Einleitung
Beim Morbus Parkinson gibt es neben den motorischen Symptomen ein breites Spektrum von nicht motorischen Störungen. Hierzu gehören neuropsychiatrische Symptome wie Angst/Depression, Tagesmüdigkeit/Fatigue, kognitive Einschränkungen und Demenz. Hinzu kommen Nebenwirkungen von Antiparkinson-Medikamenten, etwa Psychose und Impulskontrollstörungen. Zudem ist das autonome Nervensystem betroffen, was kardiovaskuläre, gastrointestinale und urogenitale Beschwerden sowie Störungen der Thermoregulation und weiterer Systeme zur Folgen haben kann. Zu weiteren nicht motorischen Störungen zählen unter anderem Schmerzen sowie Schlaf- und Sehstörungen.
Nicht motorische Symptome bei APS und IPS sehr häufig
Die PRIAMO-Studie hatte erstmals in einer großen Kohorte gezeigt, dass autonome und neuropsychiatrische Störungen nicht nur beim atypischen (APS), sondern auch beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) auftreten: In der Untersuchung waren sowohl die vegetativen als auch die neuropsychiatrischen Symptome beim atypischen und beim idiopathischen Parkinson-Syndrom insgesamt sehr häufig und zugleich bei beiden Formen ähnlich oft zu beobachten [3]. Generell wiesen 98,6 % der einbezogenen Patienten nicht motorische Symptome auf. Die häufigsten waren Fatigue (58 %) und Angst (56 %). Es folgten Beinschmerzen (38 %), Insomnie (37 %), Dranginkontinenz und Nykturie (35 %) sowie Hypersalivation und Konzentrationsprobleme (31 %). Insgesamt dominierten psychiatrische Symptome bei den nicht motorischen Symptomen (67 %) [3].
Nicht motorische Symptome bereits bei De-novo-Patienten
Nachdem zunächst lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass sich die nicht motorischen Symptome erst im Verlauf der Parkinson-Erkrankung oder im späten Stadium entwickeln, ist heute bekannt, dass sie sowohl bereits zu Beginn vorliegen als auch im frühen Stadium sowie auch im gesamten weiteren Verlauf auftreten können. So ließen sich mit Hilfe von validierten Fragebögen bereits bei De-novo-Patienten häufig nicht motorische Symptome finden. Bei einer Befragung mit den Fragebögen NMS Quest (Nonmotor Symptoms Questionnaire), NMSS (Non Motor Symptoms Scale) und PDSS (Parkinson Disease Sleep Scale) zeigten sich beispielsweise signifikante Unterschiede zwischen Erkrankten und der Normalbevölkerung (jeweils p < 0,001) [18].
Nicht motorische Symptome auch im ON möglich
Die nicht motorischen Symptome können zwar im motorischen OFF der Patienten auftreten, doch es gibt keine strenge Korrelation zwischen nicht motorischen und motorischen Symptomen. Der Patient kann demnach im motorischen ON sein und trotzdem nicht motorische Störungen haben, zum Beispiel Angst, Depression, Probleme der Vigilanz oder Bradyphrenie [19]. Behandler tun ihren Patienten demnach unrecht, wenn sie meinen, der Patient sei gut beweglich und könne daher in dieser Situation keine Parkinson-bedingten Symptome aufweisen.
Viele Patienten haben neuropsychiatrische Symptome
In Deutschland haben nach der GEPAD-Studie mit über 1.300 Teilnehmern knapp 65 % der Parkinson-Patienten neuropsychiatrische Symptome ( Abb. 1). Am häufigsten war Depression, die bei 18 % der Patienten vorlag. Es folgte Demenz bei 15 % der Betroffenen. Hinzu kamen Kombinationen von Symptomen: Demenz und Depression (11 %), Demenz und Psychose (9 %), Depression und Psychose (3 %) sowie Demenz, Depression und Psychose (6 %), so dass Depression insgesamt bei 35 % und Demenz insgesamt bei 41 % der Patienten zu verzeichnen waren [16]. Ähnliches zeigte die PRIAMO-Studie, wobei hier Angst mit 56 % am häufigsten auftrat, gefolgt von Traurigkeit/Depression mit 23 %, Nervosität mit 18 % und Anhedonie mit 11 % [3].
