Vorderer Schulterschmerz

Der vordere Schulterschmerz ist ein häufig anzutreffendes Beschwerdebild. Betroffen sind oftmals Sportler, die Überkopfsportarten betreiben wie beispielsweise Handballer sowie Kraftsportler. Da der guten Funktionalität der Schulter im Alltag wie auch im Sport hohe Bedeutung zukommt, ist eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung wichtig, um die Ursache der Beschwerden abzuklären. Dabei ist die gesamte Funktionseinheit des Schultergürtels zu berücksichtigen - einschließlich dem Gleitlager, der Scapula und der Muskeln, die von der Scapula bis an den Ober- und auch Unterarm reichen.

Die klinische Untersuchung sollte am freien Oberkörper erfolgen und stets im Seitenvergleich, wobei mit der gesunden Seite zu beginnen ist. Der Untersuchungsgang sollte standardisiert ablaufen, damit die Tests möglichst zeiteffizient sind und nichts übersehen wird. Die Behandlung erfolgt beim vorderen Schulterschmerz in aller Regel konservativ. Eine zentrale Rolle spielen physiotherapeutische Maßnahmen sowie eine adäquate Trainingsplanung. Die Injektion von Kortikoiden ist heutzutage nicht mehr als Standardtherapie anzusehen.

Alternativ können Patienten von einer Behandlung profitieren, welche die Bildung antiinflammatorisch wirksamer Zytokine stimuliert und die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen hemmt.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123075080011
Zeitraum 07.09.2023 - 06.09.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. Martin Bartsch
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Heel GmbH
Bewertung 4.4 (687)

Ursachen von Schulterschmerz

Eine gute Funktionalität der Schulter hat aufgrund der guten Beweglichkeit und der vielseitigen Funktionen der Schulter in verschiedensten Sportarten große Bedeutung. Zugleich sind allerdings die Verletzungsgefahr und die Gefahr von Überlastungen im Bereich der Schulter hoch. Schulterschmerzen entwickeln hierzulande oft Sportler, die eine sogenannte Überkopfsportart betreiben: So kommt es beim Volleyball bei 49 % der Sportler zu Schulterschmerzen. Beim Handball sind es 28 % und beim Tennis 24 %. Im US-amerikanischen Raum sind häufiger die dort üblichen Sportarten wie beispielsweise das Baseballspiel und das Turnen Ursache von Schulterschmerzen. Das Schultergelenk ist das beweglichste Kugelgelenk im menschlichen Körper. Hinsichtlich der Verletzungsgefahr darf das Glenohumeralgelenk aber nicht isoliert betrachtet werden. Bedeutsam ist vielmehr die gesamte Funktionseinheit des Schultergürtels einschließlich des Gleitlagers der Scapula und der Muskeln, die von der Scapula bis an den Ober- und auch Unterarm reichen und die für die Funktionalität sehr wichtig sind. Besonders bedeutsam ist dabei die Gruppe der Rotatorenmanschette, die aus vier Muskeln besteht: den Musculus supraspinatus, den Musculus infraspinatus, den Musculus subscapularis und den Musculus teres minor. Die Muskeln der Rotatorenmanschette sind für die Innen- und Außenrotation wie auch für die Abduktion verantwortlich. Unterstützt werden sie durch die Bandstrukturen. Konkret ist der Musculus subscapularis, dessen Sehne ventral ansetzt, vor allem für die Innenrotation des Humeruskopfes im Glenohumeralgelenk verantwortlich. Die Sehne des M. supraspinatus setzt kranial an; die Hauptfunktion dieses Muskels ist die Abduktion des Schultergelenkes am Humeruskopf. Die Sehne des M. infraspinatus geht von dorsokranial aus und reicht mit dem dorsalen Anteil bis zum M. teres. Die beiden Muskeln sind wesentlich an der Außenrotation des Humeruskopfes im Glenohumeralgelenk und an der Retroversion beteiligt. Neben diesen genannten Einzelfunktionen haben die Muskeln der Rotatorenmanschette zusammengenommen außerdem eine wichtige weitere Funktion: Sie stabilisieren den Humeruskopf im Zentrum des Glenohumeralgelenkes.

