Neues zum mCRPC

Zur Therapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms gibt es zahlreiche neue Impulse aus klinischen Studien, die nahezu alle aktuellen Therapieprinzipien abdecken. Im neuen Update 6.0 der S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom vom Mai 2021 wurde die Evidenz bei den Empfehlungen zur Behandlung des mCRPC bereits umgesetzt.

Während für eine komplette Hormonblockade mit Abirateron/Prednison und Apalutamid in der ACIS-Studie keine Vorteile für das tumorabhängige und biochemisch progressionsfreie Überleben dokumentiert werden konnten, liegen für Radium-223 neue Daten vor, die nicht nur die Sicherheit einer sich anschließenden Taxan-Chemotherapie bestätigen, sondern auch die Anwendung in einer Kombination mit Enzalutamid vorteilhaft erscheinen lassen. Um das Frakturrisiko von kastrationsresistenten Patienten zu senken, hat sich der Einsatz einer parallelen knochenschützenden Therapie als sehr wirksam erwiesen und wird in diversen Leitlinien empfohlen.

Im Rahmen der Theranostik ist eine Behandlung mit 177Lu-PSMA-617 signifikant wirksamer im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben als eine Therapie mit Cabazitaxel, wenn die Patienten unter Docetaxel einen Progress entwickelt haben. Voraussetzung ist allerdings ein positives PSMA-PET-CT.
Der PARP-Inhibitor Olaparib ist eine neu zugelassene Therapieoption bei mCRPC-Patienten mit BRCA1-/BRCA2-Mutationen und einer Progression der Erkrankung nach dem Einsatz mindestens einer neuen antihormonellen Substanz.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709122066140016
Zeitraum 26.07.2022 - 25.07.2023
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. Stefan Machtens
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4 (252)

Einführung

Patienten mit einem Prostatakarzinom durchlaufen von einer lokal begrenzten Läsion bis hin zur metastasierten und kastrationsresistenten symptomatischen Erkrankung verschiedene, oft mehrere Jahre andauernde Krankheitsstadien, in denen sich Tumorvolumen und -aktivität ständig ändern. Zahlreiche klinische Studien haben inzwischen für alle Stadien des Prostatakarzinoms zur Zulassung von wirksamen Therapieoptionen geführt, die in der täglichen Praxis eingesetzt werden können. Die Androgenrezeptor-Antagonisten der zweiten Generation haben in den letzten Jahren zu deutlichen Fortschritten bei der Behandlung von Patienten mit einem nicht metastasierten (nmCRPC) oder einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) geführt. Ihr Nutzen zum Beispiel in Kombination mit Radium-223 wurde auch bei Patienten mit einem mCRPC untersucht. Neue Therapieoptionen, wie das aus einem hochspezifischen Bildgebungsverfahren entwickelte 177Lu-PSMA-617 oder PARP-Inhibitoren, sind ebenfalls Gegenstand aktueller Studien bei Patienten mit einem mCRPC. Die Evidenz aus den klinischen Studien hat rasch Eingang in die Therapieleitlinien gefunden.

