AV-Klappen im Fokus der Herzinsuffizienz: Hilfe bei der Patientenidentifikation und Darstellung der Therapieoptionen

Mit dem demografischen Wandel wird sich die Zahl der Hospitalisierungen von Patienten mit atrioventrikulären (AV-)Klappenerkrankungen in den nächsten Jahrzehnten deutlich erhöhen. Eine Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz ist häufig mit einer Herzinsuffizienz assoziiert und mit zunehmendem Schweregrad prognoserelevant. Die betroffenen Patienten sollten deshalb möglichst frühzeitig in einem Herzklappenzentrum vorgestellt werden.

In der Diagnostik ist die 2-D-Echokardiografie die wichtigste Methode, um Insuffizienzform und mittels PISA-Methode den Schweregrad zu bestimmen. Die konservative Therapie der AV-Klappeninsuffizienz richtet sich weitgehend nach den Empfehlungen der ESC-Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Bei einer eingeschränkten Ejektionsfraktion sind die sogenannten „Fantastic Four“ Therapie der Wahl; bei der Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion stehen SGTL2-Inhibitoren und Diuretika im Vordergrund.

Die minimalinvasive Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur der insuffizienten Klappe ist wirksam und gegenüber dem klassischen chirurgischen Klappenersatz mit einer niedrigeren Mortalitätsrate assoziiert.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124027040012
Zeitraum 21.02.2024 - 20.02.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Fabian Knebel
PD Dr. Mirjam Keßler
Dr. med. Annette van de Sandt
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Edwards Lifesciences
Bewertung 4.5 (141)

Einführung

Die Herzinsuffizienz ist eine progrediente Erkrankung und bei älteren Menschen mittlerweile der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung. Die Prävalenz steigt mit zunehmender Lebenserwartung an. Auch Herzklappenerkrankungen werden als Ursache für eine Hospitalisierung etwa ab dem 60. Lebensjahr zunehmend häufiger dokumentiert. Viele Patienten, die wegen einer chronischen Herzinsuffizienz hospitalisiert werden, haben Herzklappenerkrankungen in Form einer sekundären Insuffizienz der Mitral- und/oder Trikuspidalklappe, die sich im Verlauf der chronischen Herzinsuffizienz entwickelt hat und eine wichtige Ursache für wiederholte Hospitalisierungen ist. Angesichts des demografischen Wandels wird mit einer Verdoppelung des Anteils der über 60jährigen bis 2050 gerechnet und damit wird auch das Management der Patienten mit Atrioventrikulären-Klappenerkrankungen zu einer zunehmenden Herausforderung. Auch ein permanentes Vorhofflimmern kann über eine Erweiterung der Vorhöfe zu einer sekundären Klappeninsuffizienz führen. Umgekehrt können höher gradige AV-Klappenvitien auch ein Vorhofflimmern verursachen. Während die Mitralinsuffizienz in Europa die nach der Aortenklappenstenose zweithäufigste Herzklappenerkrankung mit einer Prävalenz bei älteren Menschen von über 10 % ist, liegt die Prävalenz einer klinisch relevanten, höher gradigen Trikuspidalinsuffizienz nur bei etwa 5 %. Im Zusammenhang mit einer Herzinsuffizienz steigt die Prävalenz allerdings bis auf etwa 30% an. Der chirurgische Klappenersatz ist mit einem hohen perioperativen Risiko assoziiert. Deshalb werden bereits seit einigen Jahren minimalinvasive katheterinterventionelle Therapieansätze entwickelt. In dieser Fortbildung stehen Diagnostik und Therapie der Mitralklappeninsuffizienz (MI) und insbesondere der Trikuspidalklappeninsuffizienz (TI) im Vordergrund.

