Einführung
Die Herzinsuffizienz hat erhebliche Auswirkungen auf Patienten, Ärzte und das Gesundheitssystem. Sie ist bei Patienten über 65 Jahre nicht nur die häufigste Aufnahmediagnose in der Klinik, sondern die betroffenen Patienten haben auch ein sehr hohes Mortalitätsrisiko. 50 % der Herzinsuffizienzpatienten mit einer reduzierten Pumpfunktion sterben innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose. Die Herzinsuffizienz verläuft progredient, und trotz leitlinienbasierter Therapie treten bei den Patienten immer wieder kardiovaskuläre Dekompensationsereignisse auf, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen. Eine konsequente Umsetzung der alten ESC-Therapieleitlinien scheiterte in der täglichen Praxis oftmals an der schlechten Verträglichkeit der in den klinischen Studien eingesetzten hohen Dosierungen. Die Erfahrungen aus der Behandlung der arteriellen Hypertonie zeigen seit Langem, dass die Kombination von zwei Wirkprinzipien in niedriger Dosis besser wirkt als eine hoch dosierte Monotherapie. In den Hypertonie-Leitlinien wird dieses Prinzip der niedrig dosierten Kombination empfohlen. In den neuen ESC-Leitlinien zur Behandlung von Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz und einer reduzierten Pumpfunktion (HFrEF) hat die sofortige schnelle Kombination von mehreren Basismedikamenten die stufenweise Kombination nach jeweils langsamer Auftitration abgelöst. Grundlage dieser Überlegung ist, dass neuere Therapieprinzipien (z. B. Sacubitril/Valsartan oder SGLT-2-Inhibitoren) schon innerhalb von vier Wochen zu einer signifikanten Senkung von Krankenhausaufnahmen führen. Deshalb sollen diese Medikamente den Menschen nicht monatelang vorenthalten werden, die üblicherweise für die Auftitration notwendig sind. Maximale Zieldosierungen müssen nicht in jedem Fall erreicht werden. Die Patienten können auf diese Weise schneller ein prognostisch wirksames und dennoch verträgliches Therapieniveau erreichen. Dieser Zeitgewinn ist sinnvoll, um Dekompensationen zu vermeiden oder so gut wie möglich zu verzögern, denn mit jeder Hospitalisierung aufgrund einer Dekompensation steigt das Mortalitätsrisiko. Die folgenden beiden Patientenfälle zeigen nicht nur, wie sich eine chronische Herzinsuffizienz entwickelt, sondern weisen auch auf die Bedeutung von Komorbiditäten hin, die die Prognose zusätzlich verschlechtern.
Patientenfall 1 (Prof. Edelmann)
Es handelt sich um einen 67-jährigen Mann mit einer bekannten Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF). Ursache der chronischen Herzinsuffizienz ist ein Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) im Jahr 2018. Die LVEF (Linksventrikuläre Ejektionsfraktion) betrug bei Erstdiagnose 31 %. Der Patient war stabil in der NYHA-Klasse II, es bestanden also körperliche Einschränkungen bei moderater Tätigkeit. Die Nierenfunktion war mit einer eGFR von 62 ml/min/1,73 m2 gering eingeschränkt. Die Herzfrequenz lag bei knapp 70/min, der Sinusrhythmus war bislang stabil ohne evidente Phasen von Vorhofflimmern. Im Ruhe-EKG fanden sich keine weiteren Auffälligkeiten. An Komorbiditäten bestand eine Hyperlipoproteinämie und ein Typ-2-Diabetes mellitus, der bereits drei Jahre vor dem Myokardinfarkt bekannt war. Die nach dem NSTEMI durchgeführte Koronarangiografie ergab eine 3-Gefäß-Erkrankung. Es wurde an einem Gefäß eine Intervention durchgeführt. Wegen der sich nachfolgend entwickelnden ischämisch bedingten LV-Funktionseinschränkung wurde ein ICD implantiert. Nachdem der Patient drei Jahre stabil war, ereignet sich im September 2021 die erste kardiale Dekompensation mit der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme. Der Patient klagte über Luftnot und Beinödeme und präsentierte sich jetzt mit einer Herzinsuffizienz NYHA-Klasse II, hatte eine im Vergleich zur letzten Untersuchung leicht verminderte LV-Funktion von 26 %; die eGFR war leicht auf 53 ml/min/1,73 m2 abgesunken, die Herzfrequenz war mit 67/min stabil, ebenfalls der Blutdruck mit 130/82 mmHg, sodass die Möglichkeit für weitere Therapieoptionen bestand. Das NT-proBNP war jetzt bei 2650 pg/ml, was für einen gut eingestellten Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz relativ hoch ist. Der Diabetes mellitus war mit einem HbA1c von 6,4 % gut eingestellt, das LDL-C war mit 68 mg/dl noch nicht unter dem geforderten Cut-off der ESC zur Behandlung der bestehenden Hyperlipoproteinämie. Bei dem Patienten wurde eine erneute Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, um ein Akutereignis im Rahmen der Progression der koronaren 3-Gefäß-Erkrankung auszuschließen. Es ergab sich kein