Morbus Fabry – eine interdisziplinäre Herausforderung

Morbus Fabry ist eine multisystemische, progredient verlaufende lysosomale Speicherkrankheit. Die Pathophysiologie beruht auf Mutationen des Alpha Galactosidase A-Gens. Die klinischen Manifestationen betreffen fast alle Organsysteme, insbesondere Niere, Herz und Nervensystem. Es können sich aber auch Auffälligkeiten an Haut, Gastrointestinaltrakt, Augen und Innenohr zeigen. Erste Symptome treten bereits in der Kindheit auf, wobei männliche Patienten früher und meist schwerer betroffen sind als weibliche.

Aufgrund der unspezifischen, heterogenen Symptomatik ist die Erkrankung jedoch nicht einfach zu erkennen. Die korrekte Diagnose wird daher oft erst mit großer Verzögerung im Erwachsenenalter gestellt. Mit einer frühen Diagnose und zeitnahen Therapie können irreversible Organschäden vermieden oder verzögert und schließlich die Lebenserwartung verbessert werden. Als spezifische Therapien stehen die Enzymersatztherapie und die Chaperontherapie zur Verfügung. Die Diagnostik kann mittels einfachem Trockenbluttest von jedem Facharzt durchgeführt werden. Diagnosesicherung und Therapieentscheidung sollten in spezialisierten Zentren interdisziplinär erfolgen.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124027020014
Zeitraum 17.02.2024 - 16.02.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Christine Kurschat
PD Dr. med. Bettina Heidecker
Dr. med. Almuth Bartsch
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Interaktiver Videovortrag
Lernmaterial Vorträge mit Quizz, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG
Bewertung 4.3 (306)

Einleitung: Die Speicherkrankheit Morbus Fabry im Überblick

Morbus Fabry (M. Fabry) ist eine seltene, X-chromosomal vererbte Speicherkrankheit, die durch Mutationen im Alpha-Galactosidase-A-Gen (GLA-Gen) verursacht wird. Der daraus resultierende vollständige oder teilweise Mangel der lysosomalen Alpha-Galactosidase A (α-Gal A) führt zu einer Akkumulation von Glykosphingolipiden (GSL), insbesondere Globotriaosylceramid (Gb3) und Globotriaosylsphingosin (Lyso-Gb3) in Körperzellen und -flüssigkeiten. Durch progrediente Ablagerungen von Gb3 und Lyso-Gb3 kommt es zu Gewebeschädigungen, die zu den klinischen Hauptmanifestationen der Erkrankung in Herz, Niere und Zentralnervensystem (ZNS) führen. M. Fabry geht mit einer deutlich verringerten Lebenserwartung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung einher. Früher wurde M. Fabry als eine Erkrankung des Erwachsenenalters betrachtet. Heute weiß man, dass die Krankheitsprozesse und Symptome bereits in der frühen Kindheit beginnen können. Das Spektrum der Krankheitsausprägung ist äußerst heterogen und umfasst den „klassischen Phänotyp” mit pädiatrischem Beginn und Multiorganbeteiligung bis hin zum „atypischen Phänotyp” mit Beginn im Erwachsenenalter und vorwiegend kardialer oder renaler Symptomatik. Eine wichtige Behandlungsmöglichkeit für M. Fabry ist die Enzymersatztherapie (ERT, Enzyme replacement therapy) mit rekombinanter Agalsidase alfa oder Agalsidase beta, die lebenslang alle zwei Wochen intravenös verabreicht werden müssen. Das erste oral einzunehmende Medikament, das pharmakologische Chaperon Migalastat, setzt das Vorliegen ganz bestimmter mutierter Formen der α-Gal A voraus. Es wird geschätzt, dass etwa 35 bis 50 % der Patienten mit Morbus Fabry eine „amenable mutation” aufweisen und daher grundsätzlich mit Migalastat behandelt werden können.

Genetische Grundlagen von M. Fabry

Bisher wurden über 1000 verschiedene Mutationen des GLA-Gens identifiziert. Viele dieser Mutationen sind sogenannte „private” Mutationen, das heißt, sie kommen nur in einer bestimmten Familie vor. Neben der hohen genetischen Variabilität gibt es zahlreiche unterschiedliche Phänotypen – selbst zwischen Personen mit gleichem Genotyp. Das Spektrum umfasst den „klassischen” Phänotyp mit wenig bis keiner α-Gal-A-Aktivität, Beginn im Kindesalter und Multiorganbeteiligung bis hin zum atypischen „later onset” Phänotyp mit residueller α-Gal-A-Aktivität. Man geht davon aus, dass neben dem Genotyp auch epigenetische Faktoren für den Schweregrad und für die Ausprägung der Erkrankung verantwortlich sind. Da Männer nur über ein X-Chromosom verfügen, sind sie hemizygot für die pathogene Mutation, sodass sie im Allgemeinen schwerere klinische Zeichen und Symptome entwickeln. Folglich findet sich der „klassische” Fabry-Phänotyp überwiegend bei Männern, während erkrankte Frauen heterozygot sind und im Allgemeinen an einer milderen Ausprägung von M. Fabry leiden. Im Gegensatz zu anderen X-chromosomalen Erkrankungen weisen jedoch manche Fabry-Patientinnen – in Abhängigkeit von der Restaktivität der α-Gal A – erhebliche Krankheitssymptome auf. Diese Heterogenität erklärt sich durch einen epigenetischen Prozess, die sogenannte X-Inaktivierung.

