Therapie der nAMD maßschneidern – Optionen für Intervallverlängerung und Therapieende

Die Einführung der Anti-VEGF-Therapie stellte eine Zeitenwende in der Behandlung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) dar. Bei den meisten Patienten kann sie das Sehvermögen erhalten oder sogar verbessern. Wesentlich für den langfristigen Erfolg ist eine konsequente Anwendung der Therapie und eine dauerhaft gute Adhärenz der Patienten. Gefördert werden kann diese u. a. durch Therapieintervalle, die auf den individuellen Behandlungsbedarf abgestimmt sind. Wird Krankheitsstabilität erreicht, so stellt sich im klinischen Alltag die Frage nach dem weiteren Vorgehen: weiterbehandeln oder einen Auslassversuch wagen?

Erfahren Sie hier, welche Möglichkeiten für eine Intervallverlängerung sich durch das Treat-and-Extend-(T&E-)Regime und die Verfügbarkeit verschiedener Anti-VEGF-Medikamente ergeben, welche Rezidivgefahr bei Therapieunterbrechung besteht und welche Möglichkeiten für ein kontrolliertes Therapieende erwogen werden können.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123069550011
Zeitraum 05.07.2023 - 04.07.2024
Zertifiziert in D, A, CH
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Helmut Sachs
Prof. Dr. med. Ramin Khoramnia, FEBO
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webcast
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.2 (352)

Kriterien für individuelle Therapie

Dabei beeinflussen – neben einem rechtzeitigen Therapiebeginn – vielfältige Aspekte den langfristigen Behandlungserfolg dieser chronischen Erkrankung. Wie in der aktuellen Stellungnahme der ophthalmologischen Fachgesellschaften festgehalten, sollte die Therapie grundsätzlich dem Motto „so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich” folgen und dementsprechend auf den Patienten maßgeschneidert werden. Grundlage für individualisierte Therapieentscheidungen ist die Beurteilung der Krankheitsaktivität. Diese hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Wurden historisch Sehschärfeverlust, Anzeichen neuer Blutungen sowie das Auftreten von sub- oder intraretinaler Flüssigkeit als Krankheitsaktivität definiert und erforderten eine Wiederbehandlung, so zeigen bestehende Daten, dass subretinale Flüssigkeit (SRF) unter Studienbedingungen in gewissem Umfang toleriert werden kann, ohne eine Verschlechterung des Sehvermögens zu riskieren. Weiterhin ist wesentlich, die Patienten über viele Jahre konsequent individualisiert zu therapieren und kontrollieren. Dazu zählen auch regelmäßige Kontrollen des Partnerauges, um dort gegebenenfalls rechtzeitig ebenfalls eine Therapie einzuleiten. Letztlich ist auch eine gute, dauerhafte Adhärenz der Patienten entscheidend für den langfristigen Therapieerfolg. Individualisierte Behandlungsstrategien, die je nach Patient und eingesetztem Medikament auch Intervallverlängerungen ermöglichen, können die Behandlungslast senken und so die Motivation der Patienten, „bei der Stange zu bleiben”, deutlich steigern.

