Einleitung
Nahezu 90 % aller Patienten mit einer Krebserkrankung werden im Verlauf ihrer Erkrankung mit Tumordurchbruchschmerzen (Breakthrough Cancer Pain, BTcP) konfrontiert (Abbildung 1) [1, 2]. Das Prävalenzspektrum reicht von 23 % bis 89 %, je nachdem wie weit fortgeschritten die Grunderkrankung ist [3]. Etwa jeder vierte bis dritte onkologische Patient, der sich in ambulanter Behandlung befindet, berichtet über Durchbruchschmerzen [4, 5]. Unter den stationären Krebspatienten ist es schon jeder zweite, der an Durchbruchschmerzen leidet [2, 6, 7]. Und bei den onkologischen Hospizpatienten leiden 9 von 10 an Durchbruchschmerzen [8–10].
Trotz der hohen Prävalenz ist der tumorbedingte Durchbruchschmerz ein Phänomen, das immer noch zu wenig beachtet wird. Wenn im Folgenden von Durchbruchschmerzen gesprochen wird, ist immer der tumorbedingte Durchbruchschmerz gemeint.
Definition und Merkmale des Durchbruchschmerzes
Bis heute existiert keine allgemein anerkannte Definition von Durchbruchschmerzen bei Tumorpatienten [1, 11]. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin stützt sich in ihrer Praxisleitlinie »Tumorbedingte Durchbruchschmerzen« auf die von Portenoy & Hagen 1990 [2] vorgeschlagene Definition [11]. Demnach wird Durchbruchschmerz bei Tumorpatienten als eine vorübergehende Schmerzexazerbation beschrieben, die trotz adäquater Kontrolle des Dauerschmerzes auftritt [2]. Dabei wird ein spontaner, für den Patienten unvorhersehbarer Tumordurchbruchschmerz von einem ereignisabhängigen, vorhersehbaren Schmerz unterschieden [2].
Typisch für den Tumordurchbruchschmerz ist die hohe Schmerzintensität (8-10 auf der NRS11)*, die als vernichtend bzw. unerträglich beschrieben wird, das plötzliche Einsetzen des Schmerzes und die kurze Schmerzdauer [11]. Der tumorbedingte Durchbruchschmerz wird außerdem gekennzeichnet durch einen schnellen Anstieg des Schmerzes, der häufig nach 3-5 Minuten sein Maximum erreicht und meist weniger als eine halbe Stunde andauert [11]. Die Häufigkeit von Durchbruchschmerzattacken variiert deutlich zwischen den Patienten, wobei die Episoden im Median 2-6 mal pro Tag auftreten [11].
* Numerische Ratingskala (0-10)
Kategorisierung des tumorbedingten Durchbruchschmerzes I
Durchbruchschmerzen können danach klassifiziert werden, ob sie spontan und ohne ersichtlichen Grund auftreten (Idiopathic BTcP) oder durch eine Handlung oder ein Ereignis ausgelöst werden (Incident BTcP) [11, 12]. Diese Unterscheidung ist wichtig, da beim belastungsabhängigen Durchbruchschmerz andere Medikamente zum Einsatz kommen können als beim spontanen/idiopathischen Durchbruchschmerz.
Spontane bzw. idiopathische Durchbruchschmerzen treten ohne erkennbare äußere Auslöser auf, was für die Patienten eine außerordentlich große Belastung darstellt. Umso wichtiger ist es, dass Patienten in diesen Fällen auf Medikamente zurückgreifen können, die sehr schnell wirken.
Der vorhersehbare bzw. inzidentelle Durchbruchschmerz kann durch willkürliche (z. B. Heben oder Gehen), unwillkürliche (z. B. Husten oder Wasserlassen) oder auch prozedurabhängige Ereignisse (z. B. medizinische oder pflegerische Eingriffe) ausgelöst werden [11, 12].
Bei einem vorhersehbaren, ereignisabhängigen Belastungsschmerz kann unter Beachtung des Zeitfensters eine Medikation verabreicht werden, die ihr Wirkungsmaximum etwas verzögert erreicht, beispielsweise flüssiges Morphinsulphat im Einzeldosisbehälter [12].