Die X-Inaktivierung – Grund für die Heterogenität bei Frauen mit M. Fabry

Nach der britischen Genetikerin Mary F. Lyon wird die „Abschaltung” eines der beiden X-Chromosomen in der frühen weiblichen Embryogenese auch als „Lyonisierung” oder „Lyonisation” bezeichnet. Dabei entscheidet sich nach dem Zufallsprinzip in jeder einzelnen Zelle, ob das paternale oder das maternale X-Chromosom inaktiviert und an der Expression der meisten Gene gehindert wird. Daher bestehen die Gewebe weiblicher Individuen aus einem Mosaik zweier Zellpopulationen, die jeweils Gene eines der beiden Chromosomen exprimieren. Wie schwer eine Frau an M. Fabry erkrankt, hängt also davon ab, ob in den einzelnen Organen überwiegend X-Chromosomen mit der Mutation oder intakte X-Chromosomen aktiv sind.

Vererbung und Inzidenz bei M. Fabry

Für M. Fabry gelten die Regeln der X-chromosomalen Vererbung: Väter mit defektem GLA-Gen geben dieses über das X-Chromosom nur an ihre Töchter, niemals aber an ihre Söhne weiter. Alle Töchter eines erkrankten Mannes sind „obligate” Überträgerinnen, alle Söhne können nicht erkranken. Betroffene Mütter vererben die Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % sowohl den Töchtern als auch den Söhnen. Aufgrund dieses Vererbungsmusters geht man von einer etwa doppelt so hohen Inzidenz von M. Fabry bei Frauen aus. Legt man eine Inzidenz von 1 : 40.000 bei männlichen Geburten zugrunde, kann die Inzidenz von M. Fabry bei weiblichen Geburten auf 1 : 20.000 hochgerechnet werden. Untersuchungen von Risikogruppen sowie prospektive Erhebungen aus dem Neugeborenen-Screening legen jedoch eine deutlich höhere Inzidenz nahe als bisher angenommen.

Das klinische Bild bei M. Fabry – der klassische Phänotyp

In Abhängigkeit von der verbliebenen α-Gal-A-Aktivität variiert das klinische Bild des M. Fabry vom schwerkranken Patienten bis zur asymptomatischen Trägerin der Mutation. Beim sogenannten klassischen Phänotyp treten die ersten Symptome typischerweise in Kindheit und Adoleszenz auf. Dazu gehören u. a. chronische neuropathische Schmerzen, z. B. Akroparästhesien. Besonders auffällig sind Angiokeratome der Haut und eine charakteristische, beidseitig auftretende, speichenradförmige Hornhauttrübung (Cornea verticillata). Da M. Fabry eine von wenigen Ursachen für diese Befunde ist, können Augenärzte und Dermatologen frühzeitig die Verdachtsdiagnose M. Fabry stellen. Eine Hörminderung, plötzlicher Hörverlust, Tinnitus und Schwindel können für eine Beteiligung des audio-vestibulären Systems sprechen. Viele Patienten klagen auch über gastrointestinale Beschwerden. Typische Merkmale sind vermindertes oder fehlendes Schwitzen (Hypohidrose oder Anhidrose) sowie eine Überempfindlichkeit auf Hitze und Kälte. Die Lebensqualität der betroffenen Kinder ist oft erheblich beeinträchtigt und durch Müdigkeit, Angstzustände, Depressionen und häufiges Fehlen in der Schule gekennzeichnet. Zu den ersten renalen und kardialen Auffälligkeiten zählen Mikroalbuminurie, Proteinurie sowie eine abnorme Herzfrequenzvariabilität. Im frühen Erwachsenenalter zeigen sich häufig die ersten Organkomplikationen, wie eine progrediente Niereninsuffizienz, eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) und hypertrophe Kardiomyopathie sowie Herzrhythmusstörungen. Es kann zu transitorischen ischämischen Attacken (TIA) und Schlaganfällen kommen. Die fortschreitende und chronische Natur der Erkrankung kann sich erheblich auf alle Aspekte des Lebens der Patienten auswirken. Mit dem Alter nimmt die Zahl der beteiligten Organe und der Schweregrad der Symptome zu, was zur frühen Mortalität bei M. Fabry beiträgt.

Der nicht klassische later onset Phänotyp

Zu den nicht klassischen Phänotypen bei M. Fabry gehören später auftretende Formen mit Manifestationen, die sich hauptsächlich auf ein Organ beschränken z. B. mit vorherrschender kardialer, renaler oder ZNS-Beteiligung. Late onset Phänotypen werden häufig lange Zeit nicht erkannt, da die einzelnen Symptome wie LVH, Proteinurie oder kryptogener Schlaganfall mit anderen, häufigeren Erkrankungen in Verbindung gebracht werden und die klassischen Frühmanifestationen wie Akroparästhesie, Cornea verticillata oder Angiokeratome fehlen.