T&E: Balance von optimiertem Visus und Behandlungslast

Eine gute Möglichkeit, die Behandlungslast der Patienten zu reduzieren und gleichzeitig die Visusergebnisse zu optimieren, stellt das Treat-and-Extend-(T&E-)Regime dar. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen systematischen Literaturrecherche, in der die Ergebnisse von über 100 Real-World-Studien zum Einsatz von drei Behandlungsregimen im klinischen Alltag verglichen wurden. Mit fixen Behandlungsintervallen wurden auch in der klinischen Praxis gute Visusgewinne erzielt – allerdings verbunden mit einer großen Behandlungslast für die Patienten. Mit dem Pro-re-nata-(PRN-)Regime konnten zwar die Injektionen reduziert und im ersten Behandlungsjahr noch Visusgewinne erzielt werden. Allerdings fielen die Visusgewinne geringer aus als unter fixen Behandlungsintervallen; es waren dennoch monatliche Kontrollen erforderlich, sodass die Behandlungslast für Patienten und Betreuende nicht wesentlich reduziert werden konnte. Hingegen werden bei Behandlung im T&E-Regime, das je nach Krankheitsaktivität die Möglichkeit für verlängerte Behandlungsintervalle bietet, signifikant bessere Visusergebnisse als unter PRN erzielt. Auch im weiteren Verlauf über drei Jahre ist es mit T&E möglich, mit verlängerten Injektionsintervallen Visusverbesserungen zu erreichen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass ein positiver, klinisch relevanter Zusammenhang zwischen der Injektionszahl und den Visusergebnissen besteht. Insbesondere die Injektionsfrequenz im ersten Jahr ist ein ausschlaggebender Faktor für den Visusgewinn.

Unterschiedliche Flüssigkeitskompartimente berücksichtigen

Bei der Anwendung des T&E-Regimes wird die Behandlung in einer Aufsättigungsphase mit monatlichen „Loading-Dosen” bis zur Stabilisierung der Erkrankung begonnen. Ist eine Krankheitsstabilität erreicht, können die Therapieintervalle sukkzessive verlängert werden. Lässt die Sehschärfe nach und/oder zeigt sich morphologisch ein abnehmendes Ansprechen auf die Therapie, so kann mit kürzeren Behandlungsintervallen gegengesteuert werden. So kann das individuell mögliche, maximale Behandlungsintervall für den Patienten ermittelt werden. Dabei gilt es bei der Beurteilung der Erkrankungsstabilität, unterschiedliche Flüssigkeitskompartimente der Netzhaut differenziert zu betrachten, da bestimmte Flüssigkeiten – wie bereits erwähnt – zumindest unter Studienbedingungen in einem gewissen Umfang ohne Beeinträchtigung visueller Ergebnisse toleriert werden können. So ist das Vorhandensein von subretinaler Flüssigkeit zu Beginn und während der Behandlung in der Regel mit guten Visusergebnissen verbunden – sofern nicht gleichzeitig auch intraretinale Flüssigkeit vorliegt. Die Rolle der Sub-RPE-Flüssigkeit (RPE, retinales Pigmentepithel) ist noch nicht geklärt, aber sie wurde mit schlechten Sehergebnissen in Verbindung gebracht, wenn sie mit Flüssigkeit in anderen Kompartimenten korreliert. Das Vorliegen von intraretinaler Flüssigkeit ist in der Regel mit schlechten Sehergebnissen zu Beginn und im Verlauf der Behandlung verbunden.

