Einleitung
SSc ist eine seltene und derzeit nicht heilbare rheumatische Autoimmunerkrankung mit heterogener Klinik. Sie zählt zu den Kollagenosen und ist gekennzeichnet durch generalisierte Mikroangiopathie, durch Produktion von Autoantikörpern und Dysfunktion der Fibroblasten, die zu erhöhter Produktion und Einlagerung extrazellulärer Matrix führt. Betroffen sind neben der Haut auch innere Organe, daher wird der altbekannte Name Sklerodermie immer seltener verwendet. Eine Organbeteiligung manifestiert sich meist nach einem variablen Zeitraum nach dem Auftreten des Raynaud-Syndroms.
Die SSc weist unter den rheumatologischen Erkrankungen die höchste fallbezogene Mortalität auf. Pulmonale Manifestationen der Erkrankung, im Besonderen die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH), zählen hierfür zu den Hauptfaktoren. Die 3-Jahres-Überlebensraten von SSc-Patienten mit einer PAH liegen weit unter denen von Erkrankten ohne PAH.
Die frühe Diagnosestellung und gezielte Behandlung einer PAH ist für das Überleben der Betroffenen essenziell. Der DETECT-Algorithmus ist ein Screening-Instrument zur Identifizierung eines erhöhten PAH-Risikos bei SSc und erleichtert eine frühzeitige Intervention.
Klassifikation
Als Kollagenosen bezeichnet man eine Gruppe seltener entzündlich rheumatischer Erkrankungen des Bindegewebes unklarer Genese. Da bei diesen Erkrankungen das Bindegewebe angegriffen wird, kann im Prinzip jedes Organ betroffen sein. Sie gehen einher mit einer Störung der Regulation des Immunsystems und der Bildung von Autoantikörpern. Kollagenosen sind nicht organspezifisch.
Zu den Krankheitsbildern zählen neben der systemischen Sklerose der Systemische Lupus erythematodes, das primäre Sjögren-Syndrom, Dermatomyositis und Polymyositis, das Antiphospholipid-Syndrom sowie Mischkollagenose, wobei hier die Mixed Connective Tissue Disease (MCTD) eine Sonderform darstellt mit teilweise vorhandenen SSc-Symptomen wie der interstitiellen Lungenerkrankung (engl. ILD) (Abb. 1). Daneben gibt es eine Vielzahl von anderen Overlap-Syndromen, die Symptome verschiedener Kollagenosen und anderer rheumatischer Erkrankungen vereinen.
Systemische Sklerose
Die systemische Sklerose ist eine komplexe Autoimmunerkrankung der kleinen Arterien, der Mikrogefäße und des Bindegewebes.
Charakteristische Merkmale sind fibrotische Veränderungen der Haut und des darunter liegenden Gewebes. Diese führen zur Verhärtung und – damit einhergehend – Vernarbung der Haut, den auffallendsten Symptomen der Erkrankung. Auch innere Organe sind betroffen. Die Veränderungen gehen mit Anomalien und einer Fibrose von Blutgefäßen einher.
Das Auftreten der Fibrose bestimmt das Krankheitsbild und die Diversität der Beschwerden. Der Verlauf ist individuell sehr unterschiedlich und kann vergleichsweise rasch oder ganz langsam einsetzen sowie schubweise oder konstant über viele Jahre geschehen.
Häufig leiden SSc-Patienten zusätzlich unter Allgemeinbeschwerden wie Fatigue, Schlafprobleme, Schmerzen und Kraftverlust.
Systemische Sklerose ist eine seltene Erkrankung
Literaturangaben zu Inzidenz und Prävalenz der SSc variieren entsprechend geografischer und methodischer Unterschiede in der Fallerfassung. Daten aus Europa lassen für Deutschland eine Inzidenz von etwa 19 pro eine Million und eine Prävalenz von etwa 300 pro eine Million annehmen. Diesen Zahlen nach gäbe es in Deutschland ca. 1500 neue Patienten pro Jahr und insgesamt etwa 25.000 Erkrankte [1, 2, 3]. Systemische Sklerose tritt bei Frauen viermal häufiger auf als bei Männern [4].
Die Häufigkeit der systemischen Sklerose steigt kontinuierlich bis zu einem ersten Erkrankungsgipfel zwischen 50 und 60 Jahren an. Ein zweiter Gipfel tritt nach dem 65. Lebensjahr auf [5].