Angsterkrankungen beim Morbus Parkinson
Bei Parkinson-Patienten können generalisierte Angsterkrankungen, aber auch Panik im Rahmen der Angst sowie Phobien – diese ggf. vergesellschaftet mit ON-OFF-Fluktuationen – vorliegen. Die Symptome betreffen oft schwerer erkrankte Patienten, kommen jedoch auch bereits im Initialstadium vor. Zudem treten Angsterkrankungen familiär gehäuft auf und erhöhen das Risiko für Parkinson. Sie haben einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität. Die Therapiemöglichkeiten unterscheiden sich nicht von den Möglichkeiten, die für Angst-Patienten ohne Parkinson bestehen. Hierzu gehört beispielsweise die Verhaltenstherapie, die bei Parkinson-Patienten bislang noch selten zum Einsatz kommt.
Depression beim Morbus Parkinson
Wenn Parkinson-Patienten depressive Symptome entwickeln, sollte zunächst versucht werden, die dopaminerge Therapie zu optimieren [6]. Persistieren die Symptome trotz optimaler dopaminerger Therapie im OFF, kann u. U. eine Eskalationstherapie hilfreich sein. Bleiben die Beschwerden ohne Zusammenhang mit dem OFF bestehen, sollte ein Antidepressivum eingesetzt werden [6]. Da für die Behandlung der Depression beim Parkinson-Syndrom wenig spezifische Studien zur Verfügung stehen, muss hierbei auf die Daten zur allgemeinen Therapie der Depression zurückgegriffen werden. Die Therapie mit Trizyklika basiert auf einer guten Datenlage, doch sie ist mit Nebenwirkungen und Interaktionen assoziiert. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) haben keine bessere Wirksamkeit als Trizyklika, sind aber besser verträglich.
Eine weitere Option stellen kombinierte Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) dar, etwa Venlafaxin, Duloxetin oder Milnacipran. In einer Studie, an der 115 Parkinson-Patienten mit Depression teilgenommen haben, konnten beispielsweise Venlafaxin und der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin die depressive Symptomatik, ermittelt anhand des HAM-D-Scores (Hamilton Rating Scale for Depression), jeweils signifikant bessern (p = 0,02 bzw. p = 0,0007) (Richard 2012). Das noradrenerge und spezifisch serotonerge bzw. tetrazyklische Antidepressivum (NaSSA) Mirtazapin kann einen zusätzlichen schlafanstoßenden Effekt erzielen, wobei die Zulassung nur für die Behandlung der Depression besteht und der Wirkstoff für den schlafanstoßenden Effekt niedriger dosiert werden muss.
Die S3-Leitlinie zur Therapie des Morbus Parkinson empfiehlt trizyklische Antidepressiva (Empfehlungsgrad A, Evidenzgrad 1++) sowie Antidepressiva neuerer Generation wie SSRI und Venlafaxin (B, 1++) für die Behandlung der Depression bei IPS-Patienten. Auch eine Psychotherapie soll gemäß Empfehlung genutzt werden (B, 1++) [22].
Dopaminagonisten und Depression
Im Rahmen der Optimierung der dopaminergen Therapie bei Parkinson-Patienten mit Depression könnte der Einsatz eines Dopaminagonisten hilfreich sein. So nahm der BDI-Score (Beck Depression Inventory) in einer doppelblinden, kontrollierten, randomisierten Studie, an der 287 Parkinson-Patienten mit Depression teilgenommen haben, unter Pramipexol um 1,9 Punkte stärker ab als unter Placebo (p = 0,01) [4]. Die Beobachtungsstudie PIRLONG-PD-4 zeigte ebenfalls antidepressive Effekte für Piribedil im Behandlungsalltag über einen Zeitraum von vier Jahren [9]. Gemäß einer Auswertung von 78 Patienten blieben Teilnehmer ohne depressive Symptomatik zu Beginn (BDI 0–13 Punkte) unter Piribedil über die gesamte Zeit ohne Depression. Bei anfänglichem Vorliegen von leichten Symptomen (BDI 14–19 Punkte) blieben diese bis Studienende konstant. Hatten die Patienten bei Studieneinschluss mittlere (BDI 20–28 Punkte) oder schwere (BDI > 29 Punkte) Symptome, besserten sich diese unter Piribedil während des Studienzeitraums deutlich [8, 9].