Ziel: individuelle Intervallverlängerung

Welche Intervallverlängerungen erreicht werden können, hängt – abgesehen von der individuellen Krankheitsaktivität – auch von den Moleküleigenschaften des jeweiligen Anti-VEGF-Wirkstoffes ab, d. h. von Dosis, Halbwertzeit und Bindungsaffinität sowie auch von den adressierten Bindungszielen. Während Ranibizumab und Brolucizumab ausschließlich gegen VEGF-A gerichtet sind, bindet der bispezifische Antikörper Faricimab zusätzlich zu VEGF-A auch Angiopoetin-2. Diese duale Hemmung zielt darauf ab, Gefäßpermeabilität und Entzündung zu reduzieren, die pathologische Angiogenese zu hemmen und die Gefäßstabilität zu fördern. Das einzige Molekül, das zusätzlich zu VEGF-A auch den Plazentawachstumsfaktor (engl. placental growth factor, PlGF) neutralisiert, ist derzeit Aflibercept – und dies mit einer deutlich höheren Bindungsaffinität für VEGF-A und PlGF als die natürlichen Rezeptoren. Wird PlGF nicht abgefangen, so bleiben die über diesen Signaltranduktionsweg vermittelte Entzündungsreaktion und Leckage weiter bestehen. Gute Evidenz für verlängerte Therapieintervalle mit Aflibercept im T&E-Regime liefern die beiden prospektiven, randomisierten Phase-IV-Studien ALTAIR und ARIES. In beiden Studien blieben die in der Uploadphase erzielten, signifikanten Visusgewinne weitgehend bis zum Ende des zweiten Jahres erhalten, wobei bei vielen Patienten die Intervalle deutlich verlängert werden konnten: In der ARIES-Studie wurden nach zwei Jahren (Woche 104) knapp 50 % der Patienten mit einem Intervall von zwölf Wochen oder länger behandelt. In der ALTAIR-Studie erreichten fast 60 % der Patienten ein Intervall von zwölf Wochen oder mehr, und 44 % erreichten sogar ein Intervall von 16 Wochen. Mittels Faricimab wurden in den beiden Phase-III-Studien LUCERNE bzw. TENAYA (Nichtunterlegenheitsstudien im Vergleich zu Aflibercept 2 mg alle acht Wochen) bis Woche 48 signifikante Visusgewinne erzielt, die einer Behandlung mit Aflibercept nicht unterlegen waren. Dabei konnten 45 % bzw. 46 % der Patienten mit 16-wöchigen Faricimab-Intervallen behandelt werden. Allerdings muss bei der Beurteilung der Daten auch berücksichtigt werden, dass das Studiendesign der Faricimab-Arme zu einem Selektionsbias von Patienten geführt hat, die für lange Intervalle geeignet sind: Nach vier aufeinanderfolgenden, monatlichen Injektionen Faricimab 6 mg wurde die Krankheitsaktivität zu Woche 20 und 24 nach vorab festgelegten Kriterien beurteilt. Patienten ohne Krankheitsaktivität erhielten eine q16-Dosierung bis Woche 60. Patienten mit anatomischen oder funktionellen Anzeichen von Krankheitsaktivität in Woche 20 bzw. 24 erhielten q8 bzw. q12 Dosierungen bis Woche 60. Ab Woche 60 wurden die Patienten nach einem PTI-Dosierungsschema zwischen q8 und q16 behandelt (PTI, engl. personalised treatment interval; dt. personalisiertes Behandlungsintervall). Zudem hält die FDA in ihrer zusammenfassenden Beurteilung (FDA drug approval package – Vabysmo (faricimab): summary review) fest, dass die Studien keinen Beleg für eine längere Wirkdauer von Faricimab liefern, da kein Aflibercept-Arm mit dem gleichen Dosierungsschema wie Faricimab behandelt wurde und die Studien daher keinen fairen Vergleich der beiden Wirkstoffe zuließen. Die Studien bestätigten lediglich die bereits bekannte Tatsache, dass einige Patienten sehr gut auf Anti-VEGF-Therapien ansprechen und weniger häufig behandelt werden können, was auch die Zusatzanalyse der FDA zum Visusverlauf je Intervalllänge nahelegt.

