Vulvovaginale Mykosen und bakterielle Vaginose als häufigste vaginale Erkrankung

Infektionen der Vagina und der äußeren Geschlechtsorgane durch Hefepilze (vulvovginale Candidose, VVC) oder Bakterien (bakterielle Vaginose, BV) sind im klinischen Alltag an der Tagesordnung: Schätzungsweise drei von vier Frauen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer vulvovaginalen Pilzinfektion und etwa 10 bis 15 % in Deutschland an einer BV (bei z. B. Afrikanerinnen sind es über 30 %). Ausgelöst oder begünstigt werden diese Infektionen durch eine Dysbalance des vaginalen Mikrobioms. Sie gehen mit einem hohen Leidensdruck für die Patientinnen einher und halten sich oftmals hartnäckig oder sind rezidivierend. Die BV geht zudem mit einem deutlich erhöhten Risiko für gynäkologische Komplikationen sowie Komplikationen während der Schwangerschaft einher und begünstigt Co-Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten.

Erfahren Sie hier, welche Rolle das Mikrobiom bei diesen vaginalen Erkrankungen spielt, worauf bei deren Diagnosestellung zu achten ist und welche Therapien – ins besondere bei rezidivierenden Fällen – in aktuellen Leitlinien (auch während der Schwangerschaft) empfohlen werden.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123087420015
Zeitraum 25.09.2023 - 24.09.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Werner Mendling
Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH
Bewertung 4.3 (1173)

Die Rolle des Mikrobioms

Vor fast 20 Jahren wurde das „Human Microbiome Project” (HMP) zur Erforschung des menschlichen „gesunden“ Mikrobioms (Gesamtmenge der Bakterien und ihrer Gene) verschiedener Bereiche des Körpers wie u. a. Vagina, Haut oder Darm ins Leben gerufen. Spätestens seitdem ist klar, dass die Besiedlung des Menschen mit Keimen ganz wesentlich dessen Gesundheit beeinflusst – während eine unausgewogene Besiedelung, eine Dysbiose, hingegen zu Veränderungen der Immunantwort führt und Erkrankungen wie z. B. Alzheimer, Depression, Adipositas, Diabetes mellitus, Krebserkrankungen oder eben auch vulvovaginale Infektionen begünstigen kann. Der humane Mund-Magen-Darm-Trakt ist von über 2000 Bakterienarten besiedelt, die über ihre Gene und Stoffwechselprodukte mit dem Nervensystem des Darmes sowie über das Blut und den Nervus vagus mit dem Gehirn geschlechtsspezifisch korrespondieren. Heute ist bekannt, dass sich das Darmmikrobiom ab der Geburt entwickelt und auch von der Mutter teilweise auf das Kind übertragen wird. Im weiteren Verlauf des Lebens wird das Mikrobiom langfristig durch verschiedene Faktoren wie z. B. Stress, Ernährungsgewohnheiten, Bewegung oder Medikamenteneinnahme beeinflusst, sodass jeder Mensch über ein individuelles Mikrobiom verfügt. Zudem unterliegt das Mikrobiom auch Hormoneinflüssen, sodass die eingangs beschriebene Interaktion zwischen den Mikrobiota und dem Gehirn geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausfällt.