Kategorisierung des tumorbedingten Durchbruchschmerzes II
Pathophysiologisch betrachtet, können tumorbedingte Durchbruchschmerzen nach ihrer Genese unterschieden werden in:
- somatisch nozizeptiv (z.B. durch Knochenmetastasen oder Kontakt mit entzündeter oder infizierter Schleimhaut),
- viszeral nozizeptiv ( z.B. durch Dehnung oder Subokklusion des Darms oder akute Tenesmus-Episoden),
- neuropathisch (durch Kompression/Distorsion eines Nervs oder einer Nervenwurzel oder Stimulation eines hyperästhetischen Bereichs) oder
- gemischter Natur [13].
Für ein optimales Therapiemanagement ist die Unterscheidung der zugrunde liegenden Mechanismen hilfreich [11]. So wird beispielsweise eine medikamentöse Intervention als Reaktion auf eine neuropathische Schmerzattacke, die meist nur Sekunden bis wenige Minuten andauert, praktisch keine Aussicht auf Erfolg haben [11].
Erkennen von tumorbedingten Durchbruchschmerzen
Durchbruchschmerzen werden häufig unzureichend diagnostiziert, zumal viele Patienten nicht über das Ausmaß ihrer Beschwerden berichten. Im Idealfall führt der Patient ein Schmerztagebuch, in dem neben der Schmerzhäufigkeit und -stärke auch die Begleitumstände und potenziellen Auslöser erfasst werden.
Einen raschen Überblick über das aktuelle Schmerzbefinden kann sich der Behandler auch über standardisierte Fragebögen wie dem »Brief Pain Inventory« [14] oder dem »Breakthrough Pain Assessment Tool« (BAT) [15] beschaffen. Der »DGS-Praxisfragebogen« kann ebenfalls dabei unterstützen, Durchbruchschmerzen im Alltag besser zu erkennen [11]. Darüber hinaus sind eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung unerlässlich.
Abgrenzen von Tumordurchbruchschmerzen
Unter Tumordurchbruchschmerzen fallen nicht:
- Schmerzen bei unzureichender Basistherapie
- neuropathische Schmerzattacken
- Schmerzen, die wenige Sekunden bis Minuten andauern
- "End of dose"-Pain
Differentialdiagnostisch müssen eine unzureichende analgetische Dosierung der Basismedikation, individuell nicht kompatible Opiate sowie ein zu langes Dosierungs- oder Verabreichungsintervall ausgeschlossen werden. Letzteres kann zu einem sog. „End-of-Dose“-Schmerz führen, der immer kurz vor der nächsten geplanten Dosis bei einer »Rund-um-die-Uhr«-Analgesie auftritt [11, 13].
Daher sollte immer eine Überprüfung und ggf. Anpassung der basalen Dauerschmerztherapie in Betracht gezogen werden z.B. durch Opioid-Titration, Umstellung von Opioiden, Gabe von nicht-opioiden Analgetika und/oder Gabe von Co-Analgetika bzw. adjuvanter Medikamente [11, 13].
Auch neuropathische Schmerzattacken sowie nur Sekunden oder wenige Minuten dauernde Schmerzepisoden sind nicht für eine BTcP-Therapie geeignet.
Folgen von Durchbruchschmerzen
Unabhängig von der zugrunde liegenden Tumorerkrankung können Durchbruchschmerzen massiv das Wohlbefinden beeinträchtigen und zu physischen wie psychischen Problemen führen [11]. Unbehandelte Durchbruchschmerzen stören den Tagesablauf, unterbrechen Therapiemaßnahmen, führen zu Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Angst und Depression und erschweren die Behandlung der zugrunde liegenden Dauerschmerzen [16]. Mit zunehmender Angst vor körperlichem Leid und qualvollem Sterben ziehen sich die Patienten zurück. Die Folge ist soziale Isolation, die die körperliche Entkräftung, schmerzbedingte Behinderung und psychosoziale Beeinträchtigung noch verschlimmert [17, 18].
