Fettlebererkrankungen richtig diagnostizieren

Die Fettlebererkrankung (engl. „steatotic liver disease“, SLD) stellt schon heute weltweit die häufigste chronische Lebererkrankung dar und geht mit einem Anstieg der hepatischen Morbidität und Mortalität einher. Ein sehr großer Teil der Fettlebererkrankungen tritt als Folge von Fehlernährung und Bewegungsmangel auf und wird als hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms angesehen.

Erfahren Sie in dieser Fortbildung, wie es dank schrittweiser, risikoadaptierter Vorgehensweise gelingen kann, Patienten mit einem hohen Risiko für fortgeschrittene Stadien der Erkrankung zu diagnostizieren.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124035150019
Zeitraum 21.02.2024 - 20.02.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. Jörn M. Schattenberg
Dr. med. Nikolaus Scheper
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Novo Nordisk Pharma GmbH, Echosens Deutschland GmbH
Bewertung 4.4 (946)

Einleitung

Viszeralmedizinische Krankheitsbilder, darunter auch Erkrankungen der Leber wie Leberzirrhose oder Leberzellkarzinom, tragen weltweit erheblich zur Verkürzung der Lebenserwartung bei. Wie eine Analyse aus Großbritannien zeigt, hat sich in den letzten Jahren eine Verschiebung der Todesursachen abgezeichnet: Während zwischen 2001 und 2018 die Mortalität etwa bei kardiovaskulären Erkrankungen abgenommen hat, ist sie für maligne Tumoren sowie Erkrankungen der Leber stabil geblieben oder sogar angestiegen. Insbesondere bei Menschen mit Typ-2-Diabetes kann sich nicht selten – als Folge einer metabolischen Lebererkrankung und als Ergebnis eines langen Erkrankungsweges – eine Tumorerkrankung der Leber entwickeln. Um schwerwiegende Spätfolgen von Leberkrankungen wie Zirrhose und Krebs zu vermeiden beziehungsweise zu mindern, ist eine frühe Diagnose entscheidend. Die gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass schon heute neben Lebensstilmaßnahmen und Ernährungsumstellung je nach Begleiterkrankungen (Typ-2-Diabetes, Adipositas, Fettstoffwechselstörungen) und dem Fibrosestadium auch medikamentös gewichtsreduzierend eingegriffen werden kann und zudem in Kürze auch verschiedene neue medikamentöse Therapieoptionen zur direkten Behandlung der Fettlebererkrankung erwartet werden.

Hohe Prävalenz der Fettlebererkrankungen

Die früher als nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD), und nach neuer Nomenklatur als metabolisch assoziierte steatotische Lebererkrankung bezeichnete Erkrankung („metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease”, MASLD), ist heute mit einer globalen Prävalenz von etwa 25 % die weltweit häufigste chronische Lebererkrankung und kann als Volkskrankheit angesehen werden. Ein weiterer Anstieg wird aufgrund der veränderten Lebensgewohnheiten, des demografischen Wandels und der immer komplexeren pharmakologischen Therapien erwartet. Eine eigene (JS) populationsbasierte Analyse unter Einwohnern des Rhein-Main-Gebietes ergab, dass bei etwa 20 % aller Männer und Frauen zu mindestens einem Untersuchungszeitpunkt erhöhte Leberwerte vorlagen. Da diesen eine Fettlebererkrankung zugrunde liegen kann, sollte bei erhöhten Leberwerten, insbesondere bei Patienten mit Risikofaktoren, eine konsequente Abklärung erfolgen.

