Vitamin-D-Mangel bei Risikogruppen – rationale Bestimmung und Substitution

Das sog. „Sonnenhormon“ Vitamin D erfüllt wichtige Funktionen in zahlreichen Organsystemen. Dabei ist Vitamin-D-Mangel insbesondere in den nördlicheren Breitengraden sehr verbreitet. Zahlreiche Studien postulieren Zusammenhänge zwischen Vitamin-D-Mangel und einer Vielzahl von Gesundheitsrisiken. Dazu gehören z. B. Typ-2-Diabetes, Depression und Brustkrebs.

Bei nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel wird stets eine bedarfsgerechte Vitamin-D-Substitution empfohlen. Bis dato ist eine Vitamin-D-Supplementation ohne nachgewiesenen Mangel für wenige Indikationen fest etabliert. Dazu gehören v. a. osteoporotische Frakturen. Bestimmte Populationen weisen ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel auf, z. B. ältere Menschen und Personen mit geringer Sonnenexposition. Zudem weisen Patienten und Patientinnen mit chronischen Erkrankungen des Verdauungstraktes, der Leber und der Niere häufig einen ungedeckten Vitamin-D-Bedarf auf.

Es herrscht oftmals Unklarheit bezüglich Indikation und korrekter Durchführung einer Vitamin-D-Bestimmung und -Substitution. Ebenso ist der Stellenwert einer Kombination von Vitamin D mit anderen Mikronährstoffen nicht abschließend geklärt.

Weitere Kursangebote zu Vitamin-D: "Vitamin-D: Defizite erkennen und erfolgreich behandeln"


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123091340019
Zeitraum 21.10.2023 - 20.10.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Bernhard Landers
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp E-Tutorial / Webcast
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Aristo Pharma GmbH
Bewertung 4.4 (1456)

Einführung

Vitamin D erfüllt neben seinen Aufgaben in der Regulation des Calcium- und Phosphathaushaltes zahlreiche weitere, extraskelettale Funktionen. Der Vitamin-D-Rezeptor ist im Körper nahezu ubiquitär präsent. Jedes Jahr werden zahlreiche Artikel zu Gesundheitsrisiken veröffentlicht, die mit einem erniedrigten Vitamin-D-Spiegel einhergehen. Die Datenlage ist dabei mitunter widersprüchlich. Vitamin D ist nicht den Vitaminen im engeren Sinne zuzuordnen, sondern stellt vielmehr ein Hormon (bzw. Pro-Hormon) dar. Der menschliche Körper kann Vitamin D sowohl über die Nahrung aufnehmen als auch selbstständig herstellen. Voraussetzung für die körpereigene Vitamin-D-Synthese ist allerdings eine ausreichende Sonnenlicht- bzw. UV-B-Strahlenexposition der Haut. In Deutschland sind nahezu alle Bevölkerungsgruppen von einem Vitamin-D-Mangel betroffen. Nur etwa 20 % der Bevölkerung in Deutschland weisen Vitamin-D-Spiegel auf, die als normwertig angesehen werden. Der Grund dafür ist die geringe UV-Strahlung auf der Nordhalbkugel. Zwischen Oktober und März kann in Deutschland keine adäquate Vitamin-D-Synthese stattfinden. Zudem enthalten nur wenige Lebensmittel Vitamin D in bedeutenden Mengen. Eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung tritt allerdings nicht nur im Winter auf. Zudem ist Vitamin-D-Mangel auch in vergleichsweisen sonnigen Ländern ein verbreitetes Problem. Das rege wissenschaftliche Interesse an Vitamin D in der Prävention und Therapie zahlreicher Erkrankungen erklärt sich u. a. dadurch, dass es eine relativ günstige und gut verträgliche Alternative zu vielen eingesetzten Arzneimitteln darstellen würde. Bis dato ist die Verabreichung von Vitamin D-Gaben ohne nachgewiesenen Mangel allerdings nur bei wenigen Indikationen empfohlen. In diesem Kurs werden wichtige praktische Aspekte der Vitamin-D-Bestimmung und -Supplementierung vorgestellt. Hierbei findet das Therapiemanagement bei Risikogruppen besondere Beachtung. Zudem werden wichtige neue Studienergebnisse vorgestellt. Am Schluss werden mögliche Gründe für die vielen Unklarheiten und Kontroversen um die Gesundheitseffekte von Vitamin D diskutiert.

