Sehbehinderung bis hin zur Erblindung im Sinne des Gesetzes. Auch in Deutschland ist das Auftreten einer AMD die häufigste Ursache für den Bezug von Blindengeld, wobei etwa 35 % der Erblindungen durch eine GA verursacht werden.

Erkrankung rechtzeitig erkennen – Kontrolle der Makula ab 55 Jahren

Derzeit sind in Deutschland knapp sieben Millionen Menschen von den Frühstadien einer AMD betroffen. Dies geht aus der Gutenberg-Gesundheitsstudie hervor, einer groß angelegten Untersuchung zum Gesundheitsstatus einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe. Bei einem Teil der Patienten mit Frühstadien der AMD wird es im Laufe der Zeit zu einem Übergang in ein fortgeschrittenes – und damit den Visus bedrohendes – Stadium kommen. Ein wichtiges Ziel ist es, Sehverschlechterung und Erblindung bei den Betroffenen bestmöglich zu vermeiden, wie der Berufsverband der Augenärzte (BVA) und die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) in ihrer Leitlinie Nr. 21 „Altersabhängige Makuladegeneration AMD” festhalten. Daher ist es entscheidend, einen möglichen Übergang zu den fortgeschrittenen, visusbedrohenden Stadien frühzeitig zu erkennen, um gegebenenfalls rechtzeitig eingreifen zu können. Dabei ist zu beachten, dass die Prävalenz der Erkrankung zwar mit zunehmendem Alter steigt, aber dennoch auch in der Altersgruppe von 45 bis 59 Jahren schon jeder zehnte Mensch von einer AMD betroffen ist. Dementsprechend wird auch in der Leitlinie der deutschen Fachgesellschaften empfohlen, bereits bei Menschen ab einem Alter von 55 Jahren präventive Untersuchungen der Makula durchzuführen, um so einen möglichen Übergang in fortgeschrittene Stadien rechtzeitig erfassen zu können. Weiterhin sollten auch subjektiv wahrgenommene Metamorphopsien oder andere Anzeichen einer Sehverschlechterung ernst genommen und in diesen Fällen die Makula sorgfältig untersucht werden. Zudem sollte bei Patienten mit initial nur einseitiger AMD auch regelmäßig das Partnerauge kontrolliert werden, da 19 bis 28 % der Betroffenen im Verlauf von fünf Jahren auch im zweiten Auge AMD-Veränderungen der Netzhaut entwickeln, wie Daten aus drei großen Bevölkerungsstudien belegen. Sehverschlechterung und Erblindung durch AMD vermeiden - Übergang zu fortgeschrittenen, behandlungsbedürftigen Stadien rechtzeitig erkennen: Präventive Untersuchung der Makula ab 55 Jahren, Makulauntersuchung bei subjektiver Sehverschlechterung (z. B. Metamorphopsien), regelmäßige Kontrolle des Partnerauges bei AMD im ersten Auge.

Zwei gleich häufige Formen des Spätstadiums: GA und neovaskuläre AMD

Die AMD zeichnet sich durch eine zunehmende Degeneration von morphologischer Struktur und Funktion der Makula aus, wobei sich als frühe Veränderungen am Augenhintergrund zunächst gelblich erscheinende Drusen als Ablagerungen von extrazellulärem Material zwischen dem retinalen Pigmentepithel (RPE) und der Bruch’schen Membran sowie später auch Pigmentveränderungen zeigen. Bei weiterem Fortschreiten können schließlich den Visus bedrohende atrophe Areale und/oder Neovaskularisationen auftreten. Der natürliche Verlauf der Erkrankung wird unterteilt in drei Stadien: ein frühes Stadium und ein intermediäres Stadium sowie ein fortgeschrittenes Stadium. Bezüglich dieses fortgeschrittenen Stadiums werden prinzipiell wiederum zwei verschiedene Manifestationen unterschieden: die GA, die sich durch das Auftreten scharf abgegrenzter, atropher Areale in der Netzhaut auszeichnet, und die neovaskuläre AMD (nAMD), bei der es zu makulären Neovaskularisationen (MNV) in der Netzhaut kommt. Während das Frühstadium oft symptomlos und das intermediäre Stadium meist nur mit geringfügigen Seheinschränkungen verbundenen ist, stellen die beiden Manifestationen des fortgeschrittenen Stadiums eine den Visus bedrohende Situation dar. Insgesamt können sich somit – ausgehend von einem gemeinsamen Beginn der Erkrankung – zwei unterschiedliche Manifestationen des fortgeschrittenen Stadiums entwickeln, wobei auch Übergänge zwischen diesen möglich sind und beide gleichzeitig sowie nacheinander bei einem Patienten auftreten können.