Klinische Untersuchung bei Schulterschmerz

Stellt sich ein Patient mit Schulterschmerzen vor, sollten bei der klinischen Untersuchung einige Grundregeln beachtet werden.
Untersuchungs-Grundprinzipien
  • die Untersuchung am freien Oberkörper,
  • die Untersuchung im Seitenvergleich, wobei mit der gesunden Seite zu beginnen ist,
  • der standardisierte Untersuchungsgang, damit die Untersuchung möglichst zeiteffizient erfolgt und nichts übersehen wird,
  • das Prinzip „Consider a Joint above (Spine) and below (Elbow, Wrist)”, also das Einschließen der angrenzenden Gelenke in die Untersuchung – bei der Schulter sind dies die Halswirbelsäule sowie die Ellenbogengelenke und die Handgelenke
  • das Ermitteln des neurovaskulären Status. Dieser Aspekt steht bei jungen Sportlern nicht im Fokus, sollte aber dennoch mit beachtet werden.
Bei der klinischen Untersuchung erfolgt zunächst
  • die Inspektion, gefolgt von
  • der Palpation,
  • der allgemeinen Beweglichkeitsprüfung einschließlich des Skapulothorakalgelenkes sowie
  • den spezifischen Provokations- und Funktionstests und
  • der neurovaskulären Untersuchung.
Bei der Inspektion ist auf Asymmetrien im Muskelrelief zu achten und zwar von ventral, dorsal und lateral. Atrophien der Muskulatur sollten dabei rasch zu erkennen sein. Selbstverständlich sind Rötungen und Schwellungen, die möglicherweise auf posttraumatische oder eventuell auch infektiös bedingte Entzündungsreaktionen hindeuten, zu erfassen. Die Inspektion sollte nicht nur statisch durchgeführt werden, sondern während der Bewegungen, wobei unter anderem die Haltung des Oberkörpers bei der Armhebung zur Seite und frontal zu beobachten ist. Nach der Inspektion folgt die Palpation. Dabei empfiehlt sich ein standardisiertes Vorgehen beginnend ventral am SC-Gelenk und weiter über die Clavicula und das Korakoid bis zum Schultereckgelenk, also dem AC-Gelenk. Unterhalb des AC-Gelenkes empfiehlt sich ferner eine Palpation der langen Bizepssehne (LBS, Sulcus intertubercularis), wobei dort ein Druckschmerz zu provozieren ist. Die Untersuchung setzt sich nach lateral über das Tuberculum minus und majus und nach dorsal über die Spina scapulae fort, wobei auch die Stellung der Scapula abzutasten ist.

Ablauf der Bewegungsprüfung

Die Bewegungsprüfung erfolgt am besten im Stand, wobei jeweils mit der Anteversion und Abduktion des Armes begonnen wird. Rotationsbewegungen können in der 90-Grad-Abduktion als hohe Abduktion und als hohe Innenrotation geprüft werden. Ist dem Patienten die Abduktion auf 90 Grad nicht möglich, so ist die tiefe Außenrotation und/oder Innenrotation durchzuführen. Allerdings ist die tiefe Innenrotation durch das Abdomen eingeschränkt, sodass die hohe Außenrotation und Innenrotation zu bevorzugen ist. Bei den spezifischen Provokations- und Funktionstests kommen verschiedene Verfahren in Betracht. Die Palette reicht vom Neer-Test über den Hawkins-Test und den sogenannten Painful Arc, die beim Impingementsyndrom relevant sind, bis zum Speed-Test, dem O`Brien’s-Test und beispielsweise bis zur Prüfung auf lokalen Druckschmerz bei der Untersuchung der Bizepssehne oder des AC-Gelenkes sowie bis zu weiteren Testverfahren je nach Fragestellung. Welcher Test zum Einsatz kommt, richtet sich nach den jeweiligen im Verdacht stehenden Krankheitsbildern.