Interventionsziel. Das Ruhe-EKG ergab einen Sinusrhythmus, kein Anhalt für Arrhythmien und weiterhin kein verbreiterter QRS-Komplex. Während des stationären Aufenthaltes wurde die bei Aufnahme bestehende Medikation optimiert. Das Metoprolol wurde zur besseren Frequenzkontrolle von 47,5 mg auf 95 mg Metoprololsuccinat einmal täglich erhöht, der ACE-Hemmer Ramipril 5 mg wurde auf die niedrige Dosis Sacubitril-Valsartan 24/26 mg umgestellt, Spironolacton blieb mit einer recht hohen Dosierung von 50 mg/Tag erhalten. Die antidiabetische Therapie wurde von Dulaglutid auf Empagliflozin 10 mg umgestellt, Torasemid wurde von 5 auf 10 mg einmal täglich erhöht, um eine bessere Kontrolle der Ödemneigung und der Wassereinlagerung zu erreichen. Rosuvastatin 5 mg wurde bei ungenügender LDL-Zielerreichung auf 10 mg/Tag angepasst. An weiteren Optionen zu diesem Zeitpunkt kann bei einer Herzfrequenz über 70/min eine prognostisch relevante Gabe von Ivabradin zusätzlich zur Betablockade diskutiert werden sowie ein CCM-System zur Modulation der kardialen Kontraktilität, was aber wegen der schlechten LV-Funktion verworfen wurde. Vor Entlassung sollte der Eisenstatus überprüft und gegebenenfalls intravenös mit Eisencarboxymaltose optimiert werden. Diese Maßnahme war bei diesem Patienten nicht erforderlich. Körperliche Aktivität kann die Symptomatik und die Lebensqualität verbessern, und der Patient sollte hierzu angeleitet werden. Nach nur einem Monat im Anschluss an die Therapieoptimierung wurde der Patient aber überraschend aufgrund einer Dekompensation im Oktober 2021 erneut stationär aufgenommen. Der Blutdruck war mit 118/72 mmHg stabil, die Herzfrequenz betrug 68/min. Die LVEF war mit 30 % relativ gut und das LDL-C mit 58 mg/dl weitgehend am Zielbereich. Die NYHA-Klasse lag bei III und im Ruhe-EKG fand sich weiter ein Sinusrhythmus ohne verbreiterten QRS-Komplex. Risikoeinschätzung: Das NT-proBNP hat sich gegenüber dem letzten Befund mit 4250 pg/ml fast verdoppelt, was auf ein progredientes Krankheitsgeschehen hinweist. Innerhalb von zwei Monaten ist der Patient zweimal wegen einer Dekompensation seiner chronischen Herzinsuffizienz stationär aufgenommen worden. Es besteht ein sehr hohes Risiko für weitere Dekompensationen und ein dringender Bedarf, die Therapie weiter zu optimieren.
Patientenfall 2 (Prof. Wachter)
Ein 68-jähriger Mann wurde Anfang Oktober 2021 in die Notaufnahme gebracht. Er hatte im Supermarkt plötzlich Luftnot, war dort tachykard bis zu 140/min und ist durch den Notarzt erstversorgt worden. In der Notaufnahme war der Patient zyanotisch und eingeschränkt vigilant. Er hatte Zeichen eines akuten Lungenödems mit schaumigem Sekret, weshalb man sich zur Intubation entschlossen hat. Durch eine sofort durchgeführte CT-Diagnostik konnten Lungenembolie und Aortendissektion ausgeschlossen werden. Der Patient hatte ausgeprägte Infiltrate in beiden Lungen. Echokardiografisch bestand eine bekannte Herzinsuffizienz mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion mit einer EF von 35 %. Das EKG zeigte einen bekannten Linksschenkelblock mit einer QRS-Breite von 170 ms, aber sonst keine Auffälligkeiten. Weil der Patient auch Zeichen eines kardiogenen Schocks hatte, wurde eine Koronarangiografie durchgeführt. Es zeigte sich eine bekannte 3-Gefäß-KHK mit Stents sowohl im Hauptstamm in der LAD, im Ramus circumflexus und in der rechten Kranzarterie, aber keine hochgradigen Stenosen oder neue Verschlüsse. Es bestand ein bekannter Verschluss des Posterolateralastes III. Der Patient konnte im weiteren Verlauf bereits am nächsten Tag extubiert werden; auch die zwischenzeitlich benötigten Katecholamine konnten ausgeschlichen werden. Das Labor bei Aufnahme zeigte einen maximalen Kreatininwert von 255 µmol/l (2,9 mg/dl), eine chronische Niereninsuffizienz mit einer eGFR von 26 ml/min/1,73 m2. Der Patient hatte ein NT-proBNP von 4892 pg/ml, ein etwas erhöhtes Troponin von 41, was im Verlauf angestiegen ist. Die CK war im Normbereich. In der Anamnese war auffällig, dass es sich insgesamt schon um das vierte Ereignis einer lebensbedrohlichen kardiorespiratorischen Dekompensation handelte. Der Patient berichtete unter anderem, dass er sechs Monate zuvor in einer externen Klinik eine ähnliche Episode hatte. Dabei sei sogar eine ECMO-Therapie notwendig gewesen, weil er so schwer dekompensiert war. Die bereits erwähnten Stents wurden 2016 nach einem ST-Hebungsinfarkt eingesetzt. Im Juni 2020 hatte der Patient einen zweiten ST-Hebungsinfarkt, und es erfolgte eine Stentimplantation in die RCA. Es war ein paroxysmales Vorhofflimmern bekannt. Der Patient