Patienten mit Durchbruchschmerzen gehen häufiger zum Arzt und werden öfter stationär behandelt, was zu höherer Kosten für des Gesundheitssystem führt [11].
Therapie von Durchbruchschmerzen
Wie bei anderen Tumorschmerzarten auch erfordert die optimale Therapiewahl bei Durchbruchschmerz das Wissen um die zugrundeliegenden Schmerzmechanismen. Der Schmerztyp (nozizeptiv, neuropathisch oder gemischt) sollte bei der Entscheidung für eine Medikation berücksichtigt werden [11, 13]. Grundsätzlich kommen zur Therapie des tumorbedingten Durchbruchschmerzes Opioide, Nicht-Opioide sowie Co-Analgetika in Betracht. Dabei ist die Applikationsform – intravenös, oral, rektal, sublingual, transmukosal, subkutan oder lokal – auf die Bedürfnisse und Präferenzen des einzelnen Patienten sowie seine Betreuungssituation abzustimmen [11, 13].
Wie sähe die ideale Behandlung von Tumordurchbruchschmerzen aus?
Die plötzlich auftretenden, heftigen Schmerzattacken beim tumorbedingten Durchbruchschmerz stellen besondere Anforderungen an das Wirkprofil einer geeigneten Bedarfs- oder Rescue-Medikation:
- Schneller Wirkeintritt
- Hohe analgetische Potenz
- Kurze Wirkdauer (nicht wesentlich länger als die Durchbruchschmerzepisode)
- Einfache Anwendung (im Idealfall durch den Patienten, Angehörige oder Pflegekräfte)
Wie Abbildung 2 zeigt, sind die kurz wirksamen Opioide (short acting opioids, SAO), keine geeignete Option, da klinische relevante Wirkungen erst erzielt werden, nachdem die Durchbruchschmerzepisode abgeklungen ist [19]. Ziel ist es, eine Analgesie-Lücke zu vermeiden.
Einsatzbereiche der Opioide nach ihrer Wirkdauer
Lang wirksame Opioide (long acting opioids, LAO) mit einer Wirkdauer von 8 – 12 Stunden kommen als Basismedikation zur »Rund-um-die-Uhr«-Behandlung des Dauerschmerzes zum Einsatz. Zu den LAO gehören die retardierten Morphin- und Hydromorphonpräparate, transdermales Fentanyl, Oxycodon und Tapentadol.
Kurz wirksame Opioide (short acting opioids, SAO), deren Wirkung nach ca. 20 bis 30 Minuten eintritt, können geeignet sein, um vorhersehbare, ereignisabhängige Durchbruchschmerzen zu behandeln. Allerdings ist deren Wirkdauer von 3 bis 4 Stunden oft länger, als die Schmerzattacken andauern. Vertreter dieser SAO sind Morphin subkutan, Morphin und Hydromorphon per os und Buprenorphin sublingual.
Schnell wirksame Opioide (rapid onset opioids, ROO) entfalten ihre analgetische Wirkung bereits nach 5 bis 10 Minuten und Ihre Wirkung hält nur für 1 bis 2 Stunden an, was sie zur Medikation der Wahl bei spontanen Durchbruchschmerzen macht. Alle derzeit verfügbaren ROO sind Fentanyl-haltige Fertigarzneimittel, bei denen das Opioid transmukosal entweder über die Mund- oder die Nasenschleimhaut resorbiert wird.
Entwicklung der Fast-Acting-Fentanyl (FAF) Applikationsformen
Vor etwa 20 Jahren kam das erste transmukosale Fast-Acting-Fentanyl, kurz FAF, zur Behandlung tumorbedingter Durchbruchschmerzen in Form einer gepressten Lutschtablette mit Applikator auf den Markt.
10 Jahre später folgten gleich zwei weitere Fentanyl-Präparate mit neuer Galenik:
Fentanyl-Bukkal und -Sublingualtabletten.