Symptome und Diagnose der AV-Klappeninsuffizienz

Bei der funktionellen Insuffizienz kommt es aufgrund einer Dilatation der Kavitäten und des Annulus zu einer Insuffizienz. Durch die Klappeninsuffizienz wird die Dilatation im Sinne eines Circulus vitiosus weiter verstärkt. Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienzen verursachen eine Vielzahl verschiedener Symptome, die häufig durch die zugrunde liegende Linksherzerkrankung bedingt sind. Bei der Mitralklappeninsuffizienz besteht häufig eine Belastungsdyspnoe, und es sind Zeichen der pulmonal-venösen Stauung sichtbar. Arrhythmien und Tachykardie sowie eine Gewichtszunahme sind weitere Symptome. Bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz besteht zu über 85 % eine funktionelle Genese, und das Krankheitsbild wird ebenfalls durch die zugrunde liegende Linksherzerkrankung geprägt. Bei einer Trikuspidalklappeninsuffizienz bestehen neben Abgeschlagenheit und Fatigue häufig periphere Ödeme. In fortgeschrittenen Stadien entwickeln sich Zeichen der abdominellen venösen Kongestion wie Hepatosplenomegalie, Anorexie, gastrointestinale Beschwerden und auch ein Ascites. AV-Klappeninsuffizienzen werden häufig in Verbindung mit einer Herzinsuffizienz diagnostiziert; sie können bei jeder Form der Herzinsuffizienz auftreten. Sowohl bei der HFrEF (Heart Failure with reduced Ejection fraction, EF ≤40 %) mit reduzierter Pumpfunktion als auch bei der HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection fraction, EF ≥50 %) mit erhaltener Pumpfunktion sind linker und rechter Vorhof vergrößert, sodass gut nachvollziehbar ist, dass AV-Klappenvitien hier eine große Rolle spielen. Zur Diagnostik der Herzinsuffizienz empfiehlt sich der in den ESC-Leitlinien von 2021 veröffentlichte Algorithmus. Bei bestehenden Risikofaktoren, klinischer Symptomatik und einem evtl. abnormalen EKG kann die Bestimmung von N-terminales pro brain natriuretic peptide (NT-proBNP) oder BNP (Brain natriuretic peptide) sinnvoll sein. Zentrales Tool ist die Echokardiografie mit Bestimmung der Ejektionsfraktion zur Einteilung der Herzinsuffizienz in die drei Arten HFrEF, HFmrEF (mildly reduced EF 41 bis 49 %) und HFpEF. Die Kombination von Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz ist häufig: 30 bis 50 % der Patienten mit einer schweren Mitralklappeninsuffizienz zeigen auch eine signifikante Insuffizienz der Trikuspidalklappe. Etwa die Hälfte der Patienten mit einer Mitralklappeninsuffizienz weist auch eine moderate bis hochgradige Trikuspidalklappeninsuffizienz auf. Wegen der Progredienz der schweren AV-Klappeninsuffizienzen ist eine frühe Behandlung sehr wichtig.

Therapie der Herzinsuffizienz bei Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz

