Medizinische Anwendungen von inhalativem Stickstoffmonoxid (iNO)

Die Bedeutung und Wirkungsweise von Stickstoffmonoxid (NO) als Botenstoff im Organismus von Säugetieren wurden in den 1980er-Jahren aufgeklärt. Inhalativ appliziertes NO verringert im Gegensatz zu intravenösen Vasodilatatoren den pulmonal vaskulären Widerstand nur in belüfteten Lungenarealen und verbessert dadurch die Oxygenierung.

Inhalatives NO (iNO) wird bei verschiedenen herzchirurgischen Eingriffen und in der Neonatologie eingesetzt, um bei einem pulmonalen Hochdruck die rechtsventrikuläre Funktion und die Oxygenierung zu verbessern sowie die Notwendigkeit von invasiveren Notfalltherapien zu verringern. Beim Atemnotsyndrom von Erwachsenen (ARDS) konnte zwar die Sterblichkeit der Patienten durch iNO nicht gesenkt werden, der Einsatz kann jedoch wegen der signifikanten Verringerung kritischer Hypoxämien gerechtfertigt sein. Durch ein regelmäßiges Monitoring der NO-, NO2- und O2-Konzentration sowie des Methämoglobinanteils im Blut können toxische Effekte und Nebenwirkungen der Therapie beherrscht werden. Einem Reboundeffekt wird durch das langsame Ausschleichen der iNO-Therapie entgegengewirkt.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124038550017
Zeitraum 14.03.2024 - 13.03.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Christoph Lichtenstern
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Messer SE & Co. KGaA
Bewertung 4.2 (121)

Einführung

Stickstoffmonoxid (NO) ist aufgrund eines unpaaren Elektrons am Stickstoffatom ein hochreaktives und deshalb sehr kurzlebiges Molekül, dessen Bedeutung als Botenstoff im lebenden Organismus von Säugetieren Mitte der 1980er-Jahre aufgeklärt worden ist. Aufgrund seiner ausgeprägten Lipophilie kann NO ungehindert durch biologische Membranen diffundieren, was eine wichtige Voraussetzung für die Aktivität als Botenstoff ist. NO ist der potenteste bekannte Vasodilatator und spielt eine wichtige Rolle in der Regulation des Tonus der glatten Gefäßmuskulatur. Drei Wissenschaftler wurden 1998 mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt, weil sie durch ihre Arbeiten den Wirkungsmechanismus von NO aufgeklärt haben. Ferid Murad entdeckte 1977, dass NO die cytosolische Isoform der Guanylat cyclase aktiviert und den intrazellulären Spiegel an cyklischem Guanylatmonophosphat (cGMP) erhöht. Robert Furchgott beschreibt 1980 den „endothelium-derived relaxing factor” (EDRF) als Botenstoff zwischen Endothel- und Gefäßmuskelzelle, und Louis Ignarro gelingt 1986 der Nachweis, dass NO ein EDRF ist und dass Säugetierzellen aktiv NO produzieren. In den letzten Jahrzehnten hat sich inhalativ appliziertes NO als wirksamer Vasodilator bei verschiedenen Indikationen in der Herzchirurgie und in der Neonatologie etabliert.

