Gesetzliche Grundlage für die Verordnung Cannabishaltiger Arzneimittel
Das am 10. März 2017 durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft getretene Gesetz zur „Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften” ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Verordnung cannabishaltiger Arzneimittel bei Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Durch den in § 31 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) neu eingefügten Absatz 6 haben Patienten „Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder m Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.” Rezepte über cannabishaltige Arzneimittel dürfen von Ärzten aller Fachrichtungen ausgestellt werden, mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzten. Bei der ersten Verordnung für einen Patienten bedarf es einer vor Beginn der Leistung zu erteilenden Genehmigung der Krankenkasse, die nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden darf. Auch in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Nabilon und Nabiximols fallen unter die oben genannten gesetzlichen Regelungen, soweit sie außerhalb der zugelassenen Indikation eingesetzt werden. Keine Verordnungsmöglichkeit im Rahmen des § 31 Abs. 6 SGB V besteht dahingegen für den Rezepturwirkstoff Cannabidiol (CBD) sowie für CBD-Fertigarzneimittel, zugelassen für bestimmte kindliche Epilepsieformen, außerhalb der zugelassenen Indikation. Hier muss vorab fallspezifisch ein Antrag auf Kostenübernahme der Cannabis-Therapie bei der Krankenkasse nach den allgemeinen Regelungen gestellt werden. Die Bestimmungen des § 31 Abs. 6 SGB V gelten nur für Arzneimittel mit den in der gesetzlichen Regelung aufgeführten Wirkstoffen, d. h. für cannabisbasierte Rezepturarzneimittel sowie für cannabisbasierte Fertigarzneimittel, sofern diese außerhalb der zugelassenen Indikation verordnet werden. Innerhalb der zugelassenen Indikation gelten die allgemeinen Vorschriften zur Abgabe von Fertigarzneimitteln. Die Relevanz cannabishaltiger Arzneimittel in der Versorgung schwerkranker Patienten zeigt sich in den seit der gesetzlichen Neuregelung stetig ansteigenden Verordnungszahlen zu Lasten der GKV.
Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer Cannabinoid-Therapie durch die GKV
Die Verordnung von Cannabinoiden zu Lasten der GKV ist möglich bei Patienten, die an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden. Welche Erkrankungen als „schwerwiegend” einzustufen sind, wird gemäß § 33 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) geregelt. Demzufolge gilt eine Krankheit dann als schwerwiegend, „[…] wenn sie lebensbedrohlich ist oder aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt ist.” Aber nicht für alle Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen kommt eine Cannabinoid-Therapie in Frage. So ist eine Therapie mit THC-haltigen Cannabis-Wirkstoffen kontraindiziert bei: Patienten mit einer Überempfindlichkeit/Allergie gegen den Wirkstoff, geplanter oder vorliegender Schwangerschaft sowie in der Stillzeit oder dem Bestehen einer psychiatrischen Erkrankung, wie Schizophrenie, Psychose oder einer bipolaren Störung. Für die Kostenübernahme einer Cannabinoid-Therapie durch die GKV sind des Weiteren die in § 31 Abs. 6 SGB V festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Demzufolge ist vor Beginn der Cannabinoid-Therapie abzuklären, inwieweit die allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht verfügbar oder im Einzelfall nicht anwendbar ist. Dies trifft zu, wenn Standardtherapien (auch nicht-medikamentöse) ohne ausreichende Wirksamkeit bereits durchgeführt oder vom Patienten nicht vertragen wurden. Eine Behandlungsalternative kann auch dann fehlen, wenn in der Fachinformation angegebene Warnhinweise oder Vorsichtsmaßnahmen gegen den Einsatz sprechen oder nach begründeter Einschätzung des Arztes und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht tolerierbare Nebenwirkungen zu erwarten sind. Treten bei einem Patienten Nebenwirkungen auf oder sind diese bereits aufgetreten, so sind in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte gemäß § 6 der Musterberufsordnung (MBO) verpflichtet, die ihnen aus ihrer ärztlichen Behandlungstätigkeit bekanntwerdenden unerwünschten Wirkungen von Arzneimitteln der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mitzuteilen. Wird