Periarthritis Humeroscapularis

Der relativ ungenaue Terminus „Periarthritis humeroscapularis”, kurz PHS deutet bereits an, dass es oftmals nicht einfach ist, die unterschiedlichen Pathologien exakt zu differenzieren. Durch eine differenzierte klinische Untersuchung sowie Möglichkeiten der modernen Bildgebung wie der Kernspintomographie und durch arthroskopische Untersuchungen hat es allerdings deutliche Fortschritte bei der Diagnosestellung gegeben. Es gibt eine Reihe von Krankheitsbildern, die bei Sportlern klinisch relevant sein können.

Krankheitsbilder

  • das subakromiale Impingement, auch als subakromiales Schmerzsyndrom bezeichnet,
  • die sportspezifische Apophysiolysis acromialis, Rotatorenmanschettenrupturen,
  • die Skapuladyskinesien,
  • die Tendinosis calcarea,
  • Tendinitiden der langen Bizepssehne und die SLAP-Läsion sowie die Arthritis im AC-Gelenk.

Subakromiales Impingementsyndrom

Das subakromiale Impingementsyndrom, oft auch als subakromiales Schmerzsyndrom bezeichnet, wird nach den jeweiligen Ursachen differenziert in ein extrinsisch, intrinsisch, biomechanisch oder neuromuskulär bedingtes subakromiales Impingementsyndrom. Die Entstehungsfaktoren sind unterschiedlich: Von extrinsischen Ursachen oder auch von einem sogenannten Outlet-Impingement ist auszugehen bei einem in seiner Morphologie veränderten Akromions, also einer knöchernen Einengung durch Akromionsporne oder Osteophyten. Als Ursache ist ebenso eine Veränderung der AC-Gelenkstellung oder das Vorliegen eines Os acromiale möglich. Hierbei kommt es zu einer direkten mechanischen Irritation durch knöcherne Strukturen auf die Supraspinatussehne und die Bursa subacromialis. Intrinsische Ursachen sind üblicherweise direkte Veränderungen der Sehne wie beispielsweise eine mukoide Degeneration an der hypovaskulären Zone mit entsprechender Unterversorgung und daraus sich möglicherweise ergebenden degenerativen Läsionen. Als Spätfolge kann es zur Rotatorenmanschettenruptur kommen. Bei Sportlern sind biomechanisch bedingte Impingementursachen häufiger. So kann die Muskeldicke des M. supraspinatus zu einem Engesyndrom führen. Ebenso können Skapuladysbalancen oder thorakale Dysbalancen durch einen stark ausgeprägten Musculus pectoralis major und eine dadurch bedingte Ventralkippung der Scapula zu einem subakromialen Schmerzsyndrom führen. Zu solchen Problemen kommt es nicht selten durch den Kraftsport. Bei den neuromuskulären Ursachen steht im sportlichen Bereich insbesondere die sogenannte Volleyballschulter im Fokus. Es handelt sich um eine Kompression des N. suprascapularis mit entsprechender Funktionseinschränkung, die sich auch in einer Atrophie ausdrücken kann. Beim Outlet-Impingement spielt vor allem die Akromionmorphologie eine wesentliche Rolle. So gibt es verschiedene morphologische Formen wie ein flaches, ein gekurvtes oder ein hakenförmiges Akromion. Vor allem beim hakenförmigen Akromion kann es leicht zu einem mechanischen Konflikt zwischen Akromion und Supraspinatussehne kommen.

Apophysiolysis acromialis

Ein eher ungewöhnlicher und seltenerer Befund ist die Apophysiolysis acromialis. Sie tritt vor allem bei Nachwuchssportlern im Handball auf, wie eine Studie bei Handballspielern im Alter zwischen 15 und 25 Jahren gezeigt hat. Bei den Probanden ergab sich eine Prävalenz von 2,6 %. Ursache der Störung sind die wiederholten Wurfbelastungen, die zu einer Entzündung der Apophyse bis hin zu einer Wachstumsstörung führen können. In der Folge droht die Entwicklung eines Os Acromiale, das im weiteren Verlauf dann zu einer chronischen Apophysiolyse und zu einem Outlet-Impingement führen kann.