Bestimmung und Interpretation des Vitamin-D-Spiegels

Ein allgemeines Screening des Vitamin-D-Status bei Gesunden wird aktuell nicht empfohlen. Eine diagnostische Untersuchung sollte aber bei Vorliegen von Risikofaktoren für einen Vitamin-D-Mangel erfolgen. Der Vitamin-D-Status wird anhand der Messung des 25-Hydroxyvitamin-D [25(OH)D] im Serum untersucht. Das 25(OH)D ist ein Vorläufer des aktiven Vitamin D. Eine routinemäßige Bestimmung des aktiven Hormons, 1,25(OH)2-Vitamin D, ist hingegen nicht sinnvoll. Diese Untersuchung bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten. Dazu gehören z. B. Abklärung einer Hyperkalzämie bei paraneoplastischem Syndrom, Rachitis Typ I und II (Störung der Calcitriol-Produktion) und granulomatöse Entzündungen (verstärkte extra-renale Bildung von Colecalciferol). Für die Beurteilung des 25(OH)D-Serumspiegels gibt es unterschiedliche Referenzwerte. Diese werden entweder in nmol/l oder ng/ml angegeben. Die Definition eines optimalen 25(OH)D-Spiegels ist Gegenstand einer anhaltenden wissenschaftlichen Debatte. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die Klassifikation des US-amerikanischen Institute of Medicine (IOM). Dabei zeigt ein 25(OH)D-Spiegel <30 nmol/l (bzw. <12 ng/ml) eine mangelhafte Versorgung an. Der Vitamin-D-Serumspiegel unterliegt saisonalen Schwankungen. Ein einmalig erniedrigt gemessener Wert zeigt nicht notwendigerweise ein länger bestehendes, klinisch relevantes Defizit an. Daher können bei einem leicht erniedrigten 25(OH)D-Spiegel wiederholte Messungen im Intervall von mehreren Monaten sinnvoll sein. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, einen 25(OH)D-Serumspiegel >50 nmol/l aufrechtzuerhalten. Ein Vitamin-D-Spiegel ≥50 nmol/l (≥20 ng/ml) stellt unbestritten eine ausreichende Versorgung dar. Vitamin-D-Spiegel >125 nmol/l werden als schädlich angesehen. Allerdings kommen Vitamin-D-Intoxikationen selten und überwiegend bei wesentlich höheren 25(OH)D-Spiegeln vor. Manche Populationen können durch natürliche Vitamin-D-Versorgung höhere mittlere 25(OH) D-Spiegel erreichen. So wurde bei einigen ethnischen Gruppen in Ostafrika ein mittlerer 25(OH)D-Spiegel von etwa 107 nmol/l berichtet. Die 25(OH)D-Werte variieren je nach Messmethode. Die Interpretation muss daher der Variabilität der Analysen Rechnung tragen. Die Flüssigkeitschromatografie mit Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS) und die Hochdruckflüssigkeitschromatografie (HPLC) gelten aktuell als Goldstandard. In der Praxis werden aber häufig immunologische Methoden verwendet, die ebenfalls zuverlässige Werte liefern.

Bestimmung des freien 25-Hydroxyvitamin D

Zwischen 95 und 99 % des Gesamt-Vitamin-D ist an das Vitamin-D-bindende Protein (VDBP) gebunden. Nur 1 bis 5 % des Vitamin D liegt in freier Form vor und ist damit biologisch aktiv. Routinemäßig werden der gebundene und der freie (biologisch aktive) Anteil gemeinsam gemessen. Eine Unterscheidung zwischen den beiden Formen wird dabei meistens nicht vorgenommen. Die gezielte Bestimmung des freien Vitamin D hat sich in den letzten Jahren etabliert und verspricht eine verbesserte Diagnostik. Sie wird aktuell jedoch nicht standardmäßig vorgenommen. Diese Messmethode eignet sich z. B. bei Patientinnen und Patienten, die trotz Substitution von Vitamin D in adäquaten Dosen keinen ausreichenden Anstieg des Gesamt-25(OH)D erreichen. Wenn bei diesen Patientinnen und Patienten die Bestimmung des freien 25(OH)D normwertig ausfällt, gilt die Substitution dennoch als erfolgreich.

Vitamin-D-Versorgung im Alltag

Die Ernährung trägt mit etwa 10 bis 20 % der Zufuhr nur wenig zur Vitamin-D-Versorgung bei. Nur wenige Lebensmittel enthalten relevante Mengen an Vitamin D (zum Beispiel fetter Seefisch, bestimmte Innereien, Speisepilze, Eier). Diese Lebensmittel werden in Deutschland nur selten oder in geringen Mengen verzehrt. Um erniedrigten Vitamin-D-Werten entgegenzuwirken, empfiehlt das RKI, zwischen März und Oktober zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen. Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese reicht laut RKI „bereits die Hälfte der Zeit aus, in der ungeschützt ein Sonnenbrand entstehen würde”. Eine aktuelle Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Sonnenexposition, Vitamin-D-Synthese und Erythemrisiko während der Frühlings- und Sommerzeit in der Schweizer Bevölkerung. Mit einer zu etwa 22 % unbedeckten Hautoberfläche synthetisieren gesunde Erwachsene nach zehn bis 15 Minuten Sonnenexposition etwa 1000 IE Vitamin D. Die zusätzliche Expositionsdauer nach Erreichen einer Synthese von 1000 IE Vitamin D bis zum Auftreten eines Erythems betrug zwischen neun und 46 Minuten. Es gibt bislang keine eindeutigen Belege, dass die Anwendung von Sonnencreme die Vitamin-D-Versorgung im Alltag beeinträchtigt. Auch kann anhand der bislang verfügbaren Daten nicht beurteilt werden, wie sich der Hauttyp, die Art der Anwendung und der verwendete Lichtschutzfaktor auf die Vitamin-D-Versorgung auswirken. Eine Möglichkeit zur Verbesserung des Vitamin-D-Status stellt die Einnahme von Supplementen dar. Bei fehlender endogener Synthese benötigen Jugendliche und Erwachsene im Alter zwischen 15 und <65 Jahren schätzungsweise 20 µg Vitamin D/Tag. Hierbei entspricht 1 µg 40 Internationalen Einheiten (IE). Somit werden von Erwachsenen etwa 800 IE Vitamin D/Tag benötigt. Allerdings sollte eine Verbesserung des Vitamin-D-Status primär stets über die Eigensynthese kombiniert mit Ernährung angestrebt werden. Die Vitamin-D-Eigensynthese bei Ganzkörper-UV-Exposition kann täglich 10.000 IE und mehr betragen. Auch bei oraler täglicher Zufuhr in dieser Größenordnung kommt es in der Regel nicht zu unerwünschten Wirkungen. Dennoch wird nach Empfehlung offizieller Ernährungsgremien ein „Sicherheitszuschlag” um den Faktor von 2,5 veranschlagt und die empfohlene tägliche orale Zufuhr auf maximal 4000 IE/Tag begrenzt. Diese Empfehlung soll der genetischen Diversität des Menschen Rechnung tragen und auch in Anbetracht der eher begrenzten Datenbasis die Unbedenklichkeit gewährleisten. Um Vitamin-D-Mangel in der Bevölkerung vorzubeugen, wird immer wieder eine Anreicherung von Lebensmitteln wie z. B. Milch und Butter diskutiert. Durch diese Maßnahme können Vitamin-D-Spiegel auf einer volksgesundheitlichen Ebene angehoben werden, wie Daten aus Finnland belegen. Dennoch kann die Sicherheit und der gesundheitliche Nutzen eines regelmäßigen Verzehrs von Vitamin-D-angereicherten Nahrungsmitteln noch nicht ausreichend beurteilt werden. Daher kann der regelmäßige Konsum solcher Produkte aktuell nicht empfohlen werden.

