Therapie von Tumoren mit NTRK-Genfusionen

Neurotrophe Tyrosin-Rezeptor-Kinase-(NTRK-)Genfusionen können als onkogene Treiber fungieren. NTRK-Fusionen sind insgesamt selten und werden bei etwa 0,3 % aller Krebserkrankungen beobachtet. Neben seltenen Tumorarten, die eine sehr hohe Inzidenz an NTRK-Genfusionen haben, und solchen, die diese im unteren ein- bis zweistelligen Prozentbereich aufweisen, liegt die Inzidenz bei den häufigsten Tumorarten unter 1 %.

Zum Nachweis von NTRK-Fusionen werden verschiedene Techniken eingesetzt. Bei dem schnell und flächendeckend verfügbaren immunhistochemischen Screening (IHC) schließt ein negativer Befund aber keine Fusionen aus und muss im positiven Fall durch eine molekularpathologische Methodik bestätigt werden. Auch molekulare Next-Generation-Sequencing-(NGS-)Techniken haben im Rahmen der Detektion von NTRK-Fusionen Vor- und Nachteile; ein Austausch zwischen Therapeuten und Pathologen ist dementsprechend unabdingbar.

In Deutschland stehen mit Larotrectinib und Entrectinib zwei zugelassene TRK-Inhibitoren zur Verfügung. Beide Substanzen weisen hohe Ansprechraten auf und zeigen ein langanhaltendes Therapieansprechen, unabhängig von der Anzahl der Vortherapien. Larotrectinib und Entrectinib zeigen eine intrakranielle Wirksamkeit und sind in der Regel sehr gut verträglich.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123082030017
Zeitraum 28.09.2023 - 27.09.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. C. Benedikt Westphalen
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.2 (81)

Einführung

Die Fortschritte in der Diagnostik von vielen Krebserkrankungen haben zu neuen molekular zielgerichteten Therapien und Immuntherapien geführt, die es erlauben, Tumoren innerhalb einer Entität mit definierten Biomarkern effektiv zu behandeln. NTRK-Genfusionen sind onkogene Treiber, die bei Erwachsenen und Kindern in verschiedenen Tumorentitäten nachgewiesen werden konnten. Diese Fusionsereignisse sind allerdings sehr selten und kommen nur bei ca. 0,3 % aller Krebserkrankungen vor. Inhibitoren der Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen (TRK) können unabhängig von der Tumorentität eingesetzt werden, wenn eine NTRK-Genfusion vorliegt. Die große Herausforderung besteht darin, Patienten, bei denen eine NTRK-Fusion vorliegt, zu identifizieren und diese Fusion zuverlässig nachzuweisen, um dann zum richtigen Zeitpunkt eine zielgerichtete Therapie mit einem TRK-Inhibitor einzuleiten.