GA und nAMD in etwa gleich häufig

Insbesondere bei Überlegungen zur Häufigkeit der beiden fortgeschrittenen Stadien in der Bevölkerung ist eine präzise Terminologie wesentlich. Früher wurde häufig zwischen „trockener” und „feuchter” AMD unterschieden. Während dabei mit „feuchter AMD” lediglich die neovaskuläre Manifestation (nAMD) des fortgeschrittenen Stadiums beschrieben wird, wurden unter dem Begriff „trockene AMD” allerdings, zusätzlich zur GA als eine Manifestation des fortgeschrittenen Stadiums der GA, auch noch die frühen und intermediären Stadien zusammengefasst. Die Begriffe „geographische Atrophie” und „trockene AMD” sind somit nicht gleichzusetzen und können nicht synonym verwendet werden. In Deutschland sind gemäß einer auf der DOC präsentierten Auswertung ca. 800.000 Menschen von einem Spätstadium der AMD betroffen. Gemäß einer Metaanalyse populationsbasierter Studien in Europa treten die beiden fortgeschrittenen Stadien der AMD in der Bevölkerung in etwa gleich häufig auf. Demnach ist davon auszugehen, dass in Deutschland jeweils knapp 400.000 Menschen von einer GA betroffen sind.

Definition der GA – Pathophysiologie und Risikofaktoren

Phänotypisch ist die GA charakterisiert durch das Auftreten scharf abgegrenzter, atrophischer Läsionen in der äußeren Netzhaut. Histopathologisch sind diese Areale gekennzeichnet durch einen progredienten und irreversiblen Verlust von Photorezeptoren, des RPE und der darunterliegenden Choriocapillaris. Wesentlich ist, dass eine zunehmende Ausdehnung dieser Läsionen einen voranschreitenden und irreversiblen Verlust der Sehfunktion zur Folge hat. Es wird angenommen, dass die Pathogenese durch intrinsische und extrinsische Stressfaktoren auf das wenig regenerationsfähige RPE ausgelöst wird. Als zugrunde liegende pathophysiologische Vorgänge werden verschiedene Mechanismen diskutiert: So scheint oxidativer Stress, u. a. ausgelöst durch die hohe Stoffwechselaktivität der Photorezeptoren, zu einer Schädigung des RPE zu führen. Mit zunehmendem Alter akkumulieren die Schäden, und die Stoffwechselendprodukte der Photorezeptoren können von den darunterliegenden RPE-Zellen nicht mehr vollständig entsorgt werden. In der Folge kommt es zu einer Akkumulation toxischer Abbauprodukte, wie z. B. Lipofuszin im RPE oder der Bildung von Drusen. Es wird angenommen, dass die Bestandteile von Drusen (Zelltrümmer, Lipide, Lipoproteine, Amyloidablagerungen) sowie Lipofuszin u. a. über eine Aktivierung der Komplementkaskade des Immunsystems chronische Entzündungen auslösen. Liegt zudem eine Überaktivierung des Komplementsystems vor, wie dies bei mehreren mit GA verbundenen genetischen Risikofaktoren der Fall ist, kann die dadurch ausgelöste Entzündung letztlich zu dem für GA charakteristischen Zelluntergang in der Netzhaut führen. Zu den wesentlichen Risikofaktoren für die AMD zählen eine genetische Disposition, erhöhtes Lebensalter, Rauchen sowie Ernährungsgewohnheiten. Die Ätiologie der AMD ist somit multifaktoriell und zeichnet sich durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischer Disposition und Umweltfaktoren aus, wobei die genetischen Faktoren mittlerweile für den überwiegenden Risikoanteil verantwortlich gemacht werden. So wurde der relative Anteil genetischer Faktoren am AMD-Risiko in einer groß angelegten Untersuchung mit Zwillingspaaren auf bis zu 71 % beziffert. Mittlerweile wurden verschiedene Genloci identifiziert, die mit einem erhöhten AMD-Risiko und insbesondere mit der Entwicklung von Spätstadien einhergehen. Diese Genorte sind am Komplementsystem, am Lipidmetabolismus (LIPC) sowie der Umgestaltung der extrazellulären Matrix (ARMS2/HtrA1) beteiligt. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass neben dem Alter und den modifizierbaren Risikofaktoren wie Rauchen und Ernährung vor allem die – nicht modifizierbare – genetische Disposition einen wesentlichen Einfluss auf das AMD-Risiko und deren Progression zu Spätstadien haben. Insbesondere Polymorphismen im ARMS2/HtrA1-Genlocus, der mit einer Aktivierung des Komplementsystems assoziiert und an der Umgestaltung der extrazellulären Matrix beteiligt ist, sowie weitere Risikoallele im Komplementsystem scheinen dabei wesentliche Risikofaktoren für Auftreten und Progression der AMD darzustellen.