Ausblick: Aflibercept 8 mg bei nAMD

Im Februar 2023 wurde die Zulassung für Aflibercept 8 mg zur Behandlung bei nAMD und diabetischem Makulaödem bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) beantragt. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Aflibercept 8 mg zur nAMD-Therapie wurde in der globalen, multizentrischen, randomisierten, doppelt maskierten Phase-III-Studie PULSAR untersucht. Bereits zu Baseline erfolgte die Randomisierung auf die drei Behandlungsarme Aflibercept 2 mg alle acht Wochen (AFL 2q8), Aflibercept 8 mg alle zwölf Wochen (AFL 8q12) und Aflibercept 8 mg alle 16 Wochen (AFL 8q16). Nach drei initialen Uploaddosen wurde die Behandlung in den drei Armen fortgesetzt. Im ersten Jahr waren lediglich Intervallverkürzungen in den beiden AFL-8-mg-Armen möglich. Wenn Patienten definierte Krankheitsaktivität aufwiesen, konnten die Intervalle zu mehreren, vorab festgelegten Zeitpunkten um vier Wochen verkürzt werden (minimales Intervall acht Wochen). In Woche 48 wurde in allen drei Gruppen ein mittlerer Visusgewinn von sechs bis sieben Buchstaben erzielt. Damit wurde der primäre Endpunkt – die Nichtunterlegenheit von AFL 8 mg gegenüber AFL 2 mg hinsichtlich der durchschnittlichen Veränderung des bestkorrigierten Visus zu Woche 48 gegenüber dem Ausgangswert – erreicht. Der Anteil der Patienten, die in den beiden Aflibercept-8-mg-Armen bis zu Woche 48 auf langen Intervallen weiterbehandelt werden konnten, war hoch: Im 8q16-Arm behielten 77 % der Patienten das 16-wöchige Intervall bei, im 8q12-Arm blieben 79 % bei dem zwölfwöchigen Intervall. Insgesamt konnten 83 % aller Patienten unter Aflibercept 8 mg mit Intervallen von zwölf Wochen oder länger behandelt werden. Insgesamt ist daher zu erwarten, dass mit Aflibercept 8 mg über 80 % der Patienten nur noch alle zwölf Wochen oder seltener eine Injektion benötigen würden.

Bei 3-Monats-Intervallen trocken – wie geht es weiter?

Gerade bei einer chronischen Erkrankung wie der nAMD, die in der Regel lebenslang eine Behandlung erfordert, ist es auch wichtig zu wissen, wie sich Therapiestrategien im klinischen Alltag langfristig bewähren und welche Optionen zur Pausierung der Behandlung möglicherweise angedacht werden können. Diesbezüglich können Real-World-Daten (RWE-Daten) aus der klinischen Routinebehandlung wichtige Erkenntnisse liefern. Eine retrospektive Studie aus dem klinischen Alltag zeigt, dass auch unter routinemäßiger Therapie mit der derzeit verfügbaren 2-mg-Dosierung von Aflibercept die Sehschärfe von Augen (N = 148) mit feuchter AMD verbessert und über vier Jahre erhalten werden kann. Die Patienten hatten initial drei monatliche Injektionen erhalten, gefolgt von achtwöchigen Injektionen bis zum Ende des ersten Jahres und einem anschließenden proaktiven T&E-Regime. Im ersten Jahr gewannen die Patienten durchschnittlich etwa sechs ETDRS-Buchstaben und konnten diesen Visusgewinn über vier Jahre aufrechterhalten. Bereits zu Monat 24 wurde mehr als die Hälfte der Patienten mit einem Intervall von zwölf Wochen oder länger behandelt. Eine weitere Arbeit von Traine et al. zur routinemäßigen Versorgung von behandlungsnaiven nAMD-Patienten (n = 231) lieferte sehr ähnliche Ergebnisse. Auch diese retrospektive Untersuchung eines Zentrums, in dem nach drei initialen Dosen direkt im T&E-Regime weiterbehandelt wurde, kam zu dem Schluss, dass die Sehschärfe mit Aflibercept im T&E-Regime über vier Jahre erhalten und etwa die Hälfte der Patienten mit zwölfwöchigen oder längeren Intervallen behandelt werden kann. Vergleichbare Ergebnisse liefert weiterhin auch eine Studie aus der Schweiz, in der nach vier Jahren ein Behandlungsintervallvon im Median elf Wochen erreicht wurde. Zudem erreichte gut ein Drittel der Patienten auch die vorab festgelegten Kriterien des Zentrums für ein Therapieende (Stabilität bei drei aufeinanderfolgenden Visiten mit einem Intervall von 16 Wochen).