Körpereigenes und inhalatives NO

NO wird in allen Säugetierzellen gebildet. Bei den NO-Synthasen (NOS) handelt es sich um Metalloproteine, die durch Umwandlung der Aminosäure L-Arginin zu L-Citrullin NO in Gegenwart von Sauerstoff synthetisieren. Es gibt drei menschliche Isoformen von NO-Synthasen, die in verschiedenen Geweben des Körpers vorhanden sind: endotheliale NOS, neuronale NOS und induzierbare NOS. Die endotheliale NO-Synthase ist im Rahmen der Anwendung von inhalativem NO die entscheidende Isoform. NO ist ein sehr kurzlebiges Molekül mit einer biologischen Halbwertszeit von etwa drei bis fünf Sekunden. Im Körper oxidiert NO mit Sauerstoff zu Nitrit und Nitrat und wird zusätzlich durch Hämoglobin inaktiviert, wobei Methämoglobin entsteht. Die schnelle Inaktivierung von inhalativ appliziertem NO verhindert im Gegensatz zu intravenös verabreichten Vasodilatatoren einen Effekt auf den systemischen Gesamtwiderstand. Bei Patienten mit einem „acute respiratory distress syndrome” (ARDS) konnte gezeigt werden, dass inhalatives NO (iNO) selektiv nur in den belüfteten Anteilen der Lunge und dem umgebenden pulmonal arteriellen System wirksam ist. Inhalatives NO hat damit eine andere Wirkung als intravenös applizierte Vasodilatatoren, die sowohl in den belüfteten als auch in den unbelüfteten Lungenarealen wirksam sind. Durch den selektiven Effekt von iNO führt die Reduktion des pulmonal vaskulären Widerstandes und die Senkung des pulmonal arteriellen Druckes zu einer Verbesserung der Oxygenierung. Intravenös applizierte Vasodilatatoren senken hingegen den Gefäßwiderstand und Druck in allen Lungenbereichen und führen nicht zu einer Verbesserung, sondern eher zu einer Verschlechterung der Oxygenierung.

Anwendungen von iNO in der Herzchirurgie

Hinter der inhalativen Anwendung von Stickstoffmonoxid in der Herzchirurgie steht die Rationale, dass ein über die Atemwege applizierter Vasodilatator eine lokale Effektivität im Pulmonalgefäßsystem zeigt, ohne systemische Nebenwirkungen zu haben. Hauptindikationen sind arterielle Hypoxämien und die Behandlung des akuten Rechtsherzversagens bei pulmonaler Hypertension unterschiedlicher Ätiologien. Die selektive Wirksamkeit von iNO im Pulmonalgefäßsystem wurde in zahlreichen hämodynamischen Untersuchungen belegt. Bei Patienten nach einem aortokoronaren Bypass ohne Rechtsherzinsuffizienz konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass iNO selektiv den pulmonal arteriellen Druck senkt, ohne den Systemdruck, den linksatrialen Druck und das Herzzeitvolumen relevant zu beeinflussen. Eine weitere wichtige Anwendung von iNO im Rahmen der Herzchirurgie sind Eingriffe an der Mitralklappe bei Patienten mit chronischer Mitralklappeninsuffizienz oder Mitralklappenstenose, die an einer chronischen pulmonal arteriellen Stauung erkrankt sind. Bei diesen Patienten besteht häufig ein reaktives Gefäßbett mit erhöhten pulmonal vaskulären Widerständen und erhöhten pulmonal arteriellen Drucken. Auch hier konnte gezeigt werden, dass die Anwendung von iNO zu einer deutlichen Reduktion des pulmonal arteriellen Widerstandes und in der Folge zu einer signifikanten