Da die AV-Klappeninsuffizienzen häufig mit einer Herzinsuffizienz assoziiert sind, ist vor einer interventionellen Behandlung der Klappen zunächst die leitliniengerechte Behandlung der Herzinsuffizienz angezeigt. Therapieziele sind die Reduktion von Mortalität und Morbidität, weniger Krankenhausaufenthalte und eine bessere Lebensqualität. Bei der Mitralklappeninsuffizienz mit einer HFrEF besteht die medikamentöse Therapie aus den sogenannten „Fantastic Four”: Betablocker, Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitor (ACE-I) oder Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (MRA) und Natrium-Glucose-Co-transporter-2-Inhibitor (SGLT2-Inhibitor). Alle vier Substanzen haben eine Klasse-IA-Empfehlung. Die Behandlung sollte möglichst schnell begonnen werden, möglichst mit Auftitrieren der gleichberechtigten Medikamente und möglichst parallel innerhalb von vier Wochen. Häufig besteht aber das Problem, dass die prognoseverbessernden Zieldosen nicht erreicht werden können, weil die Patienten hypotensiv werden. Eine Ursache dafür sind häufig auch höher gradige AV-Klappenvitien. Zusätzlich zu den „Fantastic Four” empfehlen die Leitlinien weitere Maßnahmen, die an entsprechende Bedingungen geknüpft sind. Diuretika haben einen rein symptomverbessernden Stellenwert; ergänzend zum ß-Blocker ist Ivabradin eine Option für Patienten mit Sinusrhythmus und hoher Herzfrequenz ≥70/min. Bei Eisenmangel wird die Behandlung mit Eisencarboxymaltose empfohlen. Bei Vorhofflimmern erfolgt eine Antikoagulation gemäß CHA2DS2-VASc-Score und ggf. eine Pulmonalvenenisolation zur Stabilisierung des Sinusrhythmus. Unverändert gilt eine Klasse-I-Empfehlung zur prophylaktischen ICD (Impantierbarer Cardioverter Defibrillator)-Implantation bei ischämischer Kardiomyopathie (LVEF (Linksventrikuläre Ejektionsfraktion) ≤35 % trotz dreimonatiger optimaler Therapie), bei der nicht ischämischen Kardiomyopathie etwas abgestuft als Klasse-II-Empfehlung gemäß der DANISH-Studie. Etwas zurückgestellt wurden auch die Empfehlungen für die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT), hier gilt eine Klasse-I-Empfehlung für Patienten mit Linksschenkelblock ab einer QRS-Breite von 150 ms und Sinusrhythmus. Neu in die Leitlinien aufgenommen wurde die Option einer Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur (TEER) bei Patienten mit relevanter sekundärer Mitralklappeninsuffizienz. Die Entscheidung obliegt dem Herzteam. Im Vorfeld sollte eine koronare Revaskularisation erfolgen, falls erforderlich, und eine optimale Pharmakotherapie initiiert werden, einschließlich der Implantation eines CRT, falls indiziert. Bei der sekundären Mitralklappeninsuffizienz mit einer HFrEF bieten die Leitlinienempfehlungen also verschiedene Therapieoptionen. Eine funktionelle Trikuspidalklappeninsuffizienz ist aber häufig mit einer HFpEF assoziiert, und hier ist das Spektrum der empfohlenen Therapieoptionen deutlich kleiner. Im Vordergrund stehen Schleifendiuretika und die Behandlung der Komorbiditäten. Diese führen aber nicht zu einer dauerhaften Entlastung der rechtsseitigen Kavitäten. Häufige Probleme bei den Patienten sind Hypotonie und chronische Niereninsuffizienz. Aktuelle Metaanalysen der DELIVER- und EMPEROR-Preserved-Studie haben gezeigt, dass auch Patienten mit einer HFpEF von SGLT2-Inhibitoren profitieren. Eine baldige Anpassung der Therapieleitlinien von 2021 für die Herzinsuffizienz wird deshalb erwartet. Eine weitere Option bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz (TI) ist die Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur, die den TI-Schweregrad bei vielen Patienten reduziert und deren Belastbarkeit verbessert.

Die frühe Identifizierung der TI-Patienten ist wichtig

Eine TI verursacht massive Symptome und beeinträchtigt signifikant die Lebensqualität der Patienten. Schmerzhafte Schwellungen der Unterschenkel, häufige Hospitalisationen und ein ineffektives medikamentöses Management werden häufig gesehen. Es ist gut dokumentiert, dass Patienten mit einer signifikanten funktionellen Trikuspidalklappeninsuffizienz mit Herzinsuffizienz auch ein schlechtes Outcome haben. Je höhergradig die TI, desto schlechter die Prognose. Der gleiche Zusammenhang zwischen Schweregrad der Insuffizienz und Prognose wurde auch für die Mitralklappeninsuffizienz dokumentiert. AV-Klappenvitien sind also prognoserelevant. Häufig kommen die Patienten aber zu spät, weil es zum Beispiel bei einer schweren Trikuspidalklappeninsuffizienz bereits zu einer irreversiblen rechtsventrikulären Schädigung mit pulmonaler Hypertonie gekommen ist. In diesen Fällen ist eine Edge-to-Edge-Reparatur nicht mehr erfolgversprechend, kann aber in einzelnen Fällen die Symptomatik verbessern. Die Herausforderung besteht darin, Patienten mit einer AV-Klappeninsuffizienz früher zu identifizieren und zeitnah an ein entsprechendes Interventionszentrum zu überweisen; idealerweise kurzfristig nach einer kardialen Dekompensation. In der Realität sieht es aber eher so aus, dass die Patienten sich innerhalb der ersten drei Monate nach Entlassung mit dem Befund einer AV-Klappeninsuffizienz bei ihrem Hausarzt vorstellen. Dieser schickt die Patienten dann zurück zum Kardiologen; es geht dadurch viel Zeit verloren. Der Aufbau eines Netzwerkes mit einer guten Kommunikation zwischen behandelndem Kardiologen, Hausarzt und Interventionszentrum kann die für den Patienten wertvolle Wartezeit bis zu einer erfolgreichen Intervention verkürzen, die in den Zentren von einem erfahrenen Herzteam aus Kardiologen, Herzchirurgen, Bildgebungsexperten und spezialisierten Heart-Failure-Nurses vorbereitet wird, um für den Patienten analog zu einer Tumorkonferenz bei Tumorerkrankungen die beste Lösung zu finden.

