Update zur Interstitiellen Zystitis

Die Interstitielle Zystitis (IC), respektive das Bladder-Pain-Syndrom (BPS), ist ein seltenes Krankheitsbild, das allerdings häufig mit einem hohen Leidensdruck bei den erkrankten Patienten einhergeht. Unterleibsschmerzen, Nykturie und Pollakisurie zwingen die meist weiblichen Betroffenen dazu, ihren Alltag und ihre Freizeit erheblich umzustellen beziehungsweise einzuschränken. Die genaue Ursache der Erkrankung ist jedoch bisher ungeklärt. Oft vergehen Jahre und verzweifelte Therapieversuche, bis die Diagnose gestellt wird.

Ein früher Therapiebeginn ist jedoch für das klinische Outcome essenziell. Pentosanpolysulfat (PPS) ist als einzige Substanz für die Therapie der IC/BPS zugelassen. Weitere interventionelle und operative Verfahren stehen zur Verfügung, deren Wirksamkeit in urologischen Fachkreisen diskutiert wird. Die (supratrigonale) Zystektomie ist dabei als Ultima Ratio anzusehen.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124026980010
Zeitraum 15.02.2024 - 14.02.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann
Prof. Dr. med. Stephan Thurau
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Webinaraufzeichnung/Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner bene-Arzneimittel GmbH
Bewertung 4.3 (383)

Definition und Daten zur Interstitiellen Zystitis

Die Interstitielle Zystitis (IC) beschreibt eine chronische, nicht infektiöse Entzündung der Harnblase. Eine global einheitliche Definition existiert nicht. Das Frühstadium ist gekennzeichnet durch Unterleibsschmerzen, Nykturie und Pollakisurie, sodass bis zu 60 Miktionen am Tag erreicht werden können. Auf die alleinige Bezeichnung Bladder-Pain-Syndrom (BPS) sollte möglichst verzichtet werden. Hier stehen chronische Unterbauchschmerzen, Druck oder Unwohlsein im Vordergrund. Auch mit anderen Symptomkomplexen gibt es Überschneidungen. Die hypersensitive Blase (HSB) geht mit einem gesteigerten Harnblasenempfinden und einer erhöhten Miktionsfrequenz einher. Starker Harndrang, eine erhöhte Miktionsfrequenz sowie Nykturie sind Kennzeichen einer überaktiven Blase („overactive bladder”, OAB). Auch Erkrankungen weiterer Beckenorgane können die afferente Verschaltung auf Rückenmarksebene affektieren und damit die Symptome einer IC/BPS hervorrufen. In dem Fall wird von „pelvic organ crosstalk” gesprochen. Darüber hinaus besteht für IC/BPS-Patienten ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Urothelkarzinoms der Harnblase und der oberen Harnwege. Die Erkrankung kann in allen Altersklassen auftreten, wobei der Peak im mittleren Alter lokalisiert ist. Frauen sind neunmal häufiger betroffen als Männer, woraus sich eine Prävalenz unter weiblichen Patientinnen von etwa 52 bis 500/100.000 ergibt. Die IC wird in Deutschland selten diagnostiziert, die Dunkelziffer ist nicht abschätzbar. Bei Diagnosestellung kann eine Einteilung in zwei Subtypen vorgenommen werden: Der Hunner-Typ zeichnet sich durch die Nachweisbarkeit entzündlicher Läsionen (sogenannter Hunner-Läsionen) in der Zystoskopie aus, die beim häufigeren Nicht-Hunner-Typ fehlen. Dies wird durch die Studienlage untermauert: Bei 359 Distensionszystoskopien durch Narkose fanden sich lediglich bei 44 Patienten Hunner-Läsionen. Lagen Hunner-Läsionen vor, waren die betroffenen Patienten meist älter und wiesen häufiger Pollakisurie und Nykturie sowie einen höheren O’Leary-Sant-Problem- und Symptomindex auf. In dem Patientenkollektiv unter 50 Jahren waren Hunner-Läsionen signifikant seltener.