Vigilanzstörung beim Morbus Parkinson
Etwa die Hälfte der Parkinson-Patienten hat eine Vigilanzstörung. Auch diese kann nicht nur im fortgeschrittenen Stadium, sondern ebenfalls in der Frühphase auftreten. Die Vigilanzstörung, zusätzlich zur eingeschränkten Motorik und zur eingeschränkten Kognition, beeinträchtigt die Lebensqualität zum Teil erheblich [13]. Sie behindert die sozialen Kontakte und die Mobilität, was zu Unfällen und Stürzen auch im häuslichen Umfeld führen und letztendlich die Teilhabe des Patienten stark einschränken kann. Er zieht sich immer weiter zurück, was seine Prognose negativ beeinflusst.
Ein assoziiertes, ebenfalls sehr häufiges, beim Morbus Parkinson dennoch oft zu wenig berücksichtigtes nicht motorisches Symptom ist die Fatigue. Auch sie tritt in allen Phasen der Erkrankung auf – demnach teils bereits vor Beginn der Parkinson-Therapie – und beeinträchtigt die Lebensqualität oft erheblich [3]. Die wichtigste Ursache der Vigilanzstörung ist die Parkinson-Krankheit an sich. So tragen der degenerative Prozess, das oft fortgeschrittene Alter der Patienten und die Störungen der Neurotransmittersysteme hierzu bei. Denn in die Pathophysiologie des Morbus Parkinson ist nicht nur der Neurotransmitter Dopamin involviert, sondern auch Serotonin, Noradrenalin und Acetylcholin. Die zirkadiane Rhythmik ist ebenfalls gestört.
Die Parkinson-Therapie – vor allem mit Dopaminagonisten – verstärkt diesen Effekt, wobei es hier Unterschiede gibt. Hinzu kommen beispielsweise internistische und urologische Begleitmedikamente, die zur Beeinträchtigung der Vigilanz beitragen können. Außerdem sind begleitende, Parkinson-assoziierte Schlafstörungen aufgrund von motorischen, respiratorischen oder psychiatrischen Beschwerden sowie REM-Schlaf-Verhaltensstörungen mit reduziertem Tiefschlaf und gestörter Schlafeffizienz möglich. Diese können einen erheblichen Einfluss auf die Tagesmüdigkeit haben. Zu geeigneten Skalen, mit denen sich die Vigilanz erfassen lässt, gehören ESS (Epworth Sleepiness Scale), MSLT (Multipler Schlaflatenztest), PDSS (Parkinson’s Disease Sleep Scale) und SCOPA-Sleep (Scales for Outcomes in Parkinson’s Disease-Sleep).
Dopaminagonisten und Vigilanzstörungen
Eine Parkinson-Therapie mit Dopaminagonisten kann zwar zu den Vigilanzstörungen beitragen, doch es gibt Unterschiede zwischen den Wirkstoffen bezüglich der Häufigkeit von Schlafattacken und der Tagesmüdigkeit. Dies ist auf die unterschiedliche Affinität zurückzuführen, mit der die Dopaminagonisten an ihre Zielrezeptoren binden. Während die sedierenden Effekte unter Ropinirol und unter Pramipexol bei rund 27 % lagen, betrugen sie bei Piribedil nur 3,3 % ( Tab. 1). Anders als die beiden erstgenannten Dopaminagonisten hat Piribedil neben agonistischen Effekten auf D3- und D2-Rezeptoren zusätzliche antagonistische Eigenschaften an alpha-2-noradrenergen Rezeptoren [17]. Aufgrund dieser Konstellation sind übermäßige Schläfrigkeit während des Tages und plötzliche Schlafanfälle unter Piribedil nur sehr selten (< 1/10.000) zu beobachten (Fachinformation Clarium®).