Rationale Screening- und Therapieempfehlungen

Internationale Leitlinien stimmen weitgehend darin überein, dass eine routinemäßige Vitamin-D-Supplementierung bei Gesunden nicht sinnvoll ist. Bei bestimmten Indikationen besteht aber eine klare Evidenz, dass die Supplementierung einen Vorteil bringt. Hier kann zum Teil auf eine vorherige Vitamin-D-Bestimmung verzichtet werden. Dazu gehören die folgenden Gruppen: Patientinnen und Patienten mit osteoporotischer Fraktur, Patientinnen und Patienten unter langfristiger Steroidtherapie und Neugeborene. Die prophylaktische Vitamin-D-Supplementierung wird bei Erwachsenen mit 800 IE/Tag durchgeführt. Kontrolluntersuchungen sind bei den oben genannten Gruppen in der Regel nicht erforderlich. Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde empfiehlt eine Supplementierung für Säuglinge von 400 bis 500 IE Vitamin D/Tag bis zum zweiten erlebten Frühsommer. Bei den folgenden Risikogruppen sollte unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren und aktueller Leitlinien eine Vitamin-D-Bestimmung und gegebenenfalls -Substitution erwogen werden:
  • Schwangere
  • Ältere Patientinnen und Patienten (insbesondere bei erhöhtem Sturzrisiko)
  • Patientinnen und Patienten mit Malabsorption, chronischer Niereninsuffizienz oder chronischer Lebererkrankung
  • Patientinnen und Patienten, die Antiepileptika, Glukokortikoide oder HIV-Medikamente einnehmen
  • Adipöse Patientinnen und Patienten (eventuell vermehrte Aufnahme von Vitamin D in das Fettgewebe)
  • Menschen, die aus kulturellen oder religiösen Gründen Ganzkörperbekleidung tragen (Verschleierung)
  • Häuslich gebundene Personen und Menschen, die die Sonne meiden. Dazu gehören auch Bewohnerinnen und Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen.
Der Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Spiegel und Knochengesundheit bei dunkelhäutigen Menschen ist unklar. Es gibt keine Hinweise auf eine erhöhte Osteoporoseinzidenz bei Dunkelhäutigen, die in den nördlicheren Breitengraden leben, obwohl bei ihnen der Vitamin-D-Spiegel häufig <50 nmol/l beträgt.

Substitution bei Vitamin-D-Mangel

Bei nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel ist stets eine bedarfsgerechte Substitution von Vitamin D3 (Colecalciferol) angezeigt. Bei Patientinnen und Patienten mit einem 25(OH)D-Serumspiegel <25 bis 30 nmol/l werden in der Regel insgesamt 50.000 IE Vitamin D/Woche für sechs bis acht Wochen oder 6000 IE/Tag benötigt, anschließend erfolgt eine Erhaltungstherapie mit 800 IE/Tag. Manchmal steigen Vitamin-D-Spiegel unter Standarddosierung nicht ausreichend an. Häufige Gründe sind Adipositas, Malabsorption, Einnahme bestimmter Medikamente oder eine Kombination der genannten Faktoren. In diesen Fällen werden höhere Dosen benötigt. Bei adipösen Patientinnen und Patienten (Body-Mass-Index [BMI] ≥30kg/m2) und bei Patientinnen und Patienten, die Medikamente einnehmen, die den Vitamin-D-Metabolismus beeinträchtigen, werden 6000 bis 10.000 IE/Tag empfohlen mit einer Erhaltungstherapie von 3000 IE/Tag. Bei Patientinnen und Patienten mit Malabsorption hängt die orale Dosis und die Therapiedauer von der individuellen Absorptionskapazität ab. Hohe Dosen von 10.000 bis 50.000 IE/Tag können im Einzelfall erforderlich sein. Sehr hohe Einmaldosen oral oder intramuskulär verabreicht, z. B. 300.000 IE/Jahr oder 60.000 bis 100.000 IE/Monat, können insbesondere bei älteren Menschen zu Nebenwirkungen führen und müssen daher zurückhaltend eingesetzt werden. Bei Patientinnen und Patienten, die aufgrund eines Vitamin-D-Mangels (<25 bis 30 nmol/l) behandelt werden, soll eine 25(OH)D-Kontrolle und ggf. Dosisanpassung nach drei bis vier Monaten erfolgen. Inzwischen existiert eine Vielzahl von Apps und Websites, die sog. „Vitamin-D-Bedarfsrechner” anbieten. Diese sollen den individuellen Bedarf präzise bestimmen können. Allerdings werden neben dem 25(OH)D-Spiegel oft nur wenige zusätzliche Parameter, wie z. B. das Gewicht, zur Berechnung herangezogen. Der Nutzen solcher Rechner ist bislang nicht ausreichend durch prospektive Studien bestätigt.