Reduktion des pulmonal arteriellen Druckes führt. Wenn bei diesen Patienten aber der pulmonale Hypertonus durch den fibrotischen Umbau der Lungengefäße bereits fixiert ist, ist eine Drucksenkung mit iNO nicht mehr möglich. Bei Patienten mit einem im Vorfeld sehr stark erhöhten pulmonal vaskulären Widerstand zeigt der Einsatz von iNO meist keinen Erfolg. Die dritte Hauptindikation für iNO in der Herzchirurgie ist der Einsatz im Rahmen der Implantation von Linksventrikulären Assist-Systemen (LVAD). Durch die chronische Linksherzinsuffizienz hat sich bei diesen Patienten eine chronische Stauung des pulmonal arteriellen Flusses entwickelt. Auch hier konnte gezeigt werden, dass iNO nicht nur zu einem Abfall des pulmonal arteriellen Druckes führt, sondern zusätzlich auch zu einer Verbesserung des Blutflusses in dem vom LVAD unterstützten Linksherzsystem. Dieser Effekt von iNO ist reversibel und dynamisch. Wenn Patienten nach der Implantation eines LVAD anstelle von NO Stickstoff erhalten, steigt der pulmonal arterielle Druck wieder an. Wird danach wieder auf NO umgestellt, sinkt der Druck erneut und der Blutfluss über das LVAD verbessert sich wieder. iNO bewirkt eine zum erhöhten pulmonal vaskulären Widerstand (PVR) proportionale Abnahme der Vasokonstriktion. Voraussetzung für die Wirksamkeit sind hohe Widerstände oder hohe Drucke. Bei einem normalen PVR hat iNO nur einen minimalen Effekt. Das gilt auch für eine fixierte fibrotisch bedingte pulmonale Hypertension. Auch bei einem erhöhten pulmonal arteriellen Druck, der allein durch ein exzessiv erhöhtes Herzzeitvolumen oder durch ein Shuntvitium verursacht wurde, ist der Effekt von iNO relativ gering. Der Einfluss einer durch iNO induzierten pulmonalen Vasodilatation auf das Herzzeitvolumen (HZV) hängt von der rechtsventrikulären Funktion (RVF) ab. Bei einer guten RVF sind der Effekt von iNO auf die rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion (RVEF) und das HZV gering. Ist die RVF durch eine exzessive Erhöhung des pulmonal arteriellen Widerstandes deutlich reduziert, hilft die inhalative Vasodilatation über Stickstoffmonoxid entscheidend, indem durch Senkung der Nachlast des rechten Herzens eine Erhöhung der Auswurffraktion und sekundär auch eine Verbesserung des Herzzeitvolumens erreicht werden kann. Eine Metaanalyse zur inhalativen Anwendung von Vasodilatatoren in der Herzchirurgie hat gezeigt, dass inhalativ verabreichte Vasodilatatoren den intravenös zugeführten Substanzen hinsichtlich der Reduktion des pulmonal arteriellen Widerstandes und der Verbesserung der rechtsventrikulären Funktion überlegen sind. NO reduziert die Inzidenz eines postoperativen rechtsventrikulären Versagens bei Patienten mit vorbestehender Rechtsherzbelastung, bei Patienten mit Herztransplantation und bei der Implantation von LVAD. Die S3-Leitlinie zur intensivmedizinischen Versorgung herzchirurgischer Patienten Hämodynamisches Monitoring und Herz-Kreislauf fasst die evidenzbasierten Indikationen für den routinemäßigen Einsatz von inhalativen Vasodilatatoren (NO, Prostanoide) bei adäquatem koronaren Perfusionsdruck bei Erwachsenen zusammen.