Volkskrankheit Fettleber – inflammatorische Modellerkrankung

Fettlebererkrankungen („steatotic liver disease”; SLD) umfassen ein breites Spektrum an Erscheinungsformen von der einfachen Steatose bis hin zur Steatohepatitis, Fibrose und schließlich Zirrhose oder sogar zum hepatozellulären Karzinom. Ein sehr großer Teil der Fettlebererkrankungen tritt als Folge von Fehlernährung und Bewegungsmangel auf und wird als hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms angesehen. Dabei kommt es unter dem Einfluss von Risikofaktoren zu Fettablagerungen in der Leber. Die mildeste Form der Erkrankung ist zunächst die einfache Steatose. Bei einem Teil dieser Patienten werden durch die Fettablagerungen Entzündungsprozesse und Apoptose der Leberzellen ausgelöst, und es kann sich eine metabolisch assoziierte Steatohepatitis entwickeln. Zwar verfügt die Leber über sehr gute regenerative Kapazitäten, allerdings setzen bei erhöhter Apoptose auch fibrotische Regenerationsprozesse ein, sodass eine Steatohepatitis häufig zu unterschiedlichen Fibrosegraden fortschreitet und im langjährigen Verlauf bis hin zu einer Leberzirrhose oder einem Karzinom weiter voranschreiten kann. Anfangs ist die Erkrankung vollständig reversibel und führt nur im Zusammenhang mit anhaltenden, oft chronischen Entzündungsreaktionen im langjährigen Verlauf zu einer irreparablen Schädigung. Da die Patienten gerade zu Beginn meistens asymptomatisch sind, kann die Erkrankung allerdings häufig über Jahre oder Jahrzehnte hinweg unbemerkt verlaufen („stille Erkrankung”) und voranschreiten, bis schließlich Komplikationen auftreten. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass eine gewisse Zeit zur Verfügung steht, um die Erkrankung zu erkennen und zu intervenieren.

Neue Nomenklatur

Unter Beteiligung internationaler Fachgesellschaften sowie von Patientenorganisationen wurde eine Namensänderung für steatotische Lebererkrankungen angestoßen. Ziel war es, die stigmatisierende Wirkung der Begriffe „nicht alkoholisch” und „Fett” zu überwinden und die Ursache der Erkrankung präziser im Namen wiederzugeben. Die nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) soll daher künftig als metabolisch assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD) bezeichnet werden. Entsprechend wurde auch der Begriff der nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) ersetzt durch metabolisch assoziierte Steatohepatitis (MASH). Zudem wird in der neuen Klassifizierung neben der MASLD als zusätzliche Kategorie die MetALD definiert als eine MASLD mit erhöhtem Alkoholkonsum. Dabei gilt als Grenze ein Konsum von mehr als 140 g Alkohol pro Woche für Frauen und 210 g Alkohol pro Woche für Männer. Auch in der neuen Nomenklatur bleibt die alkoholische Lebererkrankung (ALD) bestehen, eine spezifische steatotische Lebererkrankung kommt hinzu. Sie umfasst den medikamenteninduzierten Leberschaden (DILI, Drug-Induced Liver Injury), Hepatitis C und genetische Erkrankungen. Ist keine Ursache erkennbar, so wird dies als kryptogene steatotische Lebererkrankung bezeichnet.

Effekte auf andere Organe

Problematisch im Zusammenhang mit Fettlebererkrankungen ist, dass die Leber als eines der wichtigsten Stoffwechselorgane sehr intensiv mit anderen Organen im wechselseitigen Austausch steht und eine Fettlebererkrankung daher auch einige extrahepatische Auswirkungen haben kann. Da die Leber Hepatokine sezerniert, die wiederum das Herz-Kreislauf-System, das Gehirn, das Mikrobiom, die Niere oder auch die Entstehung von Tumoren beeinflussen können, nimmt eine erkrankte, entzündete Leber auf andere Organsysteme und damit auch auf systemische Erkrankungen Einfluss.

Metabolische Entzündung als Schlüsselprozess

Verschiedene Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die metabolische Entzündung ein Schlüsselprozess in der Fettleber ist, der zur Multiorganmorbidität beiträgt. Obwohl die genaue Art der Wechselwirkung zwischen der Leber und anderen Organen noch nicht vollständig geklärt ist, gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die metabolische Entzündung – die zum Teil von der Fettleber ausgeht – der Motor ist, der zelluläre Dysfunktionen, Zelltod und schädliche Veränderungen in verschiedenen Körpergeweben verursacht und Einfluss auf weitere systemische Erkrankungen hat. So gibt es einen äußerst engen Zusammenhang zwischen Fettlebererkrankungen und subklinischer Insulinresistenz sowie auch Typ-2-Diabetes. Auch mit anderen Erkrankungen wie Adipositas, polyzystisches Ovarsyndrom, Bluthochdruck, Störungen der Schilddrüse oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen steht eine Fettlebererkrankung im Zusammenhang. Im Praxisalltag ist daher zu bedenken, dass eine starke Assoziation zwischen einer Fettlebererkrankung und kardiometabolischen Erkrankungen besteht. Wesentlich ist auch, dass ein Voranschreiten der Erkrankung hin zu Steatohepatitis oder fortgeschrittener Leberfibrose das Risiko für diese systemischen Komorbiditäten erhöht