Vaginales Mikrobiom

In einer Untersuchung aus dem Jahr 2019 wurden fast 600 verschiedene Bakterienarten in der Vagina identifiziert, darunter am häufigsten Arten der Gattungen Lactobacillus (36 Arten), Corynebacterium (30 Arten), Prevotella (30 Arten) und Streptococcus (28 Arten). In der geschlechtsreifen Lebensphase der Frau werden die vaginalen Mikrobiota – beeinflusst durch Östrogene und die Proliferation des Scheidenepithels – dominiert durch die Gattung Lactobacillus. Eine aktuelle Publikation aus China beschreibt 261 Lactobacillus-Arten in der Vagina, wobei die vier wichtigsten Arten Lactobacillus crispatus, L. gasseri, L. jensenii und L. iners darstellen. Unter diesen nimmt L. iners eine gewisse Sonderrolle ein, da er bei Störungen des Gleichgewichtes L. crispatus verdrängt. Allerdings kommt er sowohl bei Eubiose als auch bei Dysbiose vor, und es ist bislang noch unklar, ob L. iners zur Dysbiose beiträgt oder sich ihr nur optimal anpassen kann. Die Anwendung von Tampons beeinflusst entgegen einiger veralteter Meinungen die Zusammensetzung der Vaginalmikrobiota nicht wesentlich. Wie im Darm sind die Laktobazillen auch in der Vagina für die Aufrechterhaltung einer Balance verantwortlich. Allerdings sind sie insbesondere gegenüber den in der Geburtshilfe häufig gegebenen Beta-Laktam-Antibiotika wie etwa Ampicillin, Cefazolin oder Cefotaxim hochempfindlich. Deren Gabe kann daher zu einer erheblichen Dysbalance im vaginalen Mikrobiom führen und sollte sorgfältig abgewogen werden. Hingegen haben Doxicyclin, Metronidazol oder Clindamycin, das auch in der Schwangerschaft gegeben werden darf, einen weniger starken Effekt auf Laktobazillen. Zudem sollte immer bedacht werden, dass auch vaginale Antiseptika, die z. B. zur Behandlung einer bakteriellen Vaginose angewendet werden, auch auf die „guten” Keime des Mikrobioms wirken und daher nur vorübergehend eingesetzt werden sollten. Ebenso wirken sich Scheidenspülungen – auch wenn sie möglicherweise kurzfristig subjektiv als angenehm wahrgenommen werden – langfristig nachteilig aus und gehen mit mehr Infektionen und Störungen der Vaginalflora einher. Bei Störungen des Mikrobioms können zusätzlich zu anderen Maßnahmen auch Probiotika eingesetzt werden. Die Datenlage dazu ist kontrovers, einzelne Studien zeigen, dass diese das Ungleichgewicht des vaginalen Mikrobioms korrigieren und die Regeneration der „guten” mikrobiellen Besiedelung fördern können.

Nomenklatur: „Community state types“ und Shannon-Index

Zur Charakterisierung des vaginalen Mikrobioms wird die von Jacques Ravel publizierte Nomenklatur angewandt. Dabei werden je nach Dominanz einer bestimmten Lactobacillus-Art fünf verschiedene Kategorien der „community state types” (CST) unterschieden: CST I beschreibt ein von L. crispatus dominiertes vaginales Mikrobiom, CST II ist dominiert von L. gasseri, während bei CST III vorwiegend L. iners und bei CST V vorwiegend L. jensenii auftritt. CST IV wird hingegen nicht von einer Lactobacillus-Art dominiert, sondern stellt eine Mischung verschiedener, meist anaerober Bakterien dar. Weiterhin spielen bei der Charakterisierung des Mikrobioms auch „abundance”, d. h. die Menge einer Bakterienart in einer bakteriellen Gemeinschaft, sowie auch „diversity”, d. h. die Zahl verschiedener Bakterienarten in einer bakteriellen Gemeinschaft, eine Rolle. Eine hohe „abundance” liegt vor, wenn eine Bakterienart in großer Keimzahl vorhanden ist, wie z. B. eine hohe „abundance” von L. crispatus bei einer sauberen Vaginalflora. Ist hingegen die „abundance” einer Art relativ gering, aber es sind zahlreiche Arten vorhanden, so liegt eine hohe „diversity” vor. Anhand dieser beiden Parameter kann der Shannon-Index (auch Shannon-Wiener-Index) errechnet werden, mit dem die prozentuale individuelle Häufigkeit der Arten sowie ihre Relation zueinander dargestellt wird. Je höher der Shannon-Index ausfällt, desto diverser ist die Artenverteilung und desto gleichmäßiger sind diese in dem Habitat verteilt. Wenige Arten und eine geringe Verteilung der Arten resultieren in einem niedrigen Shannon-Index. Vereinfacht ausgedrückt, kann ein Shannon-Index von unter 1 als „gut” gewertet werden. Allerdings stellt er nur ein oberflächliches Maß für ein „gesundes” oder „ungesundes” Ökosystem dar und muss daher immer im Kontext mit den anderen Befunden interpretiert werden.

