Chologene Diarrhoe: Der Weg in die Beschwerdefreiheit

Die chologene Diarrhö tritt infolge eines Gallensäureverlustsyndroms auf und ist eine häufig übersehene Ursache für chronischen Durchfall. Sie kann in drei Typen unterteilt werden. Allen Formen gemeinsam ist die erhöhte Menge an ausgeschiedenen Gallensäuren im Dickdarm und die daraus resultierende sekretorisch-osmotische Diarrhö. Bei schwereren Verläufen können zudem eine Steatorrhö und Mangelzustände auftreten.

Die Diagnose der chologenen Diarrhö folgt einem Algorithmus, der neben der Ursachensuche und ggf. einem Therapieversuch mit Gallensäurekomplexbildner den SeHCAT-Test als Referenzmethode zum Nachweis eines erhöhten Gallensäureverlustes einschließt. Angesichts des chronischen Charakters der Symptome und der Notwendigkeit einer dauerhaften Therapie ist der Einsatz eines einmaligen, zuverlässigen diagnostischen Tests mit SeHCAT gerechtfertigt. Neben der Behandlung identifizierbarer Grunderkrankungen umfasst die aktuelle Therapie gallensäurebindende Medikamente sowie Ernährungsberatung und Substitution von Nährstoffen bei Mangelzuständen.

Prof. Dr. Klemens Scheidhauer
Prof. Dr. Klemens Scheidhauer


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709122055580016
Zeitraum 04.07.2022 - 03.07.2023
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Martin Storr
Prof. Dr. med. Klemens Scheidhauer
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp eTutorial
Lernmaterial Vorträge (45:01 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner GE Healthcare
Bewertung 4.3 (436)

Gallensäure-Malabsorption: Prävalenz, Diagnose und ihre Bedeutung

(Professor Dr. med. M. Storr)

Grundlagen

Gallensäuren werden in der Leber gebildet und über die Gallenwege in das Duodenum sezerniert. Nachdem sie ihre Verdauungsfunktion im Darm erfüllt haben, werden Gallensäuren normalerweise fast vollständig im terminalen Ileum rückresorbiert. Dieses physiologische Phänomen wird als enterohepatischer Kreislauf bezeichnet. Ein funktioneller Mangel an Gallensäuren bei unzureichender Rückresorption kann zum Gallensäureverlustsyndrom führen, das der chologenen Diarrhö zugrunde liegt. Gelangen Gallensäuren durch fehlende Reabsorption (z. B. durch Erkrankungen des terminalen Ileums) vermehrt in den Dickdarm, lösen diese infolge der resultierenden osmotischen Wirkung Durchfälle aus. Die chologene Diarrhö ist damit eine hypersekretorische Diarrhö. Innerhalb der Patienten mit ungeklärter chronischer Diarrhö leiden etwa 5 % unter einem Gallensäureverlustsyndrom. Insgesamt liegt die Prävalenz der chologenen Diarrhö in der Gesamtbevölkerung bei ungefähr 1 %.

Diagnostische Überlegungen

Es soll eine ausführliche Anamnese und klinische Untersuchung vorgenommen werden. Abdominelle und rektale Untersuchungen sind hierbei essenziell. Leitsymptome des Gallensäureverlustsyndroms sind eine chronische Diarrhö mit wässrigen Stühlen. Die Stuhlgänge treten in der Regel häufiger als dreimal täglich auf, können sehr übelriechend sein und treten zum Teil auch nachts auf. Nächtlicher Stuhldrang ist hierbei ein zuverlässiges Abgrenzungskriterium gegenüber dem Reizdarmsyndrom. Flatulenz und andere abdominelle Beschwerden können begleitend auftreten. Bei analer Inspektion kann ein perianales Ekzem auffallen. Dieses ist Folge einer chronischen Feuchtigkeit des Afters. Wenn das Symptom der wässrigen Diarrhö führt, spricht man von einem kompensierten Gallensäureverlustsyndrom. Fettige Stühle (Steatorrhö) und Gewichtsverlust können ebenfalls vorkommen. Diese Symptome zeichnen ein dekompensiertes Gallensäureverlustsyndrom aus. Ein Vitaminmangel kann die Folge sein. Es ist wichtig, neben der Frequenz die Stuhltextur zu erfassen. Diese kann mittels der Bristol Stool Scale visuell eingeordnet werden. Dieses Instrument kann dabei helfen, eine echte Diarrhö von einer Pseudodiarrhö abzugrenzen. Eine echte Diarrhö wird definiert durch mehr als drei breiige bis flüssige Stühle pro Tag und zeichnet sich meist durch ein erhöhtes Stuhlgewicht aus. Bei einer Pseudodiarrhö kann die Stuhlfrequenz ebenfalls bei mehr als drei Stühlen liegen, wobei dann allerdings die Konsistenz wechselnd und das Stuhlgewicht normal ist. Wichtige Differenzialdiagnosen sind eine paradoxe Diarrhö, die bei Obstipation auftritt, sowie Stuhlinkontinenz. Abdominelle Sonografie, klinische Chemie mit Blutbild, Entzündungswerten im Blut, Serumelektrolyten, Nierenretentionswerten, Leber- und Pankreasenzymen sowie Antikörperdiagnostik auf Zöliakie und Calprotectin im Stuhl (als Entzündungsmarker) stellen sinnvolle diagnostische Ergänzungen dar. Unterleibsbeschwerden bei Frauen stellen eine Indikation für eine zusätzliche gynäkologische Untersuchung dar. Das Spektrum der Differenzialdiagnosen bei chronischer Diarrhö ist sehr umfangreich. Bei Verdacht auf eine infektiöse Kolitis stehen mikrobiologische Stuhluntersuchungen zur Verfügung. Zur Abgrenzung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder einer mikroskopischen Kolitis steht die Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien zur Verfügung. Zum sicheren Ausschluss einer Zöliakie kann eine ÖGD mit Duodenal-Biopsien ebenfalls sinnvoll sein. Laktose- oder Fruktoseintoleranz können mittels Wasserstoffatemtests identifiziert werden. Andere wichtige Differenzialdiagnosen sind das Reizdarmsyndrom, Kurzdarmsyndrom, chronische Pankreatitis, Laxanzienabusus, Nahrungsmittelallergie und Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität.