Prognose und Lebenserwartung

Für alle Fabry-Patienten ist die Prognose entscheidend von der frühzeitigen Diagnose und Behandlung abhängig. Die ERT ist neben der Chaperontherapie die derzeit einzige Möglichkeit, die Krankheitsprogression zu verlangsamen und ihren Folgen vorzubeugen. Bevor die ERT zur Verfügung stand, rechnete man bei Männern mit M. Fabry mit einer um etwa 20 Jahre verkürzten Lebenserwartung und bei betroffenen Frauen mit einer um ca. 15 Jahre verkürzten Lebensspanne im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Ab dem 35. Lebensjahr nahm bei den männlichen Fabry-Patienten die Überlebenswahrscheinlichkeit rapide und bei den weiblichen allmählich ab. Die ERT trägt dazu bei, die Lebenserwartung von Patienten mit M. Fabry deutlich zu verlängern, wie wir später noch sehen werden.

Diagnoseverzögerung und Fehldiagnosen

Wie eine Auswertung des internationalen Fabry-Registers zeigt, waren Jungen bei Beginn der Symptomatik im Median neun, Mädchen 13 Jahre alt. Die Diagnose „Morbus Fabry” wurde jedoch erst im medianen Alter von 23 Jahren bzw. 32 Jahren gestellt. Demnach vergingen nach klinischem Symptombeginn 14 bzw. 19 Jahre, bis die Speicherkrankheit erkannt wurde. Im europäischen Fabry Outcome Survey (FOS) erhielten die Patienten durchschnittlich nach 14 bis 16 Jahren ihre Diagnose. Da die Manifestationen vielfältig und unspezifisch sind, kommt es immer wieder zu Fehldiagnosen, die wiederum zu Verzögerungen der notwendigen Behandlung führen. Oft haben die Patienten eine „diagnostische Odyssee” hinter sich, bei der zehn und mehr Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen aufgesucht wurden, bevor die Diagnose M. Fabry gestellt werden konnte. Im Fabry Outcome Survey waren u. a. Nephrologen (14 %), Genetiker (10 %), Kinderärzte (8 %), Dermatologen (7 %), Allgemeinmediziner (5 %), Kardiologen (5 %) und andere Experten an der Diagnose M. Fabry beteiligt. Häufig werden die Symptome fälschlich Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet. Weitere Fehldiagnosen sind u. a. Wachstumsschmerzen im Kindesalter, Fibromyalgie, Dermatomyositis, hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Morbus Osler), Morbus Menière, Multiple Sklerose, Reizdarmsyndrom, kryptogener Schlaganfall oder neuropsychologische Störungen. Eine chronische Nierenerkrankung unklarer Genese oder eine idiopathische hypertrophe Kardiomyopathie kann auch auf M. Fabry zurückzuführen sein.

KasuistiK 1: Ein Fall aus der Hausarztpraxis (vorgestellt von Dr. med. Almuth Bartsch, Hamburg)

Patientin, 24 Jahre, Vorstellung in der Hausarztpraxis. Beschwerden: Schweregefühl der Beine, Knieschmerzen, Missempfindungen im linken Bein mit diskreter Parese nach langwierigem Infekt. Diagnostik/Befunde: Entzündungswerte erhöht, MRT des Kopfes unauffällig, MRT des Unterschenkels zeigt Ödembildung des Musculus soleus. Stationärer Aufenthalt in rheumatologischer Abteilung, neurologische Mitbehandlung: Diagnose: Postinfektiöse Myositis des M. soleus. Therapie: keine, da spontane Rückbildung der Beschwerden. Nach ca. einem Jahr erneute Vorstellung mit folgenden Symptomen: Kopfschmerzen und Schwindel, erhabene Veränderung/Knötchenbildung am Kopf, u. a. im Bereich der Arteria temporalis, Marmorierung der Haut. Diagnostik/Befunde: Entzündungswerte erhöht, Ausschluss Antiphospholipid-Syndrom (APS), Biopsie der rechten Arteria temporalis zeigt geringfügige Arteriitis temporalis mit ausgeprägter Intimafibrose. Diagnose: Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis). Therapie: Prednisolon; im weiteren Verlauf kortikoidsparende Therapie mit Methotrexat (MTX). In den nachfolgenden Jahren wiederholt Kopfschmerzen, Schwindel, Bauch-, Magenschmerzen, Entzündungswerte erhöht, wiederholte Gastroskopien unauffällig, Koloskopie abgelehnt; MRT des Kopfes: Herdbefunde, mit einer Encephalitis disseminata vereinbar, Liquordiagnostik unauffällig. Therapie Rheumatologie: Absetzen von Prednisolon und MTX aufgrund von Nebenwirkungen. Therapie Neurologie: keine Indikation zur immunmodulierenden Therapie. Weiterer Verlauf: Gelegentliche Kopfschmerzen, ab und zu wenige Minuten anhaltende Sehstörungen, Fazialisparese links, bildete sich alles wieder zurück; immer wieder neue Herdbefunde bei jährlichen MRT-Kontrollen des Kopfes. Therapie: keine, da keine Zunahme der Beschwerden. Nach ca. zehn Jahren erster Verdacht auf M. Fabry durch Familienanamnese: Mutter durch Schlaganfall mit 44 Jahren und erneut mit 50 Jahren schwer beeinträchtigt. Halbbruder in jungen Jahren mit eingeschränkter Nierenfunktion, mittlerweile dialysepflichtig. Auf Nachfrage: Hyperhidrose. Fabry Diagnostik in der Hausarztpraxis: Nachweis einer Mutation im GLA-Gen (auch bei Halbschwester und Halbbruder). Diagnose: Morbus Fabry. Überweisung an ein Zentrum für seltene Erkrankungen.