Ätiopathogenese

Die Pathogenese einer IC/BPS ist bislang noch unbekannt, es werden aber unterschiedliche Faktoren diskutiert. Eine mögliche Ursache, die in Expertenkreisen auf einen breiten Konsens trifft, ist die Urothelschädigung aufgrund einer reduzierten Interleukin-8-Expression. Als Folge kommt es zum programmierten Zelltod (Apoptose) von Zellen des Urothels und zum vollständigen Fehlen der Urothelschicht (Denudation). Gleichzeitig wird die Glykosaminoglykan-(GAG-)Schicht in der extrazellulären Matrix der Harnblase geschädigt. Die GAG-Schicht hat die Aufgabe, das Urothel vor dem Eindringen von Bestandteilen aus der Nahrung zu schützen. In der Folge können reizende Substanzen des Urins in tiefere Gewebsschichten diffundieren, und es kann über eine Mastzellaktivierung und Histaminausschüttung zu einer abakteriellen Entzündung kommen. In Studien konnten bei betroffenen Patienten eine signifikante höhere Anzahl an Zellapoptosen, eine erhöhte Mastzellaktivierung und eine verminderte Expression von E-Cadherinen gesehen werden. Bei E-Cadherinen handelt es sich um Zelladhäsionsmoleküle, die für die Ausbildung von Zell-Zell-Kontakten eminent wichtig sind. Auch Veränderungen im Mikrobiom des Urins werden als mögliche Ursache diskutiert. Es konnte gezeigt werden, dass das Bakterium Lactobacillus acidophilus im Urin von IC/BPS-Patienten in geringerer Anzahl vorkommt.

Präzise Diagnostik und standardisierte Fragebögenxxxxx

Am Anfang der Diagnostik steht eine ausführliche Anamnese. Hier sollte das Auftreten der Schmerzen sowie deren Qualität eruiert werden. Auch entsprechende Vorerkrankungen und Voroperationen sind von Relevanz. Bei malignen Erkrankungen in der Anamnese sollte auch an eine stattgehabte Radiatio gedacht werden, die mit einer Schädigung des umliegenden Gewebes einhergegangen sein könnte. Zusätzlich ist der Einsatz standardisierter Fragenkataloge sinnvoll. Der O‘Leary-Sant-Problem- und Symptomindex (ICPI/ICSI) ist ein Fragebogen, der hilft, die Symptomausprägung sowie die daraus resultierende Beeinträchtigung der Lebensqualität zu quantifizieren. Hierzu werden Episoden von Schmerzen, imperativem Harndrang sowie Pollakisurie und Nykturie explizit abgefragt. Insbesondere unter Therapie ist es ein wichtiges Instrumentarium, um eine etwaige Symptomverbesserung zu erfassen. Des Weiteren sollten bei Verdacht auf IC/BPS bestimmte Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden. Hierzu gehören Krankheitsentitäten aus unterschiedlichsten Fachdisziplinen. Eine Urosonografie ist aufgrund ihrer ubiquitären Verfügbarkeit ebenfalls empfehlenswert. Hiermit kann grundlegenden Fragestellungen, zum Beispiel Dicke der Harnblasenwand, Restharn und Hydronephrose, nachgegangen werden. Wichtiger Bestandteil der weiteren Diagnostik ist die Zystoskopie mit Distension in Spinal oder Allgemeinanästhesie. Hierbei wird die Harnblase in der Nativzystoskopie auf Pathologien in der Differenzialdiagnose (Steine, Tumoren, Entzündungen) untersucht und dann gezielt nach Hunner-Läsionen geforscht, die sich als Schleimhautläsion mit Fibrinbelägen und umgebender Narbenbildung typischerweise am Blasendach darstellen können. Diese liegen allerdings nur bei etwa 10 % der Patienten vor. Zeigt sich bei der regulären Zystoskopie ein unauffälliger Befund, können mittels Hydrodistension Glomerulationen oder Blutungen bis hin zu Schleimhauteinrissen provoziert werden. Hierzu wird die Harnblase mit einem Druck von etwa 60 bis 80 cmH2O gedehnt, anschließend eine „second look” Zystoskopie durchgeführt und nach den angesprochenen Veränderungen gefahndet. Eine zusätzliche Biopsieentnahme mittels Elektroschlinge kann erwogen werden, ist allerdings nicht obligat für die Diagnose. Bei der Pathologieauswertung ist auf eine ausführliche Pathologieanforderung zu achten, um zu vermeiden, dass lediglich ein Malignom ausgeschlossen wird. Die Anforderung einer Immunhistochemie mit CD 117 ist für die Darstellung von Mastzellen zur Detektion einer interstitiellen Zystitis essenziell. Eine Fulguration von Hunner-Läsionen oder Blutungen wird zu Deaktivierung von Schmerzfasern ebenfalls empfohlen.