2009 erhielt das erste Nasenspray mit einer wässrigen Fentanyllösung die Zulassung.
2011 wurde das erste pektinhaltige Fentanyl-Nasenspray eingeführt, welches beim Kontakt mit der Nasenschleimhaut ein gut-haftendes Gel bildet, um ein Verschlucken oder Herauslaufen des Arzneimittels zu verhindern.
Eine Fentanyl- Bukkal-Filmtablette wurde 2012 eingeführt.
Alle Präparate sind zugelassen bei erwachsenen Tumorpatienten mit Durchbruchschmerz, die eine retardierte Tagesdosis von bzw. äquivalent zu mindestens 60mg Morphin oral erhalten.
Die ideale Substanz bei BTcP: ROO (rapid onset opioids) bzw. FAF (fast acting fentanyl)
Fentanyl erweist sich aufgrund seiner hohen analgetischen Potenz und des raschen Wirkeintritts bei relativ kurzer Wirkdauer als ideale Wirksubstanz zur Behandlung von tumorbedingten spontanen oder ereignisabhängig rasch auftretenden Durchbruchschmerzen. Ihr Einsatz wird in allen neueren nationalen und internationalen Leitlinien und Konsensuspapieren empfohlen [1, 11, 20–22].
Entsprechend des zeitlichen Verlaufes der Schmerzattacke kann das schnell wirksame Fentanyl – als Bedarfsmedikation verabreicht – die Schmerzspitzen sehr schnell und für ausreichend kurze Zeit kupieren. Die kurz wirksamen Opioide (SAO) hingegen erreichen wegen ihrer trägen Pharmakokinetik effektive Wirkspiegel meist zu spät, um die Beschwerden unvorhersehbar auftretender Durchbruchschmerzen zu lindern. Zudem fehlt die wissenschaftliche Evidenz für die SAO hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei tumorbedingten Durchbruchschmerzen [11]. Die schnellwirksamen Fentanyle bieten somit ein an die Schmerzepisode angepasstes Wirkprofil und eigenen sich besonders für den Einsatz von TDBS/BTcP.
Charakteristika von Opioiden zur Behandlung von Durchbruchschmerzen
In Tabelle 1 werden Dosierung, Wirkeintritt, Wirkdauer und Bioverfügbarkeit der zur Behandlung des tumorbedingten Durchbruchschmerzes eingesetzten Opioide zum Vergleich gegenüber gestellt [13, 20, 21].
Im Behandlungsalltag verbreitet ist nach wie vor der Einsatz von oralem, nicht retardiertem Morphium bzw. Oxycodon als Bedarfsdosis von 1/6 der als Basis-Opioid verabreichten Tagesdosis. Daher sind diese beiden SAO in der Tabelle mit aufgeführt. Aufgrund ihres Wirkeintrittes nach 30 bis 45 Minuten und einer Wirkdauer von 3 bis 4 Stunden werden die SAO jedoch nicht mehr zur Behandlung des tumorbedingten Durchbruchschmerzes empfohlen [11, 22–25].
Die Palette der schnell wirksamen-Fentanyl-Applikationsformen reicht von Lollis über Bukkal-/Sublingualtablette bis zum Nasenspray. Den schnellsten Wirkeintritt von nur 5 bis 10 Minuten zeigen die Nasensprays (INFS, FPNS). Für die Sublingual- und Bukkal(film)tabletten (FBT, SLF, FBSF) liegt der Wirkeintritt zwischen 10 und 15 Minuten. Oral transmukosales Fentanyl-Citrat (OTFC) benötigt mit 15 bis 30 Minuten von allen FAF-Applikationsformen am längsten bis zum Eintritt der Wirkung [13, 20, 21].
Plasmakonzentrationen der FAF im Vergleich
Abbildung 3 zeigt den Verlauf der Plasmakonzentrationen von 5 FAF-Formulierungen. Die Daten stammen aus verschiedenen Quellen und wurden zur besseren Vergleichbarkeit kombiniert [26]. Das Diagramm fokussiert auf die Zeit, die eine Substanz benötigt, um den Spitzenspiegel Cmax zu erreichen. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Nasensprays (IFNS - gelb, FPNS - rot), denn diese erreichen am schnellsten die maximale Plasmakonzentration.
