Optimierung der COPD-Diagnose – Perspektiven aus Pneumologie und Allgemeinmedizin

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine weitverbreitete fortschreitende Erkrankung, die häufig unterschätzt und unter- bzw. fehldiagnostiziert wird [1–4]. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der COPD ist wichtig, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität zu erhalten.

In diesem ersten Teil unserer Fortbildungsreihe erfahren Sie neben aktuellen Daten zur Verbreitung und Krankheitslast der COPD in Deutschland neue Erkenntnisse zu den pathophysiologischen Hintergründen dieser Erkrankung. Dabei kommen auch praktische Hinweise nicht zu kurz, z. B. zum diagnostischen Vorgehen und zur interdisziplinären Zusammenarbeit.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123054310017
Zeitraum 12.05.2023 - 11.05.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Frederik Trinkmann
Dr. med. Petra Sandow
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner AstraZeneca GmbH
Bewertung 4.4 (1614)

Häufigkeit und Krankheitslast der COPD in Deutschland

In Deutschland sind 3,4 Millionen Menschen an COPD erkrankt, wie aktuelle Hochrechnungen des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WidO) ergeben. Dies entspricht einer Prävalenz von 7,1 % in der Bevölkerung ab 40 Jahren. Zur besseren Einordnung: Die Prävalenz der KHK liegt bei 8,3 % der Erwachsenen ab 30 Jahren und der Anteil an Typ-2-Diabetikern in der Bevölkerung bei 8,6 %. Damit gehört die COPD zu den am meisten verbreiteten chronischen Krankheiten – mit steigender Tendenz. Schätzungen gehen von einer Verdoppelung der COPD-Patienten in Deutschland bis zum Jahr 2050 aus. COPD tritt vor allem bei älteren Menschen auf. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz stark an, was mit der altersbedingten Abnahme der Lungenfunktion zusammenhängt. Die COPD geht mit einer im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohen Krankheitslast einher. Das Robert Koch-Institut hat aktuell für die COPD 1004 DALY* pro 100.000 Einwohner pro Jahr errechnet. Damit steht die COPD an fünfter Stelle der Krankheitslastursachen und auf Platz 4 der häufigsten Todesursachen – nach ischämischen Herzerkrankungen, Schlaganfall und Lungenkrebs und noch vor Diabetes mellitus. Darüber hinaus stellt die COPD eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für den Einzelnen und die Gesellschaft dar, da sie zu Arbeitsausfällen, Frühverrentung und Invaliditätsrenten führt.

COPD ist eine Multiorganerkrankung

Früher wurde die COPD als eine durch Rauchen ausgelöste Krankheit der Lunge betrachtet. Heute weiß man, dass die COPD über die Lunge hinaus verschiedene Organsysteme betrifft und neben Rauchen auch andere Ursachen haben kann. Zu diesen nicht pulmonalen Manifestationen gehören kardio- und zerebrovaskuläre, onkologische, muskuloskelettale, hämatologische, psychologische und endokrine Auswirkungen. Ein erheblicher Teil der COPD-bedingten Morbidität ist auf nicht pulmonale Manifestationen zurückzuführen. Insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen verschlechtern die Prognose der COPD, da sie an der Entstehung von Exazerbationen beteiligt sind und umgekehrt. Exazerbationen sind gekennzeichnet durch verstärkte Dyspnoe und/oder Husten und Auswurf, die sich innerhalb von <14 Tagen verschlimmern und mit Tachypnoe und/oder Tachykardie einhergehen können. Tatsächlich sterben die meisten Patienten mit leichter bis moderater COPD an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nicht an respiratorischem Versagen. Den Komorbiditäten liegen wahrscheinlich gemeinsame Risikofaktoren zugrunde, u. a. Rauchen, mangelhafte Ernährung und körperliche Inaktivität sowie gemeinsame Mechanismen wie oxidativer Stress und systemische Entzündungen.