Klassifikation und Indikation zur Therapie

Anhand der Ergebnisse der Distensionszystoskopie und der Histologie kann die IC/BPS gemäß European Society for the Study of Interstitial Cystitis (ESSIC) eingeteilt werden. Die vergebenen Ziffern beschreiben den in der Zystoskopie festgestellten Schweregrad. Die Buchstaben repräsentieren die Histologiebefunde. Sobald Glomerulationen (Ziffer: 2) oder ein Hunner-Ulcus (Ziffer: 3) gesehen werden, besteht die Indikation zur Therapie mit Pentosanpolysulfat. Ergänzend kann eine urodynamische Untersuchung Aufschluss über die maximale Harnblasenkapazität geben. Darüber hinaus kann in diesem Setting ein Kaliumchlorid-(KCI-)Test durchgeführt werden. Hierbei macht man sich die vermutete Pathophysiologie der IC/BPS zunutze: Durch den Epithelschaden kann Kalium in die Harnblasenwand gelangen, wo es zu einer Depolarisation von Muskel- und Nervenzellen kommt, was wiederum Harndrang und Schmerzen bedingt. Liegt die maximale Harnblasenkapazität unter 350 ml und fällt der KCl-Test positiv aus, liegt wahrscheinlich eine IC/BPS vor. Der positiv prädiktive Wert wird auf 91,2 % beziffert. Da die Diagnose der IC weder an eine urodynamische Messung noch an einen (schmerzhaften) KCl-Test gebunden ist, haben beide Verfahren hier einen untergeordneten Stellenwert.

Konservative Therapie

Individuelle Lebensstilveränderungen, wie das Vermeiden von Unterkühlung und Stress, werden empfohlen. Ernährungsgewohnheiten sollen dokumentiert und reflektiert werden. Unter anderem scharfe und säurehaltige Speisen sowie alkoholische Getränke aggravieren bei Betroffenen häufig die IC/BPS-Symptomatik und führen zumindest bei dem Nachweis solcher Trigger zur Empfehlung einer basischen Ernährung. Supportive Physio- und Psychotherapie werden ebenfalls von der S2k-Leitlinie mit breitem Konsens empfohlen.

Pentosanpolysulfat: einzige zugelassene orale Therapie

Als einziges orales Medikament zur Therapie der IC/BPS ist Pentosanpolysulfat (PPS) zugelassen. Der Wirkstoff gelangt über den Urin in die Harnblase und substituiert dort die bei der IC/BPS geschädigte GAG-Schicht. Des Weiteren verbessert PPS die Harnblasenperfusion. PPS ist eine insgesamt gut verträgliche Substanz mit Nebenwirkungen auf Placeboniveau. Nichtsdestotrotz können u. a. allergische Reaktionen, Thrombozytopenien, Diarrhöen und Nausea sowie Haarausfall auftreten. Eine Kontraindikation für die PPS-Gabe stellt aufgrund der Stoffverwandtschaft eine stattgehabte heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT) dar. Auch sollte Pentosanpolysulfat nicht auf Verdacht, also ohne Zystoskopie, verabreicht werden: In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Arbeit wurden Patienten ohne Zystoskopie eingeschlossen und mit Pentosanpolysulfat oder Placebo behandelt. Beim festgestellten Endpunkt von 30 % Verbesserung im Symptomescore (ICSI) wurden nur in der Subgruppe mit zytoskopischen Befunden deutliche, wenn auch nicht statistisch signifikante, Besserungen unter PPS erreicht. Ein möglicher Zusammenhang mit einer Makulopathie wird derzeit diskutiert, allerdings ist die Datenlage für eine abschließende Einschätzung noch unzureichend. Ein kurzer Überblick über die bisherigen Daten sowie Empfehlungen zur Kontrolle der Augengesundheit werden in einem eigenen Abschnitt erläutert.