Echokardiografie bei AV-Klappeninsuffizienz

Die transthorakale Echokardiografie (TTE) nimmt eine zentrale Rolle im Rahmen der Diagnostik von AV-Klappeninsuffizienzen ein. Notwendig ist eine Standard-2-D-Echokardiografie auf einem guten qualitativen Niveau mit Farbdoppler und entsprechender Gewebedopplerdiagnostik. Gelegentlich ist auch eine multiplane 3-D-Echokardiografie notwendig, die ergänzende Informationen und eine höhere Genauigkeit bietet. Die transösophageale Echokardiografie (TEE) gestattet weiterführende Darstellungen der Klappen einschließlich des Halteapparates. Die Anatomie der Trikuspidalklappe und des rechten Ventrikels ist komplexer als die der Mitralklappe und des linken Ventrikels. Bei der TEE ist zu beachten, dass der Abstand zur Sonde bei der Trikuspidalklappe größer ist als bei der Mitralklappe. Dadurch weist die Untersuchungsqualität der Trikuspidalklappe eine höhere Variabilität auf. Oft können in der transthorakalen Echokardiografie die Trikuspidalklappe sehr gut dargestellt und die Insuffizienz quantifiziert werden. Die PISA-Methode liefert die zentralen Parameter zur Graduierung der Klappeninsuffizienzen. Dies sind die Fläche des Regurgitationsjets („proximal isovelocity surface area”, PISA), Vena contracta (VC), „effective regurgitant orifice area”, (EROA) sowie das Regurgitationsvolumen. Weitere Hinweise liefert die Darstellung des Blutflusses in den Pulmonalvenen bei der Mitralinsuffizienz und in den Lebervenen bei der Trikuspidalinsuffizienz, um eine systolische Flussumkehr oder einen Pendelfluss nachzuweisen. Computertomografie (CT) und kardiale Magnetresonanztomografie (cMRT) haben als alternative bildgebende Verfahren einen großen Stellenwert bei der Evaluation und der Therapieplanung von Klappenvitien.

Echokardiografie bei Mitralklappeninsuffizienz (MI)

Wenn der Verdacht auf eine primäre, also organische Mitralklappeninsuffizienz besteht, sollte mit dem CW-Doppler zwischen einer holosystolischen und einer spät-systolischen Mitralklappeninsuffizienz differenziert werden. Eine unterdiagnostizierte Form der MI ist die atriale funktionelle Mitralklappeninsuffizienz, bei der der Vorhof in erster Linie dilatiert und dann sekundär der Annulus dilatiert. Diese Form der MI betrifft häufig ältere Patienten, Patienten mit langjährigem Vorhofflimmern, aber auch Patienten, die Speicherkrankheiten oder restriktive Kardiomyopathien haben. Patienten mit einer atrialen funktionellen Mitralklappeninsuffizienz haben eine deutlich verschlechterte Prognose. Bei den primären oder degenerativen Mitralklappeninsuffizienzen gibt es verschiedene Formen wie den Morbus Barlow, den „Fibroelastic deficiency”-(FED-)Prolaps, den Flail bei abgerissenem Papillarmuskel, die „Mitral annular disjunction” (MAD) sowie eine Libman-Sacks-Mitralklappe mit knotig verdickten Rändern.

Echokardiografie bei Trikuspidalklappeninsuffizienz (TI)