wurde am 6. Oktober, also vier Tage nach der stationären Aufnahme, auf die Normalstation übernommen. Das Kreatinin war am 8. Oktober auf 151 mmol/l abgefallen, die Nierenfunktion besserte sich auf eine eGFR von 40 ml/min/1,73 m2. Die Medikation bei der Übernahme bestand aus Sacubitril-Valsartan in der niedrigen Dosis 24/26 mg zweimal am Tag, Metoprolol niedrig dosiert 23,75 mg zweimal am Tag, Empagliflozin 10 mg einmal täglich, Spironolacton 25 mg einmal am Tag und eine LDL-senkende Therapie mit Atorvastatin 40 mg als Sekundärprävention bei KHK. Die Antikoagulation mit Apixaban war zum Zeitpunkt der Verlegung noch pausiert, außerdem wurde der Patient mit Folsäure behandelt und wegen einer COPD mit Tiotropiumbromid/Olodaterol. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes bei dem bestehenden Linksschenkelblock mit einem breiten QRS-Komplex von 170 ms und aufgrund des erhöhten Risikos für einen plötzlichen Herztod wurde dem Patienten am 11. Oktober 2021 ein CRTD-System implantiert. Risikoeinschätzung: Der Patient ist 68 Jahre alt, Zustand nach mehrfachen Dekompensationen, hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion, deutlich eingeschränkte Nierenfunktion, deutlich erhöhtes NT-proBNP mit zusätzlichen Komorbiditäten wie Vorhofflimmern und einer ausgeprägten 3-Gefäß-KHK. Es besteht ein sehr hohes Risiko sowohl für eine erneute Dekompensation als auch für das Erleiden eines kardiovaskulären Todes.
Einschätzung des Dekompensationsrisikos in der Praxis
Wie kann das Dekompensationsrisiko in der Praxis eingeschätzt werden? An erster Stelle steht die Anamnese des Patienten mit Fragen zu Änderungen der Befindlichkeit, der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität. Vom Patienten wahrgenommene Änderungen des Körpergewichtes, wobei auch kleine Änderungen wichtig sind, können dabei helfen, die Diuretika-Dosis anzupassen und dadurch einer drohenden Dekompensation entgegenzuwirken. Bei den Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz und einer eingeschränkten Pumpfunktion, die bereits wegen einer Dekompensation hospitalisiert waren, kann der NT-proBNP-Wert nach der Entlassung wertvolle Hinweise auf die Qualität der Rekompensation liefern. Manche Patienten sind nach der Entlassung aus der Klinik nicht ausreichend rekompensiert und haben immer noch Stauungsprobleme und periphere Ödeme. Je schlechter die Rekompensation, desto höher der NT-proBNP-Wert. Je besser die Rekompensation, desto länger ist der Zeitraum bis zur nächsten Dekompensation. Auch die Anzahl der bereits erfolgten Dekompensationen mit Krankenhauseinweisung und/oder einer notwendigen Gabe von intravenösen Diuretika korreliert direkt mit dem Risiko für weitere Dekompensationen und verschlechtert die Prognose. Weitere klinische Hinweise auf eine bereits sehr weit fortgeschrittene Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Pumpfunktion sind ein niedriger systolischer Blutdruck und eine schlechte Nierenfunktion. Diesen Patienten kann meist nicht mehr das ganze verfügbare Spektrum an wirksamen Medikamenten angeboten werden. Die Anzahl der Komorbiditäten geht mit einer zunehmenden Einschränkung der Prognose einher. Die Kombination eines Myokardinfarktes in der Anamnese mit einem Diabetes mellitus verkürzt die Lebenserwartung drastisch. Bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz müssen auch alle bestehenden Komorbiditäten optimal behandelt werden, um das Risiko zu senken und die Prognose zu bessern. Das ist zum Beispiel bei Herzinsuffizienzpatienten mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) der Hypertonus, ein Diabetes mellitus sowie die Fettstoffwechselstörung, die vor allem bei den Patienten mit einer begleitenden KHK vorliegt. Natürlich müssen auch bei der KHK selbst optimale Behandlungsstrategien gefunden werden. Vorhofflimmern tritt bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Pumpfunktion häufig auf. HFrEF-Patienten sind die einzige Gruppe, die von einer Pulmonalvenenisolation prognostisch profitiert. Auch diese Komorbidität sollte optimal behandelt werden – und wenn es aus klinischer Sicht sinnvoll ist, einer Pulmonalvenenisolation zugeführt werden. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass HFrEF-Patienten mit Vorhofflimmern davon profitieren, den AV-Knoten zu abladieren, das heißt: künstlich einen AV-Block dritten Grades zu produzieren und die Patienten dann mit einem CRT-Schrittmacher zu versorgen. Diese Strategie war einer rein medikamentösen Behandlung des Vorhofflimmerns überlegen. Selbstverständlich darf auch die Antikoagulation beim Vorhofflimmern nicht vergessen werden.