Fallbeispiel

Eine 62-jährige Patientin stellt sich erstmalig in ihrer hausärztlichen Praxis zur Verlaufskontrolle bei bekanntem Typ-2-Diabetes vor. Die Erstdiagnose erfolgte vor 22 Jahren. Das aktuelle Gewicht beträgt 110 kg bei einer Körpergröße von 170 cm (BMI 38,1 kg/m2). Der Bauchumfang beträgt 120 cm (viszerale Adipositas). Der aktuelle HbA1C-Wert liegt bei 8 %. Zusätzlich besteht ein arterieller Hypertonus. Der mittlere arterielle Blutdruck am Tag und in der Nacht liegt bei etwa 140/90 mmHg. Außerdem besteht eine Dyslipidämie: LDL-Cholesterin 90 mg/dl, HDL-Cholesterin 50 mg/dl, Triglyzeride 90 mg/dl. Die Patientin leidet an einer koronaren 2-Gefäß-koronaren Herzerkrankung bei Zustand nach Hinterwandmyokardinfarkt vor ca. vier Jahren, der mit einer perkutanen koronaren Angioplastie und Einlage zweier Drugeluting-Stents behandelt wurde.

Aktuelle Medikation:

  • Metformin 2 g 1-0-0-0
  • Dapagliflozin 10 mg 1-0-0-0
  • HCT 12,5 mg 1-0-0-0
  • Amlodipin 10 mg 1-0-0-0
  • Bisoprolol 5 mg 1-0-0-0
  • Torasemid 10 mg 1-0-0-0
  • Spironolacton 50 mg 1-0-0-0
  • Atorvastatin 40 mg 1-0-0-0
  • Ezetimib 20 mg 1-0-0-0
  • ASS 100 mg 1-0-0-0
Wiederholte Laboruntersuchungen ergeben eine eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von etwa 45 ml/Minute mit Nachweis einer Mikroalbuminurie, sodass von einer diabetischen Nephropathie mit chronischer Niereninsuffizienz im Stadium G3a auszugehen ist. Die Patientin berichtet zusätzlich von einem chronischen Schmerzsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Eine vor Kurzem durchgeführte Knochendichtemessung ergab Zeichen für eine Osteoporose. Aufgrund der Schmerzen und der damit verbundenen Bewegungseinschränkung kam es in den letzten Monaten zu einer Gewichtszunahme und damit verbunden zu einer weiteren Verschlechterung der Stoffwechsellage. Zudem bestehen zunehmend depressive Symptome wie gedrückte Stimmung, Antriebsmangel und Interessenverlust. Die Bestimmung von 25-Hydroxyvitamin-D [25(OH)D] im Serum ergibt einen Wert von 28 nmol/l, wodurch eine Unterversorgung vorliegt.

Maßnahmen:

Es erfolgt eine Substitution mit 20.000 IE Vitamin D pro Woche mit zusätzlicher Gabe von 1000 mg Calcium/Tag. Es erfolgt eine Ernährungsberatung. Es wird eine Therapie mit einem Bisphosphonat begonnen. Mit der Patientin werden die Möglichkeiten, die Bewegung im Alltag zu steigern, besprochen; Ziel sind mindestens 8000 Schritte pro Tag (ideal 10.000 Schritte am Tag). Zudem wird die Therapie mit Antidiabetika angepasst und eine Schmerztherapie etabliert.

Verlauf:

Eine Verlaufskontrolle des 25(OH)D-Spiegels nach drei Monaten zeigt einen Wert von >50 nmol/l an. Die Patientin hat ihre Bewegung auf 8000 bis 10.000 Schritte im Schnitt pro Tag (gemessen mit einem Schrittzähler) steigern können, dadurch fühle sie sich wieder fitter, die Stimmung ist aufgehellt. Nach etwa sechs Monaten ist das Gewicht um 15 kg gefallen, der HbA1C-Wert ist von 8 % auf 6,2 % abgefallen – ohne Zeichen von Hypoglykämien. Der Blutdruck am Tag beträgt im Schnitt der dokumentierten Werte 130/80 mmHg und in der Nacht 125/80 mmHg ohne Änderung der antihypertensiven Therapie. Bei anhaltenden normwertigen Blutdruckwerten wird sogar ein Reduktionsversuch der Medikation unter Blutdruckkontrolle in Eigenmessungen erwogen. Ebenso ist eine leichte Besserung der Dyslipidämie und der GFR (von 45 auf 50 ml/Minute) festzustellen; eine Mikroalbuminurie lässt sich nur noch gelegentlich nachweisen.

Vitamin-D-Status bei chronischen Erkrankungen

Diabetes mellitus, Adipositas und metabolisches Syndrom

Übergewicht/Adipositas, Insulinresistenz, eine gestörte Glukosetoleranz und Typ-2-Diabetes gehören zu den Kriterien des metabolischen Syndroms. Die genannten Faktoren begünstigen einen Vitamin-D-Mangel. Umgekehrt scheint ein Vitamin-D-Defizit diesen Störungen Vorschub zu leisten. Es liegt Evidenz vor, dass eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung das Risiko für Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes reduzieren kann, obgleich die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich sind. In einer >4700 Teilnehmer umfassenden prospektiven Fallkontrollstudie aus Japan konnte nachgewiesen werden, dass höhere Vitamin-D-Spiegel mit einem wesentlich geringeren Risiko für Typ-2-Diabetes einhergehen. Dabei scheinen die Probandinnen und Probanden, die auch in der Wintersaison höhere Spiegel aufrechterhalten konnten, besonders geschützt zu sein. In einer prospektiven Studie, die >2400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einschloss und über 2,5 Jahre durchgeführt wurde, konnten Pittas et al. einen Nutzen einer täglichen Vitamin-D-Substitution mit 4000 IE/Tag bei Individuen mit erhöhter Insulinresistenz bezüglich der Prävention eines Typ-2-Diabetes nicht beobachten. Die Studie schloss sowohl Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit normwertigen als auch erniedrigten Vitamin-D-Spiegeln ein. Es bleibt unklar, ob eine Substitution in der Subgruppe mit Vitamin-D-Mangel einen Typ-2-Diabetes verhindern kann. Eine aktuelle Metaanalyse untersuchte anhand von 18 randomisierten kontrollierten Studien, ob eine Vitamin-D-Substitution die Insulinresistenz günstig beeinflusst. Eine Überlegenheit der Vitamin-D-Gabe im Vergleich zu Placebo konnte nicht nachgewiesen werden. Daher lässt sich zusammenfassend festhalten, dass es gegenwärtig keine ausreichende Datengrundlage gibt, um eine routinemäßige Vitamin-D-Substitution ohne nachgewiesenen Mangel für die Diabetesprävention zu empfehlen.