In der randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie PiViCog-PD besserte sich die Vigilanz bzw. Tagesmüdigkeit bei Umstellung von Pramipexol oder Ropinirol auf Piribedil (n = 42) innerhalb von elf Wochen signifikant stärker als bei Fortführen der Pramipexol- oder Ropinirol-Therapie (n = 35). Der mediane ESS-Score sank um –4 vs. –2 Punkte (p = 0,01) ( Abb. 2). In der Piribedil-Gruppe fiel der Score auf 10 Punkte und damit auf den Grenzwert für das Vorliegen einer Tagesmüdigkeit. Auf die Reaktionszeit und die motorischen Effekte hatte der Therapieswitch keinen Einfluss [7].
Ähnliches zeigte eine prospektive, nicht interventionelle Studie mit 1.440 Parkinson-Patienten: Hier besserte sich bei Ersteinstellung bzw. Umstellung auf eine Mono- oder Kombinationstherapie mit Piribedil nicht nur bei 70 % der Patienten die Motorik, sondern es stellte sich zudem eine Besserung der Vigilanz bzw. der vorbestehenden Tagesmüdigkeit ein [15].
In der offenen PIRLONG-PD-4-Studie, in der 303 Patienten mit einem ESS-Score von mehr als 10 Punkten von einem anderen Dopaminagonisten auf Piribedil umgestellt sowie 516 auf Piribedil neu eingestellt wurden, blieb der positive Effekt auf die Vigilanz über vier Jahre bestehen [9]. Bei den umgestellten Patienten fiel der Score innerhalb von einem Jahr unter den Grenzwert von 10 Punkten und blieb hier konstant bis zum Auswertungsende (nach vier Jahren: n = 62). Bei den neu eingestellten Patienten blieb der Score über den gesamten Zeitraum unter diesem Grenzwert (Auswertung nach vier Jahren: n = 108) [9].
Demenz beim Morbus Parkinson
Demenz und kognitive Störungen wurden erst in den letzten 20 Jahren als Teil der Parkinson-Erkrankung betrachtet. Eine wegweisende Studie zeigte im Jahr 2003, dass im Krankheitsverlauf nach etwa 17 Jahren rund 80 % der Patienten eine Demenz entwickelt hatten. Hierbei scheint der Parkinson-Typ einen gewissen prognostischen Wert zu haben: Patienten mit Tremordominanz-Typ waren seltener betroffen als Patienten mit akinetisch-rigidem Typ [1]. Die Häufigkeit bestätigte sich in der Sydney-Multizenterstudie, in der die Demenzrate nach 20 Jahren bei 83 % lag. Hier zeigte sich zudem eine Korrelation mit dem Lebensalter: Patienten in der 8. Lebensdekade waren deutlich häufiger betroffen als jüngere Patienten [14].
Auch die kognitiven Einschränkungen werden durch die Erkrankung selbst, d.h. die Neurodegeneration, verursacht. Doch Nebenwirkungen von Medikamenten spielen ebenfalls eine Rolle – vor allem von Anticholinergika in der Parkinson-Therapie sowie Urologika und Trizyklika, die ebenfalls anticholinerg wirken. Zudem sind ON-OFF-Fluktuation in der Spätphase der Erkrankung zu beachten, da eine Bradyphrenie nicht unbedingt Ausdruck einer Demenz sein muss, sondern auch Folge einer ungenügenden dopaminergen Stimulation im OFF sein kann.
Hinsichtlich einer Pharmakotherapie hat nur Rivastigmin eine Zulassung für die symptomatische Behandlung der leichten bis mittelschweren Demenz bei IPS-Patienten. Der Cholinesterase-Inhibitor erzielte in der Zulassungsstudie im Vergleich zu Placebo moderate Effekte in der kognitiven Subskala der ADAS (Alzheimer’s Disease Assessment Scale) ( Abb. 3). Zugleich waren die Raten an Übelkeit, Erbrechen und Tremor erhöht [10]. Zudem kann vor allem bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz die Verwirrung eher zunehmen, was ein schnelles Absetzen der Therapie erfordert. Um dies zu vermeiden, sollte die Therapie in niedriger Dosis beginnen.