Kriterien für einen Therapiestopp

Den zentralen Dreh- und Angelpunkt für Überlegungen zu einem Therapiestopp stellt zunächst einmal die Stabilität der Erkrankung dar. Oder anders gesagt: Wesentlich ist, Augen mit noch bestehender Erkrankungsaktivität, das heißt sowohl bei Zunahme aber auch bei weiterer Abnahme retinaler Flüssigkeiten, jedoch ohne Flüssigkeitsfreiheit, konsequent weiter zu behandeln. Bei Behandlung nach dem PRN-Regime können gemäß der Stellungnahme der Fachgesellschaften die Kontrollintervalle verlängert werden, sofern über sechs Monate nach Beendigung einer Behandlungsserie keine Aktivitätszeichen sichtbar sind. Bei Behandlung nach dem T&E-Regime kann eine Therapiepause erwogen werden, sofern innerhalb von zwölf Monaten unter fortgeführter Therapie keine erneute Aktivität mehr vorhanden ist. Entscheidend ist, dass keine aktive makuläre Neovaskularisation (MNV) mehr vorliegt. Auch intraretinale Flüssigkeit sollte nicht mehr vorliegen. Hingegen kann eine geringe Menge subretinaler Flüssigkeit (unter 50 μm) toleriert werden – allerdings nur dann, wenn sich die Flüssigkeit nicht verändert und zudem der Visus bei der dritten Visite unter der Therapie stabil ist. Wichtig ist auch, Differenzialdiagnosen für intraretinale Flüssigkeit zu berücksichtigen. So gibt es zum Beispiel die intraretinale Flüssigkeit beim mikrozystischen Makulaödem und die degenerative intraretinale Flüssigkeit über der geografischen Atrophie. Dies sollte nicht als Aktivitätszeichen einer MNV gewertet werden.

Wer erreicht das Therapieende?

Wie viele Patienten im klinischen Alltag tatsächlich die Kriterien für ein mögliches Therapieende erreichen, scheint auch von dem gewählten Behandlungsregime abzuhängen. So zeigt eine Arbeit eines Berner Behandlungszentrums, in dem Patienten nach dem PRN-Regime behandelt wurden, dass letztlich nur 2,6 % der Patienten die Exitkriterien erreichten. Diese sahen vor, bei Augen mit inaktiver nAMD die Behandlung erst dann zu beenden, nachdem weiterhin über zwei Jahre monatlich kontrolliert wurde und im ersten Nachbeobachtungsjahr vier Injektionen und im zweiten Jahr zwei Injektionen verabreicht wurden. Das Problem war letztendlich, dass viele Patienten schon vor Erreichen der Exitkriterien die Therapie bereits selbst beendet hatten, weil sie die Vielzahl an Kontrollen ohne tatsächliche Injektion als zu aufwendig empfanden. Nach Umstellung auf das T&E-Regime in diesem Zentrum konnten die Patienten aus der Behandlung entlassen werden, sofern drei aufeinanderfolgende 16-wöchige Intervalle bei stabiler Erkrankung erreicht wurden. Anschließend wurden die Patienten in drei- bis viermonatlichen Abständen ohne Therapie nachbeobachtet. Mit diesem Vorgehen konnten immerhin 17 % der Patienten entlassen werden. In einer anderen Studie aus den USA konnte mit 37 % ein noch höherer Anteil an Augen aus der Therapie entlassen werden – bei allerdings deutlich weniger strikten Exitkriterien: Erreichten Augen unter T&E-Behandlung zweimal ein zwölfwöchiges Intervall mit Inaktivität, so konnte die Behandlung beendet werden.

Behandlungsstopp oder Weiterbehandlung mit langen Intervallen?