(N)TRK-Signalling und onkogene Eigenschaften

Die Gene NTRK 1, 2 und 3 kodieren für die sogenannten Neurotrophin-Rezeptoren. Die als Proteine exprimierten Rezeptoren werden als TRK A, B und C benannt. An die TRK-Rezeptoren binden verschiedene Liganden. Der Nerve growth factor (NGF) und Neutrophin-3 (NT-3) binden an TRK-A-Rezeptoren und der Brain-derived neutrophic factor (BDNF) sowie Neurotrophin-4 (NT-4) binden an TRK B. NT-3 kann an allen Rezeptoren binden, hat aber die stärkste Affinität zu TRK C. An den Neurotrophin-Rezeptor p75NTR binden alle Faktoren allerdings nur mit niedriger Affinität. Die Ligandenbindung führt an den genannten Rezeptoren zu Autophosphorylierung und Aktivierung von bekannten Signalwegen, z. B. dem MAP-Kinase-Signalweg, dem PI3K-Signalweg und dem Phosphokinase-C-Signalweg. Unter normalen physiologischen Bedingungen sind diese Signalwege sowohl für die Zellproliferation wichtig, spielen aber auch eine kritische Rolle bei der Entwicklung des Nervensystems sowie bei der Differenzierung und der Homöostase von neuronalen Strukturen. Den einzelnen TRK-Rezeptoren können unterschiedliche Funktionen zugeordnet werden. So ist TRK A für Schmerzen und Thermoregulation notwendig, TRK B für Bewegung, Stimmung, Appetit, Gedächtnis und Körpergewicht, und TRK C ist für die Propriozeption notwendig. Im Rahmen der Entstehung von malignen Erkrankungen wurden verschiedene Alterationen von NTRK-Genen beschrieben, wie Mutationen, bestimmte Splice-Varianten und Überexpressionen. Im Mittelpunkt dieser Fortbildung stehen die NTRK-Fusionen, die als starke onkogene Treiber fungieren können. Bei einer Genfusion schmelzen nach einem Strangbruch zwei unterschiedliche Gene in einem DNA-Strang zusammen. Es kommt zu einem chromosomalen Re-Arrangement. Bei einer sogenannten In-frame-Fusion wird der Leserhythmus nicht verschoben, und es können chimäre Fusionsproteine exprimiert werden. Ein bekanntes Beispiel für eine In-frame-Fusion ist das B-Cell-Receptor-(BCR-)-Abelson- Murine-Leukemia-Viral-Oncogene-(ABL-)Fusionsgen (BCR-ABL-Fusionsgen), das eine konstitutiv aktivierte Tyrosinkinase kodiert und als sogenanntes Philadelphia-Chromosom pathognomonisch für die chronisch-myeloische Leukämie (CML) ist. Das Philadelphia-Chromosom wurde damit vor mehr als 20 Jahren zur ersten therapeutischen Zielstruktur in der Präzisionsonkologie. Bei den NTRK-Fusionen können die auf den Chromosomen 1, 9 und 15 lokalisierten Gene NTRK 1, 2 und 3 mit einer Vielzahl von Fusionspartnern fusionieren, die bei Weitem noch nicht alle identifiziert sind. Die aus den NTRK-Fusionsgenen exprimierten neuartigen chimären TRK-Fusionsproteine werden aberrant exprimiert und bedingen eine konstitutive Kinaseaktivität mit anschließender Aktivierung nachgeschalteter zellulärer Signalwege, die an der Zellproliferation und am Zellüberleben beteiligt sind und zu NTRK-Fusions-positiven Tumoren führen.

Häufigkeit und Verteilung von NTRK-Fusionen

NTRK-Fusionen sind selten und kommen bei etwa 0,3 % aller Krebserkrankungen vor. Man unterscheidet sehr seltene maligne Erkrankungen mit einer hohen Fusionshäufigkeit und häufige Erkrankungen mit einer niedrigen Fusionshäufigkeit. Zu den sehr seltenen malignen Erkrankungen, die mit einer Fusionshäufigkeit von >90 % durch die NTRK-Fusion definiert sind, gehören zum Beispiel das sekretorische Mammakarzinom, das sekretorische Speicheldrüsenkarzinom, der zelluläre Subtyp des kongenitalen mesoblastischen Nephroms und das infantile Fibrosarkom. Eine Analyse von mehr als 295.000 Tumorfällen aus der FoundationCORE®-Datenbank hat die in der Literatur genannte Häufigkeit von NTRK-Fusionen in Höhe von durchschnittlich 0,3 % bestätigt. Bei kindlichen Tumoren war die Fusionshäufigkeit mit 1,34 % höher als bei Tumoren im Erwachsenenalter mit 0,28 %. Bei Kindern im Alter unter fünf Jahren konnte bei 2,28 % aller Tumoren die meisten NTRK-Fusionen nachgewiesen werden. Die über alle Altersgruppen durchgeführte Auswertung von NTRK-Fusionen nach Tumorentitäten ergab die höchsten Prävalenzen bei Speicheldrüsenkarzinomen (2,62 %), Schilddrüsenkarzinomen (1,6 %) und Weichteilsarkomen (1,51 %).

