Lysosomale Speicherkrankheiten frühzeitig erkennen

Lysosomale Speicherkrankheiten (englisch „lysosomal storage diseases“, LSD) sind eine Gruppe von >50 genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen. Durch einen genetischen Defekt eines lysosomalen Enzyms oder Aktivatorproteins kommt es zur Akkumulation spezifischer Substrate in den Lysosomen. Daraus resultieren Störungen wichtiger zellulärer Prozesse und Schäden in zahlreichen Organsystemen. Je nach Variante und Schweregrad können LSD zu zahlreichen schweren Symptomen und zu früher Mortalität führen.

Eine möglichst frühzeitige Behandlung zum Erhalt wichtiger Körperfunktionen ist von kritischer Bedeutung. Lange Zeit war lediglich eine symptomatische Therapie möglich. Heute steht mit der lysosomalen Enzymersatztherapie für viele LSD ein kausaler Behandlungsansatz zur Verfügung. Die Herausforderung besteht allerdings darin, LSD rechtzeitig zu erkennen. Dies wird durch die vielen unspezifischen, anfangs scheinbar nicht zusammenhängenden Symptome erschwert. Daher ist es wichtig, die häufigsten Symptome von LSD zu kennen. Besteht erst einmal der klinische Verdacht, lässt sich dieser heute zumeist mit Trockenbluttests schnell und unkompliziert diagnostisch abklären.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123073510019
Zeitraum 24.07.2023 - 23.07.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Stephan A. König
Dr.med. Samina Shazi-König
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Fachartikel
Lernmaterial Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Sanofi-Aventis Deutschland GmbH
Bewertung 4.1 (363)

Lysosomale Speicherkrankheiten

Lysosomale Speicherkrankheiten sind eine große Gruppe komplexer Erbkrankheiten. Ihnen liegen diverse genetische Mutationen zugrunde, die letztlich zu einer Akkumulation von undegradierten Material in den Lysosomen führen. Lysosomen sind im Durchmesser ca. 0,1 bis 1,0 µm umfassende Zellorganellen, die wichtige Aufgaben im Rahmen des zellulären Recyclings erfüllen. Daher werden sie mitunter auch als „Müllverbrennungsanlagen” der Zelle bezeichnet. Lysosomen sind von einer einfachen Biomembran umschlossene Vesikel mit saurem pH-Wert (4–5) und beinhalten eine Vielzahl von Enzymen, die den Abbau des angelieferten Materials katalysieren. LSD werden überwiegend autosomal rezessiv, zwei Formen auch X-chromosomal, vererbt. Die lysosomale Speicherung resultiert in einer Größenzunahme der betroffenen Zellen und einer fortschreitenden Organschädigung. Da die abnorme Einlagerung von nicht abgebautem Material typischerweise langsam verläuft, können Patienten mit LSD bei Geburt zunächst unauffällig sein, entwickeln aber nach Jahren zahlreiche, zunächst scheinbar nicht zusammenhängende Beschwerden. Die Speicherung von Substraten allein erklärt nicht bei allen LSD die Pathogenese hinreichend. Unter anderem können fehlgefaltete Enzyme endoplasmatischen Stress hervorrufen. Durch den vermehrten Anfall an Substraten werden z. T. andere katabole Stoffwechselwege aktiviert, an deren Ende toxische oder inflammatorische Metaboliten entstehen. Da die betroffenen zellulären Prozesse in nahezu allen Körperzellen präsent sind, handelt es sich bei LSD um Multisystemerkrankungen. Allerdings sind die betroffenen Stoffwechselwege in verschiedenen Zelltypen und Organen unterschiedlich aktiv, sodass die resultierenden klinischen Phänotypen je nach Enzymdefekt stark variieren. Die Einteilung der LSD orientiert sich an der akkumulierten Substratklasse. Daher lassen sich LSD in Sphingolipidosen, Mukopolysaccharidosen (MPS), Oligosaccharidosen und Glykoproteinosen einteilen. Hinzu kommen weitere LSD, die sich nicht in dieses Schema einordnen lassen, diese werden u. a. durch Defekte in integralen Membranproteinen verursacht. Insgesamt werden heute ca. 50 verschiedene Krankheitsbilder den LSD zugeordnet. Je nach Ausprägung des Enzymdefektes können sich LSD prinzipiell in jedem Lebensalter manifestieren, also von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter (>70 Jahre).