Frühzeitiger Therapiebeginn, korrekte Anwendung, ehrliche Kommunikation

Wichtig für eine nachhaltige Symptomverbesserung ist ein frühzeitiger Therapiebeginn. Dies konnte in einer Studie mit 128 Patienten gezeigt werden. Hierzu wurde das Patientenkollektiv aufgeteilt in eine Kohorte, deren Diagnosestellung weniger als sechs Monate zurücklag, und in eine, deren IC/BPS vor über 24 Monaten diagnostiziert wurde. Beide Kohorten erhielten täglich 300 mg Pentosanpolysulfat für 32 Wochen. Nach diesem Zeitraum wurde der O’Leary-Sant-Score erhoben und mit dem Baseline-Wert verglichen. Die Veränderung zum Ausgangswert war in der Gruppe mit frühem Therapiebeginn signifikant ausgeprägter. Auch die richtige Anwendung des Pentosanpolysulfates ist für den Therapieerfolg relevant. Die übliche Dosierung von dreimal 100 mg pro Tag sollte nicht verändert werden. Zudem ist zu beachten, dass die Therapie mit PPS immer nur eine Basistherapie darstellt. Entsprechende analgetische Behandlungsschemata mit zum Beispiel Morphin und Amitryptilin (beide off Label) sollten fortgeführt werden. Einige Patienten profitieren auch von wiederholten Harnblasendistensionen, die üblicherweise zur Diagnostik durchgeführt werden.

Besonderheiten in der Verordnung von Pentosanpolysulfat

Wegen eines Rechtsstreites zwischen den Krankenkassen und dem Hersteller um den Preis des Medikamentes ist Pentosanpolysulfat momentan in Deutschland auf dem Boden europäischen Rechtes verordnungsfähig, muss jedoch aus dem europäischen Umland reimportiert werden. Ein Formblatt für den hierzu erforderlichen Antrag ist bei dem Hersteller oder den Autoren dieses Artikels erhältlich. Eine ehrliche Kommunikation mit den Betroffenen ist ebenfalls von Bedeutung: Die Erwartungen an die PPS-Gabe sollten realistisch formuliert werden. Bei der IC/BPS handelt es sich um eine chronische Erkrankung, deren Symptome zwar deutlich gelindert werden können. Eine Heilung ist jedoch eher unwahrscheinlich. Nach einem halben Jahr ist es sinnvoll, den Therapieerfolg mittels O’Leary-Sant-Score zu evaluieren. Bei dem Entschluss zu einem Therapieabbruch sollte die Substanz langsam ausgeschlichen werden.

Pentosanpolysulfat und Makulopathie?

Bei einem Fortsetzen der PPS-Therapie über ein halbes Jahr hinaus und länger wird zudem eine Kontrolle des Augenhintergrundes empfohlen, da bei Patienten unter der langjährigen Behandlung mit PPS in seltenen Fällen eine pigmentierende Makulopathie beobachtet wurde. Erstmals wurde das Auftreten einer Makulopathie nach langfristiger PPS-Exposition im Jahr 2018 in einer kleinen, retrospektiven Fallserie bei sechs IC/BPS-Patienten in den USA berichtet. Diese Publikation zog weitere Veröffentlichungen nach sich, die ebenfalls Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einer PPS-Therapie und einer pigmentierenden Makulopathie liefern. Es ist allerdings erwähnenswert, dass die zu diesem Thema verfügbaren Daten aus selektiven ophthalmologischen Patientenregistern stammen und bislang vorwiegend von eng miteinander vernetzten Arbeitsgruppen publiziert wurden. Zudem handelt es sich bei den vorliegenden Veröffentlichungen um retrospektive Studien und Fallserien sowie Analysen von – zum Teil unvollständigen – Versicherungsdaten, die keine eindeutige Interpretation erlauben. Prospektive, kontrollierte Studien, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer PPS-Therapie und dem Auftreten einer Makulopathie bestätigen, fehlen bislang. Auch ein pathophysiologischer Mechanismus, der das Auftreten einer Makulopathie infolge einer PPS-Gabe erklären könnte, konnte bislang nicht aufgezeigt werden. Es liegen zudem Registerstudien mit bis zu 237.000 IC-Patienten vor, die einen Zusammenhang zwischen einer Makulopathie und der Einnahme negieren.