Im klinischen Alltag stellt sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen meist dann, wenn ein Patient ein zwölfwöchiges Intervall erreicht hat. Dabei bieten sich verschiedene Möglichkeiten: zum einen die Weiterbehandlung mit zwölfwöchigen Intervallen, eine Ausweitung des Intervalls auf 16 Wochen oder sogar die Erwägung eines Behandlungsstopps. Gründe für einen Behandlungsstopp sind vielfältig, dazu zählen u. a. der Wunsch, die Behandlungslast der Patienten zu reduzieren, inaktive Augen nicht unnötig zu behandeln und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Auf der anderen Seite ist es allerdings auch wichtig, Rezidive zu verhindern, da diese meist mit einem Visusverlust und anschließend einem erhöhten Injektionsbedarf einhergehen. So erlitten in der gerade beschriebenen Studie aus den USA fast 30 % der Patienten im weiteren Verlauf ein Rezidiv – in über der Hälfte der Fälle trat dies sogar schon innerhalb des ersten Jahres nach dem Therapiestopp auf. Auch in der zuvor beschriebenen Studie von Jaggi et al. (Exitkriterium „Stabilität bei drei aufeinanderfolgenden Visiten mit einem Intervall von 16 Wochen”) trat bei 28 % der Patienten innerhalb der ersten Jahres nach Therapiestopp ein Rezidiv auf. Die – auch längerfristig – hohe Rezidivgefahr bei einem Therapiestopp wird durch eine weitere Beobachtungsstudie basierend auf dem „Fight Retinal Blindness!”- Register zur Behandlung von nAMD bestätigt, die damit gleichzeitig auch eindrücklich die Chronizität der Erkrankung verdeutlicht: Erfasst wurden 434 Augen, bei denen aufgrund einer Erkrankungsinaktivität von mindestens drei Monaten die Therapie ausgesetzt wurde. Im ersten Jahr erlitten 41 % der Patienten eine Reaktivierung, im fünften Jahr nach Therapiestopp waren dies fast 80 %. Problematisch in diesem Zusammenhang ist vor allem auch, dass ein Rezidiv mit einem Visusverlust einhergeht. In dieser Arbeit war in den Augen, die nach einem Rezidiv erneut behandelt wurden, ab dem Zeitpunkt des Aussetzens der Behandlung ein mittlerer Verlust von 3,3 Buchstaben zu verzeichnen. Für den klinischen Alltag bedeutet dies, dass der ganz große Teil unserer Patienten bei ausbleibender Behandlung irgendwann ein Rezidiv erleben und dadurch die zuvor erreichte Visusstabilisierung gefährdet wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, einen Therapiestopp kritisch abzuwägen. Auch in der bereits beschriebenen Arbeit aus der Schweiz, in der 17 % der Patienten aus der Therapie entlassen werden konnten, halten die Autoren in ihrer Schlussfolgerung nicht ohne Grund fest, dass bei einer Subgruppe von Patienten eine dauerhafte Therapie vermutlich die bessere Option gewesen wäre.

Eher dauerhafte Therapie erwägen?

So könnte es möglicherweise gelingen, Krankheitsstabilität und Visus dauerhaft zu erhalten und gleichzeitig insgesamt die Anzahl der Injektionen weiter zu reduzieren. Allerdings sind bislang zum Thema „kontinuierliche Behandlung” nur sehr wenige Daten verfügbar, sodass noch unklar ist, ob eine kontinuierliche Behandlung Rezidive verhindern kann. Erste Erkenntnisse liefert eine kleinere retrospektive Beobachtungsserie, in der Patienten mit Erkrankungsstabilität über 40 Monate beobachtet wurden: In der Gruppe 1 erhielten die Patienten eine fortgesetzte Behandlung alle zwölf bis 14 Wochen, in der Gruppe 2 wurde hingegen die Behandlung beendet. Es zeigte sich, dass die fortgeführte Behandlung die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs zwar von 61 % (bei Aussetzen der Therapie) auf 41 % nach einem Jahr minimieren konnte, verhindern konnte die Dauerbehandlung ein Rezidiv allerdings auch nicht sicher. Viel Hoffnung wird diesbezüglich auf Biomarker für ein erhöhtes Rezidivrisiko gesetzt. So scheint eine vorwiegend seröse Pigmentepithelabhebung (PED) ebenso einen Risikofaktor für ein Rezidiv darzustellen wie eine vitreomakuläre Adhäsion. Wesentlich für die Überlegungen zur weiteren Behandlung im T&E-Regime bei Auftreten eines Rezidivs ist auch, dessen Schwere zu berücksichtigen. Weniger stark ausgeprägte Rezidive benötigen sicherlich eine weniger intensive Therapie als sehr starke Rezidive. Hilfreich in diesem Zusammenhang können die Kriterien für eine Dosisanpassung sein, die in der RIVAL-Studie von Gillies et al. vorgeschlagen wurden. Als Marker für eine Krankheitsaktivität wurden definiert: a) ein Verlust an Sehschärfe von ≥5 Buchstaben, der der Krankheitsaktivität zugeschrieben wird, b) neue retinale Blutungen und c) der Nachweis von intra- oder subretinaler Flüssigkeit. Lag nur ein Kriterium für eine Krankheitsaktivität vor, wurde das Intervall um zwei Wochen reduziert. Lagen zwei oder mehr Kriterien vor, dann wurde das Intervall sogar auf vierwöchig reduziert, um eine intensive Behandlung zu sichern.