Aufgaben des Komplementsystems

Das Komplementsystem ist als Teil der angeborenen (innaten) Immunabwehr jederzeit verfügbar und hat im Netzwerk der körpereigenen Immunabwehr eine herausragende Bedeutung. Während das Komplementsystem früher lediglich als Lyse-Kaskade zur Keimabwehr verstanden wurde, weiß man heute, dass es sich um ein komplexes Immunüberwachungssystem handelt, das eine Schlüsselrolle bei der Gewebehomöostase, bei akuten und chronischen Entzündungen und bei der Abwehr von Krankheitserregern einnimmt. Dazu erfüllt das Komplementsystem im Körper u. a. drei wesentliche Aufgaben: Es ermöglicht die direkte lytische Zerstörung pathogener Mikroorganismen, indem es zur Bildung eines sogenannten Membranangriffskomplexes (MAC) führt. Dieser ist morphologisch als Pore innerhalb der Zellmembran der zu lysierenden Zelle zu verstehen, hebt daher deren Integrität auf und führt so zur Zerstörung der Zelle. Eine weitere wesentliche Aufgabe ist die Markierung (Opsonierung) von Krankheitserregern und autoantigenem Material, um so deren effektive Phagozytose zu ermöglichen. Weiterhin kann das Komplementsystem über die Steigerung der Gefäßpermeabilität sowie über chemotaktische Mechanismen zu einer Rekrutierung und Aktivierung von Abwehrzellen führen und darüber Entzündungsreaktionen verstärken. Wichtige Aufgaben des Komplementsystems:
  • Direkte Pathogenabwehr (Membranangriffskomplex, MAC)
  • Markierung von Pathogenen zur erleichterten Phagozytose (Opsonierung)
  • Aktivierung von proinflammatorischen Immunzellen durch Chemotaxis und Steigerung der Gefäßpermeabilität – Verstärkung der lokalen Entzündungsreaktion
In der Regel befindet sich das Komplementsystem in einem empfindlichen Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Deaktivierung. Im Fall einer Überaktivierung ist es – als eines der stärksten Mediatorsysteme der Entzündungsreaktion – an der Pathophysiologie zahlreicher Erkrankungen, darunter auch einigen Erkrankungen des Auges, entscheidend beteiligt. Das Komplementsystem stellt bei vielen Erkrankungen einen zentralen Angriffspunkt dar, sodass eine Antikomplementtherapie bei der Behandlung eine entscheidende Rolle spielen könnte.

Zentrales Protein der Komplementkaskade: C3-Konvertase

Nach heutigem Kenntnisstand besteht das Komplementsystem aus etwa 50 Proteinen, darunter sowohl membrangebundenen Rezeptoren/Regulatoren als auch Komplementfaktoren. Letztere werden überwiegend in der Leber gebildet, zirkulieren zunächst meist als inaktive Vorstufen (Zymogene) im Blut und machen etwa 5 % aller Plasmaproteine aus. Der Aktivierungsmechanismus des Komplementsystems ähnelt dem der Blutgerinnung: Aktivierte Komplementfaktoren bewirken kaskadenartig eine Proteolyse und damit wiederum die Aktivierung bzw. Bildung weiterer Komplementfaktoren. Im Wesentlichen erfolgt die Aktivierung über drei Hauptwege: den klassischen, den alternativen und den Lektin-Weg. Auch wenn jeder dieser Aktivierungswege unterschiedlich initiiert wird, so münden doch alle in eine gemeinsame Endstrecke, deren zentrales Protein C3 ist. Dieses fungiert als Ausgangspunkt für weitere Downstream-Aktivierungswege, hält die Kaskade in Alarmbereitschaft, treibt eine Verstärkung der Komplementreaktion voran, übt direkte Effektorfunktionen aus und hilft, die nachgeschalteten Immunreaktionen zu koordinieren. Das Protein C3 stellt somit einen vielseitigen Orchestrator der Komplementkaskade dar und wird auch als „Schweizer Taschenmesser des innaten Immunsystems” bezeichnet. Eine Modulation auf der Ebene von C3 eröffnet daher die Aussicht auf eine umfassende therapeutische Wirksamkeit, da verschiedene durch C3 ausgelöste pathologische Signalwege adressiert werden können.