Frühe Diagnose

Auch wenn die einzelnen LSD jeweils sehr selten sind, liegt ihre Gesamtprävalenz immerhin bei etwa eine auf 7700 Geburten. Überwiegend manifestieren sich LSD im Säuglings-, Kindes- oder Jugendalter und werden somit oftmals initial von Kinderärzten abgeklärt. Eine frühe Diagnose ist essenziell, zumal für eine zunehmende Anzahl von LSD effektive Therapien verfügbar sind, die die Erkrankungsprogression verlangsamen oder sogar aufhalten können. Dazu gehören u. a. Morbus Fabry, Morbus Gaucher, Morbus Pompe, Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I) und „acid sphingomyelinase deficiency” (ASMD). Während schwere, infantile Verläufe vergleichsweise früh diagnostiziert werden, kommt es bei attenuierten, weniger rasch progredienten Verläufen immer wieder zu langen Diagnoseverzögerungen von Jahren bis Jahrzehnten. Die Herausforderung besteht darin, bei den zunächst meist wenig spezifischen Symptomen überhaupt an diese seltenen Erkrankungen zu denken. Symptome wie rezidivierende Atemwegsinfekte und Otitiden werden oftmals als typische Kinderkrankheiten abgetan. Besteht erst einmal ein klinischer Verdacht, lässt sich dieser zum Beispiel mithilfe von Trockenbluttests abklären: Mit einer Trockenblutkarte lassen sich die Enzymaktivitäten messen, das Gen auf Mutationen analysieren und für einige Erkrankungen auch Biomarker bestimmen. Im Folgenden werden daher wichtige Symptome und Syndrome vorgestellt, die den klinischen Verdacht auf das Vorliegen von LSD lenken sollten. Dies gilt v. a. dann, wenn mehrere dieser Manifestationen gleichzeitig vorliegen.

Zerebrale und neuropsychiatrische Störungen

Zerebrale Vaskulopathie

Eine zerebrale Vaskulopathie tritt vor allem bei Morbus Fabry auf. Es handelt sich um eine X-chromosomal vererbte LSD aus der Gruppe der Sphingolipidosen. Mit einer Inzidenz von 1:117.000 bis 1:40.000 Lebendgeborenen ist Morbus Fabry die zweithäufigste Speicherkrankheit. Es kommt zu einer progredienten lysosomalen Akkumulation von Glykosphingolipiden, v. a. in Endothelzellen und glatten Muskelzellen der großen und kleinen Blutgefäße, aber auch in der Niere, im Myokard, in Nervenzellen, der Haut und in der Cornea. Es besteht eine kombinierte Makro- und Mikroangiopathie. Es kommt zu einer progredienten Lumeneinengung und schließlich zum Verschluss der betroffenen Gefäße. Morbus Fabry kann für juvenilen Schlaganfall verantwortlich sein. Die ersten zerebrovaskulären Ereignisse treten in einem mittleren Alter von 38 Jahren auf. Es finden sich sowohl makro- als auch mikroangiopathische Infarkte, wobei vor allem die hintere Strombahn betroffen ist. Obwohl ischämische Ereignisse häufiger sind, kann es auch zu intrazerebralen Blutungen kommen. Der Magnetresonanztomografie-(MRT-) Befund ist nicht spezifisch für die Erkrankung. Gliose, Demyelinisierung und ein erhöhter interstitieller Wassergehalt führen zu „white matter lesions” (WML). Die mikroangiopathischen Läsionen finden sich v. a. im periventrikulären Marklager, in Stammganglien, im Hirnstamm und Kleinhirn.