dieser Meldepflicht nicht nachgekommen, so kann sich dies im Rahmen des Antragsverfahrens für die Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie negativ auswirken, sofern eine Nebenwirkung geltend gemacht wird, die zuvor nicht gemeldet wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Nebenwirkung handelt, die nicht bereits in der Fachinformation vermerkt ist. Grundsätzliche Voraussetzung für die Annahme, dass eine Standardtherapie im Sinne von § 31 Abs. 6 SGB V nicht zur Anwendung kommen kann, ist, dass aufgrund individueller Umstände der Eintritt konkret zu erwartender Nebenwirkungen aufgezeigt wird, die aufgrund der individuellen Abschätzung als unzumutbar anzunehmen sind. Dies gilt es bei der ärztlichen Stellungnahme für die Antragstellung zu berücksichtigen. Gleichzeitig sind Patienten gesetzlich nicht dazu verpflichtet, alle theoretisch denkbaren Therapiealternativen erdulden zu müssen, bevor der Antrag auf Kostenübernahme einer Cannabinoid-Therapie gestellt werden kann. Steht grundsätzlich keine Standardtherapie für die Behandlung des Patienten zur Verfügung, so bedarf es keiner Begründung, warum Therapiealternativen nicht durchgeführt werden. Um eine Cannabis-Verordnung gegenüber der GKV zu rechtfertigen, wird seitens § 31 Abs. 6 SGB V zuletzt die nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome gefordert. Für die Darlegung der Wirksamkeit der gewünschten Cannabinoid-Therapie muss jedoch kein Wirksamkeitsnachweis nach Maßstäben der evidenzbasierten Medizin erbracht werden. Ausreichend sind hier Empfehlungen von ärztlichen Fachgesellschaften oder Expertenkomitees, aber auch übertragbare publizierte Ergebnisse beispielsweise von klinischen Studien, Fallserien oder Einzelfallberichten.
Wer stellt den Antrag für die Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie bei der GKV?
Der Antrag auf Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie bei der GKV wird seitens des Patienten gestellt. Bei Vorlage einer Vollmacht ist die Antragstellung grundsätzlich auch durch einen Vertreter möglich. Zusätzlich ist ein 10 Fragen umfassender Arztfragebogen zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V seitens des behandelnden Arztes auszufüllen. Demnach ist zunächst anzugeben, inwieweit die Verordnung im Rahmen der genehmigten Versorgung nach § 37b SGB V (Spezialisierte ambulante Palliativversorgung, SAPV) erfolgt oder im unmittelbaren Anschluss an eine vorhergehende Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts. Im Falle einer SAPV sowie der Weiterführung einer im Krankenhaus begonnenen Cannabinoid-Therapie muss die GKV innerhalb von nur drei Tagen über den Antrag entscheiden. Zudem sind Fragen zu dem zu verordnenden Produkt, der zugrundeliegenden Erkrankung, dem Behandlungsziel sowie dem Schweregrad der Erkrankung zu beantworten. Hier kann es von Bedeutung sein, im Detail darzulegen, inwieweit die Lebensqualität des Patienten auf Dauer beeinträchtigt ist. Zusätzlich werden Fragen zu bestehenden Begleiterkrankungen und der jeweils aktuellen Medikationen unter Angabe von Wirkstoffen und Dosen sowie nicht-medikamentösen Behandlungen gestellt. Fragen 7 und 8 dienen der Abklärung alternativer Behandlungsmöglichkeiten. Unter Frage 7 ist darzulegen, welche Behandlungen bisher für das Therapieziel mit welchem Erfolg durchgeführt wurden. Hier gilt es zu begründen, warum diese Therapien nicht zielführend waren bzw. nicht mehr anwendbar sind, beispielsweise aufgrund mangelnder Wirksamkeit oder aufgetretener Nebenwirkungen. Frage 8 zielt auf die weiteren allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden alternativen Behandlungsoptionen für das Behandlungsziel ab und warum diese nicht zum Einsatz kommen können. Darzulegen sind hier die theoretischen Erwägungen, die einen Einsatz verhindern, wie zu erwartende Nebenwirkungen oder eine bestehende Kontraindikation. Unter Frage 9 ist seitens des Arztes Literatur zu benennen, die er seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Abschließend wird gefragt, ob die Therapie im Rahmen einer klinischen Prüfung erfolgt. In diesem Fall würden andere Regelungen zur Kostenübernahme greifen. Vor Antragstellung sollte aus praktischen Erwägungen mit der jeweiligen Krankenkasse abgeklärt werden, ob ein individuelles Antragsformular zur Verfügung steht.