Nachweis von NTRK-Fusionen

Im Rahmen der Präzisionsonkologie kommt der exakten (molekularen) Diagnostik eine herausragende Bedeutung zu. Die Pathologie verfügt über vier verschiedene Techniken, um NTRK-Fusionen indirekt oder direkt nachzuweisen: Die Immunhistochemie (IHC), die Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung (FISH), die Reverse-Transkriptions-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) und das Next-Generation-Sequencing (NGS). Als Untersuchungsmaterial kommen Formalin-fixiertes Paraffin-eingebettetes Gewebe (FFPE), frisches Gewebe oder schockgefrorenes Gewebe infrage. Die Untersuchungszeiten bis zum vorliegenden Ergebnis liegen je nach Untersuchungstechnik zwischen ein bis zwei Tagen (IHC und FISH), fünf bis zehn Tagen (RT-PCR) und zwei Wochen (NGS). Die Immunhistochemie (IHC) weist mit vergleichsweise hoher Sensitivität und Spezifität TRK-Rezeptoren im Tumorgewebe nach. Zwar wird TRK neben dem Nervengewebe auch in verschiedenen nicht entarteten Geweben (z. B. Mamma, Lunge, Haut) exprimiert, eine Expression im Tumorgewebe gilt aber zumindest als Hinweis für eine aberrante Aktivierung des TRK-Signalweges. Die Immunhistochemie ist zwar schnell und flächendeckend verfügbar, weist jedoch nicht die eigentliche Genfusion nach, da sowohl Wildtyp- als auch Fusionsproteine detektiert werden. Auch können keine Fusionspartner identifiziert werden. Bei positivem Befund ist daher eine molekulargenetische Untersuchungsmethode zur Bestätigung einer Genfusion anzuwenden. Die Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung (FISH) ist ebenso wie die Immunhistochemie als Standardverfahren weitverbreitet und liefert schnell Ergebnisse. Es ist wie die Reverse-Transkriptions-PCR (RT-PCR) ein verlässliches Verfahren, um bekannte und wiederholt auftretende Genfusionen zu erkennen. Beide Verfahren ermöglichen keine sichere Identifizierung der Fusionspartner. Die RT-PCR ist nicht in allen Laboren verfügbar. Der Vorteil des Next-Generation-Sequencing (NGS) liegt darin, dass mit dieser Technik sowohl bekannte als auch unbekannte Fusionspartner nachgewiesen werden können. Das NGS ist allerdings nicht flächendeckend verfügbar, was sich aber in Zukunft durch den vermehrten Einsatz dieses Verfahrens im Rahmen der Präzisionsdiagnostik von Tumorerkrankungen ändern dürfte. Die Vorgehensweise zum Nachweis einer NTRK-Fusion kann in einem Algorithmus dargestellt werden. Wenn eine pathognomonische Entität, wie zum Beispiel ein sekretorisches Speicheldrüsenkarzinom (SSC) vorliegt, ist die Diagnose vorzugsweise durch RNA-basiertes NGS oder FISH zu bestätigen. Liegt eine nicht pathognomonische Entität vor, wie zum Beispiel ein nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC), und eine NGS-Testung ist etabliert, sollte die Testung auch NTRK-Fusionen umfassen, obwohl sie selten sind. Wenn es sich um eine Tumorerkrankung handelt, in der die NGS-Diagnostik noch nicht etabliert ist und keine anderen onkogenen Treiber identifiziert wurden, kann ein PreScreening mittels Immunhistochemie durchgeführt werden. Ein negativer IHC-Befund schließt eine NTRK-Fusion aber nicht aus. Im Rahmen der Präzisionsonkologie ist deshalb ein enger Austausch mit der Pathologie über die verwendeten Nachweisverfahren unerlässlich.

TRK-gerichtete Therapeutika

Selektive Tyrosin-Rezeptor-Kinaseinhibitoren (TRK-Inhibitoren) wurden gezielt entwickelt, um möglichst präzise zu wirken und mögliche Off-Target-Effekte zu vermeiden. Sie sind gegen Proteine der TRK-Familie gerichtet, die TRK A, TRK B und TRK C beinhalten und durch die Gene NTRK 1, NTRK 2 bzw. NTRK 3 kodiert werden. In Deutschland sind zwei TRK-Inhibitoren zugelassen: Larotrectinib seit September 2019 und Entrectinib seit Juli 2020. Larotrectinib ist als Monotherapie zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit soliden Tumoren mit einer neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase-(NTRK-)Genfusion, bei denen eine lokal fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung vorliegt oder eine Erkrankung, bei der eine chirurgische Resektion wahrscheinlich zu schwerer Morbidität führt und für die keine zufriedenstellenden Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Entrectinib ist als Monotherapie zur Behandlung von Erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab zwölf Jahren zugelassen. Der Zulassungstext ist ansonsten vergleichbar mit dem für Larotrectinib – bis auf den Zusatz, dass Patienten, die mit Entrectinib behandelt werden sollen, nicht mit einem TRK-Inhibitor vorbehandelt sein dürfen. Entrectinib ist außerdem noch zugelassen als Monotherapie bei erwachsenen Patienten mit ROS1-positivem, fortgeschrittenem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), die zuvor keine Behandlung mit ROS1-Inhibitoren erhalten haben.