Optionen mit dem Patienten besprechen

Gerade weil die Datenlage zu verschiedenen Möglichkeiten eines kontrollierten Therapieendes bislang noch sehr überschaubar ist, erscheint es bei Erreichen eines 12-Monats-Intervalls sinnvoll und wichtig, die verschiedenen Optionen gemeinsam mit den Patienten in einem ausführlichen Gespräch abzuklären. Dabei gilt es auch, die Möglichkeit eines Rezidivs – auch unter Weiterführung der Therapie – zu verdeutlichen. Zur Auswahl stehen v. a. drei Optionen: So besteht die Möglichkeit, die Intervalle auf maximal 16 Wochen weiter auszudehnen, so wie dies in der ALTAIR-Studie umgesetzt wurde. Gerade bei Patienten, bei denen bereits mehrere Reaktivierungen der Krankheitsaktivität aufgetreten waren, stellt eine Weiterbehandlung mit Injektionen alle zwölf, 14 oder 16 Wochen möglicherweise die bevorzugte Option dar. Eine dritte Möglichkeit ist ein Auslassversuch, der sicherlich am ehesten erwogen werden kann, sofern nach dreimaliger Injektion alle 16 Wochen keine erneute Krankheitsaktivität auftritt. Insgesamt bietet sich somit die Möglichkeit, ebenso wie die Therapie auch deren mögliche Unterbrechung zu individualisieren und Patienten eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.

Fazit

  • nAMD ist eine chronische Erkrankung mit negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität, die einer langfristigen Therapie und guter Adhärenz der Patienten bedarf.
  • Für Patienten steht bei der Behandlung der nAMD der Visus im Vordergrund.
  • Individuelle Behandlungsschemata wie T&E können die Behandlungslast reduzieren.
  • Weiterbehandlungs- und Aktivitätskriterien wirken sich auf die Intervalllänge aus; verschiedene Flüssigkeitskompartimente müssen differenziert beurteilt werden.
  • Mit dem T&E-Regime wurden in klinischen Studien und im klinischen Alltag stabile Visusgewinne erreicht. Hierbei erreicht ein großer Anteil an Patienten verlängerte Intervalle.
  • Stabilität/Inaktivität sind Voraussetzung für einen Therapiestopp.
  • Behandlungsadhärenz ist Voraussetzung für einen Therapiestopp (PRN vs. T&E).
  • Fortsetzung der Anti-VEGF-Therapie nach Erreichen funktioneller und morphologischer Stabilität verringert Anzahl der Rezidive, verhindert diese aber nicht.
  • Aktivität der MNV ist variabel: OCT-Biomarker oder Angio-OCT könnten helfen, eine individualisierte Strategie für das Behandlungsende zu finden.
  • Zusätzlich bestehende seröse Pigmentepithelabhebung oder vitreo-makuläre Adhäsion scheinen Biomarker für ein erhöhtes Rezidivrisiko darzustellen.
  • Nach Erreichen eines 12-Wochen-Intervalls drei Exitoptionen mit Patienten besprechen.

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