Vertikale supranukleare Blickparese

Die vertikale supranukleare Blickparese ist ein charakteristisches Symptom des Morbus Niemann-Pick Typ C (NP-C). Diese Erkrankung zeichnet sich vor allem durch eine Störung der zellulären Verteilung und Zirkulation des exogenen Cholesterins und anderer Lipide aus, mit der Folge einer lysosomalen Lipidspeicherung in zahlreichen Geweben einschließlich Gehirn, Leber und Milz. Eine vertikale supranukleare Blickparese ist dadurch gekennzeichnet, dass vertikale Sakkaden (schnelle, ruckartige Rückbewegungen der Bulbi), insbesondere in der Abwärtsbewegung, beeinträchtigt sind, während langsame Augenbewegungen zumindest anfangs noch erhalten sind.

Neuropsychiatrische Manifestationen

Eine intellektuelle und psychomotorische Entwicklungsstörung ist bei vielen LSD zu beobachten. Eine fortschreitende geistige Retardierung ist beispielsweise im Rahmen einer schweren MPS I (Morbus Hurler) zu erwarten. Kinder mit schwerer MPS I sind initial oft unauffällig, eine Entwicklungsverzögerung wird aber spätestens im Alter von 18 Monaten offensichtlich. Zum Zeitpunkt des Todes im Alter von acht bis zehn Jahren sind die meisten Kinder schwer geistig behindert. Bei den attenuierten MPS-Varianten kann die intellektuelle Beeinträchtigung gänzlich fehlen oder gering ausgeprägt sein. Auch aggressives Verhalten, Halluzinationen und Lernprobleme können für das Vorliegen von LSD sprechen. Liegt gleichzeitig eine Splenomegalie vor, muss vor allem an NP-C gedacht werden. Dysarthrie, Demenz, Psychosen sowie Gang- oder Extremitätenataxie können bei ASMD und neuropathischen Verlaufsformen des Morbus Gaucher auftreten sowie Erstmanifestation des NP-C im Erwachsenenalter sein.

Störungen des peripheren Nervensystems

Anfallsartig auftretende brennende Schmerzen in den distalen Extremitäten können insbesondere bei Morbus Fabry auftreten (sog. „Fabry-Krisen”). Die Schmerzkrisen können durch Hitze, Infekte und emotionale oder körperliche Belastung provoziert werden. Der Schmerz kann mit zunehmendem Alter rückläufig sein, daher soll bei Verdacht auf Morbus Fabry im Erwachsenenalter auch nach Arm- und Beinschmerzen in der Vergangenheit gefragt werden. Eine sensible Neuropathie tritt meist bereits früh im Krankheitsverlauf auf, sie wird durch einen Mitbefall der Vasanervorum verursacht. Die Temperaturwahrnehmung ist häufig beeinträchtigt, es können Akroparästhesien bestehen. Morbus Gaucher kann ebenfalls mit einer peripheren Neuropathie einhergehen, obgleich die nicht neuropathische Verlaufsform dieser Erkrankung häufiger vorkommt.

Okuläre Manifestationen

Die radspeichenartige Cornea verticillata ist eine typische Manifestation des Morbus Fabry. Etwa 77 % der Frauen und 73 % der Männer mit Morbus Fabry weisen diese Störung auf. Es handelt sich um eine bilateral symmetrische, wirbelförmige Trübung, deren Zentrum sich am Übergang des mittleren zum unteren Hornhautdrittel befindet. Die Trübungen sind meist cremefarben, sie können aber auch weißlich bis goldbraun erscheinen. Der Visus ist in aller Regel nicht beeinträchtigt. Der Befund kann jedoch diagnostisch wegweisend sein. Wichtige Differenzialdiagnosen sind medikamentös induzierte (Amiodaron, Chloroquin, Indomethacin, Tamoxifen etc.) Formen der Hornhauttrübung. Für die diagnostische Abklärung stehen v. a. Spaltlampenuntersuchung und konfokale Lasermikroskopie zur Verfügung. Etwa 10 % der Patienten mit Morbus Fabry weisen eine pathognomonische hintere subkapsuläre Linsentrübung auf (Fabry-Katarakt). Bei Morbus Fabry zeigen die Blutgefäße der Bindehaut oft eine zunehmende Schlängelung mit aneurysmatischen Erweiterungen. Eine vermehrte Schlängelung kann auch an den Netzhautgefäßen beobachtet werden, diese stellen sich häufig als sog. Korkenziehergefäße dar. Auch MPS sind durch eine Reihe von Augenveränderungen gekennzeichnet, wobei vor allem die typische Hornhauttrübung einen nahezu pathognomonischen Befund darstellt. Eine im Erkrankungsverlauf progrediente, diffuse Hornhauttrübung ist charakteristisch für MPS I, IV und VI. Besonders stark ausgeprägt ist sie bei MPS VI und den schweren Verlaufsformen der MPS I. Zudem kann v. a. bei MPS I ein Glaukom auftreten. Die konventionelle Glaukomdiagnostik kann hier erschwert sein: Eine gleichzeitig bestehende Hornhauttrübung kann die Gonioskopie und Funduskopie erschweren sowie die Aussagekraft von Gesichtsfelduntersuchungen und Applanationstonometrie einschränken. Bei ASMD kann bei etwa 50 % der Patienten ein „kirschroter Fleck” auf der Retina sichtbar sein, der einen wichtigen diagnostischen Hinweis liefern kann.