Ätiologie
Die Ätiologie der SSc ist bisher unvollständig geklärt. Es werden ähnlich wie bei anderen Autoimmunerkrankungen Umweltfaktoren (einschließlich Kieselsäure, Silikon, Lösungsmitteln und Kohlenwasserstoffen) ebenso wie genetische und hormonelle Faktoren als mögliche Ursachen diskutiert [2]. Umweltnoxen wie Dieselgase bzw. Benzol scheinen die Erkrankungsschwere zu modifizieren [6]. Für hormonelle Beteiligung spricht, dass die systemische Sklerose bei Frauen häufiger auftritt als bei Männern.
Beweise für genetische Faktoren, die zur Krankheitsanfälligkeit bei systemischer Sklerose (SSc) beitragen, stammen aus einer Vielzahl von Studien. Untersuchungen bei Choctaw-Indianern in Oklahoma zeigten beispielsweise, dass die Prävalenz von SSc 20-mal höher war als in der allgemeinen Bevölkerung [7, 8].
In einer aktuellen Analyse von Registerdaten der FDA konnten Coroneos und Kollegen einen Einfluss von Brustimplantaten auf die Inzidenzraten von verschiedenen Erkrankungen zeigen. Von den etwa 100.000 eingeschlossenen Teilnehmerinnen hatten 56 % Implantate aus Silikon. Nur diese waren mit stark erhöhten standardisierten Inzidenzraten (SIR) für die systemische Sklerose (SIR: 7,0), das primäre Sjögren-Syndrom (SIR: 8,1), die rheumatoide Arthritis (SIR: 6,0), für Todgeburten (SIR: 4,5) und Melanom (SIR: 3,7) korreliert [9]. Sowohl Umweltfaktoren als auch genetische Einflüsse können das kürzlich gezeigte und physiologische Antikörpernetzwerk beeinflussen. Letzteres ist bei SSc spezifisch verändert und beeinflusst Effektorfunktionen von Immunzellen und Gewebszellen [10]. Die Dysregulation des Immunsystems und die pathologische Veränderung von Autoantikörpern sind Schlüsselfaktoren bei der Entwicklung der SSc.
Einteilung der systemischen Sklerose
Die wichtigsten Formen der SSc mit unterschiedlichen Symptomen sind:
Limitiert kutane systemische Sklerose (lSSc)
Bei dieser Form (früher als CREST-Syndrom bezeichnet) beschränkt sich die Hautmanifestation auf Gesicht, Hände und Füße und geht nicht über die Ellenbogen oder die Knie hinaus.
Diffus kutane systemische Sklerose (dSSc)
Bei der dSSc geht die Hautmanifestation über Ellenbogen und Knie hinaus und befällt neben dem Gesicht auch den Körperstamm.
Systemische Sklerose sine Skleroderma
Bei dieser Variante zeigen die Patienten typische serologische Parameter und Manifestationen an den Organen, jedoch nicht an der Haut. Besonders Patienten mit Anti-Ro-Antikörpern zeigen wenig oder keine Hautbeteiligung.
Overlap-Syndrom
Beim Overlap-Syndrom zeigen die Patienten Zeichen einer SSc in Kombination mit anderen rheumatischen Erkrankungen wie dem Systemischen Lupus erythematodes, der Dermatomyositis oder der rheumatoiden Arthritis.
Symptome der systemischen Sklerose
Kennzeichnend für die systemische Sklerose ist zu Krankheitsbeginn das Raynaud-Syndrom, das bei nahezu allen SSc-Patienten auftritt. Häufig wird es erst Jahre, nachdem die Diagnose gestellt wurde, der Erkrankung zugeordnet. Kennzeichnend sind Vasospasmen und Minderdurchblutung an den Fingern, seltener auch an den Zehen.
Hautsymptome
Die Hautbeteiligung mit früher Fibrose und späterer Sklerose ist kennzeichnend für die SSc und betrifft fast alle Patienten. Die Lokalisation und Intensität unterscheidet sich individuell.