Wirksamkeit

Wirksamkeit und Sicherheit von Larotrectinib wurden in drei multizentrischen, offenen, einarmigen klinischen Studien an erwachsenen und pädiatrischen Krebspatienten untersucht. Die Studien sind noch nicht abgeschlossen. Larotrectinib wird bei Erwachsenen in einer Dosierung von 100 mg zweimal täglich und bei Kindern und Jugendlichen in einer Dosierung von 100 mg/m2 bis zu maximal 100 mg pro Dosis zweimal täglich so lange verabreicht, bis die Krankheit fortschreitet oder bis eine inakzeptable Toxizität auftritt. Mittlerweile liegen die integrierten Datensätze von 244 Patienten mit soliden Tumoren (außer primären ZNS-Tumoren) aus den klinischen Studien in der Langzeitbeobachtung vor. Das Geschlechtsverhältnis ist ausgeglichen. Das mittlere Alter beträgt 38 Jahre, etwa ein Drittel der Patienten (36 %) ist unter 18 Jahre alt. Etwa ein Viertel der Patienten (27 %) hatte keine Vorbehandlung, bei einem weiteren Viertel (24 %) waren bereits drei oder mehr Vorbehandlungen dokumentiert. Die Aufteilung der detektierten NTRK-Genfusionen war wie folgt: NTRK 1 46 %, NTRK 2 3 % und NTRK 3 51 %. Wie von einer Histologie-agnostischen Studie zu erwarten, ist das Spektrum der eingeschlossenen Krebserkrankungen mit über 25 identifizierten Tumorentitäten sehr breit gefächert. Die größten Anteile haben Weichteilsarkome (27 %), das infantile Fibrosarkom (19 %), Schilddrüsenkarzinome (12 %) und Speicheldrüsenkarzinome (10 %). Die Gesamtansprechrate (ORR) von 69 % (95%-KI, 63–75) ist sehr gut und verteilt sich gleichmäßig über alle Tumorentitäten. Bei bis zu 20 % der Patienten wurden komplette Remissionen beobachtet. Bei 18 Patienten mit ZNS-Metastasen bei Therapiebeginn betrug die Gesamtansprechrate 83 %. Die mediane Responsedauer (DoR) bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28,3 Monaten beträgt 32,9 Monate (95 %-KI 27,3–41,7). Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) von 29,4 Monaten (95-KCI 19,3–34,3) bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 29,3 Monaten und eine Gesamtüberlebensrate (OS) von 82 % zwei Jahre nach Therapiebeginn sind beeindruckend und haben die therapeutische Landschaft bei den Tumoren mit NTRK-Fusionen verändert. In einer kleineren Kohorte mit 140 Patienten wurde die Wirksamkeit von Larotrectinib mit der unmittelbaren Vorbehandlung jeweils bei den gleichen Individuen miteinander verglichen. Während die Zeit bis zur Progression (TTP) unter der Vortherapie im Median nur bei drei Monaten lag (95 %-KI 2,1–3,5), wurde unter Larotrectinib eine mediane progressionsfreie Zeit (PFS) von 33 Monaten (95 %-KI 16,6–34,9) dokumentiert. Dieses Ergebnis unterstreicht die sehr gute Wirksamkeit von Larotrectinib bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit NTRK-Fusions-positiven Tumoren, die unabhängig von der Anzahl der Vorbehandlungen ist. Bei Studien mit nur einem Beobachtungsarm kann aus dem Verhältnis zwischen der medianen progressionsfreien Zeit (PFS) unter dem neuen Wirkstoff und der medianen Zeit bis zur Progression (TTP) unter der Vorbehandlung der sogenannte Wachstumsmodulationsindex (GMI) berechnet werden. Eine GMI-Ratio von ≥1,33 gilt als Schwellenwert für eine relevante klinische Wirksamkeit des neuen