Überaktiviertes Komplementsystem – retinaler Zelltod

Die von C3 ausgehenden Downstream-Prozesse beginnen mit einer Spaltung des Proteins C3 in die bioaktiven Fragmente (Anaphylatoxine) C3a und C3b. Das Protein C3a zählt (gemeinsam mit C5a) zu den stärksten bekannten Entzündungsmediatoren und induziert über die Bildung von Zytokinen wie IL-6 und TNF-α die Rekrutierung und Aktivierung von Immunzellen in das Gewebe. Weiterhin ist mittlerweile bekannt, dass C3a auch an der Bildung und Regeneration von Gewebe z. B. in der Netzhaut und der Leber beteiligt ist. Es wurde bereits gezeigt, dass C3a bei Patienten mit AMD in unterschiedlichem Umfang signifikant erhöht ist. Das zweite bioaktive Fragment, das Protein C3b, markiert (opsoniert) Zellen und Pathogene für eine effiziente Phagozytose. Zudem kann C3b wiederum zur Bildung von weiterem C3-Protein führen und induziert somit einen selbst verstärkenden Effekt auf die Kaskade. Außerdem ist C3b gemeinsam mit anderen Komplementfaktoren an der Bildung des bereits beschriebenen MAC beteiligt, der eine Lyse und damit den Untergang der betroffenen Zelle zur Folge hat. Insgesamt führen diese von C3 ausgehenden Downstream-Prozesse zur Apoptose. In der Netzhaut kann eine Überaktivierung des Komplementsystems über die drei beschriebenen Prozesse zum Untergang retinaler Zellen führen und die Entstehung der bei GA typischen atrophen Areale befördern. So wurde gezeigt, dass eine Komplementaktivierung in der äußeren Netzhaut zur Rekrutierung von Immunzellen sowie zur Phagozytose von C3-opsonierten Außensegmenten der Photorezeptoren führte. Zudem kann eine erhöhte Komplementaktivität am Rand von GA-Läsionen die Zellschädigung beschleunigen. Insgesamt gilt die durch die Komplementkaskade vermittelte Entzündung als eine der wesentlichen Ursachen für die Entstehung der AMD.

Darstellung der GA in der multimodalen Bildgebung

Klinisch sichtbare Läsionen der GA können mittels multimodaler Bildgebung bestätigt und hinsichtlich Subtyp sowie Progressionsrisiko genauer charakterisiert werden. Dabei stellen sich die Läsionen in der Farbfundusfotografie als scharf begrenzte, hypopigmentierte Atrophieareale im Bereich der äußeren Netzhautschichten dar, wobei innerhalb dieser Areale häufig größere Gefäße der darunterliegenden Aderhaut sichtbar werden. In der Fundusautofluoreszenz (FAF-)Bildgebung wird die Autofluoreszenz des in RPE-Zellen eingelagerten Lipofuszins erfasst, das u. a. das Fluorophor A2E enthält. Dieses entsteht bei einem unvollständigen Abbau der äußeren Photorezeptorsegmente im Rahmen des visuellen Zyklus. Bei einer Degeneration des RPE zeigen sich aufgrund der damit einhergehenden Lipofuszin-Abnahme deutlich erniedrigte Intensitäten. Dunkle, hypofluoreszierende Regionen sind Zeichen eines vollständigen Fehlens von Lipofuszin und des RPE-Zelltodes. In der Spectral-Domain optischen Kohärenztomografie (SD-OCT) zeigt sich im Bereich von Atrophiearealen eine choroidale Schallverstärkung. In der Fluoreszenzangiografie werden GA-Läsionen als gut definierte Bereiche mit früher Hyperfluoreszenz („Fensterdefekte”) identifiziert, da durch den Verlust des RPE die darunterliegenden, mit Fluoreszenzfarbstoff perfundierten Aderhautgefäße besser sichtbar werden. Im klinischen Alltag gilt es, die GA im Rahmen einer AMD von Atrophien anderer Ursache abzugrenzen. Zu diesen zählen insbesondere die sogenannten „late onset” Dystrophien von Netzhaut und Makula, wie z. B. Morbus Stargardt, oder auch die plakoide Makuladegeneration.