Tinnitus und Gehörverlust

Die Mehrzahl der Patienten mit Morbus Fabry sind mit fortschreitendem Lebensalter von einem sensoriineuralen Gehörverlust betroffen. Etwa 85 % der Männer >50 Jahre und 75 % der Frauen >60 Jahre, die mit Morbus Fabry leben, bedürfen einer Versorgung mit Hörgeräten. Bei jüngeren Menschen mit Morbus Fabry tritt Tinnitus häufiger auf als Gehörverlust, wobei es auch hier zu einer altersabhängigen Zunahme der Prävalenz kommt. Jeweils die Hälfte der Patienten >50 Jahre und Patientinnen >60 Jahre berichten über Tinnitus. Ein Hörverlust ist häufig bei schwerer MPS I zu beobachten. Die Gehöreinschränkung korreliert mit dem allgemeinen Schweregrad der Erkrankung. Der Hörverlust bei MPS I ist multifaktoriell bedingt. Er resultiert aus rezidivierenden Otitiden, einer Dysfunktion der Eustachischen Röhre, der Dysostose der Gehörknöchelchen, einer Trommelfellvernarbung sowie einer Schädigung des achten Nerven. In der Mehrzahl der Fälle des klassischen, infantilen Morbus Pompe liegt ein sensorineuraler Gehörverlust vor. Beim attenuierten Phänotyp des Morbus Pompe tritt ein Gehörverlust hingegen seltener auf.

Atemwegssymptome

Patienten mit MPS I weisen oft verengte obere Atemwege und eine Vergrößerung von Tonsillen und Zunge auf. Kinder mit MPS I können als Frühsymptome durch ein ausgeprägtes Schnarchen auffallen. Sie entwickeln im Verlauf häufig eine obstruktive Schlafapnoe. Bei der schweren Form der MPS I gehören rezidivierende Atemwegsinfekte und rezidivierende Otitis media zu den typischen frühen Krankheitszeichen im ersten Lebensjahr. Bei schwerer MPS I manifestiert sich eine progressive obstruktive Lungenerkrankung spätestens bis zum zehnten Lebensjahr. Diese Kinder versterben häufig noch vor dem zehnten Lebensjahr an kardiorespiratorischem Versagen. Die meisten Patienten mit ASMD weisen eine interstitielle Lungenerkrankung mit progredienter respiratorischer Insuffizienz auf. Bei Morbus Gaucher tritt ebenfalls regelhaft eine interstitielle Lungenerkrankung auf, diese Patienten können auch eine pulmonalarterielle Hypertonie entwickeln. Bei Morbus Pompe entwickelt sich infolge des Befalles der Atemmuskulatur (v. a. des Zwerchfelles, aber auch der Atemhilfsmuskulatur) im Verlauf eine respiratorische Insuffizienz. Betroffene Säuglinge mit der schweren infantilen Form zeigen einen rasch progredienten Krankheitsverlauf und versterben unbehandelt innerhalb der ersten Lebensjahre infolge kardiorespiratorischen Versagens. Nur durch frühe Diagnosestellung unter Behandlung mit Enzymersatztherapie besteht eine Überlebenschance. Betroffene Kinder und Jugendliche mit late onset Morbus Pompe weisen oftmals rezidivierende respiratorische Infekte auf. Die respiratorische Problematik kann sich bereits früh im Krankheitsverlauf manifestieren, zum Teil noch vor dem Auftreten einer Gangstörung.