Erkrankungen der Verdauungsorgane

Beide Formen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED), Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, gehen gehäuft mit erniedrigten Vitamin-D-Spiegeln einher. Gefährdet sind insbesondere Patientinnen und Patienten mit Zustand nach Darresektion, entzündlichen Veränderungen, akutem Schub im Bereich des terminalen Ileums, Gallensäureverlustsyndrom und Mangelernährung. Weitere Risikofaktoren sind ein chronisch aktiver Krankheitsverlauf, Untergewicht sowie eine systemische Steroidtherapie. Bei CED-Patientinnen und Patienten mit Risikofaktoren sollte der Vitamin-D-Status kontrolliert und ein Mangel korrigiert werden. Bei Fatigue-Symptomen sollte ebenfalls der Vitamin-D-Status überprüft werden. Die Zöliakie ist eine durch Glutenintoleranz verursachte Autoimmunerkrankung, die v. a. den Dünndarm betrifft und zu Malassimilation führen kann. Der Vitamin-D- Status sollte bei Erstdiagnose bei allen Patientinnen und Patienten kontrolliert werden. Bei Nachweis eines Mangels sollte eine Substitution erfolgen. Die Darmentzündung bei Zöliakie-Patientinnen und -Patienten ist in aller Regel unter streng glutenfreier Diät rückläufig. Allerdings kann auch nach Abklingen der Entzündung ein Nährstoffmangel fortbestehen. Daher sollte auch bei rückläufiger Entzündung eine Kontrolle des Vitamin-D-Status im Intervall erwogen werden. Seit Einführung der Protonenpumpeninhibitoren hat die Zahl an Gastrektomien zur Behandlung von Magengeschwüren deutlich abgenommen. Allerdings werden mit der Zunahme adipöser Patientinnen und Patienten dafür gastrische Bypassoperationen zunehmend häufiger. Diese chirurgischen Eingriffe können ebenso einen Vitamin-D-Mangel und Knochenmasseverlust verursachen. Daher sollte bei diesen Patientinnen und Patienten Vitamin D regelmäßig kontrolliert und ggf. ausgeglichen werden. Lebererkrankungen verursachen Störungen des Vitamin-D-Metabolismus mit der Folge einer Osteoporomalazie. Patientinnen und Patienten mit einer alkoholischen Leberzirrhose weisen in 30 % der Fälle Frakturen auf. Cholestatische Lebererkrankungen gehen mit einem besonders hohen Risiko für Vitamin-D-Mangel und Knochendichteverlust einher. Bei der primär biliären Cholangitis (PBC) handelt es sich um eine langsam progrediente Erkrankung der kleinen Gallenwege. Sie führt zur Cholestase, zur progressiven Zirrhose und langfristig zu Leberversagen. Die PBC betrifft überwiegend Frauen (95 % der Fälle). Das Therapiemanagement der Osteoporomalazie ist bei diesen Patientinnen schwierig und bedarf häufig hoher Vitamin D-Dosen von bis zu 10.000 IE täglich.

Chronische Niereninsuffizienz

Im Rahmen einer fortschreitenden chronischen Nierenerkrankung kommt es neben einer Abnahme der Filtrationsleistung zu einer zunehmenden Einschränkung anderer wichtiger Aufgaben der Niere. Da der hormonell wirksame Metabolit, das sog. „aktive Vitamin D” Calcitriol, in der Niere gebildet wird, kommt es bei fortschreitender Niereninsuffizienz zu einem Mangel an aktivem Vitamin D. In der Folge entwickelt sich ein sekundärer Hyperparathyreoidismus mit Hyperphosphatämie. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat Empfehlungen für das Therapiemanagement von Patientinnen und Patienten mit chronischer nicht dialysepflichtiger Nierenerkrankung erarbeitet. Calcium, Phosphat, Parathormon und Vitamin D sollten ab einem CKD-Stadium ≥G4 (engl. „chronic kidney disease”, CKD) einmalig gemessen werden. Das Kontrollintervall ist individuell festzulegen und die Patientin oder der Patient ggf. in die Nephrologie zu überweisen. Eine routinemäßige Bestimmung der genannten Werte wird in den Stadien G1 bis G3 (normale oder leicht bis moderat erniedrigte glomeruläre Filtrationsrate [GFR]) gegenwärtig nicht empfohlen. Bei Nachweis eines Vitamin D-Mangel erfolgt eine bedarfsgerechte Behandlung, die nach Ausgleich des Mangels und Nachweis von CKD-MBD (CKD-mineral bone disorder) ggf. mit Alfacalcidol weitergeführt wird. Eine routinemäßige Vitamin-D-Verabreichung ohne Nachweis eines Mangels wird bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ohne Dialysepflicht nicht empfohlen.