Meist beginnen die Veränderungen mit Schwellungen und Rötungen an den Fingern, den sogenannten „Puffy Fingers“. Im weiteren Verlauf kann die Schwellung abnehmen, während sich eine Sklerodaktylie mit Ödemen, anschließender Induration und folgender Atrophie manifestiert: Die Finger werden schmal, die Haut straffer und Hautfalten lassen sich schwerer abheben. Viele Betroffene vergleichen das Gefühl mit dem Tragen eines zu engen Handschuhs. In der Folge kommt es oft zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen und Kontrakturen (Madonnenfinger). Aufgrund der trophischen Störung kann es auch zu digitalen Ulzera und Nekrosen (Rattenbissnekrose) kommen.
Im Gesicht führt die Fibrose oft zu einer starren Mimik. Die Lippen werden dünn, und bei vielen Betroffenen entwickelt sich im Laufe der Erkrankung eine Verengung des Mundes (Mikrostomie) mit einer strahlenförmigen Fältelung (Tabaksbeutelmund).
Ein verkürztes Zungenbändchen ist ebenfalls ein typisches Zeichen der SSc, das in Verbindung mit der Sicca-Symptomatik (Mund- und Augentrockenheit) eines begleitenden sekundären Sjögren-Syndroms zu Sprech- und Schluckproblemen führen kann.
Ein Frühsymptom der SSc sind dauerhafte Erweiterungen der kleinen oberflächlichen Blutgefäße der Haut (Teleangiektasien).
Von der systemischen Sklerose können darüber hinaus fast alle Organe der Patienten im Verlauf der Erkrankung betroffen sein (Abb. 2).
Gelenke
Arthralgien sind ebenfalls ein häufiges Krankheitszeichen, das auf die Hautschrumpfung und die resultierende Behinderung der Beweglichkeit zurückgeführt werden kann. Seltener treten auch die für rheumatische Erkrankungen typischen Entzündungen und Schwellungen der Gelenke (Arthritiden) auf.
Verdauungstrakt
Alle Abschnitte des Verdauungstraktes können durch die Fibrose und Sklerosierung in ihren Funktionen gestört werden. So können z. B. Schluckbeschwerden aufgrund eines trockenes Mundes oder eines weniger flexiblen Oesophagus auftreten. Eine gastrointestinale Beteiligung betrifft zumeist den Oesophagus und tritt bei dSSc und lSSc mit vergleichbarer Häufigkeit auf (26,6 % vs. 22,8 %). Ebenfalls bekannt sind Verdauungsprobleme und eine beeinträchtigte Nährstoffaufnahme aufgrund gestörter Peristaltik. Dies macht sich in Blähungen und abwechselnd Verstopfung und Durchfall bemerkbar. Stuhlinkontinenzen können bei einem kleinen Teil der Patienten auftreten.
Herz
Die Fibrosierung des Myokards kann zu Rhythmusstörungen führen und, ebenso wie eine Sklerosierung des Herzbeutels, eine Reduzierung des Herzminutenvolumens bedingen.
Niere
Bei knapp der Hälfte aller Betroffenen treten im Laufe der Erkrankung Veränderungen an den Nieren auf. Betroffen sind die kleinen arteriellen Blutgefäße, die sich durch die Fibrose der Gefäßwand verengen und so zu einer Niereninsuffizienz und einem renalen Bluthochdruck führen können.
Urogenitale Beschwerden
Trockene Schleimhäute und schlecht heilende Wunden im Vaginalbereich sind häufig Gründe einer gestörten weiblichen Sexualfunktion. Von einer veränderten Durchblutung der Genitalien, härter werdender Haut und einer sich verändernden sexuellen Selbstwahrnehmung sind Patienten beiden Geschlechtes betroffen. Bei Männern entstehen häufig Durchblutungsstörungen, die zu eingeschränkter Potenz oder erektiler Dysfunktion führen können. Ein großer Teil der Patienten, vor allem solche mit limitierter SSc, leidet an einer Urininkontinenz.
Lunge
Interstitielle Lungenerkrankung (ILD, engl. lnterstitial Lung Disease) gehört zu den häufigsten Formen der Lungenbeteiligung bei SSc. Sie ist charakterisiert durch diffuse parenchymale Infiltrationsprozesse, die zur Fibrose führen können. In der Folge wird die Atmung durch Verfestigung des Lungengewebes und durch die Verkleinerung der Gasaustauschfläche gestört.