Subakromiale Impingement

Es gibt verschiedene Impingement-Tests. Üblich ist vor allem der Impingement-Test nach Neer. Dabei wird der zu untersuchende Arm angehoben und in leicht innenrotierter Form forciert nach oben (über 120 Grad) gedrückt. Liegt ein subakromiales Impingement vor, kommt es zum Schmerz unter dem Schulterdach. Beim Hawkins-Test, ebenfalls einem Provokationstest für das subakromiale Impingement, wird der Arm in forcierter Innenrotation in Adduktion gebracht. Beim Verdacht auf eine subakromiale Schmerzsymptomatik empfiehlt sich der sogenannte Neer-Infiltrationstest. Hierbei werden die beiden Provokationstests nach Neer und Hawkins durchgeführt. Gibt der Patient Schmerzen an, erfolgt eine subakromiale Infiltration eines Lokalanästhetikums. Nach einer kurzen Einwirkzeit wird erneut die Testung nach Neer und Hawkins durchgeführt. Gibt der Patient eine Besserung der Schmerzen an, ist von einer subakromialen Schmerzursache auszugehen. Kommt es nicht zu einer Besserung, ist eine intraartikuläre Ursache wahrscheinlich und sollte weiter abgeklärt werden. Das subakromiale Impingement kann in der Regel konservativ behandelt werden. Vor allem in den Stadien I und II nach Neer, in denen keine strukturellen Defekte vorliegen, hat sich eine Kombination von Infiltrationen aus antientzündlichen Wirkstoffen und Physiotherapie als besonders wirksam erwiesen. Sie führt zumeist zu einer Verbesserung der thorakoskapulären Kinetik des Humeruskopfes in der Gelenkpfanne. Das Ansprechen auf die Infiltration – der sogenannte Neer-Test – ist dabei prädiktiv. Grenzen der konservativen Therapie sind höhergradige Impingementformen, also solche mit strukturellen Defekten und eventuell auch mit Begleitverletzungen wie beispielsweise einer Partialruptur der Supraspinatussehne.