Die Inflammation als pathophysiologisches Bindeglied

Die COPD ist eine chronisch entzündliche Krankheit. Sie ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Anzahl von Entzündungszellen in den peripheren Atemwegen, im Lungenparenchym und in den Lungengefäßen, die zusammen mit Epithelzellen und anderen Strukturzellen Entzündungsmediatoren freisetzen. Darüber werden weitere Entzündungszellen aus dem Blutkreislauf angelockt, die den Entzündungsprozess verstärken und strukturelle Veränderungen hervorrufen. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Inflammation in der Lunge zu einem „Spillover“ in den Blutkreislauf führt und eine systemische Entzündung verursacht. Möglicherweise ist es aber auch umgekehrt, das heißt, die systemische und nicht die bronchiale Entzündung könnte für die Entstehung sowohl der COPD als auch der komorbiden Erkrankungen verantwortlich sein. Eine systemische Entzündung wird definiert als ein zwei- bis vierfacher Anstieg der zirkulierenden Spiegel von pro- und antiinflammatorischen Zytokinen, z. B. IL-1β, IL-6 und TNF-α, natürlich vorkommenden Zytokinantagonisten und Akutphaseproteinen, z. B. CRP und Serumamyloid A. Die systemische Entzündung kann zu Muskelschwäche und Kachexie beitragen. Komorbiditäten wie koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Osteoporose, Diabetes, normozytäre Anämie und Depression sind ebenfalls mit einer systemischen Entzündung assoziiert.

Viele COPD-Patienten sind multimorbid

Wer unter zwei und mehr chronischen Erkrankungen leidet, wird als multimorbid bezeichnet. Um die Multimorbidität von COPD-Patienten näher zu untersuchen, wurden die Daten einer Stichprobe von 213 Patienten (40 bis 80 Jahre) analysiert, die an der niederländischen CIRO-Komorbiditätsstudie teilgenommen hatten. Insgesamt stellten die Forscher 13 verschiedene Komorbiditäten fest; die häufigsten waren Hyperglykämie, Atherosklerose, Hypertonie, Dyslipidämie, Osteoporose und Muskelschwund. Anhand vordefinierter, international anerkannter Grenzwerte wurden diese Komorbiditäten in der gut charakterisierten Stichprobe diagnostiziert. Es zeigte sich, dass fast alle Patienten (97,7 %) eine oder mehrere Komorbiditäten hatten; mehr als die Hälfte hatte mindestens vier. Komorbiditäten können bei allen Schweregraden der COPD auftreten und führen zu einem Anstieg der Krankenhausaufenthalte und der Mortalität. Die Begleiterkrankungen werden jedoch häufig falsch oder gar nicht diagnostiziert und bleiben daher oft unbehandelt. Besteht der Verdacht auf eine Begleiterkrankung – und nahezu alle an COPD Erkrankten haben Komorbiditäten –, sollte frühzeitig eine Überweisung zu einem spezialisierten Fachgebiet in Erwägung gezogen werden.

Kardiovaskuläre Erkrankungen bei jedem zweiten COPD-Patienten

Eine Analyse des nationalen prospektiven COPD-Registers in Deutschland (DACCORD-Studie), in die 5924 COPD-Patienten (≥40 Jahre) einbezogen wurden, ergab bei jedem Zweiten (51,9 %) eine kardiovaskuläre Erkrankung. Die Nationale VersorgungsLeitlinie und der DMP COPD Qualitätsbericht weisen nach-folgende kardiovaskulären Begleiterkrankungen als besonders häufig aus:
  • Arterielle Hypertonie
  • Koronare Herzerkrankung mit und ohne stattgehabten Myokardinfarkt
  • Herzrhythmusstörungen
  • Herzinsuffizienz
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Herz-Kreislauf-Erkrankungen können zu verminderter körperlicher Aktivität, Gewichtszunahme und verringerter Lungenfunktion führen und auf diese Weise die COPD verschlimmern und die Symptome verstärken.