Aktuelle Änderungen in den Therapieleitlinien für das mCRPC

Im Mai 2021 wurde mit der Version 6.0 das aktuelle Update der S3-Leitlinie Prostatakarzinom veröffentlicht. Es ist wichtig, die von einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom betroffenen Patienten darüber aufzuklären, dass die Erkrankung in diesem Stadium nicht mehr heilbar ist, dass es aber eine zunehmende Anzahl von wirksamen therapeutischen Optionen gibt, um den Krankheitsverlauf zu verzögern und die Situation des Patienten mit bestmöglichem Erhalt der Lebensqualität zu verbessern. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt, einem Patienten mit metastasierter, kastrationsresistenter und progredienter Erkrankung ohne oder nur mit geringen Symptomen, der sich für eine Behandlungsumstellung entschieden hat, eine Therapie mit Abirateron in Kombination mit Prednison oder Prednisolon, Docetaxel oder Enzalutamid anzubieten. Alle genannten Optionen sind für diese Indikation zugelassen. In der Leitlinie wird zwar auf den ersten Blick keine Priorisierung vorgenommen, allerdings gibt es beim Grad der Empfehlung Unterschiede. Abirateron und Enzalutamid sollten den Patienten ohne oder mit nur geringer Symptomatik angeboten werden, Docetaxel wird mit der schwächeren Kann-Empfehlung genannt, weil die Zulassungsstudien mit diesem Chemotherapeutikum überwiegend bei symptomatischen Patienten durchgeführt wurden. Patienten mit metastasierter, kastrationsresistenter, symptomatischer progredienter Erkrankung und gutem Allgemeinzustand soll eine systemische Therapie, bei Bedarf in Kombination mit symptombezogener und supportiver Therapie, angeboten werden. Für Docetaxel folgt eine Kann-Empfehlung für zweiwöchige (50 mg/m2KOF) oder dreiwöchige (75 mg/m2KOF) Dosierungsschemata. Abirateron und Enzalutamid können laut Leitlinie bei den Patienten in diesem Krankheitsstadium ebenfalls eingesetzt werden. Grundlage für die schwächere Kann-Empfehlung sind wiederum die entsprechenden Zulassungsstudien, für die asymptomatische oder nur leicht symptomatische Patienten rekrutiert wurden.

ACIS: Apalutamid plus Abirateron/ Prednison vs. Placebo plus Abirateron/ Prednison

In dieser Studie geht es um die Fragestellung, ob bei chemotherapienaiven Patienten mit einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom eine primär kombinierte Hormontherapie mit neuen Wirkstoffen wirksam und verträglich ist. Für ACIS wurden insgesamt 982 Patienten mit einem mCRPC im Verhältnis 1 : 1 für die beiden Therapiearme Apalutamid (240 mg/dl) plus Abirateron (1000 mg qd)/ Prednison (5 mg/bid) und Placebo plus Abirateron/Prednison rekrutiert, die unter einer Androgendeprivationstherapie einen Krankheitsprogress entwickelt und noch keine Chemotherapie erhalten hatten. Als primärer Endpunkt wurde das radiografische progressionsfreie Überleben (rPFS) festgelegt. Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS), die Zeit bis zum Beginn einer zytotoxischen Chemotherapie, die Zeit bis zum Schmerzprogress und die Zeit bis zum Einsatz opioidhaltiger Analgetika. Die Randomisierung begann 2015; 2018 erfolgte die primäre Zwischenanalyse für den primären Endpunkt und im September 2020 die abschließende Analyse unter anderem für das Gesamtüberleben. Das mediane Alter der Patienten in beiden Gruppen betrug 71 Jahre. Bei den Patienteneigenschaften und dem Risikomuster gab es zu Beginn der Studie (Baseline) zwischen den Gruppen keine relevanten Unterschiede. Im Rahmen der primären Zwischenauswertung wurde für eine radiografische Progression oder für Tod bei den Patienten, die kombiniert mit Apalutamid und Abirateron/Prednison behandelt wurden, eine statistisch signifikante Risikoreduktion um 31 % dokumentiert. Der primäre Endpunkt der Studie wurde damit nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 25,7 Monaten erreicht. Das Ergebnis der langfristigen Nachbeobachtung nach im Median 54,8 Monaten zeigte eine 30 %ige Abnahme des Risikos einer radiografischen Progression oder Tod in der Apalutamid-plus-Abirateron/Prednison-Gruppe. Diese Verbesserungen spiegelten sich allerdings nicht beim Gesamtüberleben wider. Die mediane Überlebenszeit in der Behandlungsgruppe mit Apalutamid und Abirateron/Prednison betrug 36,2 Monate und in der Behandlungsgruppe mit Placebo plus Abirateron/Prednison 33,7 Monate. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant. Auch bei der Auswertung der vordefinierten sekundären Endpunkte gab es zwischen beiden Behandlungsgruppen keine signifikanten Unterschiede. Die mediane Zeit bis zur PSA-Progression als explorativer Endpunkt mit 13,8 vs. zwölf Monaten war ebenfalls nicht statistisch signifikant unterschiedlich. Zusammenfassend konnte mit der Kombination aus Apalutamid und Abirateron/Prednison im Vergleich zu Placebo plus Abirateron/Prednison auch die biochemisch progressionsfreie Überlebensrate nicht verbessert werden. Die Mehrheit der Patienten, die die Behandlung abbrachen, erhielten im Anschluss eine weitere lebensverlängernde Therapie. In den meisten Fällen handelte es sich um eine Chemotherapie überwiegend mit Docetaxel. 68,5 % der Patienten, die im Kombinationsarm progredient waren, erhielten Docetaxel; bei den Patienten, die Placebo plus Abirateron/Prednison erhielten, waren es 69,5 %. Die anderen Patienten erhielten entweder Cabazitaxel, Enzalutamid, Darolutamid, Radium-223 oder Sipuleucel-T. Bei der Auswertung der behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale. Ereignisse oder Toxizitäten mit dem Schweregrad 3 und 4 traten aber bei den Patienten, die kombiniert mit Apalutamid und Abirateron/Prednison behandelt wurden, mit 63,3 % häufiger auf als bei den Patienten, die nur Abirateron/Prednison erhielten (56,2 %). Die Lebensqualität war in beiden Untersuchungsgruppen vergleichbar. Zusammenfassend wird das Ergebnis der ACIS-Studie eher nicht dazu führen, dass sich die komplette Hormonblockade mit Apalutamid und Abirateron/Prednison zur Behandlung von Patienten mit einem progredienten chemotherapienaiven mCRPC in der klinischen Praxis durchsetzen wird.