Makulopathien: häufige Ursachen und präzise Diagnostik

Bei einer Makulopathie handelt es sich um eine Erkrankung der Makula, dem Ort des schärfsten Sehens im zentralen Bereich der Netzhaut. Die Erkrankung geht in der Regel mit einem voranschreitenden Verlust des Sehvermögens einher, wobei der zeitliche Verlauf individuell sehr unterschiedlich sein kann und zudem vom Typ der Makulopathie abhängt. Die mit großem Abstand häufigsten Ursachen für pathologische Degenerationen der Makula stellen Erkrankungen wie die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) oder Diabetes mellitus dar. Aber auch sehr hohe Kurzsichtigkeit, genetische Dispositionen, Gliosen oder die Einnahme von Medikamenten wie z. B. Tamoxifen oder (Hydroxy-)Chloroquin können mit einer Makulopathie einhergehen. Die exakte Diagnosestellung einer Makulopathie erfordert eine umfassende augenärztliche Untersuchung mit Prüfung der Sehschärfe, einer sorgfältigen Untersuchung des Augenhintergrundes (Fundus) und multimodaler Bildgebung einschließlich optischer Kohärenztomografie (OCT) und Autofluoreszenzdarstellung. Mit dieser können einzelne Netzhautschichten sowie mögliche pathologische Veränderungen präzise dargestellt und so Schwere und Typ der vorliegenden Makulopathie eingeschätzt werden.

Einordnung der Datenlage zu Makulopathie und PPS

Für die hier diskutierte Makulopathie wurden typische Charakteristika beschrieben, die mittels multimodaler Bildgebung identifizierbar sind. Allerdings kann ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Pigmentmakulopathie und PPS-Therapie auch auf der Grundlage aktueller epidemiologischer Erkenntnisse bislang nicht hergestellt werden, da die Effektgröße variiert, die Diagnosemethoden uneinheitlich sind und kein zeitlicher Zusammenhang nachgewiesen werden kann. Fasst man die Erkenntnisse aus den derzeit vorliegenden Publikationen zusammen, so weisen die meisten Patienten mit IC/BPS unter PPS-Therapie und einem Befund einer Pigmentmakulopathie in der Regel nur eine geringe bis moderate Sehverschlechterung auf. Zudem legen die Daten nahe, dass das Risiko für eine Pigmentmakulopathie erst bei einer langen Therapiedauer sowie bei Überschreitung der empfohlenen Dosis von dreimal täglich 100 mg steigen kann - immer vorausgesetzt, dass sich ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Pigmentmakulopathie und PPS-Therapie überhaupt bestätigen sollte.