Aktuelle Definition der COPD und Leitsymptome

Dass es sich bei der COPD um eine sehr heterogene Erkrankung handelt, spiegelt sich auch in der aktualisierten Definition der COPD im Report der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) 2023 wider. Demnach ist die COPD „eine heterogene Lungenerkrankung, die gekennzeichnet ist durch chronische Atemwegssymptome (Dyspnoe, Husten, Auswurf und/oder Exazerbationen) aufgrund von Anomalien der Atemwege (Bronchitis, Bronchiolitis) und/oder der Lungenbläschen (Emphysem), was eine anhaltende, oft fortschreitende Behinderung des Luftstroms verursacht“. Die Leitsymptome sind Atemnot (Dyspnoe), Husten, Auswurf – auch bekannt als „AHA-Kriterien“ – und/oder Exazerbationen. Chronische Dyspnoe ist das charakteristischste Symptom der COPD. Husten mit Auswurf ist bei bis zu 30 % der Patienten vorhanden. Diese Symptome können von Tag zu Tag variieren und der Entwicklung einer Atemwegsobstruktion viele Jahre vorausgehen. Eine Atemwegsobstruktion kann jedoch auch ohne chronische Dyspnoe und/oder Husten und Auswurf auftreten und umgekehrt. Dabei kommt Exazerbationen, Perioden akuter Verschlechterungen der Symptome wie Dyspnoe, Husten und Auswurf von <14 Tagen eine besondere Relevanz zu. Details hierzu werden in einer gesonderten Ausgabe dieser CME-Reihe diskutiert.

COPD wird häufig lange nicht erkannt – mögliche Gründe

In vielen Fällen wird die Diagnose COPD erst gestellt, wenn Patienten wegen einer Exazerbation ärztliche Hilfe suchen. Studien deuten darauf hin, dass etwa 70 % der Fälle von persistierender Atemwegsobstruktion nicht diagnostiziert werden, u. a.
  • weil Erkrankte in einem frühen Erkrankungsstadium klinisch weitgehend asymptomatisch sein können,
  • weil bestimmte Gruppen, z. B. junge Menschen, aktuell nicht oder nie rauchende Personen und Personen mit leichten Symptomen, nicht ausreichend sensibilisiert sind,
  • weil mögliche Symptome bagatellisiert und als normaler Alterungsprozess fehlgedeutet werden,
  • weil Patienten mit einer klinischen Symptomatik funktionell noch normale Werte aufweisen,
  • weil die Spirometrie zu wenig genutzt oder falsch interpretiert wird,
  • weil die Spirometrie allein zur Diagnostik der COPD nicht ausreicht und
  • weil die Symptome, z. B. Dyspnoe, unspezifisch sind.

Dyspnoe – differenzialdiagnostisch eine Herausforderung

Patienten mit chronischer Dyspnoe, dem Kardinalsymptom der COPD, sind in der Hausarztpraxis häufig anzutreffen. Bei einer Befragung in 126 Allgemeinpraxen mit mehr als 4000 Patienten bejahte jeder vierte Patient die Frage nach dem Symptom „Atemnot beim Treppensteigen“, und jeder zehnte gab „Luftnot beim Gehen in der Ebene“ an. In den meisten Fällen sind pulmonale und/oder kardiale Erkrankungen ursächlich. Diese reichen von meist einfachen ungefährlichen und selbstlimitierenden bis hin zu akut lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Lungenembolie oder akuter Myokardinfarkt, die eine umgehende medizinische Intervention erforderlich machen. In 85 % der Fälle liegen der chronischen Dyspnoe ein Asthma bronchiale, COPD, Herzinsuffizienz sowie eine Kombination aus Übergewicht und Dekonditionierung zugrunde. Eine der größten Schwierigkeiten in der Diagnostik der Dyspnoe ist deren subjektive Wahrnehmung und Schilderung. COPD-Betroffene beschreiben ihre Dyspnoe in der Regel als ein Gefühl erhöhter Anstrengung beim Atmen, als ein Schweregefühl in der Brust, als Lufthunger oder Keuchen. Darüber hinaus kann gerade bei älteren, multimorbiden Patienten mehr als eine Erkrankung der Dyspnoesymptomatik zugrunde liegen, was die Diagnostik weiter erschweren kann.