Vulvovaginale Candidose

Ebenfalls kommen häufig in der Vagina einer östrogenisierten Frau Candida-Arten vor. So ist bekannt, dass die östrogenisierte Vagina in mindestens 20 % der Fälle eine Candida-Besiedelung aufweist – sofern kulturell untersucht wird. Mittels PCR-Untersuchung (PCR, „polymerase chain reaction”) wurde bei asymptomatischen, prämenopausalen Frauen aus Estland sogar in 68 % der Fälle Candida albicans neben anderen Pilzarten gefunden. Zwar gehört C. albicans zu den fakultativ pathogenen Erregern (d. h. nur unter bestimmten Bedingungen eine Krankheit auslösend), siedelt in der Regel in einem Gleichgewichtszustand mit der menschlichen Immunabwehr und anderen Mikroorganismen und verursacht kaum Beschwerden. Allerdings kann die Besiedelung mit C. albicans oder ihr verwandten Pilzen bei fehlender oder verminderter Immunität, z. B. im Rahmen von anderen Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs, HIV, oder auch durch die Gabe bestimmter Medikamente wie Antibiotika jedoch stark zunehmen und sich dann als Candidose manifestieren. Bis zu 75 % aller Frauen entwickeln in ihrem Leben eine vulvovaginale Candidose (VVC). Am häufigsten tritt die Infektion im gebärfähigen Alter auf, und meist ist bei diesen Frauen keine Immunsuppression bekannt. In 85 bis 95 % der VVC ist C. albicans die ursächliche Spezies. C. albicans gilt als einer der wichtigsten Krankheitserreger unserer Zeit und wurde von der WHO in ihrer Liste der gesundheitsgefährdenden Pilzspezies (FPPL, „fungal priority pathogens list”) in die höchste Kategorie „kritisch” eingeordnet. Durch C. albicans verursachte VVC können oftmals recht hartnäckig andauern oder immer wieder auftreten. Treten mehr als vier Episoden pro Jahr auf, spricht man von einer chronisch rezidivierenden VVC. In Deutschland sind davon schätzungsweise 750.000 bis eine Million Frauen betroffen. Ein Grund für die Hartnäckigkeit ist die Tatsache, dass C. albicans mit den sogenannten Chlamydosporen Dauersporen mit einer widerstandsfähigen Zellwand bildet. Allerdings keimen auch diese Chlamydosporen etwa einmal pro Woche aus und bilden Myzelien. Diese Achillesferse der Erreger gilt es bei der Behandlung zu adressieren, sodass es sich empfiehlt, bei erforderlicher systemischer Therapie mit einer Dosis pro Woche und somit „bis zur letzten Spore” zu behandeln.

Symptomatik und Diagnosestellung

Als Symptome einer VVC werden oftmals ein starker Juckreiz, vaginales Brennen oder Wundheitsgefühl sowie ein weißlicher, dünnflüssiger bis flockiger Ausfluss mit meist unauffälligem Geruch genannt. Allerdings können auch andere Erreger derlei Symptome auslösen. Neben der klinischen Symptomatik sollte daher zur Diagnosestellung immer auch der mikroskopische Nachweis von (Pseudo-)Hyphen bzw. Pseudomyzelien im Nativpräparat mittels Licht- oder Phasenkontrastmikroskopie erfolgen. Zudem ist es empfehlenswert, eine Pilzkultur zur genaueren Bestimmung anzulegen – dies gilt insbesondere in Zweifelsfällen sowie bei rezidivierenden oder komplizierten Fällen. Dabei empfiehlt es sich, chromogene Agarsorten zu verwenden, mit denen sich anhand unterschiedlicher Farben die wichtigsten Candida-Arten C. albicans, C. krusei und C. glabrata differenzieren lassen.