Kardiale Manifestationen

Herzerkrankungen gehören zu den führenden Ursachen von Morbidität und Mortalität bei Morbus Fabry. Insbesondere männliche Patienten mit Morbus Fabry weisen häufig eine kardiale Beteiligung auf. Eine Mitralklappeninsuffizienz kann bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten. Eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) und Erregungsleitungsstörungen gehören ebenfalls zu den frühen Befunden des Morbus Fabry. Die LVH geht häufig mit einer Hypertrophie des interventrikulären Septums einher und ähnelt der hypertrophen Kardiomyopathie. Sie verläuft meist progressiv und tritt bei Männern früher auf als bei Frauen. Auffällig ist ein verdickter Papillarmuskel im Vierkammerblick. EKG-Auffälligkeiten wie ST-Streckenveränderungen und T-Welleninversion sowie intermittierende supra-ventrikuläre Tachykardien können infolge einer Infiltration des Reizleitungssystems auftreten. Kardiorespiratorisches Versagen zählt zu den häufigsten Todesursachen bei Patienten mit MPS I, insbesondere bei der schweren Form. Klappenvitien (Stenose, Insuffizienz und seltener Prolaps) treten bei bis zu 88 % aller Menschen mit MPS I im Verlauf der Erkrankung auf und sind meist progredient. Da die lysosomalen Ablagerungen auch das Myokard betreffen, können Kardiomyopathie und plötzlicher Herztod infolge einer Arrhythmie auftreten. Klinisches Kriterium für die klassisch infantile Form des Morbus Pompe mit Manifestation im Säuglingsalter ist eine massive Linksherzhypertrophie, die bei unbehandelten Patienten meist zu kardialem Versagen und potenziell letalen Herzrhythmusstörungen führt. Die Kinder versterben unbehandelt zumeist im ersten Lebensjahr. Beim late onset Morbus Pompe tritt eine Herzinsuffizienz hingegen praktisch nie auf.

Hepatosplenomegalie

Eine Hepatosplenomegalie kommt bei vielen LSD-Varianten vor. Fast alle Kinder mit MPS entwickeln eine Hepatosplenomegalie. Klinisch fallen die betroffenen Kinder mit einer Vorwölbung des Abdomens auf. Die Hepatosplenomegalie kann so ausgeprägt sein, dass es zu einer verminderten thorakalen Auslenkbarkeit und somit zu einer Einschränkung der Atmung kommt. Infolge Kompression des Magens klagen betroffene Kinder häufig über Unwohlsein bei der Nahrungsaufnahme. Typisch ist die Hepatosplenomegalie auch für Morbus Gaucher sowie NP-C und ASMD. Bei Morbus Gaucher wurden Milzinfarkte sowie lebensbedrohliche Milzrupturen infolge der starken Milzvergrößerung beschrieben. Auch Kinder mit Morbus Pompe weisen regelmäßig eine Hepatosplenomegalie auf. Neugeborene mit NP-C können einen cholestatischen Ikterus entwickeln.

Gastrointestinale Symptome

Beim Morbus Fabry kann die Ablagerung von Glykosphingolipiden in kleinen Darmgefäßen und in den autonomen Ganglien des Darmes zu episodischem Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, krampfartigen Bauchschmerzen und intestinaler Malabsorption führen. Symptome, die einem Reizdarmsyndrom ähneln, wurden bei fast 20 % der Personen im Fabry-Register dokumentiert. Achalasie sowie jejunale Divertikulose, die zu einer Perforation des Dünndarmes führen kann, wurden bei Morbus Fabry ebenfalls beschrieben. Auch Patienten mit MPS I sind häufig von abdominellen Beschwerden wie Diarrhö oder Obstipation betroffen. Nabel- und Leistenhernien gehören zu den Frühzeichen von MPS I. Bei Morbus Gaucher kommen Oberbauchbeschwerden wie Schmerzen und frühes Sättigungsgefühl häufig als Anfangssymptome vor und sind meist Ausdruck eines erhöhten intraabdominellen Druckes infolge der Hepatosplenomegalie. Akute Bauchschmerzen können Hinweis auf Milzinfarkte sein.