Symptome, die auf einen M. Fabry hinweisen können

Hautmanifestationen

Das häufigste sichtbare Frühsymptom bei M. Fabry stellen Angiokeratome dar. Die kleinen, rötlich-bräunlichen Gefäßerweiterungen sind typischerweise um den Bauchnabel herum, im Intimbereich oder am Gesäß lokalisiert. Daher können sie leicht bei einer Untersuchung übersehen werden. Sie können aber auch an anderen Hautstellen auftreten, z. B. an den Lippen, Schleimhäuten oder an Finger- und Zehenkuppen. Im Laufe des Lebens nimmt ihre Zahl gewöhnlich zu. Ihre Ausdehnung korreliert im Allgemeinen mit dem Schweregrad der Erkrankung. Auch wenn diese Hauterscheinung nicht ausschließlich bei Fabry-Patienten auftritt, kann sie dennoch einem Dermatologen auffallen und schließlich zu einer korrekten Diagnose führen. Weitere Hautmanifestationen sind Teleangiektasien, Lymphödeme und Störungen der Schweißsekretion.

Neurologische Auffälligkeiten

Nervenschmerzen

Ebenfalls ein sehr häufiges Symptom sind neuropathische Schmerzen, die typischerweise als Akroparästhesien mit Brennen, Kribbeln oder Taubheit an den Extremitäten auftreten. Es werden aber auch Schmerzattacken beschrieben, die prinzipiell jede Körperregion betreffen können und wenige Minuten bis zu mehreren Tage anhalten. Diese sogenannten „Fabry-Krisen” werden meist durch Infektionen, körperliche Belastung oder Stress ausgelöst und sind für die Betroffenen extrem belastend. Insbesondere bei Beginn der Schmerzen im Kindesalter sollte man hellhörig werden und die Eltern gezielt nach möglichen weiteren Anzeichen eines M. Fabry befragen.

Schlaganfälle

Patienten mit M. Fabry haben ein erhöhtes Risiko, bereits in jungen Jahren einen Schlaganfall zu erleiden. Wie Daten aus dem internationalen Fabry-Register zeigen, betrug das mittlere Alter beim ersten Schlaganfall 39 Jahre bei den männlichen und ca. 46 Jahre bei den weiblichen Patienten. Zum Zeitpunkt ihres ersten Schlaganfalles waren die Patienten (noch) nicht mit ERT behandelt worden. Insgesamt war die Schlaganfallinzidenz bei Fabry-Patienten in jeder Altersdekade deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. 30 Patienten (21 Männer und neun Frauen) erlitten einen Schlaganfall noch vor dem 30. Lebensjahr. Bei jungen Patienten (18 bis 55 Jahre) mit einem Schlaganfall ungeklärter Ursache sollte stets ein M. Fabry ausgeschlossen werden, insbesondere bei Zusatzsymptomen wie einer Ektasie der Arteria basilaris.

Nephrologische Symptome

Mikroalbuminurie und Proteinurie sind erste Anzeichen einer Nierenerkrankung bei Patienten mit M. Fabry. Diese treten bei mehr als der Hälfte der männlichen Fabry-Patienten im Alter von 35 Jahren auf. Etwa 10 % aller Betroffenen unter 18 weisen bereits eine Proteinurie auf. Patienten mit unklarer Mikroalbuminurie, Proteinurie oder eingeschränkter Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate (GFR) <60 ml/min/1,73 m2) unklarer Genese sollten auf das Vorliegen eines M. Fabry abgeklärt werden. Unbehandelt führt die Erkrankung zu einer fortschreitenden Verringerung der GFR bis zum Nierenversagen. Daher sollte auch ein M. Fabry in Betracht gezogen werden, wenn in der Familienanamnese (meist männliche) Verwandte vor dem 50. Lebensjahr aufgrund von Niereninsuffizienz dialysepflichtig wurden oder gestorben sind.

Kardiale Manifestationenxxxxxxx

Kardiale Manifestationen sind bei M. Fabry häufig; etwas mehr als die Hälfte der Patienten entwickelt im Verlauf eine typische Kardiomyopathie. Der führende Befund im Rahmen der Fabry-Kardiomyopathie ist eine meist konzentrische, linksventrikuläre Hypertrophie (LVH), die unbehandelt progredient verläuft. Die Patienten können jedoch auch verschiedene Erregungsleitungsanomalien aufweisen, bevor sich eine LVH entwickelt: Die P-Welle, das PQ-Intervall und die QRS-Breite sind kürzer und die Repolarisationsverteilung ausgeprägter als bei herzfrequenz- und altersgleichen Kontrollen. Das Spektrum möglicher kardialer Befunde umfasst außerdem eine myokardiale Fibrose, einen prominenten Papillarmuskel, eine koronare mikrovaskuläre Dysfunktion, Herzrhythmusstörungen, Klappenanomalien und Herzinsuffizienz.