Ruptur der Rotatorenmanschette

Rotatorenmanschettenrupturen sind in ihrer Genese nicht immer vollständig zu klären. Eine häufige Ursache sind degenerative Veränderungen infolge repetitiver Mikrotraumata im Bereich der kritischen avaskulären Zone knapp vor dem Ansatz der Sehne am Humeruskopf. Die wiederholten Mikrotraumata bedingen eine Schwächung und Veränderung des Sehnengewebes, was dann bei einem vergleichsweise geringen Trauma zu einer manifesten Ruptur führen kann. Die Patienten berichten beispielsweise, dass sie beim „Aufschlag beim Tennis zu kurz gezogen hätten”. Seltener führen dagegen Makrotraumata zur Rotatorenmanschettenruptur, zum Beispiel durch einen Verkehrsunfall oder einen Sturz mit dem Fahrrad. Bei der Testung der einzelnen Sehnen der Rotatorenmanschette wird der Musculus supraspinatus im Jobe-Test oder im sogenannten Full-Can-Test oder auch im Empty-Can-Test untersucht. Hierbei wird der Arm des Patienten in 90-Grad-Abduktion und 30-Grad-Anteversion gebracht. Beim Full-Can-Test mit dem Daumen nach oben wird der Patient gebeten, den Arm nach oben gegen den Widerstand des Untersuchers zu drücken. Kommt es hierbei zu Schmerzen, ist von einer Schädigung des ventralen Anteils der Supraspinatussehne auszugehen. Der Empty-Can-Test erfolgt aus der gleichen Armposition heraus allerdings mit nach unten gerichteten Daumen. Treten bei dieser Untersuchung Schmerzen auf, so ist von einer Schädigung des posterioren Anteils der Supraspinatussehne auszugehen. Mit einfachen Untersuchungen lassen sich auch Läsionen des Musculus infrapinatus sowie des Musculus teres minor erfassen, die hauptsächlich für die Außenrotation zuständig sind. Man steht dabei hinter dem Patienten und bittet diesen, aus der neutralen Position eine kraftvolle Außenrotation durchzuführen. Kommt es hierbei zu Schmerzen, ist das ein erster Hinweis auf eine Schädigung des M. infraspinatus. Ein weiterer Hinweis auf eine Schädigung des M. infraspinatus ist das sogenannte Hornblower-Sign. Bei der Untersuchung bittet man den Patienten, die Hand zum Mund zu führen. Ist ihm das nicht möglich, ohne den Ellbogen über die Schulterebene zu heben, ist der Test als positiv zu werten. Auch mit dem sogenannten Außenrotations-Dropping-Sign, kurz ARO-Dropping-Sign, lassen sich Läsionen des M. infraspinatus und des Teres minor erfassen. Bei diesem Test wird der Arm des Patienten durch den Untersucher in eine maximale passive Außenrotation gebracht, und der Patient wird gebeten, diese Position beizubehalten. Kommt es beim Loslassen des Untersuchers zum Zurückschnellen des Armes an den Bauch des Patienten, ist das Dropping-Zeichen, das sogenannte ARO-Lag-Zeichen, positiv. Analog erfolgt die Testung auf eine Läsion des M. subscapularis mit dem Innenrotations-Lag-Zeichen, kurz IRO-Lag-Sign. Dabei wird der Arm des Patienten durch den Untersucher hinter dem Rücken in die maximale Innenrotation gebracht, und der Patient wird wiederum gebeten, diese Position zu halten. Ist dies nicht möglich, sobald der Untersucher loslässt, so ist der Test als positiv zu werten. Die Untersuchung prüft die Funktion der Subscapularissehne und ist vor allem bei Totalrupturen positiv. Differenzierter geht der Bear-Hug-Test bei der Erfassung einer Läsion der Subscapularissehne vor. Bei diesem Test wird der Patient gebeten, eine Hand auf die Schulter der Gegenseite zu legen und diese gegen den Widerstand des Untersuchers auf die Schulter zu drücken. Es erfolgt damit eine forcierte Innenrotation bei maximaler Anteversion des Armes. Damit wird vor allem der kraniale Anteil der Sehne des M. subscapularis getestet, der vor allem bei initialen Partialrupturen häufig betroffen ist. Bei der Frage, ob eine Partialruptur der Rotatorenmanschette operativ versorgt werden muss, ist die Größe der Ruptur zu beurteilen. Man sollte ferner bedenken, dass der Rotatorenmanschette eine wichtige Funktion als Stabilisator des Glenohumeralgelenkes zukommt und dass Partialrupturen oft progredient verlaufen. So zentrieren normalerweise transversale Kräfte des M. subscapularis und M. infraspinatus, die beide als Innenrotator bzw. Außenrotator fungieren, im Zusammenspiel den Humeruskopf in der Gelenkpfanne. Liegt eine Partialläsion oder Schwächung eines der beiden Muskeln vor, so ist diese zentrierende Funktion des transversalen Kräftepaares beeinträchtigt; es kann bei einem starken Zug des M. deltoideus zu einer kranialen Migration des Humeruskopfes kommen. Dies kann im weiteren Verlauf zu einer Schädigung des Gelenkes führen, obwohl die initiale Läsion gering war.

Biomechanischen Faktoren

Zu den biomechanischen Faktoren des subakromialen Impingements gehört beispielsweise eine Skapuladyskinesie. Bei der Inspektion kann auffallen, dass es dem Patienten nicht möglich ist, die Scapula flach an den Thorax anzulegen. Wenn er den Arm nach vorn hebt und es zu Beschwerden kommt, die mit einem Anheben der Scapula einhergehen, empfiehlt sich der sogenannte Scapula-Assistance-Test. Hierbei wird die Scapula durch die Hand des Untersuchers fixiert und geführt, während der Patient den Arm nach vorn hebt. Kommt es dabei zu einer Verringerung des Schmerzempfindens beim Patienten, ist der Test als positiv zu werten. Es sollte dann möglichst die Ursache der Skapuladyskinesie abgeklärt werden. Wird eine neurologische Ursache ausgeschlossen, kann mit physiotherapeutischen Maßnahmen versucht werden, die Skapulaführung zu verbessern.