Die Trikuspidalklappe wird im Standardschnitt von subkostal in der kurzen Achse untersucht und mit dem RV-Inflow-View das anteriore, posteriore und septale Segel identifiziert. Nicht alle Trikuspidalklappen sind wirklich trikuspide. Neben Formen mit vier Segeln gibt es weitere verschiedene Morphologien. Die 3-D-Echokardiografie kann sowohl von transthorakal als auch von transösophageal genutzt werden, um die genaue Anatomie der Klappen herauszuarbeiten. Die Graduierung der Trikuspidalklappeninsuffizienz erfolgt wie bei der Mitralklappeninsuffizienz mit der PISA-Methode. Bei der primären TI ist die Klappe defekt, bei der sekundären TI ist der rechte Ventrikel dilatiert, und bei der isolierten TI handelt es sich um eine atriale funktionelle Insuffizienz. Wie bei der primären Mitralklappeninsuffizienz gibt es auch bei der primären Trikuspidalklappeninsuffizienz verschiedene Mechanismen oder Formen. Das Verständnis des Mechanismus der Insuffizienz ist sehr wichtig. Im Rahmen einer kardialen Amyloidose kommt es zu einem Coadaptationsdefekt der ansonsten zarten Klappensegel. Bei einer systemischen Sklerose mit pulmonaler Hypertonie wird die TI bei intakten Klappensegeln durch den erhöhten pulmonal-vaskulären Widerstand verursacht. Auch eine ICD- oder Schrittmacherelektrode kann mit der Funktion der Trikuspidalklappe interferieren. Beim Hedinger-Syndrom handelt es sich um einen neuroendokrinen Tumor mit einer Verstümmelung, Sklerosierung und Fibrosierung der komplett akinetischen Klappensegel. Eine Endokarditis kann zur Beeinträchtigung und Zerstörung der Trikuspidalklappe führen. Ein häufiger Mechanismus ist der Morbus Barlow, der nicht nur die Mitralklappe, sondern auch die Trikuspidalklappe betreffen kann. Eine ganz seltene Entität ist die Ebstein-Anomalie mit einer Verlagerung der Trikuspidalklappenebene in dem rechten Ventrikel. Bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz gibt es fünf Schweregrade. Die massive und torrentiale („sintflutartige”) Form wurden ergänzt, um im Bereich der hochgradigen TI zusätzlich differenzieren zu können und damit die Therapieentscheidung zu unterstützen. Patienten mit einer Herzinsuffizienz und erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) haben häufig Klappenvitien. Gerade bei einer HFpEF sind Informationen über die zugrunde liegende Erkrankung wichtig. Mit der Echokardiografie kann nicht nur die Ejektionsfraktion bestimmt werden, sie liefert in der longitudinalen Funktion im sogenannten Speckle-Tracking auch charakteristische Muster, die bestimmten Erkrankungen zugeordnet werden können. Eine Amyloidose verursacht ein anderes Muster als ein Morbus Fabry, eine hypertrophe Kardiomyopathie oder eine Myokarditis. Patienten mit einer HFpEF profitieren von einer Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren, und bei Patienten mit einer kardialen ATTR (Transthyretin)-Amy-loidose verbessert eine Behandlung mit dem Tetramer-Stabilisator Tafamidis die Prognose.

Patientenfall: Hochgradige Trikuspidalklappeninsuffizienz

Bei der 87-jährigen Patientin mit NYHA-Klasse II und zeitweise III trat bei einer leichten körperlichen Belastung bereits Dyspnoe auf. Als Hauptsymptom bestanden Ödeme, die weder durch eine diuretische Therapie noch durch eine Kompressionstherapie vollständig kontrolliert werden konnten. Die Patientin klagte über eine Gewichtszunahme. Im Labor fiel ein erhöhtes NT-proBNP von 991 pg/ml, eine Gamma-GT von 113 U/l sowie eine Nierenfunktionseinschränkung mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 43 ml/min/1,73 m2 auf. Die TTE zeigte eine leicht eingeschränkte Funktion des linken und rechten Ventrikels und eine biatriale Dilatation vor allem des rechten Vorhofes. Es bestand eine hochgradige Trikuspidalklappeninsuffizienz mit einem PISA-Radius von 12 mm.