Reassure: Taxan-Chemotherapie im Anschluss an Radium-223

Eine weitere wichtige Therapieoption zur Behandlung von Patienten mit einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom ist Radium-223. Dieser Alphastrahler ist zugelassen als Monotherapie oder in Kombination mit einem LHRH-Analogon (luteinisierendes Hormon-Releasing-Hormon) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) und symptomatischen Knochenmetastasen ohne bekannte viszerale Metastasen, bei denen die Erkrankung nach Erhalt von mindestens zwei vorausgehenden systemischen Therapielinien zur Behandlung des mCRPC (außer LHRH-Analoga) fortschreitet oder für die keine andere verfügbare systemische mCRPC-Therapie geeignet ist. Radium-223 ist in der Kombination mit Abirateron und Prednison/Prednisolon kontraindiziert. Die langfristige Anwendungssicherheit von Radium-223 wurde im Rahmen der nicht interventionellen REASSURE-Studie untersucht, in die weltweit insgesamt 1465 Patienten aus Nordamerika, Lateinamerika und Europa eingeschlossen wurden. In einer Zwischenauswertung der ALSYMPCA-Studie wurde dokumentiert, dass Ra-223 das Gesamtüberleben von mCRPC-Patienten bei guter Verträglichkeit unabhängig von einer Vorbehandlung mit Docetaxel verlängert. Ziel der aktuellen zweiten Zwischenauswertung von REASSURE war es, die Anwendungssicherheit und das Gesamtüberleben bei den Patienten zu analysieren, die zum Zeitpunkt der Behandlung mit Radium-233 noch keine Chemotherapie erhalten hatten und bei denen entweder direkt im Anschluss oder mit zeitlicher Verzögerung nach der Radium-223-Therapie eine Chemotherapie mit einem Taxan eingeleitet wurde. 182 der 1465 Patienten (12 %) erhielten eine Taxan-Chemotherapie bei Progression nach Radium-223. Die mediane Dauer der Radiumbehandlung betrug 20,1 Wochen. 73 der 182 Patienten (40 %) erhielten die Chemotherapie umgehend, das heißt im Median 42,5 Tage nach der letzten Radium-223-Dosis, und bei 109 der 182 Patienten (60 %) wurde die Chemotherapie verzögert im Median 222 Tage nach der letzten Radium-223-Dosis begonnen. Die Dauer der Chemotherapie war in beiden Untersuchungsgruppen im Median mit 3,5 und 3,7 Monaten vergleichbar lang. Die Inzidenz von behandlungsbedingten unerwünschten Ereignissen lag insgesamt durchschnittlich bei 39 %. Bei den sofort im Anschluss an die Ra-233-Therapie chemotherapierten Patienten mit Progress lag die Inzidenz mit 41 % etwas höher als bei den verzögert chemotherapierten Patienten (38 %). Bei den schweren unerwünschten Ereignissen vom Grad 3 und 4 war dieser Unterschied ebenfalls nachweisbar: 10 % Inzidenz bei den sofort chemotherapierten Patienten und 7 % bei den Patienten mit einer verzögert im Anschluss an die Radium-233-Behandlung eingeleiteten Chemotherapie. Bei den hämatologischen unerwünschten Ereignissen war die Inzidenz bei den Patienten mit der verzögert begonnenen Chemotherapie mit 9 % etwas höher als bei den Patienten, die sofort chemotherapiert wurden (5 %). Die mediane Gesamtüberlebenszeit (OS) nach Beginn der Radium-223-Therapie betrug 24,3 Monate. Bei 177 von 182 Patienten war der genaue Beginn der Chemotherapie dokumentiert. Der mediane Zeitraum von der letzten Ra-223-Dosis bis zum Beginn der Taxan-Chemotherapie betrug 109 Tage (15,6 Wochen). Die mediane Gesamtüberlebenszeit nach Beginn der Taxan-Chemotherapie betrug 11,8 Monate. Radium-223 ist also für Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom und mit Knochenmetastasen eine wirksame Therapieoption, nach der bei einem Progress ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken die Chemotherapie mit einem Taxan eingeleitet werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob die Chemotherapie direkt im Anschluss an die Radium-223-Gabe oder erst verzögert eingeleitet wird.