Der Plasmaspiegel des Nasensprays mit wässriger Fentanyl-Lösung (INFS - gelb) fällt dann aber sehr schnell wieder ab, während der Spiegel des Fentanyl Pektin-Nasensprays (FPNS - rot) nahezu gleichmäßig stagniert.
Im Gegensatz dazu steigt der Plasmaspiegel des transmukosalen Fentanylcitrats OTFC nur ganz langsam an und erreicht auch nach 90 Minuten noch nicht die maximale Plasmakonzentration.
Management der Durchbruchschmerzen
Bei Anwendung nicht retardierter Opioide (SAO) sistiert der Durchbruchschmerz meist spontan. Aufgrund des späten Wirkeintritts ist die Schmerzattacke abgeklungen, bevor das Medikament wirken kann. Da den Patienten die Wirkung vermeintlich zu „schwach“ erscheint, neigen sie zur Überdosierung mit den bekannten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Benommenheit und Aktivitätsverlust [13, 20, 21].
Der Einsatz der SAO bei Tumordurchbruchschmerzen ist daher nur sinnvoll bei bekanntem auslösendem Faktor. In diesem Fall sollte das SAO rechtzeitig, etwa 30 Minuten vor der Belastung, eingenommen werden.
Für nicht vorhersehbare Schmerzattacken sind die transmukosalen Fentanyle (ROO/FAF) geeignet. Aufgrund der hohen Lipophilie erfolgt ein schneller Wirkeintritt. Zudem ist die Resorption über Mund- und Nasenschleimhaut gegenüber der oralen Einnahme schneller und effektiver, da der First-Pass-Effekt des Metabolismus in der Leber umgangen wird. Das Wirkprofil der FAF zeigt einen zur BTcP-Episode passenden Verlauf.
Die Therapie mit FAF wird mit der geringsten verfügbaren Dosis (50 bzw. 100 µg) begonnen. Für alle zugelassenen schnell wirksamen Fentanyle ist eine individuelle Titration erforderlich – unabhängig von der Dosierung der Dauermedikation. Auch bei einem Wechsel von einer FAF-Applikationsform auf eine andere, sollte die Dosis bis zum Erreichen der analgetischen Wirkung individuell titriert werden.
Die Wirkung tritt – je nach Applikationsform – zwischen 5 und 15 Minuten ein und hält ca. 60 bis 90 Minuten an. Bei unzureichender Wirksamkeit ist die Anwendung einer zweiten Dosis im Sinne einer Titration nach 15 bzw. 30 Minuten oder nach 4 Stunden (Fentanyl-Pektin-Nasenspray) erlaubt.
Vorteile schnell wirksamer Fentanyle (FAF)
FAF fluten schnell im Blut an, erzielen hohe Plasmaspiegel und verfügen über eine starke analgetische Potenz, die etwa 100-mal höher ist als die von Morphin [1, 20, 26, 27]. Aufgrund ihrer Lipophilie werden schnell wirksame Fentanyle rasch transmukosal bzw. intranasal aufgenommen und überwinden schnell die Blut-Hirn-Schranke. Der primäre Lebermetabolismus (First-Pass-Effekt) wird durch die transmukosale Applikation umgangen. Es resultiert eine hohe Bioverfügbarkeit und schnelle Wirkung [1, 20, 26, 27].
BTcP: therapiebedingte Begleiterscheinungen der FAF
Bei einer indikationsgerechten Anwendung sind FAF gut verträglich. Patienten sollten dennoch immer über die typischen Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerz, Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen und Obstipation aufgeklärt werden (Tabelle 2).
Weiterführende Informationen können den jeweiligen Fachinformationen entnommen werden [28–33].