Typen der chologenen Diarrhö

Es werden drei Formen der chologenen Diarrhö unterschieden:
  • Bei Typ 1 liegt eine Malabsorption von Gallensäuren infolge einer Erkrankung des terminalen Ileums vor. Der Gallensäureverlust tritt hier sekundär auf. Typische Ursachen sind der Morbus Crohn (Ileitis terminalis) oder eine Bestrahlung des Beckens.
  • Typ 2 kann als primäre chologene Diarrhö bezeichnet werden. Zugrunde liegt hier eine gestörte Rückresorption infolge eines genetischen Defektes des Fibroblastenwachstumsfaktors 19.
  • Typ 3 ist eine tertiäre chologene Diarrhö, bei der eine andere Erkrankung das Gallensäureverlustsyndrom auslöst. Zahlreiche Erkrankungen können zu einem Gallensäureverlustsyndrom Typ 3 führen, nennenswert ist die Postcholezystektomiediarrhö und eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarmes.

Bestätigung der Verdachtsdiagnose und Therapie

Gemeinsames Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist die Kontrolle des Durchfalles sowie das Vermeiden oder Beheben von resultierenden Mangelerscheinungen. Der Verdacht auf chologene Diarrhö wird üblicherweise ex juvantibus durch einen erfolgreichen Therapieversuch bestätigt. Hierzu kommt der Gallensäurebinder Colestyramin in einer Dosierung von viermal 4 g über zwei bis vier Wochen zum Einsatz. Colestipol oder Colesevelam sind weitere Gallensäurekomplexbildner, die alternativ zur Verfügung stehen. Die Messung der fäkalen Gallensäuren im Sammelstuhl und der 14C-Glykocholat-Atemtest stehen ebenfalls als diagnostische Methoden zur Verfügung, werden allerdings seltener eingesetzt. Bei den Typen 1 und 3 ist die Therapie der Grunderkrankung entscheidend. Bei Ansprechen auf die Behandlung mit Gallensäurekomplexbildner wird eine dauerhafte Behandlung durchgeführt. Diese kann nach einiger Zeit entfallen, sofern der chologenen Diarrhö eine Grunderkrankung zugrunde liegt, die erfolgreich therapiert wird. Bei Vorliegen einer Steatorrhö sollte die Ernährung angepasst werden mit vermehrter Aufnahme von mittelkettigen Triglyceriden, die bei dieser Erkrankung besser resorbiert werden. Bei Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen soll die Kalorienaufnahme optimiert und Mangelzustände (z. B. von fettlöslichen Vitaminen) ausgeglichen werden. Heute stellt der SeHCAT-Test den diagnostischen Goldstandard zur sicheren Bestätigung eines Gallensäureverlustsyndroms dar. Dieser wird nachfolgend detailliert behandelt.

Die Methode der SeHCAT™-Untersuchung

(Professor Dr. med. K. Scheidhauer)

Rationale für den SeHCAT-Test

Traditionell wird bei unerklärlichem chronischen Durchfall eine Therapie ex juvantibus mit Gallensäurebinder über mehrere Wochen empfohlen. Dieses Vorgehen erfordert jedoch einen gewissen zeitlichen Aufwand und bietet keine absolute diagnostische Gewissheit. Der SeHCAT-Test hingegen ist relativ schnell durchführbar und bietet eine hohe diagnostische Zuverlässigkeit.