Wirkstoffes. Mit Larotrectinib wurden im Rahmen eines erweiterten Follow-ups mit insgesamt 122 Patienten bei drei Viertel der Fälle mit Larotrectinib eine GMI-Ratio von ≥1,33 erreicht; der Median des GMI lag bei 8,9. Wirksamkeit und Sicherheit von Entrectinib wurden in einer gepoolten Subgruppe erwachsener Patienten mit nicht resezierbaren oder metastasierten soliden Tumoren mit einer NTRK-Genfusion dokumentiert, die in einer von drei multizentrischen, einarmigen, offenen klinischen Studien eingeschlossen wurden. Um in die gepoolte Subgruppe eingeschlossen werden zu können, mussten die Patienten bestätigte NTRK-Genfusionspositive solide Tumoren, ein messbares Krankheitsstadium mittels Response Evaluation Criteria in Solid Tumors (RECIST) v1.1, mindestens zwölf Monate Nachbeobachtung nach der ersten Beurteilung des Tumors nach Behandlungsbeginn und keine vorangegangene Behandlung mit einem TRK-Inhibitor aufweisen. Patienten mit gleichzeitigen anderen Treibermutationen, wenn bekannt, wurden ausgeschlossen. Die empfohlene Dosis bei Erwachsenen beträgt 600 mg Entrectinib einmal täglich. Bei Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren wird Entrectinib in einer Dosierung von 300 mg/m2 einmal täglich verabreicht. Bei einer Körperoberfläche zwischen 1,11 und 1,5 m2 beträgt die Dosis 400 mg einmal täglich, ab einer Körperoberfläche von 1,51 m2 können 600 mg einmal täglich verabreicht werden. Wie bei Larotrectinib wird auch mit Entrectinib so lange behandelt, bis es zur Krankheitsprogression kommt oder bis inakzeptable Toxizitäten auftreten. In einer aktuellen Auswertung der Datensätze von insgesamt 150 Patienten war die Geschlechtsverteilung ausgeglichen und das mediane Alter lag bei 58 Jahren (21 bis 88). Ein Drittel der Patienten (34 %) war nicht vorbehandelt, bei etwas mehr als einem Drittel (36,7 %) waren mindestens zwei Vorbehandlungen dokumentiert. Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass von Anfang an auch Patienten mit cerebralen Metastasen oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems eingeschlossen worden sind. Wie bei Larotrectinib wurden die Wirksamkeit von Entrectinib über ein breites Spektrum an Tumorentitäten dokumentiert. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 61,3 % (95 %-KI 53,1–62,9), die mediane Responsedauer (DoR) lag bei 20 Monaten (95 %-KI 13,2–31,1) und das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 13,8 Monate (95 %-KI 10,1–20,0). Es gab bei diesen Parametern keine relevanten Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne ZNS-Befall zu Studienbeginn. Die mediane Gesamtüberlebensrate (OS) wurde mit 37,1 % (95 %-KI 27,2-NE (not estimable) angegeben. Wenn zum Studienbeginn bereits ein ZNS-Befall vorlag, war die Gesamtüberlebensrate deutlich verkürzt. Bei den Patienten ohne Vorbehandlung lag die ORR bei 76,5 % (95 %-KI 62,5–87,2). Entrectinib wirkt unabhängig von der Anzahl der Vorbehandlungen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sowohl Larotrectinib als auch Entrectinib bei Patienten mit NTRK-Fusions-positiven Tumorentitäten sehr wirksam sind und auch dann erfolgversprechend eingesetzt werden können, wenn bereits mehrere Vorbehandlungen dokumentiert wurden.