Topische Therapie als Fundament

Die überwiegende Mehrheit vulvovaginaler Candida-Infektionen kann mit topischen Antimykotika behandelt werden. Während die lokale, topische Therapie bei akuter VVC meist ausreichend und erfolgreich ist, sollte die Behandlung bei chronisch rezidivierender VVC auf drei Säulen basieren: Zunächst sollten bei chronisch rezidivierenden Episoden mögliche Quellen, wie etwa Mund, Darm, oder auch der Partner abgeklärt werden. Dazu ist es empfehlenswert, die erforderlichen Abstriche in der Praxis selbstständig auf Agarplatten zu untersuchen und bei positivem Befund diese Quellen möglichst zu behandeln. So kann eine Darmsanierung z. B. mit Bäckerhefe sowie eine Reduzierung von Pilzen in der Mundhöhle mittels professioneller Zahnreinigung oder Chlorhexidin-Spülung erwogen werden. Hinsichtlich der Partnertherapie wird in der Leitlinie die Behandlung des asymptomatischen Partners bei akuter VVC nicht empfohlen. Bei chronischen Rezidiven kann sie erwogen werden und im Einzelfall gute Effekte erzielen, auch wenn bislang keine eindeutigen Studienergebnisse zu deren Nutzen für die Patientin vorliegen. Die zweite Säule einer Langzeitbehandlung ist die systemische Therapie, z. B. mit Fluconazol. Das Fundament einer jeden Therapie bei VVC ist allerdings die topische Behandlung. Diese ist dringend zu empfehlen, da äußere Bereiche, beispielsweise unter der Vorhaut oder um die Klitoris, durch ein systemisches Antimykotikum nur sehr schwer in ausreichendem Maße erreicht werden. Deshalb sollte parallel zusätzlich lokal behandelt werden, um die Erreger gewissermaßen von zwei Seiten aus „in die Zange zu nehmen”.

Topische Antimykotika

Als topische Antimykotika stehen das Polyen Nystatin, die Azole Clotrimazol und Miconazol sowie das verschreibungspflichtige Ciclopiroxolamin zur Verfügung. Bei Nystatin, benannt nach seinem Entdeckungsort, dem New York State Institute, handelt es sich um das erste verfügbare Antimykotikum. Der Wirkstoff wird von Streptomyces noursei produziert und ist somit natürlichen Ursprunges, was möglicherweise ein Grund für die im Vergleich zu Azol-Präparaten seltener auftretenden allergischen Reaktionen sein könnte. Im Gegensatz zu allen anderen Wirkstoffen wirkt Nystatin fungizid, d. h. pilzabtötend, indem es Komplexe mit Ergosterol in der Zellwand bildet und auf diese Weise deren Permeabilität verändert und so schließlich zum Absterben der Zelle führt. Clotrimazol hingegen wirkt, wie allgemein Azole, nicht fungizid, sondern fungistatisch. Daher steigt bei geringer Konzentration die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Candida-Kolonien überleben und sich Resistenzen ausbilden. Wie eigene Untersuchungen aus der Arbeitsgruppe um H.-J. Tietz zeigen, wirkt Nystatin nicht nur fungizid, sondern kann auch die Resistenzen auf Azol-Präparate durchbrechen. Dazu wurden gegen Clotrimazol und Miconazol resistente Candida-Stämme kultiviert. Während bei Gabe von Clotrimazol und Miconazol erwartungsgemäß kein Hemmhof um das Wirkstoffplättchen zu sehen war, zeigte sich um das Nystatin-Plättchen deutlich ein scharf abgegrenzter Hemmhof.

Omnipotente Wirkung auf Candida-Arten

Darüber hinaus hat die Gabe von Nystatin keinerlei Einfluss auf das gesunde vaginale Mikrobiom, sodass dies nach einer Nystatin-Therapie nicht wieder aufgebaut werden muss. Aufgrund der lokal begrenzten Wirkung treten Nebenwirkungen nur sehr selten auf, sodass Nystatin selbst bei schwangeren und stillenden Frauen als Mittel der Wahl gilt. Zudem entfaltet es aufgrund seines besonderen Wirkmechanismus in Kombination mit systemischen Antimykotika synergistische Effekte. Weiterhin wirkt Nystatin bei einem großen Erregerspektrum, d. h. nicht nur ausschließlich gegen C. albicans, sondern auch gegen Erreger wie C. glabrata, C. africana oder C. tropicana, von denen die beiden letzteren aufgrund der Globalisierung mittlerweile auch in unseren Breiten regelmäßig anzutreffen sind. Unter diesen nimmt C. glabrata eine gewisse Sonderstellung ein, da sie keine Myzelien bildet, sich durch eine geringere Virulenz auszeichnet und eine ekzemartige Klinik aufweist. Um ein Vulvaekzem auszuschließen, ist daher ein Abstrich erforderlich. Zwar gehen C. glabrata-Infektionen meist mit milderen Verläufen einher, allerdings zeigen sich häufig rezidivierende Verläufe. In diesen Fällen kann vor einer (kostspieligen) intravenösen Therapie mit Micafungin ein topischer Heilversuch mit einer mindestens einwöchigen kombinierten Behandlung mit Nystatin und Ciclopiroxolamin erwogen und bis zu dreimal wiederholt werden.