Welche Bearbeitungsfristen gelten für die Krankenkasse?
Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber gemäß § 13 Abs. 3a SGB V eine Bearbeitungsfrist von drei Wochen für den Antrag auf Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie durch die Krankenkassen vor. Wird seitens der Krankenkasse der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in die Entscheidungsfindung einbezogen, verlängert sich die Frist auf fünf Wochen. Handelt es sich, wie bereits erwähnt, um eine Verordnung im Rahmen einer SAPV oder eine stationär begonnene Cannabinoid-Therapie, die ambulant fortgeführt werden soll, so beträgt die Bearbeitungsfrist lediglich drei Tage. Wird die entsprechende Frist seitens der Krankenkasse nicht eingehalten, gilt die Leistung als genehmigt (§ 13 Abs. 3a SGB V). Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ließ eine von dieser Fiktion der Genehmigung abweichende spätere Entscheidung der Krankenkasse nicht mehr zu, d. h. wenn einmal die Genehmigungsfiktion eingetreten war, durfte die Krankenkasse die Leistung nicht mehr ablehnen. Mit einer Rechtsprechung des BSG vom 26. Mai 2020 wurde diese Genehmigungsfiktion nun jedoch stark eingeschränkt, so dass der Versicherte nun lediglich einen vorläufigen Anspruch auf die Leistung bis zu einer anderslautenden Entscheidung der Krankenkasse hat.
Ausstellung eines BtM-Rezepts
Bei der Ausstellung eines Betäubungsmittel (BtM)-Rezepts sind neben den gewöhnlichen rechtlichen/vertraglichen Vereinbarungen auch BtM-rechtliche Vorgaben zu beachten. So müssen zum einen Angaben zum Patienten, der Krankenkasse sowie dem Ausstellungsdatum erfolgen (das BtM-Rezept ist nur 7 Tage nach der Rezeptaustellung gültig). Zudem ist die eindeutige Arzneimittelbezeichnung und – falls eine der folgenden Angaben dadurch nicht eindeutig bestimmt ist – jeweils zusätzlich die Bezeichnung sowie Gewichtsmenge des enthaltenen Betäubungsmittels je Packungseinheit (bei abgeteilten Zubereitungen je abgeteilter Form) und die Darreichungsform anzugeben. Bei der Verordnung von Cannabisblüten muss die Blütensorte auf dem Rezept festgelegt werden, da es zum Teil massive Unterschiede bei der Zusammensetzung der verschiedenen Sorten gibt. Des Weiteren ist auf jedem BtM-Rezept die Dosierung des verordneten Arzneimittels bzw. ab 01.11.2020 zumindest das Vorliegen einer schriftlichen Gebrauchsanweisung zu vermerken. Dosierungshinweise müssen unter Angabe der Einzel- und Tagesgaben erfolgen. Bei Überschreitung der Höchstverschreibungsmenge (Dronabinol: 500 mg, Cannabisextrakt [bezogen auf den THC-Gehalt]: 1.000 mg, Cannabis in Form von getrockneten Blüten: 100 000 mg) bzw. der maximalen Anzahl an Betäubungsmitteln innerhalb von 30 Tagen gemäß Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) muss zusätzlich eine Kennzeichnung mit dem Buchstaben „A” bei der Angabe der Menge erfolgen, wodurch eine Sonderregelung gekennzeichnet wird.