Progression der GA oft schneller als vermutet

Die GA kann in Form einzelner (unifokale geographische Atrophie) oder mehrerer (multifokale geographische Atrophie) Atrophieareale auftreten. Ein internationaler Konsens bezüglich des minimalen Durchmessers der atrophischen Areale für eine Diagnose existiert aktuell nicht. Zu Beginn der Erkrankung entstehen die Atrophieareale typischerweise zunächst außerhalb des fovealen Zentrums. Da sich die Erkrankung zur Peripherie hin tendenziell schneller ausbreitet als Richtung Fovea, kann sich oftmals zunächst eine hufeisenförmige oder ringartige Anordnung der Areale um die Fovea ergeben („foveale Aussparung”). Zudem tritt die Erkrankung häufig in beiden Augen auf, wobei die kumulative Wahrscheinlichkeit einer bilateralen Beteiligung im Zeitverlauf ansteigt. Dabei zeigt sich insgesamt eine hohe Übereinstimmung zwischen beiden Augen hinsichtlich betroffener Areale und Progressionsraten. Über die Zeit schreitet die Erkrankung durch ein kontinuierliches Wachstum bestehender sowie auch durch zusätzlich auftretende Atrophieareale voran. Allerdings können die Progressionsraten u. a. je nach Ausgangsgröße, Lokalisation und FAF-Charakteristika im Randbereich der Atrophie erheblich variieren. So ergab eine Untersuchung zum natürlichen Verlauf der Erkrankung, in der 212 Augen von 131 Patienten mit GA im Median über drei Jahre nachbeobachtet wurden, eine große Spannbreite der Progressionsraten. Diese reichten von ≤0,8 mm2/Jahr bis hin zu 10,2 mm2/Jahr bei den sogenannten „Fast-Progressors”. Im Median schritt die Erkrankung mit einer Ausdehnung von 2,6 mm2/Jahr voran. Eine vergleichbare Progressionsrate wurde auch bei Patienten der AREDS-Studie ermittelt, bei denen es im Median 2,5 Jahre (KI: 2,0–3,0 Jahre) dauerte, bis sich eine GA mit fovealer Beteiligung entwickelt hatte. Allerdings kann die Progression auch noch schneller voranschreiten: So ergab eine retrospektive Analyse der Daten von 12.309 Patienten mit GA des „Intelligent Research In Sight”-(IRIS-) Registers der American Academy of Ophthalmology (AAO), dass bei Patienten mit bilateraler GA die Fovea im Mittel bereits innerhalb von 1,5 Jahren beeinträchtigt wurde. In diesem Zusammenhang sei zudem erneut betont, dass die Progression der GA und der damit einhergehende Photorezeptorverlust immer irreversibel ist.

Praxistipp

Insgesamt wird vor diesem Hintergrund klar, welche Bedeutung eine rechtzeitige Detektion und Verlangsamung der Erkrankung für das Sehvermögen der Patienten mit GA hat: Da das Fortschreiten der GA wie beschrieben in der Regel außerhalb der Fovea beginnt, kann eine Verlangsamung der Progression der GA-Fläche um 25 bis 50 % ein Voranschreiten der Erkrankung bis hin zur Beteiligung der Fovea – und einen damit einhergehenden Verlust der zentralen Sehschärfe – um Jahre hinauszögern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Erkrankung frühzeitig entdeckt und eine Behandlung rechtzeitig eingeleitet wird.