Einteilung der Herzinsuffizienz (Prof. Wachter)
Die Einteilung der Herzinsuffizienz wurde in den ESC-Leitlinien von 2016 neu festgelegt. Auf der einen Seite steht die Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion ≤40 % (HFrEF) und auf der anderen Seite die Herzinsuffizienz mit der erhaltenen Pumpfunktion (HFpEF) und einer linksventrikulären Ejektionsfunktion von ≥50 %. Für die HFpEF fehlte es lange Zeit an Evidenz für ein wirksames therapeutisches Vorgehen. Aus diesem Grund wurde die neue Gruppe der chronischen Herzinsuffizienz mit mittelgradig (mid-range) eingeschränkter Ejektionsfraktion zwischen 41 und 49 % (HFmrEF) definiert, um klinische Studien mit dieser Gruppe zu stimulieren, die das Evidenzspektrum erweitern. In den neuen Leitlinien vom August 2021 wurde die Gruppe der HFmrEF jetzt von „mid-range” in „mildly reduced ejection fraction” umbenannt, weil mittlerweile Studienergebnisse vorliegen, die zeigen, dass auch diese Patientengruppe auf die klassische Herzinsuffizienzmedikation in etwa so reagiert wie die HFrEF-Patientengruppe mit einer EF von ≤40 %. Wenn die Ejektionsfraktion <40 % beträgt, wird zur Diagnose nur der Nachweis der eingeschränkten EF benötigt. Liegt die EF ≥40 %, sollten zusätzliche Echokriterien, Zeichen einer strukturellen oder funktionellen kardialen Veränderung, wie erhöhte natriuretische Peptide, oder Zeichen eines erhöhten linksventrikulären Füllungsdruckes vorliegen.
Update der ESC-Guidelines zur Therapie der Herzinsuffizienz (Prof. Wachter)
Die wichtigste Änderung in den neuen ESC-Leitlinien betrifft die Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion. In den ESC-Leitlinien von 2016 wurde der Ansatz verfolgt, ACE-Hemmer und Betablocker zuerst zu geben und diese langsam zu den Zieldosierungen aufzutitrieren. Wenn dann die Patienten immer noch symptomatisch sind, sollte der Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist ergänzt werden; bei weiter fortbestehenden Symptomen wären dann zusätzliche Optionen wie Sacubitril-Valsartan, Ivabradin oder andere Therapien infrage gekommen. In der klinischen Praxis zieht sich dieser Prozess der schrittweisen Kombination und Auftitration über Monate hin. Bei den meisten Patienten können die Zieldosen nicht erreicht werden. Es ist aber bekannt, dass viele Therapien schon in den ersten Tagen auch in niedriger Dosis wirken, dass zum Beispiel ein SGLT-2-Inhibitor oder Sacubitril-Valsartan schon innerhalb der ersten 30 Behandlungstage das Risiko der Patienten reduziert, wenn sie wegen einer Herzinsuffizienz hospitalisiert werden. Diese Erfahrung wurde in den neuen Therapieleitlinien umgesetzt. Es geht jetzt nicht mehr nur darum, wenige Medikamente in historischer Reihenfolge und in möglichst hoher Dosis zu nehmen, sondern darum, alle evidenzbasiert prognoseverbessernden Medikamente von Anfang an gleichzeitig einzusetzen und dabei gegebenenfalls auch mit niedrigen Dosierungen zu arbeiten. ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker mit Neprilysin-Inhibition (ARNI), Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist und SGLT-2-Inhibitor sind gleichberechtigte Medikamente der ersten Therapielinie, weil sie alle die Mortalität reduzieren. Diuretika haben einen rein symptomverbessernden Stellenwert, Ivabradin ist eine Option für Patienten mit Sinusrhythmus und hoher Herzfrequenz ≥70/min, und im weiteren Verlauf des Algorithmus folgen die Empfehlungen zur Behandlung der Komorbiditäten, Gerätetherapie und der Einsatz von Transplantationen. Die Empfehlungen für das CRT sind etwas heruntergestuft worden, und eine klare Indikation besteht erst ab einer QRS-Breite von 150 ms. Die ICD-Empfehlung bei nicht ischämischer Kardiomyopathie ist basierend auf der DANISH-Studie auch etwas zurückhaltender formuliert worden. Neu sind die Empfehlungen für Exercise-Rehabilitation und für multidisziplinäre Programme. Neu in die Leitlinie aufgenommen worden ist auch eine Empfehlung für den löslichen Guanylatcyclase-Stimulator Vericiguat. Die Daten aus der VICTORIA-Studie wurden erst kurz vor der Publikation der Leitlinien veröffentlicht, und aufgrund der noch fehlenden umfangreicheren klinischen Erfahrung mit der Substanz ist die Empfehlung in den ESC-Leitlinien etwas zurückhaltend formuliert. Vericiguat kann für Patienten mit einer Herzinsuffizienz in der NYHA-Klasse II bis IV in Betracht gezogen werden, die trotz