ILD tritt häufiger bei Patienten mit der diffusen Form der SSc auf und trägt maßgeblich zur Morbidität und Mortalität der Erkrankten bei.
Lungenkreislauf
Eine pulmonale Hypertonie kann sich z. B. sekundär zu einer ILD oder einer Herzbeteiligung manifestieren.
Pulmonal arterielle Hypertonie
Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) ist eine spezifische Form der Pulmonalen Hypertonie und gehört nach Klassifikation der WHO zur Gruppe 1 der Pulmonalen Hypertonien (Abb. 3).
Sie ist gekennzeichnet durch vaskuläres Remodeling, das zu fibrotischer Verdickung und fortschreitender Verengung der Gefäße führt (Vaskulopathie). Es resultieren die Erhöhung des pulmonal vaskulären Widerstandes und gegebenenfalls der Verschluss kleiner Gefäße. Die Folgen sind pathologische Rechtsherzbelastung bis zum Rechtsherzversagen und Tod.
PAH ist eine der häufigsten Todesursachen bei systemischer Sklerose (SSc) und betrifft bis zu 12 % aller Patienten mit SSc, mit einer Sterblichkeitsrate von 50 % innerhalb von drei Jahren nach der PAH-Diagnose [11].
Pathogenese
Das Raynaud-Syndrom tritt bei etwa 90 % der SSc-Erkrankten auf und ist in den meisten Fällen das erste Krankheitszeichen. Bei einem frühen und aggressiven Krankheitsbeginn kann es gleichzeitig oder später zur Verdickung der Haut kommen.
In der Prä-SSc-Phase treten „Puffy Fingers“ auf sowie antinukleärer Antikörper (ANA) im Serum, die auf über 1 : 160 erhöht sind.
Bereits in der sehr frühen Phase sind SSc-spezifische Autoantikörper nachweisbar. Jüngere Daten weisen darauf hin, dass stimulierende Antikörper gegen den Angiotensin- und Endothelinrezeptor bei der SSc erhöht sind. Eine Nagelfalz-Kapillaroskopie zeigt erste krankheitsspezifische vaskuläre Veränderungen wie Megakapillaren oder avaskuläre Felder.
Bei Vorhandensein von einer pathologischen Kapillarmikroskopie und von SSc-typischen Autoantikörpern entwickeln mehr als 80 % der Patienten eine SSc.
Die ersten drei bis fünf Jahre nach Beginn der Raynaud-Symptomatik im Erwachsenenalter gelten als frühe Phase der SSc. In dieser Zeit besteht das höchste Risiko für die Beteiligung von inneren Organen und für digitale Ulzerationen sowie auch für die größte Dynamik im Krankheitsverlauf bezüglich der entzündlichen Fibrose und der Vaskulopathie.
Aus diesem Grund ist es notwendig, Patienten mit früher systemischer Sklerose einem Zentrum für diese Erkrankung vorzustellen, damit ein Schaden vermieden werden kann. Im günstigsten Fall kann der Krankheitsprozess gestoppt und teilweise sogar gebessert werden.
Der weitere Verlauf ist gekennzeichnet durch etablierte Organbeteiligungen (pulmonal arterielle Hypertonie und primär biliäre Cholangitis können auch später auftreten) und, falls nicht gestoppt, von zunehmender Beeinträchtigung und Behinderung als Folge von Organbeteiligungen, von Kalzinose, Kontrakturen oder anderen Ursachen. Die Haut wird häufig spontan oder unter der Therapie im Verlauf dünner und weicher [13].
Sehr frühe Zeichen der SSc
Warnzeichen für das Vorliegen einer frühen systemischen Sklerose ist die Trias aus Raynaud-Syndrom, „Puffy Fingers“ und erhöhtem ANA-Titer.
Bei Vorliegen dieser Kennzeichen sollte zeitnah die Überweisung zu einem Rheumatologen erfolgen, sodass eine kapillarmikroskopische Untersuchung des Nagelfalzes, die Bestimmung der SSc-spezifischen Autoantikörper (Anti-Centromer- und Anti-Topoisomerase-I-Antikörper). und gegebenenfalls ein Screening auf SSc-typische Manifestationen an inneren Organen durchgeführt werden können.