Eigenständige Bedeutung für Komorbiditäten

Dabei hat eine Fettlebererkrankung eine eigenständige Bedeutung für den Erkrankungszustand der Patienten: Sie gilt als Prädiktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes und ist ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor. Dies zeigt auch die Analyse einer 7,3 Millionen Menschen umfassenden Datenbank deutscher Hausarztpraxen. Dazu wurde eine Patientengruppe mit ICD-10- kodierter Diagnose einer MASLD oder MASH mit einer Gruppe ohne entsprechende Diagnose verglichen. Beide Gruppen umfassten über 22.000 Menschen und waren vergleichbar hinsichtlich Alter, Geschlecht, Diabetesprävalenz und Bluthochdruck. Auch in dieser repräsentativen Stichprobenanalyse wiesen Menschen im langjährigen Verlauf einer Fettlebererkrankung ein etwas höheres Risiko für das Auftreten einer kardiovaskulären Erkrankung auf. Eine weitere, vergleichbare Analyse mit über 31.000 Menschen je Gruppe zeigt zudem ein leicht erhöhtes Risiko für maligne Tumoren bei Menschen mit Fettlebererkrankungen (15,3 % vs. 13,4 %; Log-Rank p < 0,01). Insgesamt stellt somit eine Fettlebererkrankung einen unabhängigen Risikofaktor für das Auftreten weiterer systemischer Komplikationen dar. Die Identifizierung von Patienten mit MASLD ist daher wesentlich, um zugrunde liegende Risikofaktoren gezielt zu behandeln und die Gesamtprognose zu verbessern.

Fibrose wesentlich für Prognose

Dabei hat das Stadium der Lebererkrankung die größte Bedeutung im Hinblick auf die Mortalität für die Patienten. So stieg in einer prospektiven Studie, in der 1773 Patienten mit MASLD über vier Jahre beobachtet wurden, mit zunehmendem Fibrosestadium sowohl die Gesamtmortalität als auch das Auftreten leber-spezifischer Komplikationen wie Varizenblutung, Aszites, Enzephalopathie und Leberkrebs an. Zudem waren Patienten mit Fibrose im Stadium F4 auch häufiger von Typ-2-Diabetes betroffen (7,53 vs. 4,45 Ereignisse pro 100 Personenjahre) als Patienten mit Fibrose im Stadium F0 bis F2. Insgesamt ist die Fibrose, d. h. die Menge an Narbengewebe in der Leber, der prognostisch bedeutsamste Faktor für den Verlauf der Erkrankung. Eine Längsschnittstudie mit Patienten mit MASLD ergab, dass das Fibrosestadium unabhängig assoziiert ist mit der langfristigen Gesamtmortalität, mit Lebertransplantation und leberbezogenen Ereignissen. Patienten mit fortgeschrittener Fibrose weisen demzufolge eine schlechtere Prognose auf als Patienten ohne fortgeschrittene Fibrose.

Lebererkrankungen in Deutschland

Dabei wird der Anteil an Patienten mit einer Lebererkrankung bzw. fortgeschrittenen Stadien derzeit möglicherweise unterschätzt. In einer Real-World-Untersuchung in Deutschland mit Patienten (n = 507), die an gastroenterologische Zentren überwiesen wurden, wiesen 10 % eine fortgeschrittene Fibrose auf, während bei 26 % ein intermediäres Fibrosestadium und bei 64 % keine signifikante Fibrose vorlag. Die Patienten mit fortgeschrittener Fibrose waren im Durchschnitt älter, hatten einen höheren Taillenumfang und wiesen höhere Aspartat-Aminotransferase und Gamma-Glutamyltransferase sowie höhere Ferritinwerte auf. Auch die Prävalenz von Komorbiditäten wie Fettleibigkeit, arteriellem Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes stieg mit dem Fibrosestadium an. Für die Gesamtbevölkerung in Deutschland wurde in der Gutenberg-Gesundheitsstudie mit 15.000 Patientendaten die Prävalenz einer fortgeschrittenen Fibrose auf 1 % geschätzt. Insgesamt deuten diese Daten darauf hin, dass Lebererkrankungen in der Gesamtbevölkerung in Deutschland häufiger vorliegen als vermutet. Dabei sind vor allem Risikogruppen häufiger betroffen.