einer bislang leitliniengerechten Therapie mit ACE-Hemmer, Betablocker und MRA kürzlich ein Herzinsuffizienzdekompensationsereignis gehabt haben, um das Risiko eines kardiovaskulären Todes oder einer erneuten Hospitalisierung zu reduzieren. Entsprechend ist das eine IIB/B-Empfehlung in der aktuellen Leitlinie. In den aktuellen Leitlinien der Canadian Cardiovascular Society (CCS) und der Canadian Heart Failure Society (CHFS) wird Vericiguat als Zusatz zu einer optimalen Herzinsuffizienztherapie bei HFrEF-Patienten mit sich verschlechternden Symptomen und einer Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierung innerhalb der letzten sechs Monate zur Senkung des Risikos für eine weitere Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung empfohlen. Es gibt auch für Patienten mit Herzinsuffizienz und einer „mildly reduced ejection fraction”, also einer EF zwischen 41 und 49 %, neue Leitlinienempfehlungen. In der letzten Leitlinie aus dem Jahr 2016 wurde die Gruppe der Patienten mit einer HfmrEF neu definiert. Die seitdem publizierten Studienergebnisse haben gezeigt, dass Betablocker, ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorblocker und MRA auch in dieser Gruppe ähnlich wirksam sind wie bei Patienten mit einer HfrEF. Die relative Risikoreduktion ist bei Patienten mit HfmrEF hier nicht ganz so deutlich ausgeprägt, aber die Tendenz geht in die richtige Richtung. Die Empfehlungen zur Behandlung von HfrEF und HfmrEF sind deshalb, was die Substanzgruppen angeht, recht ähnlich. Nur Empfehlungsgrad und Evidenzlevel sind etwas niedriger. Bei der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion HfpEF haben sich die Therapieempfehlungen aufgrund mangelnder Studiendaten nicht geändert. Nur drei Stunden, nachdem die Leitlinie publiziert war, wurden die positiven Daten zum SGLT-2-Inhibitor Empagliflozin bei HfpEF veröffentlicht. Insofern kann in nächster Zeit mit einem entsprechenden Update der ESC-Leitlinie gerechnet werden. Für die Kollegen aus dem niedergelassenen Bereich ist wichtig, dass es eine neue Empfehlung für ein frühes Follow-up nach der Entlassung der Patienten mit Herzinsuffizienz gibt. Es wird empfohlen, dass die Patienten, die wegen einer Dekompensation stationär aufgenommen wurden, innerhalb von ein bis zwei Wochen nach der Entlassung von einem Arzt untersucht werden. Es gilt, darauf zu achten, ob noch Zeichen einer Überwässerung bestehen und ob die Therapie noch optimiert werden kann.
Vorteile der neuen Therapieleitlinien – Synergien früher nutzen
Bei antihypertensiven Substanzen ist seit Langem bekannt, dass sie keine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung haben. Wenn die halbe Tagesdosis einer Substanz eingesetzt wird, werden damit etwa 80 % der blutdrucksenkenden Wirkung bereits erreicht. Wenn die Dosis dann verdoppelt wird, kommt nur noch wenig mehr blutdrucksenkende Wirkung dazu. Mit einer Substanz beträgt die Chance auf Blutdruckkontrolle 30 %, mit zwei Substanzen 60 bis 80 %. Deshalb war es nur konsequent, die Empfehlungen in den Hypertonie-Leitlinien entsprechend anzupassen und bereits zu Therapiebeginn zwei Antihypertensiva zu kombinieren. Welche Vorteile hat die frühzeitige Kombinationstherapie für Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz? Nach dem ersten Auftreten von Symptomen bei den Patienten vergehen häufig bis zu zwei Jahre, bis die klare Diagnose einer Herzinsuffizienz steht. Das ist angesichts des hohen Risikos dieser Patienten ein zu langer Zeitraum. Bereits bei der Erstdiagnose Herzinsuffizienz liegt die Mortalitätsrate nach fünf Jahren bei 50 %. Der Handlungsbedarf ist groß – und das steht in einem gewissen Widerspruch zur bisher empfohlenen langsamen stufenweisen Auftitration. In klinischen Studien mit ACE-Hemmern konnte häufig beobachtet werden, dass der prognostische Gewinn in der ersten Hälfte der Auftitration sehr groß und in der zweiten Hälfte geringer ist. Es erscheint sinnvoll, im Sinne eines Multi-Drug-Approach mehrere Substanzen gleichzeitig in den Patienten zu bringen als nur einen Wirkungsmechanismus zu favorisieren, bis zur Maximal dosis abzuwarten und dann erst die nächste Substanz hinzuzufügen. Durch den parallelen Einsatz mehrerer gleichberechtigter Wirkmechanismen auch mit niedrigeren Dosierungen werden mehrere Systeme gleichzeitig blockiert. Dadurch kann das Therapieziel schneller erreicht werden.