Mit den richtigen Fragen auf dem Weg zur Diagnose

Liegt eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) ≥12 mm vor – mit oder ohne Hypertonie –, dann können weitere Symptome den Verdacht auf einen M. Fabry erhärten. Der Patient sollte nach folgenden Beobachtungen und Beschwerden gefragt werden:
  • Brennende Schmerzen in Händen/Füßen?
  • Vermindertes Schwitzen?
  • Magen-Darm-Beschwerden?
  • Kleine rote Flecken auf der Haut?
  • Nierenerkrankung bekannt?
  • Schlaganfall/transitorische ischämische Attacke (TIA)?
  • Positive Familienanamnese?
Wird mindestens eine Frage mit Ja beantwortet und besteht ein begründeter Verdacht, sollte der Patient auf M. Fabry getestet werden – entweder in einem Fabry-Zentrum oder in der Arztpraxis mittels eines einfach durchzuführenden Tests. Das Test-Kit mit einer Trockenblutkarte oder einem EDTA-Röhrchen kann kostenlos angefordert werden. Die Blutprobe wird anschließend zur Bestimmung der Enzymaktivität der α-Gal A an ein spezialisiertes Labor geschickt. Bei positivem Testergebnis sollten die Patienten an ein Fabry-Zentrum zur Sicherung der Diagnose und zur Behandlung überwiesen werden.

Diagnosesicherung bei Verdacht auf M. Fabry

Bei Männern erfolgt zunächst die Bestimmung der α-Gal-A-Enzymaktivität in Leukozyten. Ist diese pathologisch reduziert, ist von einem M. Fabry auszugehen. Üblicherweise schließt sich zur Bestätigung des Enzymbefundes eine Mutationsanalyse des GLA-Gens an. Bei Frauen schließt eine normale Enzymaktivität das Vorliegen eines M. Fabry nicht aus. Daher muss bei Frauen immer die molekulargenetische Analyse des GLA-Gens zur Diagnosestellung herangezogen werden.

Wer darf den Test auf M. Fabry durchführen?

Besteht ein begründeter Verdacht, weil z. B. Symptome wie eine LVH vorliegen, darf die Testung auf M. Fabry von jedem Arzt nach Aufklärung und schriftlicher Einwilligung vorgenommen werden. Die Testung nicht betroffener Angehöriger, z. B. im Rahmen eines familiären Screenings, ist eine „prädiktive genetische Untersuchung”, die nur Fachärzten für Humangenetik oder Ärzten mit entsprechender Zusatzqualifikation (fachgebundene genetische Beratung) vorbehalten ist. Eine Analyse des Familienstammbaumes und die Kommunikation der Erkrankung innerhalb der Familie sollte durch den Patienten selbst erfolgen.

Die frühzeitige Diagnose ist entscheidend für den Therapieerfolg

Immer mehr Belege sprechen für den frühzeitigen Beginn einer ERT bei Patienten mit M. Fabry. Die Therapieerfolge sind besonders groß, wenn die Patienten bei Behandlungsbeginn erst wenige oder keine Organschäden aufweisen. Ein Expertengremium hat sich 2020 darüber verständigt, welche klinischen Indikatoren Hinweise auf einen früheren als den derzeit praktizierten Therapiestart bei M. Fabry geben könnten. Zu den Frühindikatoren für kardiale Schäden gehören demnach eine diastolische Dysfunktion, EKG-Anomalien wie ein verkürztes PR-Intervall, erniedrigte T1-Relaxationszeiten des Myokards im MRT sowie erste Hinweise auf eine LVH. Als Frühindikatoren für eine Nierenbeteiligung werden u. a. eine abnormale glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), Mikroalbuminurie, ein erhöhtes Verhältnis von Albumin zu Kreatinin im Urin sowie Podozyten-Einschlüsse oder andere renale Läsionen in Nierenbiopsien gewertet. Weitere Frühindikatoren sind neuropathische Schmerzen, insbesondere in den Extremitäten, und gastrointestinale Symptome sowie Angiokeratome und eine gestörte Schweißbildung. Das Expertengremium stimmte darin überein, mit der Therapie bei allen männlichen Patienten mit klassischem Phänotyp spätestens mit 16 Jahren zu starten, auch wenn diese bislang symptomfrei sind. Bei ersten Hinweisen auf eine Organbeteiligung soll die Therapie auch schon früher – unabhängig vom Alter – eingeleitet werden. Wenn bereits Hinweise auf Organschäden vorliegen, soll mit der Therapie bei allen Patienten begonnen werden – auch bei weiblichen mit nicht klassischem Phänotyp. Wichtig ist es, die Therapie grundsätzlich fortzusetzen, selbst wenn multiple Organschäden vorhanden sind, um die Krankheitsprogression weiterhin zu verlangsamen.

Kasuistik 2: Ein Fall aus der Kardiologie (vorgestellt von PD Dr. med. Bettina Heidecker, Berlin)

Patient, 56 Jahre, Vorstellung in der kardiologischen Ambulanz. Beschwerden/Vorgeschichte: Zunehmende Angina pectoris und Dyspnoe seit sieben Jahren, Koronarangiografie vor sieben Jahren unauffällig, Genetische Untersuchung damals unauffällig, Diagnose: hypertrophe Kardiomyopathie, Medikation: Verapamil 120 mg dreimal täglich, Ramipril 5 mg zweimal täglich, Atorvastatin 40 mg, Acetylsalicylsäure 100 mg einmal täglich. Diagnostik/Befunde: Transthorakale Echokardiografie: rechte und linke Ventrikelwände verdickt, keine Zeichen für eine Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT), EKG: ST-Streckenveränderungen in I, II, aVF; Rechtsschenkelblock (RSB), T-Negativierungen in V1 bis V6, 24-Stunden-EKG: nicht anhaltende Kammertachykardie; 157 ventrikuläre Extrasystolen (VES), 73 supraventrikuläre Extrasystolen (SVES) und zwei Couplets. Speckle-Tracking-Echokardiografie: typisches Apical-Sparing-Muster. Verdacht auf kardiale Amyloidose: Immunfixation für Blut und Urin unauffällig, Elektrophorese aus Serum unauffällig. AL-Amyloidose unwahrscheinlich, Myokardbiopsie: keine Amyloid-Ablagerungen, Vakuolisierung der Kardiomyozyten. Verdacht auf Morbus Fabry, Enzymtestung: Lyso-Gb3 erhöht, Aktivität der α-Gal A erniedrigt, Molekulargenetik: Nachweis einer hemizygoten Variante des GLA-Gens. Diagnose: Morbus Fabry. Überweisung an ein Zentrum für seltene Erkrankungen.