Suchtpotenzial der schnell wirksamen Fentanyle (FAF)
Opioide – auch und vor allem schnell wirksame – sind in der Versorgung von Patienten mit Tumorschmerzen unverzichtbar. Dennoch besteht bei Anwendung kurz wirksamer Opioide das Risiko der physischen und psychischen Abhängigkeit. Daher ist eine Behandlung mit Fentanyl-Einzeldosen ausschließlich bei tumorbedingten Durchbruchschmerzen indiziert [34].
Die schnell wirksamen Fentanyle sind nicht zugelassen für den Nicht-Tumordurchbruchschmerz. Auch bei Tumorschmerzpatienten sollte die FAF-Anwendung auf die einzelnen Durchbruch-Schmerzattacken begrenzt und nicht auf die Behandlung von Unruhe, Schlafstörungen oder Ängsten ausgeweitet werden [34].
Indikation der FAF
Alle schnell wirksamen Fentanyle sind ausschließlich für den Einsatz bei tumorbedingtem Durchbruchschmerz bei Tumorpatienten mit bestehender Daueropioidtherapie ab einer Tagesdosis von 60 mg Morphin-Äquivalent indiziert.
Sublinguales Fentanyl im Praxisalltag
Verbesserung der schmerzbedingten Beeinträchtigung
In einer offenen multizentrischen Phase-IV-Studie von Überall et al. wurden 217 Tumorpatienten erstmals mit sublingualem Fentanyl gegen ihre Durchbruchschmerzen behandelt [3]. 181 Patienten konnten ausgewertet werden. Die Patienten wurden zu Beginn und während des Beobachtungszeitraums mit standardisierten Fragebögen zu ihrem Befinden befragt. Die Fragebögen wurden im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) entwickelt und enthielten Abschnitte, die auf zwei validierten Indizes basierten: dem „hospital anxiety and depression scale“ (HADS) und dem „pain disability index“ (PDI).
Die Patienten erhielten im Mittel mit 116 mg Morphin-Äquivalent als Basismedikation gegen Dauerschmerzen. Im Median hatten die Patienten 3 Durchbruchschmerzattacken pro Tag, die je mit durchschnittlich 400 µg sublingualem Fentanyl behandelt wurden [3].
Innerhalb von 28 Tagen konnte der Anteil Patienten mit einer hohen schmerzbedingten Beeinträchtigung signifikant von 73 % zu Studienbeginn auf nur noch 12,1 % gesenkt werden (p<0,0001) [3].
Verbesserung der Angst
Die Auswertung der „Hospital Anxiety and Depression Scale“ (HADS) in dieser Studie ergab, dass die Behandlung mit sublingualem Fentanyl die Prävalenz von Angst und Depression während des Beobachtungszeitraums signifikant verringern konnte [3].
Zu Studienbeginn berichtete jeder zweite Patient (54,5%) über Angstzustände. Am Ende der Studie war der Angstlevel signifikant gesunken und nur 1,6% hatten noch mit starken Ängsten zu kämpfen (p<0,0001) [3].
Verbesserung der Depression
Auch der Anteil der Patienten bei denen die Auswertung der „Hospital Anxiety and Depression Scale“ (HADS) ergab, dass depressive Symptome vorlagen, konnte durch die Behandlung der Durchbruchschmerzen mit sublingualem Fentanyl von anfänglich 70,3% auf 15,6% gesenkt werden (p<0.0001) [3]. Insgesamt wurde bei den Patienten durch Verbesserung der schmerzbedingten Beeinträchtigung, der Angstzustände und depressiven Symptome die Lebensqualität signifikant gebessert.
Fentanyl-Pektin Nasenspray
Verlässlichkeit der Wirkstoffabgabe
In einer offenen, multizentrischen Studie von Portenoy et al. wurden über 16 Wochen 42.227 Durchbruchschmerzepisoden bei 356 Krebspatienten mit Fentanyl-Pektin-Nasenspray (FPNS) behandelt [35]. Als Maß für die Verlässlichkeit der Wirkstoffabgabe wurden der zusätzliche Einsatz von „Rescue-Medikamenten“ sowie eine Anpassung der FPNS-Dosis gewertet.