Anwendungen von iNO in der Kinderherzchirurgie

Auch in der Kinderherzchirurgie hat sich die Anwendung von iNO etabliert, weil reaktive krisenhafte Anstiege des pulmonal arteriellen Widerstandes im Rahmen der Versorgung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern nicht selten sind. Inhalatives NO ist indiziert bei einer Insuffizienz des subpulmonalen Ventrikels und bei einer pulmonalen Hypertonie mit Oxygenierungsstörung. Bei der Korrektur von Shuntvitien, die im Vorfeld mit einer Lungenüberflutung einhergehen, wie zum Beispiel bei einer totalen Lungenvenenfehlmündung, einem atrioventrikulären Septumdefekt (AVSD) oder im Rahmen der univentrikulären Versorgung bei der Anlage eines aortopulmonal arteriellen Shunts, wie zum Beispiel eines Blalock-Taussig-Shunts, liegt die Schwelle zum Einsatz von iNO sehr niedrig.

Anwendungen von iNO in der Neonatologie

Wenn klinische oder echokardiografische Anzeichen für eine pulmonale Hypertonie bestehen, kann inhalatives Stickstoffmonoxid auch bei reifen und frühgeborenen Neugeborenen (>34 Schwangerschaftswoche) mit hypoxischem Atemversagen eingesetzt werden. Es gibt zusätzliche Off-Label-Anwendungen im Bereich anderer Atemnotsyndrome, zum Beispiel im Rahmen der bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) oder der Zwerchfellhernie, wobei hier die klinischen Daten deutlich uneinheitlicher sind. Eine Metaanalyse hat gezeigt, dass das Risiko von Tod und/oder der Anwendung einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) bei reifen Neugeborenen mit pulmonaler Hypertonie und entsprechendem Rechtsherzversagen durch den Einsatz von iNO auf etwa zwei Drittel (66 %) reduziert wird. Ein weiterer Effekt von iNO ist die Reduktion von extrapulmonalen Rechts-Links-Shunts bei noch offenem Ductus arteriosus und Foramen ovale. Frühere Daten zum präventiven Einsatz von iNO bei beatmeten Frühgeborenen zur Verhinderung einer bronchopulmonalen Dysplasie konnten nicht bestätigt werden, sodass es aktuell keine Empfehlung zum prophylaktischen Einsatz von iNO bei diesen Patienten gibt. Die Wirksamkeit von inhalativem NO zur Behandlung des respiratorischen Versagens bei einer pulmonalen Hypertonie scheint unabhängig von der Reife der Neugeborenen zu sein. Sowohl bei sehr früh geborenen Kindern unter der 34. Schwangerschaftswoche als auch bei solchen Kindern, die nach der 34. Woche oder am Termin geboren werden, liegt die Ansprechrate von iNO mit einer mindestens 25%igen Verbesserung der Oxygenierung bei etwa 90 %.

iNO beim „acute respiratory distress syndrome“

Die Wirksamkeit von inhalativ appliziertem Stickstoffmonoxid wurde beim Atemnotsyndrom des Erwachsenen (ARDS) und auch bei Kindern seit Beginn der medizinischen Anwendung von iNO immer wieder untersucht. Das ARDS ist durch eine pulmonale Hypertonie und ein erhöhtes intrapulmonales Shuntvolumen durch hypoventilierte Regionen gekennzeichnet. Die pulmonale Hypertonie trägt dabei zu einem Lungenödem, einer Funktionsstörung des rechten Ventrikels und zur Entwicklung einer Herzinsuffizienz bei. Diese Entwicklung bietet Ansätze zum sinnvollen Einsatz von iNO, um das Ventilations-Perfusions-Verhältnis zu verbessern. Das inhalativ applizierte NO gelangt nur in die belüfteten Lungenareale und führt dort durch die Dilatation des umgebenden Gefäßbettes und der zusätzlichen Umverteilung des pulmonalen Blutflusses zu den ventilierten Bereichen zu einer Verbesserung der Oxygenierung. Die atelektatischen Lungenareale werden durch iNO im Gegensatz zu intravenös applizierten Vasodilatatoren nicht beeinflusst. Dieser Effekt ist gut beschrieben und funktioniert bei etwa zwei Drittel der Patienten mit ARDS. Intravenöse Vasodilatatoren verbessern das Ventilations-Perfusions-Verhältnis nicht. Bei der Verbesserung der Oxygenierung im ARDS ist eine Dosis-Wirkungs-Beziehung von iNO zu beachten. iNO senkt mit zunehmender Dosierung den pulmonal vaskulären Widerstand und den pulmonal arteriellen Druck, wenn das Gefäßbett reagibel ist. Mittlere iNO-Dosierungen bringen dabei hinsichtlich der Oxygenierungsverbesserung den größten Benefit. Wird die iNO-Dosis weiter eskaliert, sinkt der pulmonal vaskuläre Widerstand weiter ab, und das führt dann zu keiner weiteren Verbesserung des Oxygenierungsindex, sondern tendenziell eher zu einer Verschlechterung. Metaanalysen zum Outcome der Patienten mit einem ARDS unter der Anwendung von inhalativen NO haben gezeigt, dass iNO die Sterblichkeit trotz einer signifikanten Oxygenierungsverbesserung nicht senkt. Die S3-Leitlinie Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz empfiehlt deshalb keinen routinemäßigen Einsatz von iNO bei ARDS-Patienten. Es wird vorgeschlagen, die Applikation von iNO im Einzelfall zur Überbrückung im Fall einer schweren Hypoxie zu erwägen und insbesondere bei Patienten mit ARDS und Zeichen einer Rechtsherzdekompensation den Einsatz inhalativer Vasodilatatoren in Betracht zu ziehen. Im Rahmen der internationalen LUNG SAFE Study 2014, einer Prävalenzstudie in 459 Intensivstationen in 50 Ländern, wurde die Einsatzhäufigkeit verschiedener Unterstützungs- und Behandlungsverfahren im Rahmen der ARDS-Therapie abgefragt. Es zeigte sich, dass zum Beispiel neben der Bauchlage oder dem Einsatz einer venovenösen ECMO inhalatives NO bei 9,2 % der Patienten mit moderatem bis schwerem ARDS (Oxygenierungsindex PaO2/FIO2 <150) zur Anwendung kam. Im Rahmen der COVID-Pandemie wurden zahlreiche Studien zur Verbesserung der Oxygenierung bei Patienten mit einem COVID-19-Atemnotsyndrom durchgeführt. Eine Metaanalyse aus acht Studien mit insgesamt 265 Patienten ergab eine mittlere Ansprechrate von 66 % (95 %-KI 47–84).