Patienten mit Typ-2-Diabetes stärker betroffen

Während die MASLD-Prävalenz in der Gesamtbevölkerung bei etwa 20 bis 30 % liegt, steigt sie bei Vorliegen von Risikofaktoren auf 60 bis 75 % an. Als wesentliche Risikofaktoren, die eine MASLD begünstigen, gelten unter anderem ein Alter von über 50 Jahren, körperliches Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Dyslipidämie. Liegen mehrere dieser Risikofaktoren kombiniert vor, so steigt das Risiko für eine Progression der Erkrankung hin zu MASH, Fibrose oder Zirrhose. In einer amerikanischen Analyse, in der Patienten mit einem Alter von über 50 Jahren und mit Typ-2-Diabetes eingeschlossen wurden, wurden mittels verschiedener bildgebender Verfahren eine Prävalenz für eine fortgeschrittene Fibrose von 14 % und für eine kompensierte Leberzirrhose von 5,9 % festgestellt. Auch im Praxisalltag einer diabetologischen Praxis ist daher zu vermuten, dass von den Patienten mit Typ-2-Diabetes im Alter über 50 Jahren etwa 14 % bereits eine fortgeschrittene Fibrose der Leber aufweisen und bei etwa 5 bis 6 % eine klinisch bislang unentdeckte Leberzirrhose vorliegt.

Risikoadaptierte Diagnose

Die leitliniengerechte Diagnostik zielt darauf ab, insbesondere diese Patienten mit einer fortgeschrittenen Fibrose oder Leberzirrhose rechtzeitig zu identifizieren. Ein allgemeines Bevölkerungs-Screening wird nicht empfohlen, umso wichtiger ist aber das Screening in der Gruppe der Patienten mit erhöhtem Risiko für eine MASLD. Sowohl deutsche als auch internationale Leitlinien empfehlen einheitlich eine schrittweise, risikoadaptierte Vorgehensweise. Dazu werden im ersten Schritt zunächst Risikofaktoren identifiziert. Zu diesen zählen Adipositas, metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Hyperlipidämie sowie ein Alter von über 50 Jahren. Auch bei verschiedenen, zuvor bereits genannten Erkrankungen wie koronarer Herzerkrankung, polyzystischem Ovarsyndrom, Schlafapnoe, Hypothyreose, Depression oder Niereninsuffizienz sollte an eine MASLD gedacht werden. Werden bei Patienten innerhalb dieser Gruppe erhöhte Leberwerte oder mittels Ultraschall auffällige Befunde erhoben, sollten zunächst anderweitige Leber-erkrankungen wie z. B. Hepatitis B und Hepatitis C ausgeschlossen (bzw. behandelt) werden. Wesentlich ist, dass auffällige Labor- oder Ultraschallbefunde in dieser Risikogruppe in jedem Fall weiter abgeklärt werden. Dazu empfiehlt die Leitlinie, nicht invasive Surrogatmarker wie z. B. den FIB4-Score anzuwenden. So kann das Risiko für eine Fibrose abgeschätzt und entschieden werden, ob eine weiterführende, spezialisierte Diagnostik und/oder eine Überweisung zum Gastroenterologen erforderlich ist. Mit dieser Vorgehensweise können Patienten mit einem erhöhten Fibroserisiko gewissermaßen „angereichert” werden und je nach eingeschätztem Risiko einer weiterführenden, spezialisierten Diagnostik wie etwa der Elastografie oder einer Biopsie zugeführt werden. Im Praxisalltag bieten sich bei Menschen mit Diabetes die vierteljährlichen HbA1c-Kontrollen an, um zusätzlich auch regelmäßig immer wieder Leberwerte zu erheben.