Vitamin D und Depression

Depression zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe geht davon aus, dass >8 % (das heißt >5 Mio.) der erwachsenen Bevölkerung (18 bis 79 Jahre) in Deutschland im Laufe eines Jahres an einer unipolaren depressiven Episode oder anhaltenden depressiven Störung erkranken. Vitamin D ist essenziell für die gesunde Entwicklung und Funktion des zentralen Nervensystems. Zahlreiche Beobachtungsstudien haben eine Assoziation zwischen erniedrigten 25(OH)D-Spiegeln und Depressionsrisiko gezeigt. Dennoch ist nicht abschließend geklärt, ob eine Vitamin-D-Substitution Depressionen vorbeugen kann. In einer aktuellen randomisierten Studie, die >18.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter >50 Jahre einschloss, konnte keine Senkung der Inzidenz depressiver Episoden durch Vitamin D im Vergleich zu Placebo über einen Zeitraum von fünf Jahren nachgewiesen werden. Mehrere randomisierte Studien untersuchten die Behandlungseffekte einer adjuvanten Vitamin-D-Einnahme im Vergleich zu einer alleinigen Standardtherapie mit einem Antidepressivum. Eine aktuelle Metaanalyse randomisierter Interventionsstudien konnte einen moderaten positiven Effekt einer zusätzlichen Vitamin-D-Gabe bei depressiven Patientinnen und Patienten zeigen. Eine weitere aktuelle Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass eine Substitution mit ≥2000 IE Vitamin D/Tag depressive Symptome bei Patientinnen und Patienten mit Major Depression und Patientinnen mit perinataler Depression reduzieren kann. Dabei scheint der Effekt einer Vitamin-D- Gabe bei Patientinnen und Patienten mit Spiegeln von ≤50 nmol/l geringfügig stärker auszufallen. Es werden weitere Daten zur Wirksamkeit von Vitamin D bei depressiven Erkrankungen benötigt. Die World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) und das Canadian Network for Mood and Anxiety (CANMAT) haben im Jahr 2022 Empfehlungen zum Einsatz von Nutrazeutika (d. h. Lebensmittelinhalte mit gesundheitlichem Mehrwert) veröffentlicht. Hier wird eine schwache Empfehlung für den Einsatz von Vitamin D in einer Dosis von 1500 bis 4000 IE/Tag bei Major Depression ausgesprochen.

Frauengesundheit und Reproduktion

Schwangerschaft und Kinderwunsch

Die Frage nach dem Nutzen einer Vitamin-D-Gabe in der Schwangerschaft wird kontrovers diskutiert. Schwangeren wird mitunter für die Dauer der Schwangerschaft eine routinemäßige Substitution ohne vorherige Spiegelbestimmung angeboten. Eine Metaanalyse von 13 Interventionsstudien zeigte, dass eine Vitamin-D-Supplementierung in der Schwangerschaft das Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburten senkt. Aufgrund der immer noch begrenzten Evidenz wird eine generelle Supplementierung bei schwangeren Frauen in Deutschland aktuell nicht empfohlen. Die DGE empfiehlt Schwangeren ohne ausreichende Eigensynthese die Einnahme von 20 µg Vitamin D/Tag (800 IE). Auch der weibliche Zyklus, die Reifung der Eizelle und der Aufbau der Gebärmutterschleimhaut wird durch Vitamin D beeinflusst. Frauen, die unter Infertilität leiden, weisen häufiger einen Vitamin-D-Mangel auf. Aktuell ist jedoch noch unklar, ob sich eine Vitamin-D-Substitution günstig auf die Fertilität auswirken kann. Methodisch hochwertige Interventionsstudien zu dieser Fragestellung fehlen.

Postmenopausale Knochengesundheit

Frauen in der Postmenopause weisen ein erhöhtes Risiko für Osteoporose auf. Zum Erhalt der postmenopausalen Knochengesundheit wird grundsätzlich eine ausgewogene Ernährung empfohlen mit einer täglichen Zufuhr von mindestens 700 mg Calcium über die Nahrung. Die Versorgung mit mindestens 800 IE Vitamin D täglich sollte ebenso sichergestellt werden, vorzugsweise auf natürlichem Weg. Bei nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel oder Risikofaktoren für eine Vitamin-D-Unterversorgung werden auch höhere Mengen empfohlen. Auch eine Östrogenersatzbehandlung scheint wirksamer zur Prävention von Knochenverlust zu sein, wenn Östrogene zusammen mit Vitamin D und Calcium verabreicht werden. Allerdings wird bei postmenopausalen Frauen eine routinemäßige Vitamin-D-Supplementierung ohne Vorliegen weiterer Risikofaktoren und ohne vorherige Spiegelbestimmung nicht empfohlen.

Brustkrebs

Das Mammakarzinom (Brustkrebs) ist die häufigste maligne Erkrankung bei Frauen. Die NHANES-(National Health and Nutrition Examination Survey-)Epidemiologic-Follow-up-Studie konnte zeigen, dass eine geringere UV-Lichtexposition mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko einhergeht. Eine Metaanalyse ergab, dass höhere Vitamin-D-Spiegel mit einer geringeren Brustkrebsinzidenz korrelieren. Ebenso liegt Evidenz aus einer Metaanalyse vor, dass geringere 25(OH)D-Spiegel bei Erstdiagnose von Brustkrebs mit einer schlechteren Prognose einhergehen. Eine kausale Beziehung zwischen Vitamin-D-Status, Erkrankungsrisiko und Prognose kann aufgrund des deskriptiven Charakters der verfügbaren Studien jedoch nicht abgeleitet werden. Eine aktuelle Metaanalyse, die sieben randomisierte Studien mit insgesamt über 19.000 Probandinnen einschloss, konnte einen Vorteil einer Vitamin-D-Substitution bzgl. Brustkrebsprävention vorerst nicht nachweisen.