Radium-223 plus Enzalutamid vs. Enzalutamid-Monotherapie

Die Anwendung von Radium-233 in Kombination mit Abirateron/Prednison ist kontraindiziert, weil in den entsprechenden Studien eine erhöhte Frakturrate beobachtet wurde. In diesem Zusammenhang sind die finalen Ergebnisse einer kleineren Phase-II-Studie interessant, die bei Patienten mit einem mCRPC die Kombination von Enzalutamid und Radium-223 im Vergleich zur alleinigen Gabe von Enzalutamid untersuchte. Die kombinierte Behandlung mit Enzalutamid und Radium-233 ist im Vergleich zur Enzalutamid-Monotherapie mit einem Rückgang von Knochenstoffwechselmarkern im Serum verbunden. Primäres Ziel der Studie von Kessel et al. war der Nachweis, ob mit der Kombination von Enzalutamid und Radium-233 die Wirksamkeit im Vergleich zu einer Monotherapie mit Enzalutamid verbessert werden kann, ohne gleichzeitig die Anwendungssicherheit zu verschlechtern. Zu den sekundären Zielen gehörten das Gesamtüberleben, das biochemisch progressionsfreie Überleben und die Langzeitsicherheit. In der ALSYMPCA-Studie konnte bereits gezeigt werden, dass Ra-223 im Vergleich zu Placebo das Gesamtüberleben der Patienten im Median mit 14,9 Monaten gegenüber 11,2 Monaten signifikant verlängert (HR 0.7; 95%-KI, 0,55–0,88; P = 0,002). Durch die Kombination von Ra-223 mit Enzalutamid scheint eine noch weitere Verbesserung der Gesamtüberlebensrate möglich zu sein. Kessel et al. dokumentierten mit 30,8 Monaten einen deutlichen Vorteil für die Patienten, die mit der Kombination behandelt wurden, im Vergleich zu Enzalutamid mit 20,6 Monaten. Aufgrund der geringen Fallzahlen sind die Daten nicht statistisch signifikant. Auch beim PSA-progressionsfreien Überleben ergab sich mit 8,9 Monaten gegenüber 3,38 Monaten ein deutlicher Unterschied zugunsten der Kombination aus Radium-223 und Enzalutamid. Auch beim biochemisch progressionsfreien Überleben nach Zweitlinientherapie (PSA-PFS2) konnte trotz der kleinen Fallzahlen mit 18,7 im Vergleich zu 8,41 Monaten ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten der primären Kombinationstherapie dokumentiert werden. Die Autoren leiten aus den Ergebnissen dieser monozentrischen Studie einen möglichen langfristigen klinischen Nutzen der Kombination aus Enzalutamid und Radium-223 gegenüber einer alleinigen Enzalutamid-Therapie ab, der noch durch die Daten einer Phase-III-Studie bestätigt werden muss.