Bakterielle Vaginose – wichtige Rolle des Biofilmes

Die häufigste vaginale Erkrankung bei sexuell aktiven Frauen ist die bakterielle Vaginose (BV). Verursacht wird sie nicht von einer Bakterienart, sondern sie stellt vielmehr eine Dysbiose des vaginalen Mikrobioms dar, die gekennzeichnet ist durch die Verdrängung potenziell protektiver Laktobazillen im Vaginalsekret aufgrund stark erhöhter Bakterienzahlen unter Führung verschiedener Gardnerella species sowie aufgrund einer hohen bakteriellen Diversität an anaeroben und fakultativ anaeroben Bakterienarten. Erreichen diese eine hohe Mindestzahl („abundance”) und -zusammensetzung („diversity”), so bilden sie polybakterielle Biofilme am Vaginalepithel aus, deren abgeschilferte Zellen als „clue cells”, sogenannte Schlüsselzellen, bei der Diagnosestellung eine wichtige Rolle spielen. Gebildet wird der BV-Biofilm hauptsächlich von dicht gepackten, nebeneinander liegenden Gardnerella species, die ein ausgeprägtes Adhäsionsvermögen an Vaginalepithelzellen aufweisen. In die die Gardnerella umgebende Matrix sind stets eine Vielzahl weiterer, sehr unterschiedlicher BV-assoziierter Bakterien (BVAB) integriert. Das Spektrum der BVAB ist enorm und umfasst neben Fannyhessea vaginae (vormals Atopobium vaginae), Fusobacterium nucleatum, Mobiluncus mulieris, Mycoplasma hominis, Prevotella bivia, Ureaplasma urealyticum – als den häufigsten Vertretern –, auch Laktobazillen wie L. iners. Deren Keimkonzentration liegt deutlich höher als in der normalen Vaginalmikrobiota, aber niedriger als die Gardnerella species-Konzentration. Zwischen den einzelnen Spezies dieses polymikrobiellen Biofilmes sind komplexe Wechselwirkungen und metabolische Kooperation vorhanden, die mit einer herabgesetzten Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika und Probiotika einhergehen. Dieser von Gardnerella species dominierte polymikrobielle Biofilm ist daher eine wesentliche Ursache für die hohe Rate an Versagen der antibiotischen Standardtherapie und wird zudem sexuell übertragen. Neue Untersuchungen geben außerdem Hinweise darauf, dass auch sogenannte pseudo „clue cells” existieren, bei denen dicht gedrängte kohäsive „Wolken” von Bakterien, anscheinend besonders Lactobacillus iners, zusammenhängen, nicht aber auf den Epithelien wie bei echten „clue cells”. Auch diese Form der BV scheint oft zu rezidivieren.

Prävalenz und Risikofaktoren

Die weltweite Prävalenz der BV liegt zwischen 20 und 30 %. Allerdings bestehen ethnische Unterschiede: So liegt die Prävalenz bei afroamerikanischen Frauen – unabhängig davon, ob sie in den USA oder in Afrika leben – bei 33 %; bei hispanischen Frauen beträgt sie 31 %. Für Deutschland liegen bislang keine eindeutigen Zahlen vor. Daten einer großen AOK-Studie unter Berücksichtigung objektiver Parameter (Nugent-Score 7 bis 10) zeigen, dass 12,6 % der deutschen Schwangeren von einer BV betroffen sind, während der Anteil bei nicht deutschen Schwangeren mit 5,1 % deutlich niedriger liegt. Verschiedene Risikofaktoren können das Auftreten einer BV begünstigen und sollten daher abgeklärt und – sofern möglich – ausgeräumt werden. Zu diesen zählen Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder chronischer Stress. Weiterhin beeinflussen aufgrund der sexuellen Übertragbarkeit der BV auch die Zahl der Sexualpartner, ungeschützter Sex sowie bestimmte Sexualpraktiken das BV-Risiko. Auch eine übertriebene Intimhygiene mit häufigen Vaginalduschen erhöht das Risiko für eine BV. Während der Menstruation ist – vermutlich aufgrund des etwas erhöhten pH-Wertes – das BV-Risiko ebenfalls erhöht. Auch die nachlassende Östrogenisierung des Vaginalepithels während und nach den Wechseljahren scheinen ebenso mit einem erhöhten Risiko für BV vergesellschaftet zu sein wie die Anwendung eines Intrauterinpessars aus Kupfer. Darüber hinaus bestehen genetische Dispositionen sowie die bereits beschriebenen ethnischen Unterschiede für ein erhöhtes BV-Risiko.