Empfehlung: regelmäßige Kontrolle der Augengesundheit

Somit bleibt insgesamt festzuhalten, dass Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einer PPS-Therapie und einer pigmentierenden Makulopathie vorliegen. Auch wenn der belastbare Nachweis des Zusammenhanges bislang fehlt, wird als Vorsichtsmaßnahme daher ein regelmäßiges Monitoring der Augengesundheit bei Patienten unter PPS-Therapie von Zulassungsbehörden, Herstellerfirmen sowie aus augenärztlicher Sicht empfohlen. Aus augenärztlicher Sicht sollte dazu etwa sechs Monate nach Beginn der PPS-Therapie eine erste, umfassende augenärztliche Fundusuntersuchung inklusive multimodaler Bildgebung erfolgen. Da in den ersten sechs Monaten keine pathologische Veränderung infolge einer PPS-Therapie berichtet wurde, kann so die Ausgangssituation zum Zustand der Netzhaut erfasst werden. Wird die Therapie innerhalb oder nach Ablauf der ersten sechs Monate abgebrochen, ist keine augenärztliche Untersuchung erforderlich. Ist der Netzhautbefund nach sechs Monaten unauffällig, so ist eine nächste Untersuchung der Augen erst fünf Jahre später wieder erforderlich. Bei auffälligem Befund ist die Therapieindikation neu zu bewerten und gegenüber dem – bislang nicht klar einschätzbaren – Risiko einer möglichen Makulopathie abzuwägen. Erscheint eine Fortsetzung der PPS-Therapie gerechtfertigt, so sollte der Augenhintergrund engmaschig, das heißt einmal jährlich, kontrolliert werden.

Amitriptylin, intravesikale- und transurethrale Verfahren

Amitriptylin gehört zu den trizyklischen Antidepressiva und hemmt unselektiv die Wiederaufnahme von Monoaminen (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) im synaptischen Spalt. Die Anwendung bei der Therapie der IC/BPS erfolgt off Label. Die Studienlage zur Wirksamkeit der Substanz ist uneinheitlich. Eine tägliche Dosis von über 50 mg scheint mit einem besseren Ansprechen vergesellschaftet zu sein. Anticholinerge Nebenwirkungen bei der Einnahme des Trizyklikums sind häufig und führen regelmäßig zu Therapieabbrüchen. Bei der intravesikalen Therapie werden Heparane direkt über einen Einmalkatheter in die Harnblase instilliert und fungieren dort als „Schutzschichtreparaturmedikamente”, die die Funktion der GAG übernehmen sollen. Mögliche Substanzen sind Heparin, Hyaluron oder Chondroitinsulfat. Die Intervention wird aufgrund ihrer Invasivität und dem damit verbundenen Infektionsrisiko in urologischen Fachkreisen kontrovers diskutiert. Die Kosten der Behandlung müssen in der Regel von den Betroffenen selbst getragen werden. Auch die Studienlage für diesen Therapiezweig ist übersichtlich. Auf Seiten der transurethralen Verfahren ist unter anderem eine Botulinumtoxin-Injektion in die Harnblasenwand möglich. Insbesondere bei therapierefraktären Verläufen kann bei IC/BPS-Betroffenen eine signifikante Verbesserung der Symptomatik induziert werden. Zu beachten ist, dass keine dieser Therapien für die Behandlung der IC/BPS zugelassen ist. Ein weiteres Verfahren ist die Electromotive Drug Administration. Grundlage ist die Iontophorese und Elektrophorese. Über einen transurethralen Spezialkatheter sowie über suprapubische Hautelektroden wird ein Gleichstrom erzeugt, sodass geladene Moleküle in tiefere Schichten und in besonders hoher Konzentration in die Harnblasenwand gelangen können. Dadurch können höhere und durch Adrenalinzusatz lang anhaltende Gewebespiegel erreicht werden.