VICTORIA-Studie: Neue Evidenz bei Patienten mit HfrEF und hohem Dekompensationsrisiko (Prof. Edelmann)
In die VICTORIA-Studie wurden insgesamt 5050 Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz (NYHA II bis IV) und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion <45 % eingeschlossen, die innerhalb der letzten sechs Monate wegen einer Dekompensation („worsening heart failure event”) entweder hospitalisiert oder innerhalb der letzten drei Monate intravenös mit Diuretika behandelt wurden. Alle Patienten waren vor Studienbeginn leitliniengerecht therapiert, hatten einen systolischen Blutdruck von mindestens 100 mmHg, für mindestens 24 Stunden keinerlei i. v.-Behandlungen, eine eGFR von mindestens 15 ml/min/1,73 m2, NT-proBNP-Spiegel von mindestens 1000 pg/ml (bei Vorhofflimmern mindestens 1600 pg/ml) und wurden 1 : 1 auf Vericiguat oder Placebo randomisiert. Es gab keine Run-in-Phase, und die Vericiguat-Dosis wurde stufenweise von 2,5 mg auf maximal 10 mg pro Tag erhöht. Ein relevanter Anteil der Patienten hatte eine sehr schlechte Nierenfunktion. Die in der VICTORIA-Studie untersuchte Klientel unterscheidet sich von den chronisch stabilen Patienten in anderen Herzinsuffizienzstudien wie PARADIGM-HF, DAPA-HF oder EMPEROR-Reduced dadurch, dass hier vor Einschluss in die Studie ein Dekompensationsereignis innerhalb der letzten sechs Monate vorliegen musste. Diese Patienten haben ein sehr hohes Risiko, in den nächsten Monaten erneut zu dekompensieren, was die Prognose extrem verschlechtert. Der kombinierte primäre Endpunkt der VICTORIA-Studie war die Zeit bis zum ersten Auftreten der Kombination aus kardiovaskulärem Tod (CV-Tod) und Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung (HFH). Sekundäre Endpunkte waren CV-Tod, HFH, Gesamtzahl der HFH, Tod jeglicher Ursache und die Kombination aus HFH und Tod jeglicher Ursache. Die Zieldosis von 10 mg wurde nach etwa zwölf Monaten bei 89,2 % der mit Vericiguat behandelten Patienten und bei 91,4 % der mit Placebo behandelten Patienten erreicht. Die mediane Behandlungsdauer für die Beurteilung des primären Endpunktes betrug 10,8 Monate. Die absolute Risikoreduktion des primären Endpunktes durch Vericiguat zusätzlich zur Standardtherapie im Vergleich zu Placebo on top zu einer leitliniengerechten Basistherapie war statistisch signifikant und lag bei 4,2 %, p = 0,02 (HR 0,90 (95%-KI: 0,82 bis 0,98)). Die jährliche NNT betrug 24. Bei der Auswertung der sekundären Endpunkte waren die Reduktion der Gesamtzahl der HFH und die Reduktion der Kombination aus HFH und Tod jeglicher Ursache durch Vericiguat signifikant. Das Risiko für Tod jeglicher Ursache konnte durch Vericiguat im Vergleich zu Placebo nicht signifikant beeinflusst werden. Ein sehr wichtiges Kriterium bei diesen Hochrisikopatienten ist die Veränderung des systolischen Blutdruckes, weil eine zu starke Senkung den therapeutischen Spielraum deutlich einschränkt. Zum frühen Zeitpunkt der Titrationsphase kam es sowohl unter Vericiguat als auch unter Placebo zu einer geringfügigen Blutdrucksenkung von weniger als 5 mmHg. Der Unterschied war nicht signifikant. Mit zunehmender Beobachtungsdauer wurden keine weiteren relevanten Blutsdrucksenkungen mehr beobachtet. Auch bei den unerwünschten Wirkungen waren die Inzidenzraten bis auf eine Anämie (7,6 % unter Vericiguat und 5,7 % unter Placebo) zwischen Vericiguat und Placebo vergleichbar. Ebenfalls gab es bei den Profilen der unerwünschten Wirkungen keine Unterschiede. Patienten bis zu einer eGFR von 15 ml/min/1,73 m2 können mit Vericiguat behandelt werden, ohne dass es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion oder relevanten Veränderungen der Serumnatrium- und Kaliumspiegel kommt. In der GALACTIC-HF-Studie wurde an 8232 Patienten ein weiteres neues Therapieprinzip untersucht. Omecamtiv-Mecarbil verlängert die Aktin-Myosin-Interaktionszeit und wirkt auf diese Weise positiv inotrop. Omecamtiv-Mecarbil wurde wie Vericiguat in der VICTORIA-Studie zusätzlich zur leitlinienbasierten Standardtherapie gegeben. Die Patienten hatten in der GALACTIC-HF-Studie bei Studienbeginn einen niedrigeren medianen NT-proBNP-Wert (2001 pg/ml) als in der VICTORIA-Studie (2816 pg/ml). Außerdem war der Anteil der Patienten, der in den letzten drei Monaten vor Studienbeginn eine Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung hatte, mit 36 % deutlich niedriger als die 67 % der Patienten in der VICTORIA-Studie, was dafür spricht, dass die in der VICTORIA-Studie untersuchte Klientel ein höheres Risiko hatte. Omecamtiv-Mecarbil konnte den primären Endpunkt aus Hospitalisierung und Mortalität nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 21,8 Monaten signifikant reduzieren. Derzeit steht aber noch nicht fest, welche Patienten genau von dieser Therapie profitieren.