Vorstellung der Patientin im Herzteam

Das interdisziplinäre Herzteam besteht aus Herzchirurgen, interventionellen Kardiologen und Herzinsuffizienzspezialisten und diskutiert unter Berücksichtigung des Behandlungs- und Nachsorgewunsches der Patienten die Eignung für eine Intervention oder eine Operation. In die Entscheidung fließen Symptome, Alter, Gebrechlichkeit, Ätiologie der Trikuspidalinsuffizienz, kardiale und nicht kardiale Komorbiditäten und vor allem auch zurückliegende Operationen am Herzen ein. Behandlungsoptionen sind ein konservatives Prozedere, ein interventionelles Vorgehen oder eine Operation. Der internetbasierte EuroSCORE II kann eine weitere Entscheidungshilfe sein und erlaubt bei einem operativen Vorgehen Aussagen über das wahrscheinliche perioperative Mortalitätsrisiko. Nach Eingabe der Daten von der zuvor beschriebenen Patientin sagt der EuroSCORE II eine Mortalität von 6,8 % voraus, sodass in diesem Fall ein interventionelles Vorgehen angezeigt ist. Für eine Intervention eignen sich Patienten idealerweise mit einem TI Grad III („severe”) oder IV („massive”) und einer funktionellen Ätiologie, einer normalen oder leicht eingeschränkten rechtsventrikulären (RV-)Funktion, einer leichtgradigen pulmonalen Hypertonie zum Beispiel mit einem systolischen pulmonalarteriellen Druck (sPAP) <70 mmHg oder einem normalen Lungenwiderstand und mit einer chronischen Niereninsuffizienz im „Kidney Disease: Improving Global Outcomes”-(KDIGO-)Stadium I bis III. Bei einer Trikuspidalklappeninsuffizienz mit Schweregrad V („torrential”), einer degenerativen Ätiologie mit Substanzdefekten, einem stark vergrößerten oder in seiner Funktion stark eingeschränkten rechten Ventrikel, einer schweren pulmonalen Hypertonie, einem hohen pulmonal-vaskulären Widerstand oder Komorbiditäten, wie einer terminalen Niereninsuffizienz oder einer ausgeprägten Leberfunktionsstörung, ist der Patient für eine interventionelle Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz eher weniger oder nicht geeignet.

Studiendaten zur Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur (TEER) der Trikuspidalklappe

In der prospektiven, nicht-randomisierten, einarmigen TRILUMINATE-Studie wurden 85 Patienten mit einer moderaten oder höher gradigen TI mit dem TriClip-Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatursystem behandelt. Ein Jahr nach der Intervention lag bei 71 % der Patienten nur noch eine mittel- oder geringer gradige Insuffizienz vor im Vergleich zu 8 % vor der Intervention. Der Anteil von Patienten mit einer Grad-V-TI konnte von 37 % vor dem Eingriff bis auf 3 % nach einem Jahr sehr gut reduziert werden. Auch die Belastbarkeit der Patienten hat sich deutlich verbessert, wie an der Verteilung der NYHA-Klassen vor und nach der Intervention erkennbar ist. Der Effekt der Intervention tritt schnell ein und bleibt im Zeitraum zwischen 30 Tage nach dem Eingriff bis zum Nachuntersuchungstermin nach einem Jahr weitgehend unverändert. Hospitalisierungsrate und Mortalität konnten gesenkt werden. Mit der Messung des rechtsatrialen Volumens und der rechtsventrikulären Funktion vor und ein Jahr nach der Intervention konnte ein reverses Remodeling von rechtem Vorhof und Ventrikel dokumentiert werden. Die Rate an unerwünschten Ereignissen und die Mortalität betrugen nach einem Jahr jeweils 7,1 %. Zu ähnlichen Ergebnissen kam die multizentrische, retrospektive PASTE-Studie in einer größeren Kohorte mit 235 Hochrisikopatienten, die mit dem PASCAL-Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatursystem versorgt wurden: Hier wiesen nach der Intervention 78 % der Patienten nur noch eine mittel- oder geringer gradige Insuffizienz auf im Vergleich zu 9 % vor der Intervention. Nach einer medianen Nachverfolgung von 173 Tagen hatten weiterhin 78 % der Patienten eine mittel- oder geringer gradige Trikuspidalinsuffizienz. Auch ließ sich in dieser Studie ein rechtsventrikuläres reverses Remodeling und eine Symptomverbesserung feststellen.