Kardiologische Therapieziele

Mit einer Behandlung des M. Fabry soll bei bereits vorhandenen verdickten Herzwänden das Risiko für ein Fortschreiten reduziert werden. Funktionale Parameter wie die Belastbarkeit sollen verbessert werden. Auch gilt es, die kardialen Symptome wie Luftnot durch die Therapie günstig zu beeinflussen. Ein ganz wesentliches Ziel ist die Verringerung der Morbidität und das Verhindern einer vorzeitigen Mortalität. Im Folgenden stellen wir Ergebnisse verschiedener Studien mit Migalastat, Agalsidase alfa sowie Agalsidase beta vor, die den Einfluss der Therapien auf die verdickten Herzwände und auf kardiale Ereignisse bei M. Fabry zeigen.

Stabilisierung der linksventrikulären Masse unter Migalastat

In einer deutschen, prospektiven Beobachtungsstudie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Migalastat bei Patienten mit „amenable mutations” untersucht. Ein Großteil der Patienten hatte zuvor im Mittel für 3,7 Jahre eine ERT erhalten. Der Ausgangswert für den linksventrikulären Massenindex (LVMi) betrug im Median 95 (Bereich 54–281) g/m2. Der LVMi verringerte sich unter Migalastat signifikant gegenüber dem Ausgangswert um 10,4 g/m2 nach zwölf Monaten und um 7,5 g/m2 nach 24 Monaten. Die stärkste Wirkung auf den LVMi wurde innerhalb des ersten Jahres und insbesondere bei Männern mit LVH beobachtet. Zwischen zwölf und 24 Monaten gab es keine weitere Verbesserung. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten, die mit ERT vorbehandelt wurden, und solchen ohne Vorbehandlung festgestellt.

Stabilisierung der linksventrikulären Masse unter Enzymersatztherapie (Agalsidase alfa)

In einer deutschen, prospektiven Beobachtungsstudie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Migalastat bei Patienten mit „amenable mutations” untersucht. Ein Großteil der Patienten hatte zuvor im Mittel für 3,7 Jahre eine ERT erhalten. Der Ausgangswert für den linksventrikulären Massenindex (LVMi) betrug im Median 95 (Bereich 54–281) g/m2. Der LVMi verringerte sich unter Migalastat signifikant gegenüber dem Ausgangswert um 10,4 g/m2 nach zwölf Monaten und um 7,5 g/m2 nach 24 Monaten. Die stärkste Wirkung auf den LVMi wurde innerhalb des ersten Jahres und insbesondere bei Männern mit LVH beobachtet. Zwischen zwölf und 24 Monaten gab es keine weitere Verbesserung. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten, die mit ERT vorbehandelt wurden, und solchen ohne Vorbehandlung festgestellt.

Stabilisierung von linksventrikulärer Hinterwanddicke (LPWT) und interventrikulärer Septumdicke (IVST) unter Enzymersatztherapie (Agalsidase beta)

In dieser Studie von Germain et al. wurden die Langzeitergebnisse von Patienten mit klassischem Morbus Fabry aus der klinischen Phase-III-Studie mit Agalsidase beta untersucht, wobei aggregierte Daten aus der Studie, der Verlängerungsstudie und dem Fabry-Register verwendet wurden. Über den Zeitraum von zehn Jahren unter ERT nahmen die mittlere linksventrikuläre Hinterwanddicke (LPWT) und die interventrikuläre Septumdicke (IVST) nicht signifikant zu. Dies deutet auf eine Stabilisierung im Laufe der Zeit hin. Betrachtet man das Alter der Patienten bei Beginn der ERT, so blieben bei denen, die unter 40 Jahren mit der Therapie begannen, LPWT und IVST stabil. Im Gegensatz dazu stiegen diese Parameter bei Patienten, die bei der ersten Infusion über 40 Jahre alt waren, vom Ausgangswert bis zur letzten Nachuntersuchung signifikant an. Obwohl ein möglicher Beitrag von Niereninsuffizienz oder Hypertonie zum Fortschreiten der linksventrikulären Wanddicke nicht ausgeschlossen werden kann, stimmen die Ergebnisse mit anderen Studien überein, die zeigen, dass Patienten, bei denen die Behandlung mit Agalsidase beta in einem jüngeren Alter begonnen wurde, die Auswirkungen auf die Herzstruktur günstig waren.