Peace III

Im Oktober 2015 startete die Rekrutierung der randomisierten multizentrischen PEACE-III-Studie, die eine Enzalutamid-Therapie mit einer Kombination aus Radium-233 und Enzalutamid bei asymptomatischen oder leicht symptomatischen Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom und Knochenmetastasen unter einer bestehenden Androgendeprivationstherapie (ADT) untersucht. Als primärer Endpunkt wurde das radiografische progressionsfreie Überleben (rPFS) festgelegt. Die wichtigsten sekundären Endpunkte sind das Gesamtüberleben, das prostatakarzinomspezifische Überleben, die Zeit bis zur ersten skelettalen Nebenwirkung und die Zeit bis zur Schmerzprogression. Aktuell wurden Daten aus einem Update der Sicherheitsanalyse dieser Studie publiziert, die die kumulative Inzidenz von Frakturen bei den Patienten in den Untersuchungsgruppen nach einem Zeitraum von einem und 1,5 Jahren zeigen. Dabei wurde die Frakturinzidenz bei Patienten mit und ohne gleichzeitige knochenschützende Therapie (Bisphosphonat oder RANK-Ligand-Inhibitor) dokumentiert. Ohne gleichzeitige knochenschützende Therapie ist die Frakturinzidenz in der Kombinationsgruppe (Enzalutamid plus Radium-233) nach einem Jahr mit 37,1 % mehr als doppelt so hoch wie in der Enzalutamid-Monotherapiegruppe (15,8 %). Die knochenschützende Therapie führt zu einer drastischen Abnahme der kumulativen Frakturinzidenz sowohl in der Kombinations- als auch in der Monotherapiegruppe. In der Kombinationsgruppe sinkt die kumulative Frakturinzidenz von 37,1 auf 2,8 % und in der Monotherapiegruppe von 15,8 auf 3,9 %. Unter einer knochenschützenden Therapie ist die Frakturinzidenz in der Kombinationsgruppe mit 2,8 % etwas niedriger als in der Monotherapiegruppe mit 3,9 %. In der aktuellen Leitlinie entspricht die Empfehlung für eine Behandlung mit Radium-223 der bereits zitierten Zulassung.