Begleitsymptome, die in der Differenzialdiagnose richtungweisend sein können

Neben einer gründlichen Anamnese, in der Risikofaktoren, Expositionen und Vorerkrankungen abgefragt werden, ist die körperliche Untersuchung unerlässlich. Dadurch können die Differenzialdiagnosen zumindest eingrenzt werden. Auch die Atmung selbst kann Rückschlüsse auf eine zugrunde liegende Erkrankung zulassen. Während rasche und flache Atemzüge aufgrund der verminderten Lungen-Compliance auf interstitielle Lungenerkrankungen hinweisen, sind tiefe und langsame Atemzüge eher bei Patienten mit COPD zu beobachten. Giemen kann ein Hinweis auf COPD oder Asthma bronchiale sein, ggf. auch auf eine akut dekompensierte Herzschwäche („acute decompensated heart failure“, ADHF). Rasselgeräusche deuten auf eine Linksherzinsuffizienz oder eine interstitielle Lungenerkrankung hin oder, wenn gleichzeitig Anzeichen für eine Konsolidierung vorliegen, auf eine Pneumonie. Der Einsatz der Atemhilfsmuskulatur kann auf schweres Asthma, fortschreitende COPD oder auch akutes Lungenversagen („acute respiratory distress syndrome“, ARDS) hindeuten.

Abgrenzung COPD–Asthma

Die wichtigste, aber auch schwierigste Differenzialdiagnose der COPD ist das Asthma bronchiale. Wie bei der COPD liegt auch dem Asthma eine chronische Entzündung der Atemwege zugrunde. Charakteristische Symptome, die zeitlich und in ihrer Intensität variieren können, sind Atemnot, Giemen, Brustenge, Husten sowie eine bronchiale Hyperreagibilität. Ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium ist die Reversibilität der Obstruktion. Die Leitlinien empfehlen daher zunächst einen Reversibilitätstest mit kurz wirksamen Sympathomimetika (SABA). Je größer die Reversibilität, umso wahrscheinlicher ist die Diagnose Asthma. Eine COPD kann nach gegenwärtiger Lehrmeinung dabei nur bei vollständiger Normalisierung der Obstruktion ausgeschlossen werden. Bei etwa 27 % der COPD-Patienten treten klinische Merkmale beider Erkrankungen auf. Eine Unterscheidung ist jedoch wichtig, da sich die Behandlung für Asthma und COPD grundlegend unterscheidet. Daher sollten Patienten mit unklarer Diagnose zu weiterführenden Untersuchungen an Pneumologen überwiesen werden, wo weitere hilfreiche differenzialdiagnostische Tools eingesetzt werden können, z. B. Messung der Diffusionskapazität („Transferfaktor“) und fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid (FeNO).

Auch Nichtraucher können an COPD erkranken

COPD auf eine „selbst verschuldete Raucherkrankheit“ zu reduzieren, wird der heterogenen Ätiologie nicht gerecht. Denn auch Passiv- und Nichtraucher können an COPD erkranken: Etwa die Hälfte aller COPD-Fälle weltweit ist auf nicht tabakbedingte Risikofaktoren zurückzuführen. Zu diesen gehören die Rauchbelastung im Haushalt durch Holz- und Kohleöfen, die Luftverschmutzung im Freien, eine arbeitsplatzbedingte Exposition gegenüber Stäuben und Dämpfen, umweltbedingter Tabakrauch (Passivrauchen), eine Lungentuberkulose in der Vorgeschichte, rezidivierende Atemwegsinfektionen, eine bronchiale Hyperreaktivität (Asthma) sowie ein niedriger sozioökonomischer Status. Zu den häufig übersehenen Risikofaktoren gehört die genetische Prädisposition. Die wichtigsten, wenn auch seltenen, bisher identifizierten genetischen COPD-Risikofaktoren sind Mutationen im SERPINA1-Gen, die zu einem Alpha-1-Antitrypsinmangel führen. Eine Beeinträchtigung des Lungenwachstums, die durch intrauterine und frühkindliche Einwirkungen verursacht wird, ist ebenfalls mit einem erhöhten COPD-Risiko assoziiert. Frauen sind von den nicht tabakbedingten Risikofaktoren überproportional häufig betroffen. Eine mögliche Erklärung liefert eine US-amerikanische Studie: Offenbar haben die Betroffenen erheblich engere Atemwege im Vergleich zu ihrem Lungenvolumen als Nichtraucherinnen, die keine COPD bekommen. Und: Die meisten Frauen sind anlagebedingt mit einem tendenziell engeren Bronchialsystem im Vergleich zu Männern ausgestattet.