VICTORIA-Studie: Outcome in Abhängigkeit vom NT-proBNP-Wert (Prof. Edelmann)
Bei den Patienten der VICTORIA-Studie, die innerhalb der letzten drei Monate vor Randomisierung eine Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung hatten, lag der mittlere NT-proBNP-Wert bei Randomisierung bei 3111 pg/ml in der Vericiguat-Gruppe und bei 3029 pg/ml in der Placebogruppe. Diese Werte waren höher als in anderen Studien, in denen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz untersucht wurden, weil die in die VICTORIA-Studie aufgenommene Patientenpopulation ein höheres Risiko hatte. 41 % der Patienten hatten eine Herzinsuffizienz mit der NYHA-Klasse II und IV, 67 % hatten eine Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung (HFH) innerhalb der letzten drei Monate vor Studienbeginn und 53 % eine eGFR <60 ml/min/1,73 m2. Alle drei Subgruppen der Index-Hospitalisierung, also HFH innerhalb von drei Monaten, HFH vor drei bis sechs Monaten und HF-Verschlechterung bei ambulanten Patienten, profitierten signifikant von der zusätzlichen Gabe von Vericiguat zur bestehenden leitlinienbasierten Herzinsuffizienztherapie bestehend aus ACE-Hemmer, ARNI, MRA und Betablocker. Die Post-hoc-Auswertung des primären kombinierten Endpunktes abhängig von den Baseline-Konzentrationen für NT-proBNP zeigte jedoch Unterschiede auf: Bei Patienten mit einem NT-proBNP von unter 8000 pg/ml bei Einschluss in die Studie betrug die absolute Risikoreduktion 5,4 % (HR = 0,85; KI: 0,76 bis 0,95). Bei dieser Subgruppe war die Risikoreduktion für den sekundären Endpunkt kardiovaskulärer Tod signifikant. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die Behandlung mit Vericiguat Grenzen hat. Bei Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz mit einem NT-proBNP von >8000 pg/ml sind die Erfolgsaussichten deutlich geringer.
Vericiguat – eine neue Behandlungsoption bei Patienten mit Herzinsuffizienz und hohem Dekompensationsrisiko
Durch die endotheliale Dysfunktion bei der Herzinsuffizienz wird NO nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Dadurch kommt es zu einer unzureichenden Aktivierung der Guanylatcyclase und damit zu einer Reihe von pathologischen Veränderungen wie der Versteifung und Verdickung des Herzmuskels, zum Remodeling und zur Arterienverengung. Vericiguat aktiviert die lösliche Guanylatcyclase, wodurch die intrazelluläre NO-Konzentration wieder ansteigt. Die Wirksamkeit dieses neuen Therapieansatzes konnte in mehreren Phase-I- und Phase-II-Studien erfolgreich bestätigt werden und wurde anschließend in der VICTORIA-Studie an einer größeren Patientenpopulation mit einem hohen Dekompensationsrisiko geprüft, deren Herzinsuffizienz bereits leitlinienbasiert behandelt wurde. Die Anfangsdosierung von Vericiguat beträgt 2,5 mg/Tag und sollte im Verlauf alle zwei Wochen verdoppelt werden bis auf die Zieldosis von 10 mg/Tag – sofern der Patient dies verträgt. Vericiguat ist unabhängig von der bereits bestehenden Herzinsuffizienzmedikation wirksam. Eine additive oder synergistische Wirkung von Medikamenten mit einem neuen Wirkungsmechanismus, die zusätzlich zur evidenzbasierten Behandlung der Herzinsuffizienz gegeben wurden, konnte in mehreren klinischen Studien bestätigt werden. Die zusätzliche Gabe von Sacubitril/Valsartan verbesserten in der PARADIGM-HF-Studie das Outcome im Vergleich zur Behandlung mit dem ACE-Hemmer Enalapril, die on top zur Basistherapie gegebenen SGLT-2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin überzeugten mit den Ergebnissen von DAPA-HF und EMPEROR-Reduced. Vericiguat ist eine zusätzliche Therapieoption für Patienten mit einem hohen Dekompensationsrisiko, die bereits bekannte wirksame Therapieprinzipien ergänzt und die helfen kann, weitere Hospitalisierungen zu verhindern oder zu verzögern, die die Prognose der Patienten weiter verschlechtern.
Weiterer Verlauf bei Patientenfall 1 und 2
Fall 1 (Prof. Edelmann)
Der Patient wurde einen Monat nach seiner letzten Dekompensation erneut wegen der sich verschlechternden Herzinsuffizienz stationär aufgenommen. Die Überprüfung des Eisenstatus und die Optionen für die Gerätetherapie wurden bereits erwähnt. Da der QRS-Komplex nicht verbreitert ist, kommt ein CRT-System nicht infrage. Der Patient wurde bestmöglich rekompensiert und Sacubitril/Valsartan auf die mittlere Dosis 49 mg/51 mg 1–0–1 erhöht. Zusätzlich wurde eine Behandlung mit Vericiguat mit einmal 2,5 mg/Tag mit der Empfehlung an die weiterbehandelnden Kollegen eingeleitet, diese Dosierung im Verlauf auf 10 mg/Tag anzupassen. Kommentar: Es kann diskutiert werden, ob vor der zusätzlichen Gabe von Vericiguat als fünftes die Prognose verbesserndes Wirkprinzip zunächst der ARNI auf die hohe Dosis angepasst wird. Es gibt bislang aber keine Daten, ob die Erhöhung einer bereits bestehenden ARNI-Dosierung das Risiko für weitere Dekompensationen reduziert. Die Empfehlungen der neuen ESC-Leitlinien stützen die frühe Kombination eines weiteren Wirkprinzips, bevor bereits bestehenden Medikamente maximal auftitriert werden. Jedes Dekompensationsereignis sollte als Chance für die Optimierung der bestehenden Therapie gesehen werden.