Neben der Rivastigmin-Therapie kann eine Optimierung der Parkinson-Therapie sowie der Begleitmedikation erfolgen, indem Anticholinergika und andere Substanzen mit potentiell negativem Einfluss (z. B. Betablocker) gemieden werden. Zu möglichen konservativen Maßnahmen gehören die Aufklärung des Patienten und seiner Angehörigen, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, die Behandlung von Schlafstörungen und eine adäquate Betreuung. Hierbei ist eine ambulante Versorgung zu bevorzugen, weil Betroffene nach einer stationären Aufnahme in der ersten Nacht oft verwirrt sind und sich an eine fremde Umgebung nicht mehr gewöhnen, so dass sie oft schnell wieder entlassen werden müssen. Auch die S3-Leitlinie zur Therapie des Morbus Parkinson empfiehlt, dass Rivastigmin bei der Behandlung kognitiver Symptome genutzt werden sollte (B, 1++). Zudem weist sie auf den möglichen Einsatz von Donepezil hin, wobei dieser Cholinesterase-Inhibitor nicht für die Behandlung von Parkinson-Patienten zugelassen ist (0, 1++) [22].
Optische Hall uzinationen bei Morbus Parkinson
Optische Halluzinationen werden von Parkinson-Patienten häufig weniger eindrücklich
geschildert als diese von ihren Angehörigen eingeschätzt werden. Es
handelt sich eher um figürliche Halluzinationen, die in unregelmäßiger Häufigkeit
überwiegend in den Abend- und Nachtstunden auftreten und meist innerhalb von
einer Stunde wieder abklingen [12]. Die Betroffenen empfinden diese Halluzinationen
mitunter als banal und nicht bedrohlich, teils sogar als belustigend.
Entwickelt ein Patient Halluzinationen, muss gemäß S3-Leitlinie zur Therapie
des Morbus Parkinson zunächst ausgeschlossen werden, dass eine andere Erkrankung
oder eine Dehydrierung die Ursache ist. Zudem sollten Begleitmedikamente
wie Anticholinergika gemieden werden, die Halluzinationen auslösen können.
Darüber hinaus ist die Parkinson-Therapie zu optimieren. Auch hier sind Anticholinergika
zu reduzieren oder abzusetzen, das gleiche gilt für Trizyklika, den MAOB-
Hemmer (Monoaminooxidase B) Selegilin und Amantadin [22]. Die ebenfalls
empfohlene Anpassung der Therapie mit Dopaminagonisten sowie schließlich mit
L-Dopa und COMT-Hemmern (Catechol-O-Methyltransferase) ist häufig schwierig,
weil die Patienten die Medikation für ihre Beweglichkeit benötigen.
Erzielen diese Maßnahmen keinen ausreichenden Effekt, kann eine antipsychotische
Medikation notwendig sein. Eine Zulassung für diese Indikation (Behandlung
von Parkinson-Patienten, wenn andere Behandlungen erfolglos waren) besteht
nur für Clozapin, das von der S3-Leitlinie empfohlen wird (A, 1++). Die Therapie
mit dem Neuroleptikum sollte in sehr niedriger Dosis beginnen (6,25-12,5 mg zur
Nacht), weil die Patienten sehr müde werden. Wenn nötig, kann die Dosis bis auf
100 mg am Tag erhöht werden.
Auch Quetiapin kann gemäß S3-Leitlinie eingesetzt werden (Expertenkonsensus),
das atypische Neuroleptikum ist für diese Indikation allerdings nicht
zugelassen [22]. Es hat den Vorteil, dass – anders als bei Clozapin aufgrund des
Agranulozytoserisikos – keine Blutbildkontrollen notwendig sind. Andere klassische
Neuroleptika und atypische Antipsychotika (z. B. Olanzapin) werden von der
S3-Leitlinie hingegen wegen des Risikos der motorischen Verschlechterung nicht
empfohlen [22].
Bei Patienten mit IPS-Psychose und einer begleitenden Demenz stellen gemäß
S3-Leitlinie Cholinesterase-Inhibitoren eine Alternative dar (Expertenkonsens)
[22]. In Zukunft könnte zudem der zwar in den USA, bislang in Deutschland jedoch
noch nicht zugelassene selektive serotonininverse Agonist Pimavanserin eine Therapieoption
für Halluzinationen bei Parkinson-Patienten sein. Bei REM-Schlaf-Verhaltensstörungen,
die häufig auch als Halluzination fehlinterpretiert werden, stellt
das Antikonvulsivum Clonazepam das Mittel der Wahl und Melatonin das Mittel der
zweiten Wahl dar.