Mit Abstand der größte Risikofaktor: Tabakrauchen

Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD ist das Tabakrauchen. Es erhöht das Risiko, eine COPD zu entwickeln auf das 13-Fache im Vergleich zu Nierauchen. Nicht nur Zigarettentabak, auch andere Tabakarten, z. B. Pfeife, Zigarre, Wasserpfeife und Marihuana, stellen ebenfalls Risikofaktoren für COPD dar. Der Konsum von E-Zigaretten bei Nietabakrauchern verdoppelt oder verdreifacht das Risiko einer COPD, eines Emphysems oder einer chronischen Bronchitis. Auch wenn Raucher herkömmliche Zigaretten mit dem Konsum von E-Zigaretten kombinieren, verdoppelt sich ihr COPD-Risiko. Dass dennoch der Umstieg von konventionellen Zigaretten auf E-Zigaretten für manche COPD-erkrankte Raucher sinnvoll sein kann, hat eine kleine Studie mit 39 Personen gezeigt: Den E-Zigarettenanwendern gelang es besser, das Tabakrauchen einzuschränken oder ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Zudem ging im fünfjährigen Beobachtungszeitraum die Zahl der COPD-Exazerbationen zurück; die Lungenfunktion und Krankheitssymptome verbesserten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe. In der aktuellen S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ wird aufgrund der unsicheren Studienlage der Einsatz von E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung nicht empfohlen. Eine relevante Verbesserung der COPD kann nur mit totaler Abstinenz erreicht werden. Deshalb soll rauchenden Patienten mit COPD dringend die vollständige und dauerhafte Abstinenz empfohlen werden.

Stellenwert der Spirometrie in der COPD-Diagnostik

Laut GOLD-Report 2023 und aktueller NVL sollen alle Patienten mit Verdacht auf COPD eine Spirometrie erhalten. Hinsichtlich der spirometrischen Auswertung weichen die Empfehlungen der beiden Leitlinien jedoch voneinander ab. Der GOLD-Report legt als vereinfachtes diagnostisches Kriterium einen festen FEV1/FVC-Grenzwert <70% nach Bronchodilatation fest – und berücksichtigt dabei nicht den Alterungseffekt: Sowohl FEV1 als auch FVC nehmen mit dem Alter ab, FEV1 jedoch schneller, sodass der starre diagnostische Grenzwert bei jüngeren Personen zu einer Unterdiagnose und bei älteren zu einer Überdiagnose der COPD führen kann. Gemäß NVL sollen daher für die Diagnose der COPD die GLI-Referenzwerte herangezogen werden, wodurch u. a. Alter und Geschlecht der Patienten berücksichtigt werden. Darüber hinaus können verschiedene Phänotypen der COPD einen unterschiedlichen natürlichen Verlauf haben. Zudem werden FEV1 und FVC auch durch Herkunft, Raucherstatus und Ausprägung der Obstruktion im Tagesverlauf beeinflusst, was die Bestätigung der Diagnose im Frühstadium erschwert. Daher ist eine einzelne Lungenfunktionsprüfung als Früherkennungsmaßnahme unzureichend.

Grenzen der Spirometrie bei der COPD-Früherkennung

Respiratorische Symptome und strukturelle Veränderungen in der Lunge stimmen häufig nicht mit dem spirometrischen Befund überein. So berichten symptomatische Raucher über Einschränkungen von Aktivitäten und Lebensqualität, über Medikamentengebrauch und sogar Exazerbationen, selbst wenn noch keine Obstruktion nachweisbar ist. Wie eine Kommission aus 29 internationalen COPD-Spezialisten in einem Positionspapier feststellt, ist die Spirometrie ein schlechter Prädiktor für die Symptome, die körperliche Leistungsfähigkeit und die allgemeine Lebensqualität und erfasst nicht die Heterogenität der Krankheit. Die Experten beklagen, dass der Lungenfunktionstest nur fortgeschrittene und damit irreversible Krankheitsstadien erkennt. Für frühe pathologische Veränderungen sei die Spirometrie nicht sensitiv genug und daher allein nicht ausreichend, um eine frühe COPD zu erkennen.

Spirometrie auch für Asymptomatische oder Gesunde?