Wann ist ein Neuantrag zur Kostenübernahme bei der GKV erforderlich?
Ein Neuantrag auf Kostenübernahme der Cannabis-Therapie durch die GKV muss nur dann gestellt werden, wenn ein Wirkstoffwechsel erfolgen soll, d. h. wenn beispielsweise eine Genehmigung für die Kostenübernahme der Therapie mit Dronabinol vorliegt und ein Wechsel auf eine Therapie mit Cannabisextrakten oder -blüten geplant ist. Dahingegen ist kein neues Antragsverfahren erforderlich, sofern: lediglich eine Anpassung der Dosis, der Wechsel zu einer anderen getrockneten Blütensorte (sofern eine Genehmigung für Cannabisblüten vorliegt) oder der Wechsel zu einem anderen Extrakt in standardisierter Qualität (sofern eine Genehmigung für Cannabisextrakt vorliegt) erfolgen soll.
Begleiterhebung
Um weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis sowie den langfristigen Gebrauch zu medizinischen Zwecken gewinnen zu können, wird der Einsatz der Arzneimittel mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nicht-interventionellen Studie durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) begleitet. Die Teilnahme an dieser Begleiterhebung ist für Versicherte einer GKV verpflichtend, sofern dem Antrag auf Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie durch die GKV stattgegeben wurde. Die gemäß Cannabis-Begleiterhebungs-Verordnung (CanBV) nach § 31 Abs. 6 SGB V vom 23. März 2017 geforderten Daten, wie beispielsweise Alter und Geschlecht des Patienten, Diagnose gemäß Diagnoseschlüssel (ICD-10), Dauer der Erkrankung und Symptomatik, Angaben zu vorherigen Therapien, genaue Angaben zur verordneten Therapie (verschriebenes Medikament oder Darreichungsform, Dosierung, geplante Anwendungsdauer sowie Nebenwirkungen), werden dem BfArM seitens des behandelnden Arztes in anonymisierter Form online über ein entsprechendes Zugangsportal mittels elektronischem Erhebungsbogen (www. begleiterhebung.de) übermittelt. Der Patient ist zu Beginn der Cannabistherapie in einem persönlichen Gespräch auf diese gesetzlich vorgeschriebene Datenübermittlung hinzuweisen. Das BfArM stellt hierfür ein Informationsblatt zur Verfügung, in dem die im Rahmen der Begleiterhebung zu übermittelnden Daten und deren anonymisierte Übermittlung erläutert werden https://www.bfarm. de/SharedDocs/Downloads/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Infoblatt_Patien-ten.html. Der Erhebungsbogen ist dem BfArM ein Jahr nach Beginn der Therapie mit der durch die Krankenkasse genehmigten Leistung zu übermitteln oder bei vorzeitiger Beendigung der Therapie zum Zeitpunkt des Therapieendes. Der Wechsel zu einem anderen Cannabis-Wirkstoff gilt gemäß § 31 Abs. 6 SGB V als neue Therapie. In diesem Fall ist sowohl für die bisherige als auch für die neue Cannabis-Therapie eine Begleiterhebung durchzuführen.
Vergütung des administrativen Aufwands der Cannabinoid-Therapie
Der zusätzliche administrative Aufwand, der bei der Verordnung cannabis-basierter Arzneimittel zu Lasten der GKV entsteht, wird über drei Gebührenordnungspositionen (GOP) vergütet. Die Aufklärung des Patienten über die Datenerhebung, die ärztliche Stellungnahme im Rahmen der Antragstellung sowie die Datenerfassung und -übermittlung im Rahmen der Begleiterhebung können gemäß Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V über die GOP 01460 (28 Punkte/3,08 €), die GOP 01626 (143 Punkte/15,71 €) bzw. die GOP 01431 (92 Punkte/10,11 €) abgerechnet werden.