Früher Therapiestart reduziert das Risiko kardialer Ereignisse

Wie sich ein zeitnaher bzw. verzögerter Therapiestart mit Agalsidase alfa u. a. auf kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit Morbus Fabry auswirkt, zeigt eindrucksvoll eine aktuelle Studie. In dieser wurde anhand von Daten des Fabry Outcome Surveys die Zeit bis zum Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen für zwei Patientengruppen ermittelt: Für die Gruppe mit ERT-Start innerhalb von 24 Monaten nach Symptombeginn (n = 172). Für die Gruppe mit ERT-Start ≥24 Monate nach Auftreten der Symptome (n = 1202). Zu den kardiovaskulären Ereignissen wurden Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Herzoperationen, Erregungsleitungsanomalien, LVH und Myokardinfarkt gezählt. In einer multivariaten Cox-Regressionsanalyse verringerte ein zeitnaher Therapiebeginn die Wahrscheinlichkeit kardialer Ereignisse signifikant im Vergleich zu einem verzögerten Therapiestart (HR = 0,62; P < 0,001).

Nephrologische Therapieziele bei M. Fabry

Die fortschreitende Nephropathie ist für einen Großteil der Morbidität und der vorzeitigen Sterblichkeit bei M. Fabry verantwortlich. Die Behandlungsziele sind abhängig von der anfänglichen Nierenfunktion des Patienten. Liegt noch keine Nierenschädigung vor, steht die Verhinderung der Entwicklung einer Albuminurie und der Erhalt einer normalen Nierenfunktion im Vordergrund. Bei (leichter) Nierenbeteiligung geht es darum, die Albuminurie sowie die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) zu normalisieren und zu stabilisieren. Ziel ist es, die Progression der chronischen Nierenerkrankung bis zur terminalen Niereninsuffizienz (ESRD) aufzuhalten bzw. zu vermeiden. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz soll eine weitere Progression hinausgezögert werden, um eine Dialysepflicht oder Transplantation zu verhindern.

Stabilisierung der Nierenfunktion unter Migalastat

Die Wirksamkeit und Sicherheit von oralem Migalastat im Vergleich zur ERT wurde in einer randomisierten Phase-III-Studie bei Patienten mit M. Fabry untersucht, die zuvor eine ERT erhalten hatten. Während der zwölfmonatigen, offenen Verlängerungsphase setzten die Patienten, die während des randomisierten Zeitraumes bereits Migalastat erhielten, die Migalastat-Therapie fort (Gruppe 1 [MM]). Patienten, die zuvor eine ERT erhielten, setzten diese ab und begannen mit der Migalastat-Behandlung (Gruppe 2 [EM]). Die eGFR blieb in beiden Behandlungsgruppen stabil. In Gruppe 1 (MM) betrug die mittlere annualisierte Änderungsrate der eGFR –1,7 ml/min/1,73 m2 vom Ausgangswert bis zu Monat 30. In Gruppe 2 (EM) war die mittlere annualisierte eGFR-Änderungsrate zwischen dem initialen 18-monatigen ERT-Behandlungszeitraum und der anschließenden zwölfmonatigen offenen Migalastat-Behandlungsphase vergleichbar (–2,0 ml bzw. –2,1 ml/min/1,73 m2).

Stabilisierung der Nierenfunktion unter Enzymersatztherapie (Agalsidase alfa)

In der Studie von Parini et al. zeigte die Kohorte 1 mit den unter 18-jährigen Patienten während des gesamten Nachbeobachtungszeitraumes keine signifikanten jährlichen Veränderungen der eGFR. Bei den 18- bis 30-jährigen Patienten der Kohorte 2 wurde ein statistisch signifikanter jährlicher Rückgang der eGFR ermittelt, der mit dem natürlichen jährlichen Rückgang der eGFR bei gesunden Personen vergleichbar war. Bei den zu ERT-Beginn über 30-jährigen Patienten in Kohorte 3 waren schon die eGFR-Ausgangswerte geringer, und diese verschlechterten sich über den Beobachtungszeitraum signifikant von Jahr zu Jahr. Diese Daten sind ein weiterer Beleg dafür, dass es wichtig ist, früh mit der Therapie zu beginnen, um die Nierenfunktion möglichst konstant über die Jahre zu erhalten.

Stabilisierung der Nierenfunktion unter Enzymersatztherapie (Agalsidase beta)

In der Studie von Germain et al. zeigten Patienten in der Low-Risk-(LRI-)Gruppe (geringe Nierenbeteiligung, Durchschnittsalter bei Behandlungsbeginn 25 Jahre) im Laufe der zehnjährigen Nachbeobachtungszeit nur einen geringen Rückgang der eGFR. Patienten mit signifikanter Vorschädigung der Nieren (High-Risk-Gruppe, HRI), die die Behandlung erst mit durchschnittlich 38 Jahren begannen, wiesen den stärksten Rückgang der eGFR auf. Diese Daten deuten darauf hin, dass eine Behandlung vor dem Auftreten größerer Schäden an der Nierenarchitektur von entscheidender Bedeutung ist. Während eine spät einsetzende Behandlung das Fortschreiten der Nierenerkrankung bestenfalls verlangsamen kann, so kann sie bei fortgeschrittenen, älteren Patienten mit M. Fabry dennoch zu einer Verlängerung der Lebenserwartung beitragen.

Früher Therapiestart reduziert das Risiko renaler Ereignisse

Wie anhand von Daten des Fabry Outcome Surveys (FOS) bereits für kardiale Ereignisse gezeigt wurde, verringerte ein zeitnaher Therapiestart mit Agalsidase alfa (<24 Monate nach Symptombeginn) das Risiko renaler Ereignisse im Vergleich zu einem verzögerten Therapiestart (≥24 Monate). Zu den renalen Ereignissen zählten Dialyse, Nierentransplantation, Nierenversagen und Proteinurie, die innerhalb des FOS-Registers erfasst wurden.