Vaskulopathie
Die Kapillaroskopie ist eine wichtige Methode zur Diagnostik der SSc und ermöglicht den frühen Nachweis der Vaskulopathie bei systemischer Sklerose.
Die vaskuläre Dysfunktion kann oft schon in frühen Stadien der Erkrankung durch Nagelfalz-Kapillaroskopie beobachtet werden (Abb. 4). Dabei werden normale und vergrößerte Kapillaren (Megakapillaren), Mikroblutungen, gewundene und verzweigte Kapillaren sowie Zeichen von Neoangiogenese beobachtet.
Ein pathologisches Kapillarmuster ist ein ANA-unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer systemischen Sklerose bei Patienten mit Raynaud-Syndrom.
Diagnose der systemischen Sklerose
Für die Diagnose der SSc oder deren Ausschluss stehen keine Labortests zur Verfügung, wobei das Vorhandensein spezifischer Autoantikörper sehr gut auf die Erkrankung und auf deren weitere Risiken weist. Die Erkrankung wird als Ausschlussdiagnose unter Verwendung der Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) und der European League Against Rheumatism (EULAR) von 2013 klassifiziert.
Für Veränderungen an der Haut, den Nagelfalz-Kapillaren, für die Präsenz von PAH oder interstitieller Lungenerkrankung, Raynaud-Syndrom und erhöhten SSc-spezifischen Antikörpern werden Punkte vergeben. Bei Erreichen von mindestens neun Punkten wird eine SSc diagnostiziert. Diese Punktzahl kann bereits durch eine voll ausgeprägte Sklerodaktylie an den Fingern beider Hände bis proximal der Fingergrundgelenke (MCP) erreicht werden [14].
Mortalität
Die SSc weist unter den rheumatischen Erkrankungen die höchste krankheitsspezifische Mortalität auf (Abb. 5). Die Häufigkeiten der Todesursachen haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgrund von Screening-Möglichkeiten und moderneren therapeutischen Strategien gewandelt. Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) und Lungenfibrose sind die häufigsten Todesursachen vor den Folgen gastrointestinaler oder kardialer Beteiligungen, renaler Krisen oder Multiorganversagen [15, 4].
Eine aktuelle Analyse des EUSTAR-Registers (European Scleroderma Trials and Research) zeigt, dass etwa 58 % der Todesfälle direkt auf die SSc zurückzuführen sind, ca. 25 % auf andere Erkrankungen wie Krebs, Infektionen oder Suizid und 17 % der Todesursachen ungeklärt blieben.
Das Register enthält Daten von über 11.000 SSc-Patienten, die im Mittel über 27 Monate beobachtet wurden. Die Haupttodesursachen waren Lungenfibrose mit 16,8 %, pulmonal arterielle Hypertonie mit 14,7 %, Tumoren mit 13,1 %, SSc mit Herzbeteiligung mit 12 % und Infektionen mit 9 % [4].
Patienten, die nicht rechtzeitig in Zentren überwiesen werden, sterben eher.
Eine Untersuchung aus Hongkong an 8367 Teilnehmern mit verschiedenen rheumatischen Erkrankungen zeigte, dass die Lebenserwartung SSc-erkrankter Frauen um etwa 34 Jahre erniedrigt ist. SSc-erkrankte Männer versterben ca. 16 Jahre früher [16]. Die Daten aus Europa sind leider nicht in so hoher Qualität vorhanden, zeigen aber ähnliche Ergebnisse. Die SSc in Europa verläuft jedoch aufgrund der unterschiedlichen Ethnien etwas milder.
Bedeutung der PAH
Eine pulmonal arterielle Hypertonie kann in idiopathischer oder familiärer Form oder als Komplikation verschiedener Erkrankungen oder Intoxikationen auftreten. Nach idiopathischer PAH ist SSc die zweithäufigste Ursache. Die PAH ist Ausdruck der SSc-spezifischen obliterativen Vaskulopathie der Lungengefäße. Sie geht meist mit dem rasch progredienten Verlauf der systemischen Sklerose einher. Die Belastung des rechten Herzens kann zu Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, Herzversagen und erhöhter Mortalität führen.