Risiko-Score FIB4

Zur Diagnose einer hepatischen Steatose und Leberfibrose sind eine Vielzahl von Tests und nicht invasiven Algorithmen verfügbar. Ein häufig verwendeter Algorithmus zur nicht invasiven Fibrosevorhersage ist der FIB4-Score. Er lässt sich aus den Werten für die Aspartat-Aminotransferase (AST; früher Glutamat-Oxalacetat-Transaminase; GOT), für die Alanin-Aminotransferase (ALT; früher Glutamat-Pyruvat-Transaminase; GPT), der Thrombozytenzahl und dem Alter des Patienten berechnen. Zur Berechnung können im Internet verfügbare Onlinekalkulatoren für den FIB4-Score herangezogen werden, oder das Labor gibt den FIB4-Score bereits mit aus. Entwickelt wurde der FIB4-Score, um Kategorien von Patienten mit unterschiedlich hohem Risiko für eine Leberfibrose zu unterscheiden, wobei die Stärke des FIB4-Scores der Ausschluss einer fortgeschrittenen Lebererkrankung ist. Die Auswertung beruht auf zwei Grenzwerten: Der untere Cut-off liegt bei 1,3 und hat einen hohen negativen prädiktiven Wert von 95 %. Liegt der FIB4-Score unterhalb von 1,3 (<2,0 bei Patienten von 65 Jahren und älter), so liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine fortgeschrittene Erkrankung vor. Der obere Cut-off liegt bei 2,67, sodass bei Werten oberhalb dieses Cut-offs eine fortgeschrittene Fibrose anzunehmen ist. Dazwischen befindet sich ein gewisser Graubereich. Zu den Vorteilen des FIB4 zählen die relativ niedrigen Kosten und der einfache Zugang. Darüber hinaus ist er biologisch plausibel, da er direkt mit der Menge an Fasergewebe in der Leber assoziiert ist. Zudem erlaubt er eine Kategorisierung der Patienten, um so rasch entscheiden zu können, bei welchen Patienten weitere Diagnostik erforderlich ist.

Prognostische Bedeutung FIB4

Der FIB4-Wert ist nicht nur diagnostisch bedeutsam, sondern hat auch eine prognostische Relevanz. Dies zeigt eine Analyse der Daten von über 44.000 Menschen mit Übergewicht und/oder Typ-2-Diabetes, die im hausärztlichen Bereich in Großbritannien betreut wurden. So lag die über zehn Jahre kumulierte Inzidenz für ein Leberereignis wie z. B. Varizenblutung, Zirrhose, hepatische Dekompensation oder Enzephalopathie in der Gruppe der Patienten mit einem hohen FIB4-Wert bei 15 % gegenüber 1 % in der Gruppe mit niedrigem FIB4-Wert. Auch die Wahrscheinlichkeit für ein kardiovaskuläres Ereignis innerhalb von zehn Jahren war bei einem hohen FIB4-Wert höher als bei einem niedrigen (33 % vs. 11 %). Noch deutlichere Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der Gesamtmortalität: Während von den Patienten mit einem niedrigen FIB4-Wert nach zehn Jahren 13 % verstorben waren, waren dies in der Gruppe mit hohem FIB4-Wert 61 %. Auch die FIB4-Kategorie „unbestimmt” trennt sich deutlich von dem Niedrigrisikobereich: In dieser Gruppe waren nach zehn Jahren 37 % der Patienten verstorben. Somit steht mit dem FIB4-Score ein nicht invasiver Marker zur Verfügung, um Patienten auch in Risikokategorien für Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse und leberspezifische Komplikationen zu unterteilen.