Impulskontrollstörungen und Dopamin-Dysregulationssyndrom
Neben den genannten neuropsychiatrischen Symptomen spielen dopaminerge
Verhaltensstörungen eine große Rolle im klinischen Alltag. Denn viele Parkinson-
Patienten sind hiervon betroffen – mit teils erheblichen Konsequenzen: Diese betreffen
den finanziellen Bereich ebenso wie den privaten und den sozialen Bereich.
Hierzu gehören Impulskontrollstörungen wie Hypersexualität, Spiel-, Ess- und
Kaufsucht. Auch Zwangshandlungen, beispielsweise Punding, Hobbyism und gesteigerte
Fortbewegung, sind möglich. Hinzu kommt das Dopamin-Dysregulationssyndrom,
der unkontrollierte Gebrauch der Parkinson-Medikation.
Nach einem Review können Spielsucht, Hypersexualität, gesteigertes Essen
und Einkaufen, aggressives Verhalten sowie Internet-Abhängigkeit bereits in der
stabilen Phase der Erkrankung beginnen. Beim Auftreten vom Wearing-OFF nehmen
diese Störungen zu. Kommt es zu Dyskinesien, kann sich ein Dopamin-Dysregulationssyndrom
entwickeln. Ein Punding tritt schließlich eher erst bei Vorliegen
von kognitiven Störungen auf [2].
Bei den Impulskontrollstörungen gibt es ebenfalls Unterschiede zwischen den
Dopaminagonisten. Wie bei den Vigilanzstörungen treten diese unter Pramipexol
und Ropinirol besonders häufig auf, unter Rotigotin waren sie in einer vergleichenden
Beobachtungsstudie hingegen deutlich seltener [21] ( Abb. 4). Daher könnte
es bei Auftreten von Impulskontrollstörungen bereits hilfreich sein, den Dopaminagonisten
auf einen anderen umzustellen, so dass man die Wirkstoffklasse nicht
ganz absetzen muss.
Da die Impulskontrollstörungen im Krankheitsverlauf zunehmen, von anfänglich
ca. 10 % auf schließlich ca. 50 % nach fünf Jahren, sollte der behandelnde Arzt immer
wieder durch gezieltes Nachfragen eruieren, ob der Patient hiervon betroffen
sein könnte [5].
Die wichtigste Intervention beim Auftreten von Impulskontrollstörungen ist
das Absetzen, Reduzieren oder Umstellen des Dopaminagonisten. Andere Therapieansätze
haben sich in der Vergangenheit nicht bestätigt, so dass weitere generelle
Empfehlungen nicht möglich sind. Darüber hinaus ist es wichtig, mit dem
Patienten und seinen Angehörigen die Konsequenzen zu erörtern, ihn engmaschig
zu kontrollieren und eine psychosoziale Betreuung zu initiieren.
Neuropsychiatrische Störungen beim Parkinson-Syndrom im Alltag
Die folgenden drei Fälle beschreiben Therapieoptionen bei Vigilanzminderung
bzw. depressiver Stimmung. Da diese nicht motorischen Symptome bei Parkinson-
Patienten weit verbreitet sind und erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität
haben, ist es wichtig, sie in der Praxis zu erkennen und zu behandeln. Für die Diagnosestellung
und Verlaufskontrolle eignen sich standardisierte Fragebögen, die
die Patienten teils ohne besondere Hilfe vorab im Wartezimmer ausfüllen können.
Hierzu gehören die ESS (Epworth Sleepiness Scale) zur Erfassung der Tagesmüdigkeit,
der BDI-II (Beck Depression Inventory-II) zum Erkennen von depressiven
Symptomen und der MMST (Mini-Mental-Status-Test) zur Beurteilung der kognitiven
Fähigkeiten.