TheraP: 177Lu-PSMA-617 vs. Cabazitaxel

Das PSMA-PET-CT ist ein im Rahmen der Diagnostik des metastasierenden Prostatakarzinoms zunehmend eingesetztes Bildgebungsverfahren, das Hochrisikopatienten auch laut aktueller Leitlinienempfehlung angeboten werden kann. Aus diesem hochspezifischen Bildgebungsverfahren hat sich das Therapieprinzip der Theranostik entwickelt, mit der radioaktive Strahlung mit dem prostataspezifischen Membranantigen (PSMA) als Tracer an und in das Tumorgewebe gebracht werden kann. In der aktuell publizierten prospektiv randomisierten ANZUP-Studie wurden mCRPC-Patienten mit einem Krankheitsprogress nach Docetaxel entweder mit 177Lu-PSMA-617 (N = 99) oder Cabazitaxel (N = 101) behandelt. Vor der Rekrutierung wurde bei allen Patienten ein PSMA-PET-CT durchgeführt, um Patienten ohne Positivität ausschließen zu können. Als primärer Endpunkt wurde die PSA50-Response-Rate (PSA50-RR) festgelegt, also eine Senkung des PSA-Wertes von mindestens 50 % gegenüber Baseline. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem Nebenwirkungen, das progressionsfreie Überleben (biochemisch und radiografisch) sowie vom Patienten berichtete Ereignisse wie Schmerzen und die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Der Anteil an Patienten, die unter der Behandlung mit 177Lutetium-PSMA-617 eine Halbierung des PSMA-Wertes gezeigt haben, ist mit 66 % statistisch signifikant größer als der Anteil der Patienten mit PSA50-RR unter Cabazitaxel (37 %). Viele Patienten hatten vor Studienbeginn bereits eine Therapie mit Abirateron und/oder Enzalutamid erhalten und sehr hohe PSA-Werte mit im Median 110 ng/ml in der Cabazitaxel-Gruppe und 94 ng/ml im 177Lu-PSMA-617-Arm. Beim biochemischen und radiografischen progressionsfreien Überleben (PFS) waren nach zwölf Monaten in der 177Lu-PSMA-617-Gruppe 19 % der Patienten gegenüber nur 3 % in der Cabazitaxel-Gruppe progressionsfrei. Die objektive Ansprechrate nach RECIST 1.1 im 177Lu-PSMA-617-Arm mit 49 % ist statistisch signifikant höher als im Cabazitaxel-Arm (24 %). An unerwünschten Ereignissen Grad 3 bis 4 trat eine Neutropenie unter Cabazitaxel häufiger auf als unter 177Lu-PSMA-617 (13 % vs. 4 %); eine Thrombozytopenie war mit 11 % vs. 0 % häufiger unter 177Lu-PSMA-617 als unter Cabazitaxel. Die Auswertung der von den Patienten berichteten unerwünschten und die Lebensqualität einschränkenden Ereignisse ergab signifikante Vorteile für die Behandlung mit 177Lu-PSMA-617. Die Zeit ohne eine Verschlechterung der Lebensqualität war entsprechend der progressionsfreien Entwicklung günstiger für die Patienten im 177Lu-PSMA-617-Arm. Zusammenfassend ist 177Lu-PSMA-617 eine potenzielle wirksame neue, aber noch nicht zugelassene Option zur Behandlung von Patienten mit mCRPC und einem Progress unter Docetaxel, die vor Therapiebeginn ein positives PSMA-PET haben. Die Wirksamkeit bei diesem Patientenkollektiv war besser als unter Cabazitaxel. Neue Studienergebnisse insbesondere bei Patienten ohne ein positives PSMA- PET im Vorfeld werden erwartet. In der aktuellen Leitlinie kann Patienten mit kastrationsresistenter, progredienter Erkrankung in gutem Allgemeinzustand nach Ausschöpfen der empfohlenen Therapieoptionen ein Therapieversuch mit 177Lutetium-PSMA-617 auf Basis der Empfehlung einer interdisziplinären Tumorkonferenz angeboten werden.

Wirkweise von PARP-Inhibitoren in der Tumortherapie

PARP-Inhibitoren sind eine neue Substanzklasse, deren Wirksamkeit unter anderem auch bei Patienten mit einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom untersucht wird. PARP, die Poly-(ADP-Ribose-)Polymerase, ist ein für die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen essenzielles Enzym. Pro Tag kommt es in Körperzellen im Rahmen der normalen Zellteilungsaktivität zu 10.000 bis 20.000 DNA-Mutationen und Einzelstrangbrüchen, die repariert werden müssen. Neben PARP sind die homologen Reparaturgene (HRR) wie BRCA1, BRCA2 und ATM (BRCA = Breast Cancer Gene, ATM = Ataxia Teleangiectasia Mutated) wichtige Bestandteile dieses Reparaturmechanismus. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Zellregulation sowie bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen, der sogenannten homologen Rekombination (HR). Mutationen in den BRCA-Genen sind mit einem erhöhten Risiko verschiedener Krebserkrankungen assoziiert, wie zum Beispiel einem Mamma-, Ovarial-, Prostata- oder Pankreaskarzinom. Bei gesunden Gewebezellen mit einer intakten homologen Rekombinationsreparatur hat eine PARP-Hemmung wenig Effekt. Wenn in Tumorzellen durch Mutationen des BRCA1, BRCA2 oder ATM die homologe Rekombinationsreparatur (HRR-Mutation) gestört ist, führt die zusätzliche Blockade der Einzelstrangreparatur durch PARP zum Untergang der Zelle. Die PARP-Inhibition führt also zu einer tumorselektiven synthetischen Letalität.