Fall 2: (Prof. Wachter)
In den nächsten sechs Tagen auf der Normalstation wurde sowohl die Dosis des Betablockers als auch die Dosis von Sacubitril-Valsartan verdoppelt auf 95 mg Metoprolol und 49 mg/51 mg Sacubitril-Valsartan 1–0–1. Die Behandlung mit SGLT-2-Inhibitor und Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist wurde bereits im Vorfeld eingeleitet. Wegen der Vorgeschichte von vier Dekompensationen wurde der Patient zusätzlich auf Vericiguat beginnend mit 2,5 mg eingestellt – mit der Option auf eine Dosisanpassung nach vier Wochen. Das Vorhofflimmern kann über das implantierte CRT-Gerät überwacht werden. Als weitere Optionen stehen eine Pulmonalvenenisolation oder eine AV-Knoten-Ablation zur Diskussion.
Nachsorge bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
Wichtigste Maßnahme im Rahmen der Nachsorge ist es, bei den Patienten zeitnah nach ihrer Entlassung aus der Klinik auf Dekompensationszeichen zu achten sowie Befindlichkeit und Belastbarkeit anamnestisch zu überprüfen. Die neuen ESC-Leitlinien empfehlen eine erste ambulante ärztliche Untersuchung nach ein bis zwei Wochen, um eine mögliche Überwässerung zu überprüfen und die Dosierungen anzupassen. Es ist wichtig, den Patienten zu erklären, dass die zahlreichen Medikamente notwendig sind, um den Zustand zu stabilisieren und eine Verschlechterung zu vermeiden. Einige Medikamente zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz, wie zum Beispiel Betablocker und MRA, verbessern zwar die Prognose, haben aber nur einen schwachen Effekt auf die Befindlichkeit und die Lebensqualität. Die häufigen Fragen der Patienten nach einer möglichen Reduktion der Medikamente sollten deshalb immer mit gut verständlichen Erklärungen beantwortet werden. Die überregionale ambulante Betreuung der Patienten in spezialisierten Heart Failure Units wurde in Deutschland in den letzten Jahren weiter ausgebaut. Die mit den therapeutischen Maßnahmen vertrauten Heart Failure Nurses können Patienten und Angehörige kompetent unterstützen.
Stellenwert von NT-proBNP zur Verlaufskontrolle der chronischen Herzinsuffizienz
NT-proBNP ist ein sehr guter Verlaufsparameter, um die hämodynamische Belastung des Herzens abzubilden. Wenn schwer dekompensierte Patienten mit deutlich erhöhten Werten eingeliefert werden und diese Werte während des stationären Aufenthaltes deutlich abfallen – und sie auch bei Patienten mit einer deutlich reduzierten Pumpfunktion manchmal sogar unter 500 pg/ml abfallen –, weist das auf eine erfolgreiche Rekompensation hin. NT-proBNP ist ein starker prognostischer Parameter, der aber aus Kostengründen oftmals nicht bestimmt wird. Wenn sich der Wert im Rahmen einer Verlaufskontrolle im Vergleich zur vorherigen Bestimmung deutlich erhöht hat, weist das auf eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz hin. Studien, in denen der Stellenwert von NT-proBNP zur Therapiesteuerung untersucht wurde, haben gezeigt, dass dieser Marker dazu nicht geeignet ist. Abschließend ist festzustellen, dass bei jedem Patienten unabhängig vom NT-proBNP-Wert die therapeutischen Optionen eingesetzt und die Dosierungen entsprechend angepasst werden sollten, die seine Prognose verbessern.
Fazit
- Bei Patienten mit einer HFrEF steigt nach der ersten Dekompensation das Risiko mit jedem weiteren Ereignis deutlich an, auch wenn sie bislang leitliniengerecht behandelt wurden.
- Ziel ist es, die Patienten möglichst schnell optimal zu behandeln, um den Drehtüreffekt von weiteren Hospitalisierungen aufgrund von Dekompensationen in rascher Folge zu vermeiden.
- Die neuen HFrEF-Therapieleitlinien empfehlen die schnelle Kombination aller Basismedikamente innerhalb von vier Wochen auch mit niedrigen Dosierungen anstelle einer langsamen schrittweisen Aufsättigung in historischer Reihenfolge.
- Vericiguat ist eine neue Option für die zusätzliche Behandlung von Patienten mit einem hohen Dekompensationsrisiko.
- Der NT-proBNP-Wert kann dabei helfen, das Risiko der Patienten besser einzuschätzen.
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