Fall 1: Tagesmüdigkeit
Beim Fall 1 handelt es sich um einen 64-jährigen Mann, der vier Jahre zuvor die
Diagnose
Parkinson vom Äquivalenztyp erhalten hat und sich im Hoehn&Yahr-
Stadium 2 (rechts) vorstellt. Seine Medikation besteht aus Pramipexol retard
(2,1 mg, 1-0-0), Safinamid 100 mg (1-0-0) und L-Dopa/Benserazid (100/25 mg,
1-1-1, sowie 100/25 mg zur Nacht). Er hat eine gute Motorik und keine Fluktuationen.
Der Patient beklagt jedoch, dass er in ruhigen Situationen häufig einschläft
und keinen Schwung mehr hat. Auf der ESS-Skala erreicht der Patient 14 Punkte.
Dies ist ein klarer Hinweis auf Tagesmüdigkeit. Im BDI-II erzielt der Patient
6 Punkte und im MMST 29/30 Punkte, so dass es keinen sicheren Hinweis auf ein
kognitives Defizit und keinen Hinweis auf depressive Störungen gibt.
Eine Option bei diesem Patienten wäre, die Pramipexol-Dosis zu reduzieren.
Einhergehend müsste allerdings die L-Dopa-Dosis so erhöht werden, dass sie
vermutlich über 400 mg/Tag liegen würde. Dies wird als Grenzwert für das Auftreten
von Dyskinesien und Therapiekomplikationen angesehen und ist daher
zu vermeiden. Aus diesem Grund wird der Patient – basierend auf den Daten der
PiViCog-
und der PIRLONG-PD-4-Studie – von Pramipexol auf Piribedil
200 mg/
Tag umgestellt, die Begleitmedikation mit L-Dopa/Benserazid und Safinamid
wird
unverändert beibehalten.
Der Patient berichtet bereits nach drei Tagen, dass er sich deutlich wacher
fühlt. Nach vier Wochen geht der ESS-Score von ehemals 14 auf 10 Punkte zurück.
Somit liegt er nun in einem Bereich von Tagesfrische, es gibt keinen Hinweis
mehr auf Tagesmüdigkeit. Die Motorik ist unverändert gut, es gibt weiterhin keine
motorischen Fluktuationen.
Fall 2: Erhalt der Arbeitsfähigkeit
Fall 2 ist eine 55-jährige Patientin, die zwei Jahre zuvor die Diagnose Parkinson
vom Hypokinese-Typ erhalten hat. Bei der Vorstellung befindet sich die Erkrankung
im Hoehn&Yahr-Stadium-1 (linksbetont). Sie ist eingestellt auf Rotigotin
(12 mg/Tag). In der Vorgeschichte hatte Rasagilin keinen ausreichenden Effekt
erzielt, L-Dopa möchte die Patientin möglichst meiden.
Auch sie beklagt eine starke Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen.
Die Frau übt ihren Beruf noch aus und ihre Arbeitsfähigkeit ist durch die Tagesmüdigkeit
gefährdet. Der ESS-Score liegt bei 13 Punkten und demnach im Bereich
der Tagesmüdigkeit. Im BDI-II-Score (8 Punkte) gibt es keine Hinweise auf eine
depressive Symptomatik und der MMST-Score (30/30 Punkte) weist nicht auf eine
dementielle Entwicklung hin.
Diese Patientin wird ebenfalls auf Piribedil umgestellt. Unter einer Dosis von
50 mg dreimal täglich bessern sich die Tagesmüdigkeit und die Konzentrationsstörungen
rasch deutlich. Der ESS-Score sinkt beim nächsten Praxisbesuch von ehemals
13 auf jetzt 10 Punkte und befindet sich demnach im Bereich der normalen
Tagesfrische, so dass die Patientin ihre Arbeitsfähigkeit erhalten kann.
Fall 3: depressive Symptomatik
Ein 65-jähriger Mann, der drei Jahre zuvor die Diagnose Parkinson erhalten hat, ist
Fall 3. Seine Erkrankung befindet sich im Hoehn&Yahr-Stadium-2 (rechts). Er hat
bereits seit vier Jahren ein ängstlich depressives Syndrom, das demnach vor der
Parkinson-Diagnose aufgetreten ist. Der Patient ist eingestellt auf L-Dopa/Benserazid
(100/25 mg, 2-2-1, sowie 200/50 mg retard zur Nacht) und dem Antidepressivum
Venlafaxin (225 mg retard, 0-0-1). Ein Behandlungsversuch mit Trizyklika
in der Vorgeschichte war an Nebenwirkungen wie Schwindel und Tagesmüdigkeit
gescheitert, ein Behandlungsversuch mit dem Dopaminagonisten Pramipexol
wurde aufgrund der Entwicklung von Essattacken abgebrochen.