Bei 94 % der mit FPNS behandelten Episoden waren keine zusätzlichen Rescue-Medikamente innerhalb von 60 Minuten erforderlich. Mehr als 90 % der Patienten benötigten keine Erhöhung ihrer anfänglichen Dosis von FPNS [35].
Ein Großteil der BTcP-Episoden wurde mit einer Einzeldosis FPNS behandelt und die Dosierung blieb über den Zeitraum von 4 Monaten stabil.
Schneller Wirkeintritt
In der prospektiven, offenen, nicht-interventionellen Studie von Überall et al. wurden 1.569 BTcP-Episoden bei 235 Patienten innerhalb von 4 Wochen mit Fentanyl-Pektin-Nasenspray (FPNS) behandelt. 220 Patienten wurden ausgewertet. In 12,3 % der Schmerzepisoden trat die Schmerzlinderung bereits nach weniger 2 Minuten auf und in 48,4 % der Fälle nach weniger als 5 Minuten [36]. Die maximale Wirkung verzeichneten 37,9 % der Patienten innerhalb von 10 Minuten und 79,4 % der Patienten innerhalb von 15 Minuten [36].
Einsparung von Ressourcen
In der gleichen Studie von Überall et al. war die Behandlung der Durchbruchschmerzen mit FPNS mit einer erheblichen Einsparung von Ressourcen im Gesundheitswesen verbunden [36]. Am Ende des 4-wöchigen Behandlungszeitraums wurde der ärztliche "Gesamtpflegebedarf" aufgrund des FPNS-Einsatzes bei 31,8 % der Patienten als "sehr viel geringer" und bei weiteren 33,2 % als "viel geringer" oder "geringer" erfasst [36]. Am größten war die Veränderung gegenüber dem Ausgangswert bei der Nutzung der medizinischen Ressourcen, die um 67,5 % verringert werden konnten.
Dies stellt einen wichtigen Aspekt der FPNS-Therapie dar, weil BTcP-Komplikationen in der Regel die Morbidität der Patienten nicht nur verstärken, sondern zusätzlich Bedarf für soziale und medizinische Dienste, ambulante Besuche, stationäre Aufnahme und Pflegehilfen und infolgedessen auch die direkten und indirekten Therapiekosten erhöhen [36].
Finanzielle Folgen von Durchbruchschmerzen
Der amerikanische Psychoonkologe Barry V. Fortner hat den Zusammenhang zwischen tumorbedingten Durchbruchschmerzen und der Nutzung medizinischer Ressourcen ebenfalls untersucht [18]. Dabei stellte er fest:
„Die finanzielle Belastung des Gesundheitssystems durch Patienten mit Tumordurchbruchschmerzen im Vergleich zu Patienten ohne solche Schmerzen ist ungleich höher ist hinsichtlich der Medikamentenkosten und der häufigeren Inanspruchnahme von Ärzten und vermehrter Diagnostik.“
Zusammenfassung
Tumordurchbruchschmerzen betreffen bis zu 90 % aller Patienten mit einer Krebserkrankung. Die Schmerzattacken treten spontan oder ereignisabhängig auf. Unbehandelt können Tumordurchbruchschmerzen zu physischen wie psychischen Problemen führen, die Lebensqualität beeinträchtigen und die Kosten erhöhen.
Zur BTcP-Behandlung werden schnell wirksame Fentanyle aufgrund ihrer hohen analgetischen Potenz und raschen Wirkeintritts bei relativ kurzer Wirkdauer empfohlen. Den schnellsten Wirkeintritt von nur 5 bis 10 Minuten zeigen Nasensprays, entweder als wässrige oder pektinhaltige Fentanyl-Lösung.
FAF können zu einer signifikanten Verbesserung der schmerzbedingten Beeinträchtigung und zu einer Reduktion von Angst und depressiven Symptomen führen. Gleichzeitig können medizinische Ressourcen eingespart werden.
Alle schnell wirksamen Fentanyle sind ausschließlich für den Einsatz bei tumorbedingtem Durchbruchschmerz indiziert.