Definition der PH
Eine pulmonale Hypertonie (PH) ist gegenwärtig dadurch definiert, dass in einer Rechtsherzkatheteruntersuchung unter Ruhebedingungen der pulmonale Mitteldruck (mPAP) auf 25 mmHg oder mehr ansteigt. In die Definition der für SSc spezifischen Form der pulmonalen Hypertonie, der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH), gehen weitere hämodynamische Werte mit ein: Der pulmonal arterielle Verschlussdruck (PAWP) darf bei höchstens 15 mmHg liegen, während der pulmonal vaskuläre Widerstand (PVR) drei Wood-Einheiten übersteigen muss (Abb. 6).
Bei der letzten Weltkonferenz zur pulmonalen Hypertonie in Nizza 2018 wurde diskutiert, ob aufgrund des PAP-Normalbereiches nicht die Definition nach unten korrigiert werden sollte, um bereits Werte >20 mmHg als pulmonale Hypertonie anzuerkennen, zumindest wenn gleichzeitig ein eindeutig erhöhter pulmonal vaskulärer Widerstand (PVR) vorliegt [17]. Aktuell gelten allerdings noch die alten Kriterien für die Indikationsstellung zur medikamentösen Therapie [12, 18].
Prävalenz der PAH bei SSc
Eine pulmonale Hypertonie (PH) tritt im Verlauf bei über 20 % der Patienten mit systemischer Sklerose auf. Bei etwa 8 % der an der limitierten Form der SSc-Erkrankten wird die für SSc spezifische PAH diagnostiziert. Von den Patienten mit diffuser SSc entwickeln etwa 12 % eine PAH. Die PAH kann zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung auftreten und ist besonders häufig bei Patienten, die die SSc spät entwickeln [19, 20].
Prognose
Die PAH ist der prognosebestimmende Faktor bei SSc.
Im Vergleich zu Patienten ohne Herz-, Lungen- oder Nierenbeteiligung oder Patienten mit Lungenfibrose ist die Wahrscheinlichkeit des Überlebens mit einer PAH stark reduziert [21, 22].
Dabei weist die mit SSc assoziierte PAH eine deutlich schlechtere Prognose auf als die idiopathische Form. Ohne Therapie führt die Erkrankung in der Regel zum vorzeitigen Tod: Die mediane 3-Jahres-Überlebensrate beträgt 56 % bei Patienten mit SSc-PAH (Abb. 7) im Vergleich zu 94 % bei SSc-Patienten ohne PAH. Insgesamt ist die PAH für über die Hälfte der Todesfälle bei SSc-Patienten verantwortlich [23].
Klinische Zeichen der PAH
Die pulmonale Vaskulopathie beginnt meist ohne erkennbare frühe Symptome. Erste Zeichen sind oft Müdigkeit und Abgeschlagenheit sowie Dyspnoe unter Belastung. Diese Zeichen werden aufgrund der langsamen Manifestierung von den Patienten selbst meist nur schlecht erkannt. Häufig werden unbewusst der individuelle Bewegungsradius reduziert und Belastungen wie Treppensteigen gemieden. Im weiteren Verlauf kann es zu Thoraxschmerzen, Angina Pectoris, Vorhofflimmern, Atemnot vor allem beim Bücken bzw. Vorwärtsneigen (Bendopnoe) und Belastungssynkopen kommen. Zu den Spätsymptomen einer PAH gehören Luftnot bei kleinster Belastung, Rechtsherzinsuffizienz, Halsvenenstauung, Ödeme und Aszites.
Zeit bis zur Diagnosestellung
Trotz der lebenszeitlimitierenden Auswirkungen der PAH werden die Patienten erst spät diagnostiziert und sind dadurch oft bereits in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium.
Der Vergleich verschiedener Register aus den USA und Europa zeigt, dass zwischen Symptombeginn und Diagnose einer PAH im Mittel zwei Jahre oder mehr vergehen [24–29].
Als Folge der relativ langen Latenz wird nur ein kleiner Prozentsatz der Patienten bei Diagnosestellung in eine niedrige Funktionsklasse (nach WHO) eingestuft. Etwa 80 bis 90 % der Patienten befinden sich zur Diagnose in den schlechteren Funktionsklassen III oder IV, in denen die Betroffenen bereits in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind bzw. schon in Ruhe Symptome zeigen.