Mögliche Folgen einer BV

Wesentlich ist, dass die BV nicht nur ein ästhetisches Problem darstellt, sondern gleichzeitig das Risiko für gynäkologische Infektionen erhöht. Zudem erhöht die Erkrankung während einer Schwangerschaft das Risiko einer Frühgeburt und sollte daher keinesfalls unterschätzt werden. Zurückzuführen sind das erhöhte Infektionsrisiko und das erhöhte Risiko für Frühgeburtlichkeit auf eine Verminderung der zervikovaginalen protektiven IgM- und IgA-Werte bei Frauen mit BV, was wiederum zu einer Verminderung bzw. dem Fehlen einer Immunantwort auf G. vaginalis beiträgt. Frauen mit BV sind daher signifikant empfindlicher für sexuell übertragbare Erkrankungen und aszendierende Infektionen wie Zervizitis, Endometritis, Salpingitis, „pelvic inflammatory disease” (PID) und Tuboovarialabzess. Wie ein systematisches Review zeigt, weisen Frauen mit BV zudem eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für eine tubare Infertilität (Odds Ratio 2,7) sowie für eine erhöhte Abortrate (Odds Ratio 2,3) auf, wobei die Konzeptionsrate nicht niedriger ausfällt. Dies legt den Schluss nahe, dass die BV-Biofilme auch in den Uterus steigen und ein hohes Risiko haben, die Schwangerschaft zu beeinträchtigen. Weiterhin zeigen Frauen mit BV, die gleichzeitig mit dem humanen Papillomvirus (HPV) infiziert sind, eine signifikant schwächere HPV-Clearance, wie Untersuchungen aus China und Finnland übereinstimmend zeigen. Dabei spielt auch das Mikrobiom eine wichtige Rolle. So hat eine aktuelle Arbeit gezeigt, dass eine dysbiotische Verschiebung des zervikovaginalen Mikrobioms offensichtlich einen wesentlichen Co-Faktor in der Karzinogenese des Zervixkarzinoms darstellt. So weisen Frauen mit Eubiose und einem von Laktobazillus dominierten Mikrobiom (CST I, II oder V) eine sehr gute HPV-Clearance auf, während Frauen mit einer Dysbiose (CST III oder IV) ein hohes Risiko für HPV-Persistenz aufweisen. Eine gute Lactobacillus-Flora schützt somit vor anderen Erkrankungen und stellt zudem einen guten Schutz der Schwangerschaft dar. Umgekehrt erhöhen Dysbiosen, BV (aber auch Parodontitis, Genpolymorphismen und andere Faktoren) das Risiko für eine Frühgeburt um den Faktor 2,16 und für Spätaborte um den Faktor 6,32. Insbesondere eine rezidivierende oder persistierende BV im ersten Trimenon erhöht signifikant das Risiko für eine Frühgeburt und für peripartale Infektionen.