Medikamente und Vitamin D

Antikonvulsiva werden nicht nur bei Epilepsie, sondern auch bei chronischen Schmerzen, für die Migräneprophylaxe, als Phasenprophylaxe bei der bipolaren affektiven Störung und anderen neurologischen und psychiatrischen Störungen eingesetzt. Viele Antikonvulsiva senken den Serum-Vitamin-D-Spiegel und führen damit zu einer reduzierten Calciumresorption und verminderter Knochenmineralisation (z. B. Phenytoin oder Carbamazepin). Im Falle eines unkontrollierten Anfallsleidens mit Sturzrisiko sind Epilepsiepatientinnen und -patienten daher zusätzlich durch Frakturen gefährdet. Bei chronischer Einnahme von Antikonvulsiva müssen deshalb regelmäßige 25(OH)D-Spiegelkontrollen durchgeführt werden. Eine Vitamin-D-Substitution ist häufig erforderlich. Krebspatientinnen und -patienten weisen häufig eine multifaktoriell bedingte Vitamin-D-Mangelversorgung auf. Vitamin-D-Mangel kann die onkologische Prognose nachteilig beeinflussen und die Lebensqualität beeinträchtigen. Zudem kann eine Reihe der in der medikamentösen Krebstherapie eingesetzten Arzneimittel (z. B. Anthrazykline: Epirubicin, Doxorubin, Taxane: Docetaxel) den Vitamin-D-Abbau beschleunigen. Bei Krebspatientinnen und -patienten sollte grundsätzlich der Vitamin-D-Status kontrolliert und ausgeglichen werden.

Vitamin-D-Status bei älteren Menschen

Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen haben ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel. Sie halten sich infolge chronischer Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit und anderer immobilisierender Umstände seltener im Freien auf. Aber auch darüber hinaus sind Seniorinnen und Senioren gefährdet, weil die Vitamin-D-Eigensynthese infolge altersbedingter Veränderungen nachlässt. Zudem neigen ältere Menschen dazu, weniger Nahrung zu sich zu nehmen. Metaanalysen belegen, dass ein geringer 25(OH)D-Spiegel bei älteren Menschen mit einem erhöhten Frakturrisiko einhergeht. Auf Grundlage von Metaanalysen wird angenommen, dass die tägliche Substitution von 800 IE Vitamin D das Frakturrisiko bei älteren Menschen senkt. Bei den über 65-Jährigen gilt eine Substitution mit 800 IE/Tag auch ohne vorherige Spiegelbestimmung als unbedenklich.

Zusammenspiel von Vitamin D und anderen Mikronährstoffen

Calcium

Eine ausreichende Versorgung mit Calcium über die Nahrung ist wichtig. Ziel sind etwa 1000 mg Calcium/Tag. Hierfür bieten sich insbesondere Milchprodukte an. In der Regel wird die notwendige tägliche Menge problemlos über eine ausgewogene omnivore Ernährung erreicht. Veganer weisen jedoch ein erhöhtes Risiko für einen Calciummangel auf. Über calciumreiches Mineralwasser und angereicherte vegane Nahrungsmittel kann allerdings auch bei Veganern eine ausreichende Calciumaufnahme über die Ernährung sichergestellt werden. Da Vitamin D die Aufnahme von Calcium im Darm fördert, ist bei einer Vitamin-D-Supplementation von einem „calciumsparenden” Effekt auszugehen. Eine zusätzliche Substitution von Calcium ist nur bei Hinweisen auf eine unzureichende Aufnahme über die Nahrung erforderlich. In der Regel ist die Aufnahme von mindestens 500 mg Calcium pro Tag sogar bei hochbetagten Menschen sichergestellt. Daher ist auch bei Patientinnen und Patienten mit beeinträchtigter Ernährung eine Calciumsubstitution von max. 500 mg/Tag in der Regel ausreichend. Aufgrund von möglichen kardiovaskulären Risiken ist eine Überdosierung zu vermeiden. In der Regel wird empfohlen, die Calciumsubstitution auf wenige Wochen zu begrenzen.

Vitamin K

Vom physiologischen Gesichtspunkt weisen Vitamin D und Vitamin K2 vielfältige Synergismen auf. Eine Vitamin-K-Unterversorgung gilt außer bei Säuglingen und Patientinnen und Patienten mit schwerer Malassimilation als selten. Nicht nur seitens gesundheitsbewussten Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern zum Teil auch von der medizinischen Fachwelt wird gelegentlich gefordert, man müsse „Vitamin D immer mit Vitamin K2 kombinieren”. Die bisher verfügbaren Untersuchungen zur Kombination von Vitamin D und Vitamin K2 sind jedoch sehr heterogen. In einigen Studien wurde Vitamin D nicht in einer rationalen Tagesdosis verabreicht. Zudem ist das optimale Dosisverhältnis zwischen Vitamin D und Vitamin K2 unklar. Die Vorteile einer Kombination beider Vitamine sind daher nicht ausreichend empirisch gesichert. Aktuell bestehen keine Empfehlungen von Behörden oder Fachgesellschaften für eine kombinierte Substitution. Unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten ist eine Vitamin-K-Supplementierung kontraindiziert.