PROfound: Olaparib bei Patienten mit mCRPC und BRCA1-, BRCA2- oder ATTM-Mutation (Kohorte A)

Bei PROfound handelt es sich um eine offene, randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie bei Patienten mit mCRPC und HRR-Mutationen. Es wurden Patienten rekrutiert, die einen Krankheitsprogress unter einer Behandlung mit Abirateron und/oder Enzalutamid entwickelten und bei denen mindestens eine qualifizierende HRR-Mutation im Tumorgewebe nachgewiesen wurde. Es wurden zwei Kohorten gebildet. Kohorte A mit Patienten, die eine BRCA1-, BRCA2- oder ATM- Mutation aufwiesen, und Kohorte B mit Patienten, die eine andere HRR-Mutation hatten. Beide Kohorten wurden entweder mit dem PARP-Inhibitor Olaparib oder Abirateron oder Enzalutamid behandelt. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 2 : 1 zugunsten von Olaparib. Wenn es unter Enzalutamid oder Abirateron zu einer Progression kam, konnte auf Olaparib gewechselt werden. Primärer Endpunkt war das radiologisch progressionsfreie Überleben; sekundäre Endpunkte waren unter anderem das Gesamtüberleben und die objektiven Ansprechraten. In der Kohorte A führte Olaparib zu einer mit 19,1 Monaten signifikant besseren Gesamtüberlebensrate im Vergleich zum Kontrollarm mit entweder Abirateron oder Enzalutamid (14,7 Monate).

PROfound: Genanalyse zur Wirksamkeit von Olaparib beim mCRPC (Kohorte B)

Die Patienten in der Kohorte B der PROfound-Studie hatten verschiedene andere seltene HRR-Mutationen, jedoch keine am BRCA1-, BRCA2- oder ATM-Gen. Hier zeigte sich, dass einige Mutationen nicht auf Olaparib ansprechen. Um die Wirksamkeit einer Behandlung von Patienten mit selteneren HRR-Mutationen vorhersagen zu können, müssen zukünftig die Mutationen identifiziert werden, die entweder ausreichend auf Olaparib ansprechen oder die nicht reagieren. Auch hier darf in nächster Zeit mit weiteren Daten gerechnet werden. Olaparib ist zur Behandlung von Patienten mit mCRPC und BRCA1-/BRCA2-Mutationen zugelassen. Die Ergebnisse von PROfound haben auch Eingang in die aktuelle Leitlinie gefunden. Patienten mit Progress nach einer Vortherapie mit einer neuen hormonellen Substanz soll eine Testung auf BRCA1-/BRCA2-Mutationen angeboten werden. Bei Nachweis einer BRCA1-/BRCA2-Mutation soll eine Therapie mit Olaparib auf der Basis einer starken Empfehlung angeboten werden.

Fazit

  • Bei mCRPC-Patienten empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie Abirateron/Prednison, Docetaxel oder Enzalutamid mit unterschiedlichen Empfehlungsstärken.
  • In der ACIS-Studie zeigte die Kombination von Abirateron/Prednison und Apalutamid keine Überlebensvorteile gegenüber Abirateron/Prednison und Placebo.
  • Ra-223 verlängert das Gesamtüberleben bei mCRPC bei guter Verträglichkeit unabhängig von einer Vorbehandlung mit Docetaxel. Eine Taxan-Chemotherapie direkt oder verzögert im Anschluss an eine Behandlung mit Radium-223 ist bei chemotherapienaiven mCRPC-Patienten eine wirksame Option.
  • Die PEACE-III-Studie soll positive Studiendaten bestätigen, die gezeigt haben, dass die Kombination von Radium-223 und Enzalutamid beim mCRPC sehr wahrscheinlich besser wirksam ist als eine Enzalutamid-Monotherapie. Eine parallele knochenschützende Therapie kann die Frakturraten deutlich senken.
  • 177Lu-PSMA-617 ist beim mCRPC eine potenziell wirksame neue Option für einen individuellen Therapieversuch, wenn zuvor die in den Leitlinien empfohlenen Therapieoptionen ausgeschöpft worden sind. Eine Zulassung liegt noch nicht vor.
  • Der PARP-Inhibitor Olaparib ist bei mCRPC-Patienten mit BRCA1-/BRCA2-Mutation nach Vorbehandlung mit mindestens einer neuen anti- hormonellen Substanz wirksamer als Abirateron oder Enzalutamid.

Literatur

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