Praxistipp – Übergang von der stationären zur ambulanten Patientenversorgung
Wird der Patient im Rahmen eines stationären Aufenthalts erstmals auf eine Cannabinoid-Therapie eingestellt, so empfiehlt sich trotz der verkürzten Bearbeitungsfrist der Krankenkasse von drei Tagen die Antragstellung bei der Krankenkasse noch während des Krankenhausaufenthaltes, um eine nahtlose ambulante Weiterversorgung des Patienten sicherzustellen.
Wirtschaftlichkeit der Verordnung
Um eine strukturierte Vorgehensweise der Krankenkassen und eine einheitliche Begutachtung der Antragsverfahren bei der Krankenkasse zu gewährleisten, wurde seitens des MDK in Zusammenarbeit mit dem GKV-Spitzenverband eine sog. Begutachtungsanleitung nach § 31 Abs. 6 SGB V erstellt. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Krankenkasse bereits im Rahmen der Genehmigung auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung mit einem konkret benannten Arzneimittel prüfen sollte. Eine Genehmigung seitens der Krankenkasse sollte nicht erfolgen, wenn die Wahl des teureren Arzneimittels nicht oder nicht ausreichend begründet wurde. Diese Regelung entbindet den behandelnden Arzt jedoch nicht von seiner Verpflichtung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verordnung im Einzelfall. So müssen Leistungen der GKV gemäß Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich” sein. Die Frage der Wirtschaftlichkeit stellt sich jedoch nur, wenn Therapieoptionen medizinisch gleichwertig sind. Ist im Einzelfall ein teureres Cannabis-Arzneimittel medizinisch erforderlich, so können Kostenaspekte keine Berücksichtigung finden. Beispielsweise können Schmerzspitzen die Behandlung mit einem schnell anflutenden Wirkstoff erfordern, so dass inhalative Applikationsformen erforderlich sind. Tropfen- oder Kapselzubereitungen sind gegebenenfalls kostengünstiger, wirken aber nicht schnell genug.
Häufigste Ablehnungsgründe
Der häufigste Grund für die Ablehnung eines Antrages auf Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie durch die Krankenkasse sind nicht ausgeschöpfte Standardtherapien. So werden einer Auswertung aus dem Jahr 2018 zufolge etwa ein Drittel aller Anträge (zunächst) abgelehnt, wobei in zwei Drittel der Ablehnungsbescheide auf bestehende Therapiealternativen verwiesen wird
Was ist bei der begründeten Einschätzung zu beachten?
Bei der ärztlichen Stellungnahme im Rahmen der Antragstellung ist daher insbesondere individuell auf die persönlichen Verhältnisse des Patienten einzugehen und zu begründen, weshalb Standardtherapien ausgeschöpft sind bzw. nicht angewendet werden können. Zum Nachweis der Verordnungsvoraussetzungen reicht einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen zufolge dabei ein Bericht aus, in dem sich der behandelnde Arzt mit den persönlichen Verhältnissen des Versicherten ausführlich auseinandergesetzt, die bisherigen Therapieversuche einschließlich der zu erwartenden und der jeweils eingetretenen Nebenwirkungen darstellt und diese Erkenntnisse dezidiert und differenziert mit den Vor- und Nachteilen der beantragten Therapie abwägt. „Die Krankenkasse hat nur zu prüfen, ob es sich um eine begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes handelt, nicht aber, ob diese nach ihrer Auffassung im Einzelfall zutrifft.”
Was tun bei Antragsablehnung?