Wirksamkeit in Subgruppen

Zur Wirksamkeit von Larotrectinib bei Patienten mit primären ZNS-Tumoren wurden Daten von insgesamt 37 auswertbaren Fällen vorgestellt. Das mediane intrakranielle Gesamtansprechen ((30 % (95 %-KI 16–47)) unter Therapie mit Larotrectinib liegt unter dem Ansprechen in der Gesamtkohorte (69 %). Kommt es zu einem Ansprechen, kann eine langfristige Stabilisierung beobachtet werden. Nach Ansprechen wurde in 73 % der Fälle (95 %-KI 56–86) eine Krankheitskontrollrate (DCR) ≥24 Wochen dokumentiert. Bei drei von 38 Patienten (8 %) wurde sogar eine komplette Remission beobachtet. Das mediane PFS lag bei 16,5 Monaten (95 %-KI 6,7; NE), die Mediane für die DoR und das OS waren noch nicht erreicht. Bei einer Gruppe von insgesamt 19 Patienten mit primären ZNS-Tumoren oder ZNS-Metastasen von NTRK-Fusions-positiven soliden Tumoren wurde die Wirksamkeit von Entrectinib näher analysiert. Die intrakranielle Ansprechrate (ORR) lag bei 52,6 % (95 %-KI 28,9–75,6) und die mediane intrakranielle Ansprechdauer (DoR) betrug 17,2 Monate (95 %-KI 7,4-NE). Eine komplette Remission wurde bei sechs von 19 Patienten (31,6 %) dokumentier. Die Gruppe der Patienten mit ZNS-Metastasen bzw. primären ZNS-Tumoren mit NTRK-Fusionen ist insgesamt klein. Sowohl Larotrectinib als auch Entrectinib sind bei ZNS-Befall wirksam. Wenn Patienten ansprechen, kann auch bei ZNS-Befall eine langfristige Krankheitsstabilisierung erreicht werden.

Substanzspezifische Nebenwirkungen

Die Rate an therapieassoziierten Nebenwirkungen (TEAE) mit Grad III und IV unter Larotrectinib liegt bei etwa 20 %. Am häufigsten werden Transaminasenanstiege und Blutbildveränderungen dokumentiert. Bei über 10 % der Patienten kommt es zu einer leichten bis deutlicheren Gewichtszunahme. Unter Entrectinib wird die TEAE-Rate mit einem Grad ≥3 mit 41,5 % angegeben. Bei 25,4 % der Patienten musste die Dosis aufgrund von Nebenwirkungen reduziert werden, bei 8,3 % wurde die Behandlung abgebrochen. Das Spektrum der möglichen Nebenwirkungen unterscheidet sich etwas vom Larotrectinib. Die häufigsten Nebenwirkungen mit Schweregrad 3 und 4 waren Gewichtszunahme (8,3 %), Anämie (5,2 %) und Fatigue (4,7 %). Insgesamt zeigen beide NTRK-Inhibitoren eine sehr gute Verträglichkeit. Eine Gewichtszunahme wurde bei beiden Substanzen beobachtet und sollte auch vor dem Hintergrund einer Behandlungsdauer über mehrere Jahre mit beachtet und mit den Patienten besprochen werden.

Resistenzmechanismen

Bei den möglichen Resistenzmechanismen sind On-Target- und Off-Target-Resistenzen zu unterscheiden. On-Target-Resistenzen entstehen durch Mutationen innerhalb des Fusionsgens. Dadurch können TRK-Inhibitoren nicht mehr in ausreichendem Maß an die chimären Proteine der TRK-Familie binden, die von den fusionierten NTRK-Genen kodiert werden, und verlieren dadurch ihre Wirksamkeit. Bei den Off-Target-Resistenzen kommt es zu einer Aktivierung alternativer Signaltransduktionswege, z. B. des MAP-Kinase-, MET- oder PI3K-Signalweges. Weitere TRK-Inhibitoren werden bereits klinisch geprüft, die bei On-Target-Resistenzen wirksam sind. Damit die von Resistenzen betroffenen Patienten weiter behandelt werden können, ist ein enger Informationsaustausch zwischen den an einem Präzisionsonkologieprogramm beteiligten Zentren und den zuweisenden Kliniken sinnvoll.

Fazit

  • Die Neurotrophin-Rezeptoren TRK A bis C werden von den Genen NTRK 1 bis 3 kodiert und sind für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems wichtig. NTRK-Genfusionen können als onkogene Treiber fungieren.
  • NTRK-Genfusionen sind insgesamt selten (0,3 % aller Krebserkrankungen), kommen aber in einigen seltenen Tumorerkrankungen deutlich häufiger vor.
  • Zum Nachweis von NTRK-Fusionen werden primär NGS-Techniken eingesetzt. Gegebenenfalls kann ein Screening mittels Immunhistochemie vorgeschaltet werden.
  • Für die Therapie von Tumoren mit NTRK-Genfusionen stehen in Deutschland zwei zugelassene Substanzen mit intrakranieller Wirksamkeit und guter Verträglichkeit zur Verfügung. Weitere Substanzen werden klinisch geprüft.
  • Als mögliche Resistenzmechanismen kommen On- und Off-Target-Resistenzen infrage.