Notwendige Voruntersuchungen für die Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur (TEER)

Die oben genannte Patientin erfüllte die Voraussetzungen für eine interventionelle Therapie der TI:
  • TI Grad IV
  • Funktionelle Ätiologie
  • RV-Funktion normal
  • RV mäßig vergrößert
  • sPAP 45 mmHg, mPAP 27 mmHg, PC-Druck 24 mmHg, PVR <1 WE GFR 43 ml/min
Neben einer transthorakalen Echokardiografie (TTE) ist eine transösophageale Echokardiografie (TEE) notwendig. Für die Intervention sollte der Patient auch in Rückenlage (also auf dem OP-Tisch liegend) gut schallbar sein, und transgastrische Schnittebenen sollten einstellbar sein. Neben der Klärung der Ätiologie ist auch die Dokumentation von Segelmorphologie und -anatomie wichtig, weil es zum Beispiel sein kann, dass die Trikuspidalklappe aus vier oder gar fünf Segeln besteht oder dass Substanzdefekte oder Restriktionen vorhanden sind. Eine Beteiligung von Schrittmachersonden an der TI ist abzuklären, und durch eine Rechtsherzkatheteruntersuchung müssen zu hohe pulmonal-vaskuläre Widerstände und pulmonal-arterielle Drücke ausgeschlossen werden.

Ablauf der Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur (TEER) der Trikuspidalklappe

Für die Durchführung der Edge-to-Edge-Reparatur erfolgt in Analgosedierung oder Vollnarkose eine idealerweise ultraschallgesteuerte venöse Punktion in der Leiste mit einem Durchmesser von etwa 7 mm bei einer simultan durchgeführten TEE. Danach wird ein Führungskatheter im rechten Vorhof platziert und dann das Device ebenfalls im rechten Vorhof platziert und dort optimal über der Trikuspidalklappe ausgerichtet. Transgastrische Schnitte zur Ausrichtung des Device und ein tief ösophagealer Schnitt (RV inflow) der Trikuspidalklappe für das Greifen der Segel sind die wichtigsten Einstellungen im TEE. Wenn das Device optimal im rechten Vorhof ausgerichtet ist, wird es durch die Klappe vorgebracht, danach werden die Segel nacheinander mit dem Greifarm gegriffen. Im Allgemeinen wird eine 2-Device-Strategie (bzw. 2-Clip-Strategie) durchgeführt. Das bedeutet, es werden die beiden Segel gegriffen und das erste Device geschlossen. Danach erfolgt eine zweite Device-Implantation nach dem gleichen Prinzip, meist zentral der ersten Implantation. Die Reduktion der Insuffizienz wird im Echo kontrolliert. Nach dem Rückzug des Katheters wird die Punktionsstelle mit einer selbst resorbierenden Naht verschlossen, gegebenenfalls wird noch eine zusätzliche Hautnaht gesetzt. Die Leiste sollte ein bis zwei Wochen geschont werden. Eine Anschlussheilbehandlung wird zwar empfohlen, ist aber im Gegensatz zu herzchirurgischen Eingriffen nicht obligat. Die ambulante Nachsorge mittels TTE sollte im Zentrum im Idealfall nach sechs Wochen bis spätestens nach drei Monaten erfolgen, um die klinischen Veränderungen zu evaluieren, wie Gewicht und NYHA-Klasse. Danach sollte mindestens jährlich, idealerweise halbjährlich, die Kontrolle beim niedergelassenen Kardiologen oder auch im Zentrum erfolgen. Die vorgestellte Patientin weist nach der Intervention klinisch nur noch minimale Ödeme auf, hat deutlich an Gewicht verloren, und nach sechs Wochen besteht nur noch nur noch eine leicht- bis allenfalls mittelgradige TI. Die Diuretika-Dosis konnte reduziert werden.

Fazit

  • Eine Insuffizienz der Mitral- und/oder der Trikuspidalklappe ist häufig mit einer Herzinsuffizienz assoziiert.
  • 2-D- und 3-D-Echokardiografie ermöglichen eine Graduierung der Klappeninsuffizienz mit der PISA-Methode sowie die Differenzierung von primären und sekundären Formen.
  • Die Behandlungsoptionen für eine AV-Klappeninsuffizienz sind ein an der Art der Herzinsuffizienz ausgerichtetes leitlinienbasiertes konservatives Management, eine interventionelle Edge-to-Edge-Reparatur oder ein chirurgischer Eingriff.
  • Patienten mit einer AV-Klappeninsuffizienz sollten möglichst früh in einem Zentrum für Herzklappenersatz vorgestellt werden, weil die Prognose der Betroffenen sich mit zunehmendem Schweregrad der Insuffizienz deutlich verschlechtert.
  • Die Eignung von Patienten mit einer Mitral- und/oder Trikuspidalklappeninsuffizienz für eine medikamentöse, interventionelle oder chirurgische Behandlung wird von einem interdisziplinären Herzteam festgestellt.

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