Nebenwirkungen und toxische Effekte von iNO

NO ist ein hochreaktives Molekül und oxidiert zusammen mit Sauerstoff zum toxischen und die Atemwege reizenden Stickstoffdioxid (NO2). Unter einer Beatmung mit Sauerstoff und iNO kann es in den Atemwegen und der Lunge zu einer erhöhten Bildung von Stickstoffdioxid kommen, wobei eine Konzentration von 2 ppm nicht überschritten werden sollte. Stickstoffdioxid wiederum reagiert mit Wasser zu Salpetersäure, die stark ätzende Eigenschaften aufweist und zu Ödemen und anderen Schäden in den Atemwegen und der Lunge führen kann. Zusätzlich reagiert Stickstoffmonoxid mit Hämoglobin zu Methämoglobin. Patienten mit einer hereditären Form der Methämoglobinämie dürfen nicht mit inhalativem NO behandelt werden. Aufgrund der hohen Wirksamkeit ist zu beachten, dass das Absetzen einer Stickstoffmonoxidtherapie im Rahmen eines Reboundeffektes zu einem schnellen und möglicherweise krisenhaften Anstieg des pulmonal vaskulären Widerstandes führt, der eine akute Rechtsherzdekompensation auslösen kann. Weitere mit einer iNO-Therapie assoziierte oder mögliche unerwünschte Effekte sind eine Beeinträchtigung der renalen Funktion bis hin zum Nierenversagen insbesondere bei ARDS-Patienten, systemische Hypotensionen bei sehr hohen iNO-Konzentrationen und eine theoretisch mögliche reduzierte Thrombozytenaggregation. Letztere ist aber klinisch bislang nicht in signifikanter Form beobachtet worden.

Überwachung der Bildung von Stickstoffdioxid

NO reagiert mit Sauerstoff zu NO2, das Entzündungen und Schäden der Atemwege auslösen kann. Diese Reaktion von NO mit Sauerstoff ist nicht nur dosisabhängig, sondern hängt auch von der Kontaktzeit von NO mit Sauerstoff ab. Die Konzentration von NO2 steigt exponentiell mit den inspiratorischen Sauerstoffkonzentrationen (FiO2) an. In jedem NO-Applikationssystem müssen deshalb die Konzentrationen von NO, NO2 und O2 kontinuierlich überwacht werden. Die Dosierungen von NO und Sauerstoff sind so einzustellen, dass die kritische NO2-Konzentration von 2 ppm nicht erreicht wird. In den Anwendungsbeschreibungen der NO-Applikatoren wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass unmittelbar vor Beginn der Therapie das NO2 vollständig aus dem System ausgespült werden muss, um zu vermeiden, dass NO2 aus Schlauchsystemen im Gerät oder aus den Flaschenanschlüssen primär in die Atemwege der Patienten gelangt.

Überwachung der Methämoglobinbildung

Die Bildung von Methämoglobin (MetHb) ist ebenfalls dosisabhängig. Es ist zu beachten, dass Säuglinge und Kinder nur eine geringe MetHb-Reduktaseaktivität haben, sodass bei ihnen die Rate der Methämoglobinbildung höher sein kann und das Problem damit größer ist als bei Erwachsenen. Wenn gleichzeitig mit iNO noch andere MetHb-Bildner wie Alkylnitrate, Sulfonamide oder Prilocain angewendet werden, ist ein sorgfältiges Monitoring erforderlich. In der ersten Stunde nach Beginn der iNO-Therapie sollte mittels Blutgasanalyse die Konzentration an Methämoglobin gemessen werden. Danach sollten die Messungen alle zwei bis drei Tage wiederholt werden. Steigt der Methämoglobinanteil auf über 2,5 % an, sollte die iNO-Dosis reduziert werden. Gegebenenfalls kann Methylenblau als Reduktionsmittel eingesetzt werden.