GIRD-Syndrom

Eine weitere sportartspezifische Besonderheit im Bereich der Schulter ist das sogenannte GIRD-Syndrom, das „Glenohumeral Internal Rotation Deficit”-Syndrom. Es wurde erstmals beschrieben bei Baseball-Werfern (Pitchern), findet sich aber häufig auch bei Handballspielern, Turnern und Schwimmern. Beim GIRD-Syndrom kommt es bei wiederholter Wurf- und Ausholbewegung zu einer Abnahme der hohen Innenrotation bei gleichzeitiger Zunahme der hohen Außenrotation. Der Gesamtbewegungsumfang ist zunächst nicht beeinträchtigt. Allerdings fällt zum Beispiel beim einseitigen Werfen ein Seitenunterschied auf. Von einem GIRD-Syndrom ist auszugehen, wenn der Unterschied der Innenrotation zwischen der betroffenen und der „gesunden” Seite 20 Grad überschreitet. Bedingt ist dies durch eine Dehnung der ventralen Gelenkkapsel bei gleichzeitiger Verdickung der dorsalen Gelenkkapsel. Als Folge der Asymmetrie resultieren eine Verschiebung des Gelenkzentrums und damit eine funktionale Instabilität mit entsprechenden Beschwerden im Schultergelenk. Im MRT fallen zunächst keine pathologischen Befunde auf. Allerdings wurde bei Turnern dokumentiert, dass zumindest bei symptomatischen Patienten eine Verdickung der vorderen Gelenkkapsel im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen zu sehen ist. Die Behandlung des GIRD-Syndroms besteht in einer Dehnung der dorsalen Gelenkkapsel in der sogenannten Sleeper-Stretch-Position. Hierbei wird der Patient gebeten, sich auf die betroffene Seite zu legen und mit dem Arm der Gegenseite über die Schulter eine forcierte, aber langsame und kontinuierliche Innenrotation des Schultergelenkes durchzuführen.

Läsionen der langen BizepssehneE

Bei Überkopfsportarten kann es ferner zu Läsionen der langen Bizepssehne kommen. Diese fallen vor allem durch ventrale Schmerzen mit Ausstrahlung in den Oberarm auf. Sie können als lokaler Druckschmerz im Sulcus bicipitalis und gegebenenfalls auch mittels des sogenannten Speed-Tests provoziert werden. Bei Tendinitiden der Bizepssehne ohne direkte Schädigung der Sehne können sonografisch gestützte Injektionen hilfreich sein. Wichtig ist außerdem die Verbesserung der Skapulaführung, um Irritationen der Sehne abzubauen. Die lange Zeit praktizierte Injektion von Kortison ist heutzutage nicht mehr als Standardtherapie bei Läsionen und Schmerzen im Schulterbereich anzusehen. Zwar zeigen die Kortisoninjektionen eine gute Wirksamkeit und können Entzündungsreaktionen wie auch Schmerzen zunächst deutlich bessern, der Effekt ist jedoch nicht anhaltend und zudem mit einem erheblichen Nebenwirkungsrisiko verbunden. Vor allem bei Diabetikern ist daher Vorsicht geboten. Zudem gibt es Hinweise, dass durch die Kortisonapplikation die Kollagensynthese inhibiert und auch eine Tenozyten-Proliferation und Regeneration gehemmt werden kann, was möglicherweise eine lokale Band- und Sehnenschädigung nach sich zieht. Nicht zuletzt wurde bislang keine klinische Überlegenheit der Kortisoninjektionen gegenüber der Gabe von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAID) und/oder Hyaluronsäure belegt. Alternativ kann eine Behandlung mit einem Multikomponentenpräparat erwogen werden, das vorwiegend bewährte pflanzliche Inhaltsstoffe wie beispielsweise Arnika, Beinwell, Calendula, Echinacea und Hamamelis enthält. In präklinischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass durch die Anwendung die Genexpression in Entzündungs- und Wundheilungsprozessen signifikant beeinflusst wird. Es kommt auch zur verstärkten Bildung antiinflammatorisch wirksamer Zytokine und zur Inhibition proinflammatorischer Zytokine. Das Multikomponentenpräparat ist insbesondere in der Sportmedizin bei den meist jungen Patienten primär als effektive und gut verträgliche Alternative zu Kortisoninjektionen zu sehen.