Eine Screeningspirometrie wird nur für Patienten mit COPD-Risikofaktoren und Symptomen empfohlen, nicht aber für asymptomatische Personen mit COPD-Risikofaktoren. Jedoch kann es sinnvoll sein, „asymptomatische“ Patienten zu Symptomen, körperlicher Aktivität, möglichen geringfügigen Exazerbationen und früheren persönlichen und familiären Lungenerkrankungen zu befragen. Denn von sich aus sprechen viele Personen mit erhöhtem COPD-Risiko das Thema nicht an. Insbesondere Raucher neigen dazu, Beschwerden wie Kurzatmigkeit und Husten zu bagatellisieren oder den Arztbesuch aus Schamgefühl an der angeblich „selbst verschuldeten“ Erkrankung zu vermeiden. Andere schränken ihre Aktivitäten ein, um die Symptome zu minimieren, oder halten sie für eine natürliche Alterserscheinung. Insofern können Informationen und Fragebögen, die im Wartezimmer der Hausarztpraxis ausliegen, ein niedrigschwelliges Angebot zum Gespräch über COPD sein.

Fragebögen als COPD-Screeningverfahren in der Hausarztpraxis

Symptombasierte Fragebögen, die Faktoren wie die Raucheranamnese und mit COPD assoziierte Symptome erfassen, können als Screeninginstrument hilfreich sein, um diejenigen Patienten zu identifizieren, bei denen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Atemwegsobstruktion besteht und die wahrscheinlich von einer Spirometrie profitieren würden. Folgende standardisierte Fragebögen können zur strukturierten Erfassung der Symptome eingesetzt werden:
  • Modified Medical Research Council (mMRC) Dyspnoea Score
  • COPD Assessment Test (CAT)
  • Clinical COPD Questionnaire (CCQ)
Mit dem aus nur fünf Fragen bestehenden mMRC Dyspnoea Score kann rasch der Schweregrad der Belastungsdyspnoe auf einer Skala von 0 bis 4 ermittelt werden. Mit dem CAT lassen sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Symptombelastung der Patienten bewerten und quantifizieren. Der Test umfasst acht Fragen, die jeweils anhand einer 6-Punkte-Skala (0 bis 5) beantwortet werden können. Bei der Deutschen Atemwegsliga findet sich ein Link zum CAT-Fragebogen. Mit dem CCQ können die Auswirkungen der COPD auf das tägliche Leben der Patienten bewertet werden. Er besteht aus zehn Fragen, die in drei Kategorien unterteilt sind: Symptome, Funktionseinschränkungen und emotionale Auswirkungen. Der CCQ kann über die Website https://ccq.nl kostenfrei in 60 verschiedenen Sprachen, einschließlich Deutsch, heruntergeladen werden. Da sich die Fragebögen auf verschiedene Patientengruppen beziehen bzw. auf unterschiedliche Symptome in unterschiedlicher Ausprägung fokussieren, wird in der NVL keine Empfehlung für einen bestimmten Test ausgesprochen. Die Fragebögen können den Patienten vor dem Gespräch ausgehändigt und im Wartezimmer – d. h. ohne zusätzlichen ärztlichen Zeitaufwand – innerhalb weniger Minuten ausgefüllt werden.

Weitere diagnostische Verfahren

Als Ergänzung zur Spirometrie sollen Ganzkörperplethysmografie (GKP), Blutgasanalyse (BGA), Transferfaktor für Kohlenmonoxid („transfer factor of the lung for carbon monoxide“, TLCO, früher „Diffusionskapazität“), Bildgebung (insbesondere quantitative Computertomografie) und standardisierte Belastungstests zur weiteren Charakterisierung der COPD in Betracht gezogen werden. Die GKP kann u. a. dazu beitragen, andere Lungenerkrankungen, die ähnliche Symptome wie COPD aufweisen können, wie z. B. Asthma, auszuschließen oder zu identifizieren. Die Blutgasanalyse kann Auskunft über den Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck im Blut geben. Bei ausgeprägter Belastungsdyspnoe und relativ geringer Beeinträchtigung der spirometrisch gemessenen Volumina kann die Messung der TLCO weiterhelfen. Die Ruheuntersuchungen können ergänzt werden durch Belastungstests, z. B. den 6-Minuten-Gehtest und die Spiroergometrie.