Vermeidung eines Reboundeffektes

Um eine Rechtsherzbelastung und eine Verschlechterung der Oxygenierung durch ein abruptes Absetzen von iNO zu vermeiden, sollte die iNO-Konzentration schrittweise von 5 auf 3 auf 1 ppm reduziert werden. Wenn sich die klinische Situation der Patienten verbessert, kann die iNO-Konzentration schrittweise von 20 auf 15 auf 10 ppm und dann weiter in kleinen Schritten innerhalb von jeweils 30 bis 60 Minuten über 5 auf 3 auf 1 ppm reduziert werden, damit der pulmonal vaskuläre Widerstand sich langsam justieren kann. Bei diesem Ausschleichvorgang sind Oxygenierung und Hämodynamik des Patienten zu überwachen. Wenn es beim Ausschleichen von iNO zu einer Verschlechterung der Oxygenierung kommt, sollte der Auslassversuch an diesem Tag abgebrochen werden, um ihn nach 24 Stunden zu wiederholen. Vor Beendigung der iNO-Therapie sollte der FiO2 um etwa 10 % erhöht werden, um damit die vasodilatatorische Wirkung von Sauerstoff auf das pulmonal vaskuläre Bett zu nutzen und die Oxygenierung zu stabilisieren. Um einen durch technischen Defekt oder Geräteausfall ausgelösten Reboundeffekt zu verhindern, ist eine mit Akku abgesicherte Atemgasüberwachung zwingend notwendig. Außerdem sollte im Fall eines Gerätedefektes mit Ausfall der iNO-Zufuhr entweder ein Ersatzgerät oder alternative inhalative Vasodilatatoren rasch verfügbar sein.

iNO-Applikation in der Praxis

Intensivrespiratoren arbeiten mit einem hohen Frischgasfluss von etwa 30 l pro Minute, auf den NO-Dosierungsgeräte in der Regel geeicht sind. Das nah am Intensivrespirator gelegene T-Stück wird mit der Applikatorleitung vom Dosierungsgerät konnektiert. Die rot dargestellte NO-Leitung führt vom Dosierungsgerät zum inspiratorischen Schenkel des Intensivrespirators. NO-Dosierungsgerät und Respirator sind über ein Steuerkabel mit einer RS-232-Schnittstelle miteinander verbunden, um sicherzustellen, dass NO nur während der Inspirationsphase appliziert wird. Damit wird der Gasverbrauch reguliert und gleichzeitig die Kontaktzeit von NO mit Sauerstoff reduziert. Patientennah vor dem Y-Stück im Inspirationsschenkel gibt es ein weiteres T-Stück, über das eine Atemgasprobenleitung zum NO-Dosierungsgerät führt. Im Gerät findet die Atemgasanalyse auf NO, NO2 und O2 statt. Die Konzentrationen werden am Gerät angezeigt. Das Dosiergerät wird an die Stromversorgung und danach an meist zwei NO-Gasflaschen angeschlossen. Die NO-Flaschen haben aus Sicherheitsgründen eine besondere Konnexion zwischen Druckminderer und Flasche. Bei der Inbetriebnahme des Dosierungsgerätes ist eine bestimmte Reihenfolge bei den Anschlüssen zu berücksichtigen. Nach dem Einschalten führt das Gerät zunächst einen Selbsttest durch. Wichtig ist das Trennen der Applikatorleitung in einer frühen Selbsttest- und Spülphase, um zunächst das Schlauchsystem von der Flasche bis zum Respirator mit reinem Stickstoffmonoxid aus der Flasche frei zu spülen, sodass degeneriertes Gas mit Stickstoffdioxid herausgespült wird. Da Narkosearbeitsplätze in der Regel mit geringeren Frischgasflüssen betrieben werden, werden die am Dosierungsgerät eingestellten NO-Werte oft deutlich übertroffen. Deshalb ist genau zu prüfen, dass die NO-Dosierung im Zielbereich liegt. Wichtig ist auch, die adäquaten Grenzwerte am Dosierungsgerät so einzustellen, dass darauf hingewiesen wird, wenn die Zielwerte unter- oder überschritten werden.