ERT kann die Lebenserwartung bei M. Fabry verlängern

Die ERT scheint auch Einfluss auf die Mortalität von Patienten mit M. Fabry zu haben, wie die Untersuchung von Beck et al. zeigt. Die Forscher verglichen die Behandlungsergebnisse einer fünfjährigen ERT mit Agalsidase alfa bei Patienten, die an der Fabry Outcome Survey (FOS) teilnahmen, mit veröffentlichten Ergebnissen für unbehandelte Patienten mit M. Fabry. Bei den behandelten, männlichen Patienten betrug die geschätzte mediane Überlebenszeit 77,5 Jahre im Vergleich zu 60 Jahren bei Patienten ohne ERT. Man kann daher davon ausgehen, dass die ERT dazu beiträgt, die Lebenserwartung von Patienten mit M. Fabry deutlich zu verlängern.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Um Patienten mit M. Fabry bestmöglich betreuen zu können, ist ein interdisziplinäres Team erforderlich. Bei der Erstvorstellung finden gezielte Untersuchungen bei verschiedenen Experten – vor allem Nephrologen, Kardiologen, Neurologen und ggf. Pädiatern – statt, um die Indikation für eine Behandlung zu stellen und zu entscheiden, welche Begleitmedikation möglicherweise erforderlich ist. Die Fachärzte in den deutschlandweit etablierten Fabry-Zentren arbeiten Hand in Hand mit Kardiologen, Nephrologen, Neurologen, Dermatologen, Augenärzten, Schmerzmedizinern, Physio- und Psychotherapeuten zusammen. Wichtig ist auch die Abstimmung mit den betreuenden Hausärzten oder Pädiatern, da diese häufig in die Betreuung vor Ort eingebunden sind. Humangenetiker sind ebenfalls beteiligt, u. a. für die Beratung von Patienten und deren Familienangehörigen oder bei Kinderwunsch.

Europäische Referenznetzwerke für einen aktiven Austausch

Seltene und komplexe Krankheiten wie M. Fabry erfordern eine hochspezialisierte Gesundheitsversorgung. Um Kräfte und Mittel für Diagnose und Behandlung zu bündeln und Fachwissen über Grenzen hinweg auszutauschen, wurden von der EU sogenannte Referenznetzwerke (ERN, European Reference Networks) errichtet. An diesen sind mittlerweile etwa 1000 hochspezialisierte Abteilungen aus über 370 Krankenhäusern in 26 Staaten beteiligt. Die Netzwerke ermöglichen es unter anderem, die Diagnose und Behandlung eines Patienten mit dessen Zustimmung über eine Online-IT-Plattform, das Clinical-Patient-Management-System, zu besprechen. ERKNet ist das Europäische Referenznetzwerk für seltene Nierenkrankheiten, ein Zusammenschluss von 72 nephrologischen Fachzentren für Kinder und Erwachsene in 24 europäischen Ländern, die mehr als 70.000 Patienten mit seltenen Nierenkrankheiten versorgen.

Weitere Netzwerke für seltene Erkrankungen

Bereits im Jahr 2009 wurde das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) ins Leben gerufen. NAMSE bündelt bestehende Initiativen, vernetzt Forscher und Ärzte und führt Informationen für Ärzte und Patienten zusammen. In der ACHSE, der Allianz chronischer seltener Erkrankungen, finden Betroffene Unterstützung. Aber auch Ärzte und Therapeuten können sich dort informieren, vernetzen und austauschen. Das Netzwerk NRW-ZSE, dem alle sieben nordrhein-westfälischen Zentren für seltene Erkrankungen angehören, bündelt die Expertise zu verschiedenen seltenen Erkrankungen, fördert die Forschung, die Aus-, Fort- und Weiterbildung und intensiviert die Vernetzung.

Fazit

Die lysosomale Speicherkrankheit M. Fabry wird durch Mutationen im α-Galactosidase-A-Gen verursacht und X-chromosomal vererbt. Die klinischen Manifestationen betreffen fast alle Organe, insbesondere Niere, Herz und Nervensystem. Verlauf und Schweregrad sind individuell verschieden. Männer sind meist früher und schwerer betroffen als Frauen. Die Vielfalt unspezifischer Symptome und die Seltenheit der Erkrankung erschweren die Diagnose. Die progrediente Multisystemerkrankung wird meist erst entdeckt, wenn in Zusammenarbeit verschiedene Fachärzte die individuellen Symptome als ein Gesamtbild betrachten. Je früher M. Fabry diagnostiziert wird, umso besser kann eine Therapie vor renalen und kardialen Folgeschäden schützen oder diese zumindest verzögern. Ohne Behandlung schreitet M. Fabry immer weiter fort und verkürzt die Lebenserwartung. Die Herausforderung für den Arzt besteht vor allem darin, überhaupt an M. Fabry zu denken. Wird die Verdachtsdiagnose gestellt, ist die Abklärung durch Bestimmung der Enzymaktivität der α-Galactosidase A und der zugrunde liegenden Mutation einfach mittels Trockenbluttest möglich. Zur Sicherung der Diagnose und zur Therapie sollte die Überweisung in ein Fabry-Zentrum erfolgen.

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