Schlüssel zur Diagnose: Schlüsselzellen

Die aktuelle Leitlinie enthält die klare Empfehlung, Frauen mit vulvovaginalen Beschwerden, insbesondere bei dünnflüssigem, homogen gräulichem Ausfluss (mit oder ohne Amingeruch) und erhöhtem vaginalen pH-Wert (>4,5) bezüglich einer BV abzuklären. Die orientierende Diagnostik der BV soll dabei anhand von Anamnese, Klinik und dem mikroskopischen Nachweis von Schlüsselzellen („clue cells”) im Nativpräparat, ggf. auch mit Beurteilung der Amsel-Kriterien, erfolgen. Große Bedeutung kommt daher bei der Diagnosestellung einer BV dem Nativpräparat zu, das in der Praxis am Mikroskop direkt analysiert werden kann. Sind in diesem die „clue cells” zu erkennen, die sich durch eine typische Morphologie auszeichnen, so ist dies ein wichtiger Schlüssel zur Diagnose. Nach erfolgter orientierender Diagnostik wird leitliniengerecht eine weiterführende Labordiagnostik durchgeführt, die eine Gramfärbung mit einer quantitativen Bewertung von drei verschiedenen Morphotypen (grampositive Lactobacillus species; gramnegative Gardnerella species sowie anaerobe Spezies; gramlabile Mobinculus species) nach vorgegebenem Schema umfasst. Anhand dieser Bewertung wird der Nugent-Score ermittelt, wobei die Kategorien 0 bis 3 „kein Hinweis auf BV” und 4 bis 6 „kein eindeutiger Hinweis” bedeuten. Bei einem Nugent-Score von 7 bis 10 liegt eine BV vor. Dies bedeutet, dass selbst ein ggf. „massives” Auftreten einer einzelnen Spezies nicht zwangsläufig für das Vorliegen einer BV spricht. Vielmehr ist es wesentlich, den in der Labordiagnostik ermittelten Nugent-Score zu beachten. Liegt dieser zwischen 0 und 3, so liegt keine BV vor – unabhängig davon, ob der kulturelle Befund z. B. „reichlich G. vaginalis” oder „massenhaft E. coli” angibt. Eine Labordiagnostik mittels molekulargenetischer Verfahren spielt in der klinischen Routine eine untergeordnete Rolle und sollte derzeit speziellen Fällen vorbehalten sein.

Therapie der BV

Gemäß der aktuellen AMWF-Leitlinie soll die Therapie der BV mit oralem oder topischem Clindamycin oder Metronidazol erfolgen. Beide Präparate erreichen gemäß einer Cochrane-Analyse unabhängig von der Applikation vergleichbare vierwöchige Heilungsraten von ungefähr 70 bis 85 % (kombiniertes relatives Risiko [RR] 0,91; 95%-Konfidenzintervall: [0,70; 1,18]), wobei Clindamycin tendenziell weniger Nebenwirkungen als Metronidazol aufweist (RR 0,75; [0,56; 1,02]). Alternativ können lokale Antiseptika wie Dequaliniumchlorid, Octenidin oder Povidon-Jod (schwache Evidenz mangels valider Studien) – insbesondere bei chronischen Rezidiven – zur Anwendung kommen. Eine erhebliche Herausforderung im klinischen Alltag stellt die bis heute hohe Rate an Therapieversagen dar, die nicht selten zu chronisch rezidivierenden Verläufen mit hohem Leidensdruck bei den Betroffenen führt. Etwa 50 % der Behandelten erleiden ein Rezidiv, wobei als wichtige Ursache für das Therapieversagen nach aktuellen Erkenntnissen die von Gardnerella species dominierten polymikrobiellen Biofilme sowie eine Resistenz von Gardnerella species und BVAB insbesondere gegenüber Metronidazol angesehen werden. Verschiedene In-vitro-Studien deuten darauf hin, dass Clindamycin besser als Metronidazol geeignet ist, um G. vaginalis abzutöten, wobei die Datenlage nicht eindeutig ist. Zudem hat eine Untersuchung vaginaler Abstriche von Frauen mit BV ergeben, dass die Biofilme von Metronidazol nicht „geknackt” werden und dies daher keine Wirkung entfalten kann. Weiterhin gelten u. a. auch die fehlende Fähigkeit zur Re-Kolonisierung der Vagina mit Laktobazillen sowie Re-Infektionen ausgehend von Sexualpartnern als Gründe für Rezidive.