Magnesium

Während die wichtige Rolle von Calcium für die Knochengesundheit allgemein bekannt ist, erhält die Bedeutung von Magnesium im Knochenstoffwechsel erst in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit. Magnesium trägt zur Knochenstabilisierung bei. Von den etwa 20 bis 28 g, die im Körper verfügbar sind, sind rund 60 % in den Knochen gespeichert. Ein Magnesiummangel geht mit einer verminderten Knochendichte und einem erhöhten Osteoporoserisiko einher. Insbesondere ältere Menschen sind in bis zu 30 % der Fälle von einem Magnesiummangel betroffen. Der Nutzen einer Magnesiumsubstitution zur Steigerung der Knochendichte ist durch prospektive Studien bestätigt. Ein Schutz vor Frakturen ist jedoch bisher nicht belegt. Eine zusätzliche Magnesiumgabe im Rahmen der Osteoporosetherapie kann erwogen werden. Als Dosierung bietet sich die von der European Food Safety Authority (EFSA) vorgeschlagene sichere Obergrenze von 250 mg Magnesium/Tag an. Mehr randomisierte Interventionsstudien werden benötigt, bevor ein genereller Einsatz von Magnesium in Kombination mit Vitamin D empfohlen werden kann.

Vitamin-D-Intoxikation

Bei der Vitamin-D-Intoxikation handelt es sich um eine seltene Komplikation. Die Literatur zur Vitamin-D-Intoxikation stützt sich überwiegend auf Fallberichte. Eine Vitamin-D-Intoxikation kann über die Eigensynthese und die normale Ernährung nicht erreicht werden. Vergiftungserscheinungen können jedoch infolge übermäßiger Zufuhr von Supplementen und Konsum von angereicherten Lebensmitteln auftreten. Sie treten überwiegend bei extrem hohen 25(OH)D-Konzentrationen von >375 nmol/l auf, die selten erreicht werden. Die Überversorgung mit Vitamin D kann eine Hyperkalzämie zur Folge haben. Diese kann sich akut durch Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfe und Erbrechen äußern. In schweren Fällen kann es zu Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen, Bewusstseinsverlust und tödlichen Verläufen kommen. Da Vitamin D im Fett- und Muskelgewebe gespeichert wird, ist neben einer akuten auch eine schleichende Intoxikation möglich.

Probleme bei der Beurteilung von Vitamin-D-Studien

Warum existieren zu Vitamin D so viele widersprüchliche Studienergebnisse? Und wie kommt es, dass – obwohl viele Erkrankungen mit einem Vitamin-D-Mangel einherzugehen scheinen – nur wenige Interventionsstudien einen klaren Nutzen für die Vitamin-D-Substitution nachweisen können? Wjst führt die Probleme bei der Beurteilung von Vitamin-D-Studien insbesondere auf folgende Sachverhalte zurück:
  • Die verfügbaren Studien sind sehr heterogen.
  • Die Vitamin-D-Supplementierung ist eine unphysiologische Maßnahme und kann nicht ohne Weiteres mit einer ausreichenden natürlichen Versorgung gleichgesetzt werden.
  • 25(OH)D ist ein Pro-Hormon, das eine nahezu inaktive Speicherform von Vitamin D darstellt. Daher spiegelt es den Status des aktiven Hormons, 1,25(OH)2D, nicht immer adäquat wider.
  • 25(OH)D wird überwiegend im Fettgewebe gespeichert, die Messung im Serum erfasst nicht den vollständigen 25(OH)D-Status. Wichtige Parameter, die den Vitamin-D-Status beeinflussen, werden oft nicht ausreichend berücksichtigt, dazu gehören z. B. ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, sozioökonomischer Status, saisonale Variationen, genetische Polymorphismen und der Lebensstil. So ist es nachvollziehbar, dass ein erkrankter Mensch eine geringere Sonnenexposition erreicht. Daher kann angenommen werden, dass in Querschnittsstudien häufig eher die Erkrankung Ursache des Vitamin-D-Mangels ist als umgekehrt.
  • Zusätzlich könnte die Komplexität des Gebietes zu Fehlinterpretationen verleiten. Häufig werden die zahlreichen Studien nicht korrekt zitiert, es wird nicht zwischen den unterschiedlichen Vitamin-D-Metaboliten unterschieden, und es gibt ein Bias zugunsten positiver Ergebnisse.
In Zukunft müssen v. a. randomisierte klinische Studien zur Wirkung von Vitamin D durchgeführt werden. Hierbei müssen Variablen mit Einfluss auf den Vitamin-D-Status und vorherige Vitamin-D-Exposition ausführlich erfasst werden. Klinische Endpunkte, Dosierung und Applikationsart müssen klar definiert sein. Ernährungsgewohnheiten und Sonnenexposition müssen ebenfalls dokumentiert werden. Es müssen wiederholte Interventionsstudien vorliegen, bevor eine klinische Empfehlung ausgesprochen wird.

Fazit

  • Flächendeckende Screenings oder Gaben von Vitamin D bei Gesunden ohne Risiko werden nicht empfohlen.
  • Eine Vitamin-D-Bestimmung sollte nur bei Vorliegen von Risiken erfolgen.
  • Ein nachgewiesener Vitamin-D-Mangel sollte bei allen Personen bedarfsgerecht ausgeglichen werden.
  • Bei Patientinnen und Patienten mit osteoporotischer Fraktur, Steroidtherapie und Neugeborenen erfolgt die Vitamin-D-Gabe empirisch, ohne Spiegelbestimmung
  • Ein Screening ist insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen der Verdauungsorgane, der Leber und der Niere sowie bei Menschen mit geringer Sonnenexposition sinnvoll.
  • Eine Calciumsubstitution ist aufgrund möglicher kardiovaskulärer Risiken nur kurzzeitig einzusetzen.
  • Die Vorteile einer Kombination von Vitamin D mit Vitamin K2 und Magnesium müssen noch durch weitere Interventionsstudien bestätigt werden.
  • Die Ergebnisse von Querschnitts- und Beobachtungsstudien zu Vitamin D sind mit Vorsicht zu interpretieren.
  • Es werden hochwertige Interventionsstudien benötigt, bevor klinische Empfehlungen zum Einsatz von Vitamin D gegeben werden können.

Bildnachweis

jarun011 – www.istockphoto.com