Bildgebende Verfahren

In dem Bereich, in dem der FIB4-Test eine Grauzone anzeigt, wird eine weitere Diagnostik erforderlich. Hier ist vor allen Dingen die Bildgebung gefordert. Diesbezüglich haben heute in der klinischen Versorgung Elastografieverfahren, wie etwa die vibrationskontrollierte transiente Elastografie (VCTE), einen hohen Stellenwert. Bei diesem ultraschallbasierten Elastografieverfahren zur Messung der Lebersteifigkeit sendet ein perkutan aufgesetzter „transducer” niederfrequente Vibrationen in das Leberparenchym. Aus der Geschwindigkeit der reflektierten Scherwelle wird die Lebersteifigkeit abgeleitet (Werte in kPa). Anhand des „controlled attenuation”-(CAP-)Wertes kann mit sehr hoher Präzision (AUC = 0,87) das Ausmaß der Leberverfettung beurteilt werden. Zudem kann auch die Leberfestigkeit („liver stiffness measurement”; LSM) und damit eine fortgeschrittene Fibrose (AUC = 0,8) oder Zirrhose (AUC = 0,89) mit sehr hoher Genauigkeit festgestellt werden, sodass ultraschallbasierte Elastografieverfahren zum Ausschluss einer fortgeschrittenen Leberfibrose und Leberzirrhose bei MASLD herangezogen werden können. In der aktuellen europäischen Leitlinie wird für den Ausschluss einer fortgeschrittenen Fibrose bei MASLD ein VCTE-Cut-off von <8 kPa empfohlen. Insgesamt bieten Elastografieverfahren somit zusätzlich zum semiquantitativen Ultraschall die Möglichkeit, bei unklaren Ergebnissen der nicht invasiven Surrogatmarker wie FIB4 eine Risikostratifizierung der Patienten vorzunehmen.

Direkte Fibrosemarker

Neben den ultraschallbasierten Markern gibt es auch umfassende Forschungsaktivitäten zur Entwicklung von Blutmarkern, die direkt mit dem Fibrosestadium zusammenhängen und die Dynamik einer Lebererkrankung abbilden können. Ein bereits verfügbarer Test zur direkten Messung des Fibrosestatus anhand von Blutwerten ist der „enhanced liver fibrosis-”(ELF-)Test. Dieser misst letztlich drei Proteine im Blut, die direkt mit der Fibrose in der Leber zusammenhängen, und kann bei Patienten mit MASLD zwischen einem niedrigen Risiko und einem sehr hohen Risiko für eine fortgeschrittene Erkrankung unterscheiden. Eine Metaanalyse von 16 Studien zeigte, dass der ELF-Test bei Patienten mit MASLD zur Diagnose einer fortgeschrittenen Leberfibrose geeignet ist. Zukünftig können weitere blutbasierte Tests, wie etwa NIS2+, die Diagnostik erleichtern. Ergebnisse einer Phase-III-Studie zeigen, dass NIS2+unabhängig von Patientenmerkmalen wie Alter, Geschlecht und Typ-2-Diabetes eine Identifizierung von MASH-Risikopatienten ermöglicht und bei Risikopatienten mit signifikanter Fibrose (F2) eine Früherkennung der Fibroseprogression hin zu fortgeschrittenen Stadien F3/4 erlaubt.

Fälle aus der Praxis

Im klinischen Alltag empfiehlt es sich, alle erhobenen Werte hinsichtlich ihrer klinischen Relevanz zu hinterfragen und sich bei Risikopatienten für eine MASLD ein Gesamtbild auch in Bezug auf den Zustand der Leber zu verschaffen. Wie verschiedene Fälle aus dem Praxisalltag zeigen, kann dies recht unterschiedlich ausfallen. Im ersten Fall einer 57-jährigen Patientin mit Hypothyreose und Strumaresektion liegen eine Adipositas (BMI 30,4 kg/m2), Hypertonie sowie eine gemischte Fettstoffwechselstörung vor. Als einzige Medikation nimmt sie ein Schilddrüsenhormonpräparat. Zwar wiesen die Laborwerte der Leber keine besonderen Auffälligkeiten auf, allerdings ergab eine Ultraschalluntersuchung im Rahmen eines Kontrolltermines deutliche Unterschiede zwischen Nieren- und Lebergewebe. Der daraufhin ermittelte FIB4-Score lag mit 0,84 zwar noch im unauffälligen Bereich. Die elastografische Untersuchung lieferte allerdings Hinweise für eine Steatose (CAP-Wert: 296 dB/m) mit einer schon deutlich vorhandenen Fibrose (8,4 kPa). Im zweiten Fall eines 32-jährigen Patienten mit seit zehn Jahren bekanntem Typ-1-Diabetes und ausgeprägter Adipositas (BMI 35,3 kg/m2) lag zusätzlich auch eine behandlungsbedürftige Depression und eine gemischte Dyslipidämie vor. Die entsprechende umfangreiche medikamentöse Therapie begünstigt einen trägen Stoffwechsel des Patienten. Der FIB4-Score liegt bei 1,25 und somit noch knapp im unauffälligen Bereich. Auch bei diesem Patienten lieferte die elastografische Untersuchung Hinweise auf eine erhebliche Steatose, die bereits in eine Fibrose übergeht (9,7 kPa). Gerade bei einem jungen Menschen ist diese Information durchaus bedeutsam im Hinblick auf Prognose und Intervention.