Therapie bei chronisch rezidivierender BV

Chronische Rezidive sind als drei oder mehr Episoden pro Jahr definiert. Aufgrund der beschriebenen Biofilmproblematik sollte die Therapie der chronisch rezidivierenden BV mit lokalen Antiseptika oder einer suppressiven Erhaltungstherapie mit topischem Metronidazol oder Clindamycin, gefolgt von vaginalen Probiotika erfolgen, um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs nach der Therapie zu reduzieren. Insgesamt sollten bei Rezidiven alle leitliniengerechten Präparate im Wechsel vaginal und oral versucht werden. Zudem kann eine Partnerbehandlung erwogen werden, wobei die Evidenz diesbezüglich bislang begrenzt ist. In einer Pilotstudie, in der Frauen entweder mit oralem Metronidazol oder intravaginalem Clindamycin behandelt wurden und ihre Partner eine Behandlung der Penishaut mit Clindamycin-Creme erhielten, wurde eine Reduktion der Rezidivrate erzielt. In schweren Fällen hat ein – schwieriger und in der klinischen Routine nicht anwendbarer – vaginaler Mikrobiomtransfer sehr gute Ergebnisse erbracht. Bezüglich Probiotika zeigte sich bislang, dass vaginal applizierte Probiotika gegen BV sowohl zur Therapie als auch zur Prophylaxe vorteilhaft sind und dass eine prolongierte Anwendung besser ist als eine kurzzeitige. Allerdings wirkt eine prolongierte Antibiotikaanwendung gegen die rezidivierende BV besser als eine prolongierte Probiotikaanwendung.

BV und Schwangerschaft

Für Frauen mit symptomatischer BV in der Schwangerschaft wird eine Behandlung zur Reduktion von Symptomatik sowie Schwangerschafts- und Wochenbettkomplikationen empfohlen. Dennoch gibt es Hinweise, dass auch Diagnose und Behandlung einer asymptomatischen bakteriellen Vaginose vor der 23. Woche die Rate an Frühgeburten vor der 37. Woche senken kann. Während der Schwangerschaft soll die Behandlung der BV mit Clindamycin als Mittel der ersten Wahl erfolgen, das auch im ersten Trimester eingesetzt werden kann. Insgesamt erscheint Clindamycin, auch aufgrund seiner antiinflammatorischen und Zytokin-hemmenden Wirkung sowie aufgrund seines breiten antibiotischen Spektrums während der Schwangerschaft besser geeignet zu sein als Metronidazol. Metaanalysen zeigen bislang allerdings kein einheitliches Bild, und es geht bislang nicht hervor, dass jede Therapie in der Schwangerschaft statistisch signifikant Frühgeburten senkt.

Fazit

  • BV und VVC stellen die häufigsten genitalen Erkrankungen bei Frauen im sexuell aktiven Alter dar, begünstigt werden sie durch eine Dysbalance des vaginalen Mikrobioms.
  • Die Diagnose einer VVC sollte neben der klinischen Symptomatik auch den mikroskopischen Nachweis von (Pseudo-)Hyphen bzw. Myzelien umfassen.
  • Die überwiegende Mehrheit der VVC kann mit topischen Antimykotika behandelt werden; drei Therapiesäulen bei chronisch rezidivierender VVC: (1) Ausmerzung/Behandlung der Quellen, (2) systemische Therapie, (3) topische Therapie.
  • Als topische Antimykotika stehen Clotrimazol, Nystatin, Miconazol und Ciclopiroxolamin zur Verfügung.
  • Nystatin ist ein natürliches Präparat, das fungizid gegen ein großes Erregerspektrum wirkt, Resistenzen gegen Azol-Präparate durchbrechen kann und synergistisch mit systemischer Therapie wirkt.
  • Die Diagnose der BV sollte anhand von Amsel-Kriterien mit Schlüsselzellen im Nativpräparat und Nugent-Score erfolgen.
  • Die leitliniengerechte Therapie erfolgt mit Clindamycin oder Metronidazol, alternativ mit Antiseptika. Bei Rezidiven sollen alle leitliniengerechten Präparate im Wechsel vaginal und oral versucht werden.
  • Clindamycin ist das Mittel der Wahl während der Schwangerschaft. Wahrscheinlich ist es hinsichtlich einer Frühgeburt besser, mit guter Vaginalflora zu konzipieren, als in der Schwangerschaft eine etablierte BV zu therapieren.

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