Bildgebende Diagnostik

Die bildgebende Diagnostik spielt in der Früherkennung der COPD bislang eine begrenzte Rolle, ist jedoch für den Ausschluss von Differenzialdiagnosen von erheblicher Bedeutung. Gemäß COPD-Leitlinie sollte eine CT erst nach Ausschöpfen der Basisdiagnostik einschließlich GKP und TLCO die weitere Abklärung ergänzen. Wachsende Bedeutung kommt insbesondere auch der quantitativen Bildanalyse (qCT) zu, während strahlenhygienische Aspekte vor dem Hintergrund technischer Entwicklungen zunehmend in den Hintergrund treten. Asymptomatische Risikopersonen für ein Lungenkarzinom profitieren von einem strukturierten Lungenkarzinomfrüherkennungsprogramm mittels jährlicher Niedrigdosiscomputertomografie (CT).

Interdisziplinäre Zusammenarbeit – für eine bestmögliche Diagnostik und Therapie der COPD

Bei Verdacht auf COPD und unklarer Spirometrie – insbesondere zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung zum Asthma bronchiale – sollten Hausärzte ihre Patienten an eine lungenfachärztliche Praxis überweisen. Falls Begleiterkrankungen vorliegen oder neu auftreten, sollte die Indikation zur Überweisung zu einem spezialisierten Fachgebiet geprüft werden. Besteht ein Verdacht auf Herzinsuffizienz als Komorbidität, kann diese zunächst in der Hausarztpraxis durch Labordiagnostik und 12-Kanal-Ruhe-EKG abgeklärt werden. Gegebenenfalls sollte zur Echokardiografe bzw. zur differenzialdiagnostischen Abklärung zum Kardiologen überwiesen werden. Für eine bestmögliche Betreuung der Patienten sollten die Fachkollegen möglichst frühzeitig in die Diagnostik einbezogen werden. Bei der Überweisung sollten relevante Informationen wie eine Verdachtsdiagnose, Vorbefunde, z. B. EKG oder labordiagnostische Parameter, sowie der Medikamentenplan übermittelt werden. Idealerweise ist ein direkter Austausch zwischen den behandelnden Ärzten möglich, z. B. über eine dafür eingerichtete Telefonnummer oder über ein kurzes digitales Konsil. Die Langzeitbetreuung der COPD-Patienten und deren Dokumentation sollte in der Regel durch den Hausarzt oder die Hausärztin erfolgen. Aufgrund fehlender Versorgungsstrukturen können auch Pneumologen die koordinierenden Ärzte sein.

Fazit

Die COPD ist nicht nur eine durch Rauchen ausgelöste Krankheit der Lunge, sondern betrifft verschiedene Organsysteme. Sie wird durch eine chronisch entzündliche Reaktion im Körper verursacht, was zu einer systemischen Entzündung und einer erhöhten Anfälligkeit für Komorbiditäten führt. Die meisten COPD-Patienten leiden an mehreren Begleiterkrankungen, die oft unbehandelt bleiben und zu einem Anstieg der Krankenhausaufenthalte und der Mortalität führen können. Daher sind eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von Komorbiditäten wichtig. Die Spirometrie allein reicht nicht aus, um eine frühe COPD zu erkennen. Für die Diagnose COPD ist eine Kombination von Risikofaktoren, Symptomen und Spirometrie erforderlich, wobei die aktuellen Leitlinien die Verwendung von GLI-Referenzwerten empfehlen, um das Risiko von Über- und Unterdiagnosen zu reduzieren. Symptombasierte Fragebögen wie mMRC, CAT und CCQ können als Screeninginstrument in der Hausarztpraxis zur Identifizierung von Patienten mit erhöhtem COPD-Risiko genutzt werden. Weitere diagnostische Verfahren, die i. d. R. von Pneumologen durchgeführt werden, wie GKP, BGA, TLCO und Belastungstests, kommen zur weiteren Charakterisierung der Erkrankung in Betracht. Eine frühzeitige Einbeziehung von Fachkollegen sowie eine Übermittlung relevanter Informationen bei Überweisungen sind entscheidend für eine bestmögliche Diagnostik und Betreuung von Patienten mit Verdacht auf COPD und Begleiterkrankungen.

Bildnachweis

Graphicroyalty – stock.adobe.com