Typ-2-Diabetes und Leberstatus

Im dritten Fall handelt es sich um einen 58-jährigen Mann (BMI 29 kg/m2), bei dem seit acht Jahren ein Diabetes-Typ-2 bekannt ist. Der Patient wird mit einer Standardtherapie mit oralen Antidiabetika betreut und konnte sein Gewicht bereits deutlich reduzieren, auch der HbA1c ist mit 7,5 gut kontrolliert. Allerdings liegen erhöhte Leberwerte vor. Auch bei diesem Patienten zeigt sich im Ultraschall bereits eine deutliche Diskrepanz zwischen Nieren- und Lebergewebe. Der FIB4-Wert liegt bei 1,21 und liefert somit keine Hinweise auf eine fortgeschrittene Erkrankung. Dies bestätigt auch die Elastografie. Bei einem 56-jährigen Patienten mit seit zwei Jahren bekanntem Typ-2-Diabetes liegen zusätzlich ausgeprägte Adipositas (BMI 39 kg/m2), Depression, Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung sowie ein kardiovaskuläres Ereignis vor. Auch bei diesem Patienten liegt eine MASLD vor: Leberwerte sind erhöht, im Ultraschall zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Leber- und Nierengewebe, und der FIB4 Score ist mit 1,35 bereits im „Graubereich”. Die Elastografie zeigt übereinstimmend eine mittelgradige Fibrose. Zudem ermöglicht sie einen Longitudinalvergleich der Werte. So kann in der Verlaufskontrolle überprüft werden, ob sich unter Therapie (Lebensstilmaßnahmen, orale Antidiabetika) der Leberstatus wieder verbessert. Insgesamt lag somit bei diesem Patienten – auch als Folge des körperlichen Übergewichtes – bereits eine ausgeprägte Steatose der Leber vor. Bei übergewichtigen bzw. adipösen Patienten mit MASLD wird in den Leitlinien eine Gewichtsabnahme um mindestens 5 % empfohlen, um so Steatose und Inflammation zu verbessern. Dies kann durch Lebensstilmaßnahmen (Ernährung, Bewegung) erreicht werden. Zudem können bei Patienten mit MASLD, bei denen zusätzlich ein Typ-2-Diabetes oder eine Adipositas (BMI >30 kg/m2) vorliegt, auch moderne Antidiabetika wie Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) oder „sodium dependent glucose transporter 2”-Inhibitoren (SGLT2i) zu einer Gewichtsabnahme beitragen. Diagnostische Marker sowie bildgebende Verfahren können bei der Beratung der Patienten erheblich dazu beitragen, das Verständnis für die Erkrankung zu steigern und so die Einhaltung der getroffenen Maßnahmen zu verbessern. Entscheidend im Praxisalltag ist auch, dass über den FIB4-Wert eine Fibrose ausgeschlossen werden kann.

Fazit

  • Fettleber und Folgestadien sind deutlich häufiger als bisher angenommen, etwa ein Viertel der Weltbevölkerung ist betroffen.
  • Bei Menschen mit Risikofaktoren wie Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck und einem Alter von über 50 Jahren ist die Prävalenz deutlich höher.
  • Die Erkrankung ist mit erhöhter Gesamtmorbidität und -mortalität in den fortgeschrittenen Stadien assoziiert.
  • Wesentlich für die Prognose ist das Ausmaß der Leberfibrose.
  • Eine schrittweise, risikoadaptierte Diagnostik trägt dazu bei, Patienten mit fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung zu identifizieren.
  • Die Erkrankung und alle beteiligten Risikofaktoren sollten konsequent behandelt und regelmäßig kontrolliert werden.

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