Wird der Antrag auf Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie abgelehnt, hat der Patient einen Monat Zeit, sich mit einem Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung zu wehren und im Rahmen der Widerspruchsbegründung darzulegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, so kann wiederum innerhalb eines Monats Klage vor dem zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. In dringenden Fällen kann bereits nach der Antragsablehnung durch die Krankenkasse eine einstweilige Anordnung wegen Dringlichkeit beim Sozialgericht beantragt werden. So kann die Krankenkasse vorübergehend zu einer Kostenübernahme verpflichtet werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind. Lehnt das Sozialgericht die Kostenübernahme ab, kann dagegen im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vor dem Landessozialgericht vorgegangen werden. Grundsätzlich ist es nicht möglich, in einem Klageverfahren nachträgliche Argumente geltend zu machen. Wird also im Rahmen des Antragsverfahrens sowie des Widerspruchs gegen die Ablehnung nicht ausreichend begründet, warum z. B. eine alternative Standardtherapie nicht durchgeführt werden kann, so werden nachträgliche Argumente im Klageverfahren nicht weiter berücksichtigt.
Verordnung für Privatpatienten
Anders als in der GKV gibt es für Patienten in der privaten Krankenversicherung (PKV) keinen Genehmigungsvorbehalt für cannabishaltige Arzneimittel. Die Leistungen der PKV können jedoch vertraglich unterschiedlich geregelt sein, so dass die Kostenübernahme mit der jeweiligen PKV vor Beginn der Behandlung abgeklärt werden sollte. Zudem lehnen sich viele private Krankenversicherungen an das Antragsverfahren der GKV an. Die Teilnahme an einer Begleiterhebung, wie sie für gesetzlich versicherte Patienten vorgeschrieben ist, ist für Privatpatienten nicht vorgesehen.
Medizinisches Cannabis im Straßenverkehr
Gemäß Straßenverkehrsgesetz (STVG) § 24a Abs. 2 ist das Führen von Kraftfahrzeugen unter Wirkung eines berauschenden Mittels im Straßenverkehr grundsätzlich untersagt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn die Substanz im Blut nachgewiesen wird. Eine Ausnahme liegt vor, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittel herrührt. Dem Patienten ist daher anzuraten, als Nachweis dafür, dass die bestimmungsgemäße Einnahme eines ärztlich verschriebenen Arzneimittels vorliegt den Arztbrief oder die Kopie des BtM-Rezepts im Straßenverkehr mitzuführen. Grundsätzlich sollte seitens des behandelnden Arztes eine Aufklärung des Patienten erfolgen, dass insbesondere während der Titrationsphase und bei Dosisänderungen Beeinträchtigungen möglich sind, die Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben können. In diesen Situationen ist aus ärztlicher Sicht von der Teilnahme am Straßenverkehr abzuraten. Bei auffälliger Fahrweise bzw. Ausfallerscheinungen drohen strafrechtliche und führerscheinrechtliche Konsequenzen. Unabhängig davon muss der Patient vor jedem Fahrtantritt selbst beurteilen, ob er in der Lage ist, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.
Fazit
Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen können bei ihrer GKV einen Antrag auf Kostenübernahme der Cannabinoid-Therapie stellen. Aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen ist bei der ärztlichen Stellungnahme im Rahmen der Antragstellung insbesondere individuell auf die persönlichen Verhältnisse des Patienten einzugehen und plausibel zu begründen, warum Therapiealternativen nicht zur Anwendung kommen können. So handelt es sich hierbei insbesondere um bereits eingetretene oder konkret zu erwartende Nebenwirkungen, die aufgrund der individuellen Abschätzung als unzumutbar anzunehmen sind. Im Falle einer Antragsablehnung kann innerhalb der gesetzlichen Fristen Widerspruch eingelegt werden, und das Vorliegen der im Antragsverfahren seitens der Krankenkasse beanstandeten Genehmigungsvoraussetzungen näher erläutert werden. Häufigster Ablehnungsgrund der Kostenübernahme durch die GKV sind nicht ausgeschöpfte Standardtherapien. Bei Zurückweisung des Widerspruchs durch die Krankenkasse kann eine Klage vor dem zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. In dringenden Fällen kann bereits nach der Antragsablehnung bei der Krankenkasse eine einstweilige Anordnung beim Sozialgericht beantragt und die Krankenkasse so vorübergehend zu einer Kostenübernahme verpflichtet werden.
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