Patientenfall

Patienten mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz neigen über die chronische pulmonale Stauung zu einem krisenhaften Anstieg des pulmonal vaskulären Widerstandes nach Klappenersatz oder -rekonstruktion. Ein Patient mit hochgradiger Mitralinsuffizienz und Mitralklappenersatz zeigte nach Pumpenabgang eine kompromittierte Kreislaufsituation mit rechtsventrikulärem Versagen und dem Neuauftreten einer hochgradigen Trikuspidalklappeninsuffizienz als Zeichen des Rechtsherzversagens. Zu diesem Zeitpunkt war der Patient noch unter moderater Katecholamin-Therapie mit Dobutamin und Norepinephrin und einem normalen FiO2. Die Echokardiografie zeigte eine hochgradige Trikuspidalinsuffizienz und über den M-Mode auch eine eingeschränkte rechtsventrikuläre Funktion. Es wurde umgehend eine Therapie mit iNO eingeleitet, zusätzlich wurde die inspiratorische Sauerstoffkonzentration erhöht und die Dosierungen der Vasopressoren und inotropen Medikamente angepasst. Dadurch konnte rasch eine Reduktion des pulmonal arteriellen Druckes, eine Verbesserung der rechtsventrikulären Funktion mit Reduktion der Trikuspidalinsuffizienz und eine Verbesserung der rechtsventrikulären Kontraktilität erreicht werden. Dieses Fallbeispiel zeigt, wie man auch im Akutsetting iNO sinnvoll, schnell und effektiv einsetzen kann.

Fazit

  • Inhalatives NO ist das erste Medikament, das zu einer selektiven pulmonal arteriellen Vasodilatation ohne Senkung des systemischen arteriellen Druckes führt. Dadurch wird über eine Umverteilung des Blutflusses zu den belüfteten Lungenarealen eine Verbesserung der Oxygenierung erreicht.
  • Zugelassene Indikationen von inhalativem Stickstoffmonoxid sind die peri-, intra- und postoperative Verbesserung der Oxygenierung und der rechtsventrikulären Funktion bei Patienten mit einer pulmonal arteriellen Hypertonie im Rahmen von herzchirurgischen Eingriffen sowie die Oxygenierungsverbesserung oder die Senkung des pulmonal arteriellen Druckes bei persistierender pulmonaler Hypertonie beim Neugeborenen.
  • Inhalatives NO induziert eine Reduktion des pulmonal vaskulären Widerstandes und unterstützt die rechtsventrikuläre Funktion, sodass der Einsatz insbesondere bei Patienten mit einem Rechtsherzversagen vorteilhaft ist. Damit kann NO die Notwendigkeit invasiverer Notfalltherapien, wie zum Beispiel einer venovenösen ECMO beim Lungenversagen, verringern.
  • Trotz der Verbesserung der Oxygenierung und der Verminderung kritischer Hypoxämien im Rahmen eines ARDS konnte bei Patienten mit einem ARDS in Metaanalysen und Einzelstudien keine Reduktion der Sterblichkeit durch NO-Applikation gezeigt werden
  • Stickstoffmonoxid ist ein sehr reaktives Gas. Während der Anwendung müssen die NO2-Konzentration und der Anteil von Methämoglobin überwacht werden. Das Risiko von Nierenfunktionseinschränkungen ist erhöht, und um einen Reboundeffekt zu verhindern, sollte iNO immer langsam ausgeschlichen werden.
  • Wichtig ist, dass bei Anwendung von inhalativem NO immer auch die Überwachung der NO-Konzentration, des Stickstoffdioxids und der Sauerstoffkonzentration über eine entsprechende Einheit am Dosierungsgerät erfolgen muss.

Bildnachweis

Messer SE & Co. KGaA