SLAP-Läsion

Die lange Bizepssehne selbst hat mit ihrem Anker am Labrum supraglenoidale eine besondere Bedeutung für die Stabilität im Schultergelenk. Bei der sogenannten SLAP-Läsion, also einer Läsion des Bizepssehnenankers, handelt es sich um eine Verletzung der Gelenklippe, die eine Beeinträchtigung des Vakuummechanismus im Schultergelenk bedingt und zur funktionellen Instabilität führen kann. Die SLAP-Läsion ist bei einer nativen MRT meist nur sehr schwer darstellbar. Daher empfiehlt sich bei der Diagnostik eine Arthro-MRT mit intraartikulärer Gabe von Kontrastmitteln, um die Läsion in der Schulter deutlich besser darstellen zu können. Klinisch bietet sich bei der Diagnostik der O’Brien’s-Test (Active-Compression-Test) an. Hierbei wird der Patient gebeten, den Arm in 90 Grad Anteversion zu heben, den Daumen nach unten zu drehen und somit eine maximale Innenrotation im Schultergelenk durchzuführen. In dieser Position soll der Patient den Arm gegen den Widerstand des Untersuchers nach oben drücken. Gibt er dabei Schmerzen an bei gleichzeitiger Schmerzlinderung bei der Außenrotation, ist der Test als positiv anzusehen. Zu bedenken ist jedoch, dass der O´Brien’s-Test sowohl bei Beschwerden infolge einer Bizepsläsion wie auch bei SLAP-Läsionen positiv ist. Die Behandlung erfolgt zunächst konservativ, wobei zu versuchen ist, das Schultergelenk sowie das Schulterblatt zu stabilisieren. Erweisen sich die Beschwerden als therapieresistent und ist die SLAP-Läsion im Arthro-MRT eindeutig zu diagnostizieren, ist insbesondere bei jungen Sportlern, die eine Überkopfsportart praktizieren, eine arthroskopische Refixation in Betracht zu ziehen.

AC-Gelenkbeschwerden

Nicht selten werden von Sportlern zudem Beschwerden im Bereich des Akromioklavikulargelenkes berichtet. Häufig sind hierbei wiederum Sportler mit Überkopfbewegungen sowie Kraftsportler betroffen. Klinisch diagnostisch sind vor allem der lokale Druckschmerz und der Cross-Body-Test zielführend. Beim Cross-Body-Test wird der betroffene Arm des Patienten durch den Untersucher auf die Gegenseite gebracht. Der Test ist positiv, wenn sich durch diese Bewegung ein Schmerz provozieren lässt, der sich tatsächlich auf das AC-Gelenk projiziert. Auch AC-Gelenksbeschwerden lassen sich effektiv durch ein Multikomponentenpräparat – wie oben beschrieben – behandeln, wie das folgende Fallbeispiel eines Kraftsportlers verdeutlicht. Bei entsprechender klinischer Symptomatik wurde bei dem Patienten eine MRT-Untersuchung veranlasst, und es zeigte sich eine Entzündung im AC-Gelenk sowie ein Knochenmarksödem in der lateralen Clavicula. Die Röntgenaufnahmen ergaben keine höhergradigen arthrotischen Veränderungen und keinen Hinweis auf eine Instabilität des Gelenkes. Die zunächst veranlasste periartikuläre Gabe von Kortikoiden bewirkte keine Linderung der Beschwerden. Der Patient wurde daher zeitnah mit einer sonografisch gestützten lokalen Injektion eines Multikomponentenpräparates versorgt. Dies führte zu einer raschen Beschwerdelinderung; der Patient war nach vier Tagen komplett schmerzfrei. Das Kontroll-MRT nach einem Monat zeigte keine Hinweise mehr auf ein Knochenmarksödem in der lateralen Clavicula, auch eine Arthritis im AC-Gelenk war nicht mehr darstellbar.

Fazit

Beim Schulterschmerz sind die sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung des Patienten nach wie vor der Schlüssel zur Diagnose. Die Befunde sind wegweisend für die Therapie, wobei in der Mehrzahl der Fälle eine befriedigende und ausreichende Besserung der Klinik durch eine adäquate Trainingssteuerung, physiotherapeutische Maßnahmen und gegebenenfalls durch die lokale Injektion eines Multikomponentenpräparates zu erzielen ist.

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