Bedeutung der frühen Diagnose
Aufgrund der hohen Progredienz der Erkrankung ist es wichtig, dass SSc-Patienten in einem jährlichen Screening auf PAH untersucht werden, um diese so früh wie möglich zu detektieren und gezielt zu behandeln. Denn so kann die Erkrankungsprogression verzögert und die Lebensqualität der Patienten entscheidend verbessert werden.
Die regelmäßige Überwachung von Patienten erlaubt die Früherkennung einer PAH. Der frühzeitige Beginn von Intervention bzw. der Eskalation einer Therapie kann sich positiv auf die Leistungsfähigkeit der Patienten und auf die Lebenserwartung auswirken.
Effekte des PAH-Screenings
Dass ein Screening auf PAH zu einer relevanten Verbesserung des Überlebens betroffener SSc-Patienten führen kann, haben Humbert und Kollegen gezeigt. In ihrer Studie werden zwei Kohorten mit je 16 Patienten für mehr als acht Jahre beobachtet. Dabei wurde bei den Teilnehmern der Routinepraxisgruppe zur Zeit des Einschlusses PAH diagnostiziert, während die Teilnehmer der Screening-Gruppe Teil eines PAH-Detektionsprogrammes wurden, in dem auf frühe Zeichen einer PAH therapeutisch reagiert wurde.
Über den Beobachtungszeitraum sank die Überlebensrate in der Screening-Gruppe von 100 % nach einem Jahr auf 81 % nach drei Jahren, 73 % nach fünf Jahren und 64 % nach acht Jahren. In der Routinepraxisgruppe lag die Überlebensrate bereits nach einem Jahr bei 75 %. Nach drei Jahren lebten noch 31 %, nach fünf Jahren 25 % und nach acht Jahren noch 17 % der Teilnehmer (Abb. 8) [28].
DETECT-Algorithmus
Die Entwicklung einer isolierten PAH bei SSc ist mit einem Abfall der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) assoziiert. Deswegen gilt eine erniedrigte DLCO unter 60 % der Norm als ein Indikator einer möglichen PAH. Das Gleiche gilt für einen Anstieg des BNP („Brain Natriuretic Peptide“), das bei der Kollagenose-assoziierten PAH praktisch immer erhöht ist. Allerdings ist dieser Marker unspezifisch und steigt auch bei jeder Art von linksventrikulärer Funktionsstörung an.
Die DETECT-Studie hat deshalb bei SSc-Patienten mit einer DLCO <60 % systematisch nach Faktoren gesucht, die mit einer manifesten PAH assoziiert waren. Dadurch konnte ein sinnvoller Risikoscore für eine PAH bei SSc abgeleitet werden [30; www.detect-pah.com].
In dem ersten Schritt wird ein Risikoindex mit einem Nomogramm aus sechs Parametern ermittelt (Abb. 9):
- Der Quotient aus vorhergesagter forcierter Vitalkapazität (FVC) in % und vorhergesagter Kohlenmonoxiddiffusionskapazität (DLCO) in %
- Serum-Titer von ANA (Anti-Zentromer-Antikörper)
- Gegenwärtige oder frühere Teleangiektasien
- Serumspiegel des N-Terminalen pro Brain Natriuretic Peptide (NT-proBNP)
- Rechtsseitige Achsenverschiebung im Elektrokardiogramm
- Serumspiegel der Harnsäure
Überschreitet der Gesamtrisikoindex 300 Zähler, wird ein Echokardiogramm empfohlen, das 2 weitere Parameter für den zweiten Schritt des Algorithmus liefert:
- Fläche des rechten Atriums
- Rückfluss aus dem rechten Ventrikel in den rechten Vorhof (Trikuspidalregurgitation)
Überschreitet der Gesamtrisikoindex, der aus dem Nomogramm ermittelt wird, nun 35 Zähler, wird eine Rechtsherzkatheteruntersuchung (RHK) zum Ausschluss einer PAH empfohlen.
Generell gilt, dass eine Rechtsherzkatheteruntersuchung vor der Einleitung einer PAH-Therapie obligatorisch ist, um die PAH nachzuweisen (Druck- und PVR-Kriterium) und um eine begleitende Linksherzerkrankung sicher auszuschließen.
Linktipp: Zur Vereinfachung der Auswertung kann unter www.detect-pah.com ein Risikokalkulator die Auswertung des DETECT-Algorithmus und die Dokumentation des Ergebnisses als PDF verwendet werden, der dort auch als App zur Verfügung steht.