Interventionelle und operative Therapie

Bei der Fulguration werden mittels stromführender Rolle Hunner-Läsionen flächig koaguliert. Als Folge werden auch Nervenendigungen affektiert und die dolenten Areale denerviert. In Studien konnte sowohl eine signifikante Reduktion der Schmerzen mittels visueller Analogskala (VAS) als auch des O‘Leary-Sant-Scores bis zu zwölf Monate postoperativ beobachtet werden. Die Kombination mit einer Hydrodistension scheint die Wirksamkeit der Maßnahme darüber hinaus noch zu verbessern. Die sakrale Neuromodulation (SNM) funktioniert über eine Stimulation des Sakralnerven S3. Zunächst erfolgt in der Regel eine vierwöchige Probephase mit anschließender Evaluation des Therapieerfolges. Bei gutem Ansprechen kann eine Festimplantation des Schrittmachers erfolgen. Durch Alteration des Signals afferenter Nervenfasern kommt es zu einer Verbesserung des Schmerzes und des Miktionsdranges. Die SNM als Therapieoption kann insbesondere dann diskutiert werden, wenn andere konservative Therapiekonzepte erfolglos geblieben sind. Für die korrekte Anwendung ist ein hohes Maß an Adhärenz und Gesundheitskompetenz aufseiten des Patienten erforderlich. Als Ultima Ratio ist die supratrigonale Zystektomie mit Augmentation anzusehen. Bei diesem OP-Verfahren werden das Trigonum vesicae und die Harnleiterostien nicht reseziert. Die Augmentation erfolgt durch ausgeschaltete Darmsegmente, zum Beispiel Ileum. Eine deutsche Studie mit 27 Patientinnen konnte zeigen, dass eine Zystektomie zu einer Reduktion der Schmerzen, Miktionsfrequenz und Nykturie beiträgt. Es ist jedoch nicht zu vernachlässigen, dass es bei ca. 20 % der Patientinnen nach drei Jahren zu einem Schmerzrezidiv kam. 30 % waren auf die intermittierende Selbstkatheterisierung angewiesen. Aufgrund der Invasivität der Zystektomie und den damit verbundenen intra- sowie postoperativen Risiken ist die Indikation äußerst sorgfältig zu stellen.

Situation in Deutschland

Um die Versorgungssituation von Patienten mit IC/BPS zu erfassen, wurden 270 Fragebögen ausgewertet. 94 % der Betroffenen waren weiblich. Bis zur Diagnosestellung vergingen neun Jahre, was im Durchschnitt 20 Arztkontakten entsprach. Auch die Folgeerscheinungen sind alarmierend: Die Mehrzahl der Erkrankten berichtet von Problemen bei der Alltags- und Freizeitgestaltung. Psychische Probleme und Einschränkung der Sexualität finden sich ebenfalls häufig. Zudem wurde die medikamentöse Therapie der Patienten untersucht: Weniger als die Hälfte der Kohorte wurde im Verlauf mit PPS behandelt. Stattdessen wurden Analgetika, Spasmolytika und Antibiotika verabreicht, die keine Wirkung auf die IC/BPS entfalten. Auch bei den häufig eingesetzten Antidepressiva ist zu beachten, dass deren Einsatz bei dieser Indikation off Label erfolgt und zudem in ein Schema zur Behandlung der IC/BPS eingebettet werden sollte.

Fazit

  • Erkennen: Die Diagnosestellung der IC/BPS ist oft schwierig. Gerade bei Patienten mit therapierefraktären Schmerzen und multiplen stattgehabten Operationen sollte an eine IC/BPS gedacht werden. Stichwort: „pelvic organ crosstalk”
  • Sichern: Liegt ein Beckenschmerz über sechs Monate mit einem zusätzlichen Drangsymptom vor, ist eine IC/BPS sehr wahrscheinlich. Die Diagnosesicherung erfolgt über die Distensionszystoskopie. Hier sollte nach Hunner-Läsionen, „waterfall bleedings” und Glomerulationen gefahndet werden.
  • Therapieren: Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist essenziell. Pentosanpolysulfat ist die einzige zugelassene Substanz für die orale Therapie. Weitere (interventionelle) Therapieverfahren stehen zur Verfügung. Aufgrund von teilweise hohen Therapiekosten, fehlender Zulassung und hoher Invasivität sollte die Indikation sorgfältig gestellt werden.
  • Kontrollieren: Nach sechs Monaten sollte der Therapieerfolg überprüft werden. Bei Fortsetzung der Therapie mit Pentosanpolysulfat sollte eine augenärztliche Untersuchung der Netzhaut erfolgen und bei unauffälligem Befund alle fünf Jahre wiederholt werden. Bei auffälligem Befund ist die Therapieindikation neu zu bewerten und bei Fortsetzung sollten jährliche Augenuntersuchungen erfolgen.

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