Grundlagen des Tests

SeHCAT (23-Seleno-25-Homotaurocholsäure) ist eine synthetische Gallensäure, die sich im Körper wie eine körpereigene Gallensäure verhält, allerdings nicht metabolisiert wird. SeHCAT wird oral aufgenommen. Normalerweise wird die Gallensäure nach Passage durch den Dünndarm zu 95 % im terminalen Ileum aufgenommen und über die Galle wieder in das Duodenum ausgeschieden. Bei Gesunden werden nur ca. 5 % der synthetischen Gallensäure in den Dickdarm ausgeschieden. Bei Patienten mit einem Gallensäureverlustsyndrom werden deutlich mehr als 5 % ausgeschieden. Nach oraler Einnahme kann der Verlauf von SeHCAT im Darm mit einer Gammakamera oder auch einer Sonde verfolgt werden.

Durchführung des SeHCAT-Tests

Am ersten Tag (Tag 0) wird eine SeHCAT-Kapsel mit einem Glas Wasser eingenommen. Drei bis sechs Stunden nach Einnahme erfolgt eine Ganzkörpermessung. Diese erste Messung gibt Auskunft über die Ausgangsaktivität. Nach einer Woche wird die Ganzkörpermessung wiederholt. Anschließend kann die Retention berechnet werden. Für den Nuklearmediziner ist entscheidend, dass die Gammakamera ohne Kollimator verwendet wird. Die Messung dauert allerdings nur fünf bis zehn Minuten. Es wird nur sehr wenig Aktivität appliziert, deswegen muss sichergestellt sein, dass im Hintergrund nur wenig Aktivität vorhanden ist. Zum Beispiel sollte sich während der fünfminütigen Messung kein anderer Patient im Hintergrund aufhalten. Es muss von vorn und von hinten gemessen werden, um die Schwächung durch den Körper auszugleichen. Der Hintergrund muss mit gemessen werden. Die Auswertung ist dann mit einem einfachen Algorithmus durchzuführen. Hierzu existieren entsprechende Programme. Die Retentionswerte werden nach sieben Tagen folgendermaßen festgelegt:
  • Wenn die Retention mehr als 15 % beträgt, ist die Gallensäureabsorption normal.
  • Wenn die Retention aber nur 10 % bis 15 % beträgt, manchmal sogar weniger als 5 %, liegt entsprechend eine geringe, mittlere oder schwere Gallensäuremalabsorption vor.
Der Schweregrad der Malabsorption kann die Wahrscheinlichkeit eines Therapieansprechens vorhersagen. So liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen auf die Therapie bei einer Retention <15 % bei 70 %, 80 % bei einer Retention <10 % und 96 % bei einer Retention <5 %.

Stellenwert des SeHCAT-Tests und Sicherheitsaspekte

Die Sensitivität und Spezifität des SeHCAT-Tests liegen bei 100 % und 91 %. Die Leitlinien der British Society of Gastroenterology führen den SeHCAT-Test als diagnostischen Goldstandard auf. In Deutschland haben über 70 Zentren die notwendige Umgangsgenehmigung, um mit solchen Radionukliden zu arbeiten. Der Test wird in Deutschland in der Regel durch die Krankenkassen erstattet. Die physikalische Halbwertzeit von SeHCAT liegt bei 120 Tagen. Die biologische Halbwertzeit beträgt allerdings nur 2,6 Tage beim Gesunden und ist bei den Diarrhö-Patienten entsprechend kürzer. Die effektive Dosis des SeHCAT-Tests liegt bei 0,26 Millisievert; lediglich im Bereich von Gallenblase, Dünndarm und Dickdarm ist hier eine nennenswerte Strahlenexposition zu erkennen. Damit liegt die Strahlenbelastung durch den SeHCAT-Test lediglich bei 10 % der jährlichen natürlichen Belastung. Um eine längere Retention und eine damit einhergehende größere Strahlenexposition zu vermeiden, muss vor Testdurchführung eine schwere Leberfunktionsstörung oder Cholestase ausgeschlossen werden. Vorteile des Tests sind die relativ einfache und schnelle Durchführung, Sicherheit und hohe diagnostische Zuverlässigkeit. Nachteilig sind die hohen Kosten, wobei diese aber üblicherweise von den Krankenkassen übernommen werden. Entscheidend bei der Frage nach den ökonomischen Vor- und Nachteilen ist, dass damit andere Untersuchungskosten, also systemische Gesundheitskosten, durch eine rationale Diagnostik und Therapie vermieden werden können. Letztlich ist, wie bei allen komplexen Erkrankungen, eine Kooperation zwischen den beteiligten Fachdisziplinen notwendig.