Im Vergleich zu den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und European Respiratory Society (ERS) wurden mit dem DETECT-Algorithmus eine PAH-Diagnose nur in 4 % vs. 29 % der Fälle verpasst. Eine RHK-Empfehlung erfolgte bei 62 % vs. 40 %. Der Anteil an RHK, bei denen sich die PAH-Diagnose nicht bestätigte, war zwischen DETECT-Algorithmus und ESC/ERS-Leitlinien vergleichbar (65 % vs. 60 %).
Durch die systematische Anwendung des DETECT-Algorithmus verringerte sich also – im Vergleich der zur Anwendung der in den Leitlinien von 2013 noch empfohlenen alleinigen Screenings mit Echokardiografie – die Rate der falsch negativen Diagnosen.
Der DETECT-Algorithmus ist hoch sensitiv und optimiert die Ressourcennutzung, da weiterführende Untersuchungen nur noch an den Hochrisikopatienten durchgeführt werden müssen [30].
Empfehlungen zur Diagnostik
Die europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung der P(A)H empfehlen daher, SSc-Patienten einmal im Jahr mittels Echokardiografie in Ruhe auf Anzeichen einer PAH hin zu untersuchen – auch wenn sie noch keine Symptome zeigen. Bei jedem neu diagnostizierten SScPatienten sollte routinemäßig eine Echokardiografie durchgeführt werden.
Im weiteren Verlauf wird die mindestens jährliche Messung der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) und die Bestimmung der Plasmaspiegel von Biomarkern wie BNP/NT-proBNP (Brain Natriuretic Peptide/N-Terminales pro Brain Natriuretic Peptide) empfohlen, wobei bei plötzlich zunehmender Belastungsluftnot eine häufigere Bestimmung nötig sein kann.
Leider ist die Umsetzung dieser Empfehlungen in der täglichen Praxis noch nicht überall zum Standard geworden, was es dringend zu ändern gilt [12].
Empfehlungen zur Therapie
Mit den heutigen PAHMedikamenten verschiedener Wirkstoffklassen lässt sich die Prognose der SScPAH verbessern. Dabei wird die Kombinationstherapie immer mehr zum Standard im PAHManagement.
Zugelassen sind z. B. EndothelinRezeptor-Antagonisten (ERA), Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5), ein Stimulator der löslichen Guanylatcyclase sowie Medikamente, die auf den Prostazyklin-Weg abzielen.
Studiendaten belegen, dass Patienten mit SScPAH von einer initialen Kombinationstherapie mit einem PDE-5-Inhibitor und einem ERA profitieren können. Die europäischen P(A)HLeitlinien empfehlen den dualen ERA Macitentan als Kombinationspartner für die sequenzielle Kombinationstherapie mit einem PDE-5-Inhibitor oder einem Stimulator der löslichen Guanylatcyclase (Evidenzgrad 1B). Der orale IP-Rezeptoragonist Selexipag, der den Prostazyklin-Weg adressiert, wird zur Tripelkombination von den Leitlinien empfohlen (Evidenzgrad 1B).
Eine aktuelle Subgruppenanalyse der GRIPHON-Zulassungsstudie zeigt, dass Selexipag bei SScPAH das Risiko für das Auftreten eines Morbiditäts oder Mortalitätsereignisses bei gleichzeitiger Betrachtung beider Endpunktkriterien um 44 % reduzieren kann [12, 31, 32, 33].
Fazit
Die systemische Sklerose ist eine seltene Erkrankung. Bis zu 12 % der Patienten entwickeln eine PAH, die mit schlechterer Prognose und erhöhter Mortalität assoziiert ist. Trotz zunehmender Bekanntheit der Erkrankung gibt es weiterhin eine relevante Latenz zwischen Symptombeginn und Diagnose der PAH, sodass die Mehrzahl der Erkrankten in fortgeschrittenem Stadium mit einer schlechteren WHO-Funktionsklasse diagnostiziert werden.
Der DETECT-Algorithmus stellt ein sensibles und nicht invasives Instrument zum engmaschigen Screening von SSc-Patienten auf PAH dar. Die frühzeitige Diagnose und Therapie kann die Prognose für Betroffene verbessern.