Der Patient beklagt eine Verschlechterung der Motorik und eine leichte Hypokinese
tagsüber. Zudem hat sich seine depressive Stimmung verschlechtert – besonders
am Morgen treten Antriebslosigkeit und Grübelneigung auf. Der ESS-Score
liegt bei 10 Punkten und damit im Bereich von Tagesfrische. Der BDI-II-Score
weist mit 18 Punkten deutlich auf eine depressive Symptomatik hin. Der MMSTScore
bleibt mit 28/30 Punkten ohne sicheren Hinweis auf einen kognitiven Abbau.
In Anlehnung an die Daten der PIRLONG-PD-4-Studie erhält der Patient langsam
ein- und aufdosiert Piribedil (beginnend mit 50 mg, 1-0-0). Nach 10 Wochen
beträgt die Dosis 250 mg/Tag. Parallel wird die L-Dopa/Benserazid-Dosis deutlich
reduziert auf 100/25 mg (1-1-1) sowie zur Nacht 100/50 mg retard.
In Folge bessert sich die Motorik, die Hypokinese bildet sich vollständig zurück.
Die depressive Stimmung nimmt ebenfalls deutlich ab: der BDI-II-Score geht von
ehemals 18 auf 12 Punkte zurück. Das Grübeln verschwindet vollständig. Der
ESS-Score liegt bei 10 Punkten, der Patient ist also weiterhin tagesfrisch.
Fall 4: nächtliche Hypokinese und depressive Stimmungslage
Im vierten Fall wird bei einem Mann im 68. Lebensjahr Parkinson vom Hypokinesetyp
Hoehn&Yahr-Stadium 1 (rechts) diagnostiziert. Neben der motorischen Einschränkung
besteht eine Hyposmie und leichte Obstipationsneigung. Das kraniale
MRT ergab einen Normbefund. Der Patient hat keine weiteren Komorbiditäten. Er
wird auf L-Dopa eingestellt, die Dosis der Symptomatik entsprechend angepasst:
bis 3 x 100 mg. Wegen Obstipationsbeschwerden erhält der Patient zusätzlich
Macrogol.
Hierunter ist die Motorik tagsüber gut kontrolliert. Der Patient kann
seinen
Alltag uneingeschränkt gestalten.
Im weiteren Verlauf beklagt er dann eine leichte nächtliche Hypokinese und eine
depressive Stimmungslage, Avitalität, im Beck-Depressions-Inventar 2 d erreicht er
16 Punkte. Daher erhält er zusätzlich Rotigotin Pflaster bis 4 mg/d. Die nächtliche
Hypokinese ist hiermit ebenso wie die depressive Verstimmung zurück gebildet.
Dieser Fall zeigt erneut die antidepressive Wirkung von Agonisten bei Parkinson.
Fazit
Neuropsychiatrische Störungen machen einen wichtigen Teil der nicht motorischen
Symptome beim Morbus Parkinson aus. Sie sind einerseits Ausdruck der Krankheit
selbst und stellen andererseits eine Komplikation der Therapie dar. So besteht
bei Vigilanzstörungen/Tagesmüdigkeit und Impulskontrollstörungen ein Zusammenhang
mit Dopaminagonisten – wobei es Unterschiede zwischen den Vertretern
dieser Wirkstoffklasse gibt. Die Depression scheint sich hingegen bei Einsatz
von Dopaminagonisten bessern zu können. Die neuropsychiatrischen Symptome
treten in allen Krankheitsstadien auf, sowohl bei De-novo-Patienten als auch im
fortgeschrittenen Stadium, wobei vor allem die Psychose im weiteren Verlauf der
Erkrankung zunimmt. Da sowohl die Diagnostik als auch die Therapie bislang unspezifisch
ist – also nicht speziell auf Parkinson-Patienten abzielt – gibt es nach wie
vor große therapeutische Lücken.
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