Große Bedeutung für Patienten – hoher Handlungsbedarf

In zahlreichen Untersuchungen ist gut dokumentiert, dass die GA einen erheblichen Einfluss auf die sehkraftbezogene Lebensqualität und die Selbstständigkeit der Patienten hat und z. B. Aktivitäten des täglichen Lebens, die Fahrtüchtigkeit, die Arbeitsfähigkeit sowie soziale Aktivitäten und die psychische Gesundheit beeinträchtigt. Die „Geographic Atrophy Insights Survey (GAINS)”, eine Marktforschungsumfrage unter 203 Patienten mit GA im Alter ab 60 Jahren, ergab, dass 68 % der Patienten eine beeinträchtigte Lesefähigkeit aufweisen. Ebenso viele gaben an, sich am Leben nicht mehr so erfreuen zu können wie vor der Diagnose, und über 40 % fühlen sich bei der Arbeit oder ihren Hobbys durch die GA gestört. 70 % der Patienten sind aufgrund ihres verschlechterten Sehvermögens auf Unterstützung angewiesen – allerdings tut sich über die Hälfte der Befragten schwer damit, um Hilfe zu bitten. Weiterhin ergab eine retrospektive Datenanalyse einer großen, repräsentativen Kohorte von Patienten mit bilateraler GA, dass zwei Drittel der Patienten im Median innerhalb von 1,6 Jahren fahruntüchtig werden und somit ihre Mobilität einbüßen. Zudem zeigte sich, dass auch für Patienten mit zunächst nur leichteren Sehbeeinträchtigungen zum Zeitpunkt der GA-Diagnose ein hohes Risiko besteht, ihr Sehvermögen im Laufe der Zeit zu verlieren. Insgesamt bedeutet dies, dass bei GA es schon von Beginn an – also dann, wenn die Fovea in der Regel noch nicht betroffen und das zentrale Sehvermögen noch vergleichsweise unbeeinträchtigt ist – eine vorrangige Aufgabe sein muss, das Voranschreiten der Erkrankung zu verzögern, um die sehkraftbezogene Lebensqualität, die Selbstständigkeit und Mobilität der Patienten möglichst lange zu erhalten. Entscheidend ist daher eine regelmäßige Kontrolle der Netzhaut bei Menschen in einem Alter ab 55 Jahren, um so den Übergang von den Früh-/Intermediärstadien der AMD in die fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung rechtzeitig zu detektieren und gegebenenfalls intervenieren zu können.

Fazit

  • AMD ist bei Menschen ab 55 Jahren in den westlichen Industrieländern die Hauptursache für eine hochgradige Sehbehinderung bis hin zur Erblindung.
  • Im natürlichen Verlauf der AMD werden drei Stadien unterschieden: frühes, intermediäres und fortgeschrittenes Stadium.
  • GA und nAMD sind unterschiedliche Manifestationen des fortgeschrittenen Stadiums mit in etwa gleicher Häufigkeit in der Bevölkerung.
  • In Deutschland sind etwa 800.000 Menschen von nAMD oder GA betroffen.
  • Die GA ist charakterisiert durch das Auftreten scharf abgegrenzter, atrophischer Läsionen in der äußeren Netzhaut infolge eines progredienten und irreversiblen Verlustes von Photorezeptoren, des RPE und der darunter liegenden Choriocapillaris.
  • Wesentliche Risikofaktoren der AMD sind eine genetische Disposition (bis zu 70 % Risikoanteil), erhöhtes Lebensalter, Rauchen sowie Ernährungsgewohnheiten.
  • Vor allem Risikoallele in Genloci des Komplementsystems stellen wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten und die Progression der AMD dar./li>
  • Eine Überaktivierung des Komplementsystems ist an der Pathophysiologie vieler Erkrankungen, auch im Auge, entscheidend beteiligt.
  • Drei wichtige Aufgaben des Komplementsystems sind direkte Lyse von Pathogenen mittels MAC, Opsonierung von Keimen/Zellen zur erleichterten Phagozytose, Verstärkung der Entzündungsreaktion (stärkster Mediator der Entzündung).
  • Protein C3 ist zentrales Protein der Komplementkaskade und vielseitiger Orchestrator.
  • Die Überaktivierung des Komplementsystems kann im Auge zu retinalem Zelltod führen und die Entstehung der bei GA typischen, atrophen Areale befördern.
  • Die GA ist eine häufig bilaterale, progrediente Erkrankung; der Photorezeptorverlust ist irreversibel.
  • Die natürliche Progression der GA beträgt im Median 2,6 mm2/Jahr; Progressionsraten sind allerdings individuell sehr variabel und können deutlich höher sein (bis zu 10 mm2/Jahr).
  • Patienten mit bilateraler GA sind im Schnitt nach knapp zwei Jahren fahruntüchtig.
  • GA beeinträchtigt die sehkraftbezogene Lebensqualität und Selbstständigkeit der Patienten.
  • Die Verzögerung der Progression kann den Verlust der zentralen Sehschärfe hinauszögern.
  • Regelmäßige Netzhautkontrolle ist bei Menschen ab 55 Jahren wesentlich, um den Übergang von Früh-/Intermediärstadien der AMD zum fortgeschrittenen Stadium rechtzeitig zu erfassen.

Bildnachweis

Zorica Nastasic – istockphoto.com