Nephropathie

Eine terminale Niereninsuffizienz ist eine schwerwiegende Komplikation des Morbus Fabry; sie betrifft Männer häufiger als Frauen. Eine persistierende Proteinurie kann sich bereits im Kindes- und Jugendalter manifestieren. Etwa 14 % aller männlichen Patienten mit Morbus Fabry erhalten im Verlauf eine Nierentransplantation; das mediane Alter beträgt dabei 38 Jahre. Die transplantierte Niere bleibt histologisch frei von Glykosphingolipid-Ablagerungen, da die normale α-Galactosidase A(αGalA)-Enzymaktivität im Allotransplantat erhalten ist. Dennoch ist eine kausale Fabry-Therapie (z. B. Enzymersatztherapie) weiterhin indiziert, da die Enzymaktivität des transplantierten Organs nicht für den gesamten Körper ausreichend ist.

Skelettale Veränderungen

Eine auffällige Fazies kann ein Hinweis auf LSD sein. Bei MPS I ist die Gesichtsdysmorphie ein frühes und charakteristisches Symptom der Erkrankung. Die Ausprägung der Gesichtsdysmorphie korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung. Kinder mit MPS I weisen eine Ossifikationsstörung und damit ein beeinträchtigtes Knochenwachstum auf. Zusammen mit Nabel- und Leistenhernien gehören Gelenkbeschwerden häufig zu den ersten Symptomen der attenuierten MPS-I-Varianten. Der Gelenkbefall manifestiert sich häufig zuerst an den Schulter- und Fingerendgelenken. Ellbogen-, Knie- und Hüftgelenke können im Verlauf ebenfalls betroffen sein. Die Patienten zeigen bei Schulterbeteiligung eine zunehmend eingeschränkte Mobilität des Schultergelenkes und können die Arme nicht vollständig über den Kopf strecken, was als diagnostisches Zeichen genutzt werden kann (Hands-Up-Praxistest). Kinder und Jugendliche mit Morbus Fabry fallen häufig durch Schmerzen in den Extremitäten auf. Im Krankheitsverlauf entwickelt sich bei Morbus Fabry nicht selten eine Osteoporose. Die meisten Erwachsenen mit der NP-B-Variante der ASMD weisen eine Osteopenie oder Osteoporose auf. Bei diesen Patienten können Frakturen zu den Erstsymptomen der Erkrankung gehören. Insbesondere bei Morbus Gaucher Typ 1 treten regelmäßig Knochenveränderungen auf wie Osteopenie, fokale lytische Läsionen, sklerotische Läsionen und Osteonekrosen. Chronischer skelettaler Schmerz sowie pathologische Frakturen können die Folge sein. Bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen mit der Spätmanifestation des Morbus Pompe treten aufgrund der Muskelschwäche auch skelettale Veränderungen auf, so wird z. B. das sog. Rigid-Spine-Syndrom (RSS) beschrieben. Das RSS beschreibt eine zunehmend eingeschränkte Beweglichkeit der Hals- und Brustwirbelsäule mit konsekutiver Haltungsanomalie.

Muskuläre Hypotonie

Eine muskuläre Hypotonie ist ein bei Säuglingen und Kleinkindern häufig angetroffenes, unspezifisches Symptom. Die muskuläre Hypotonie gehört neben der Kardiomyopathie und einer erhöhten Kreatinkinase zu den Leitsymptomen der infantilen Form des Morbus Pompe. Sie manifestiert sich zumeist in den ersten vier Lebensmonaten. Die rasche Progredienz der Erkrankung führt bei Säuglingen zu einer generalisierten muskulären Hypotonie, was sich z. B. im klinischen Bild des des „floppy infant”, in einer Nackenmuskelschwäche sowie durch verminderte Reflexe äußert. Trinkschwäche mit der Folge von Gedeihstörung kommen hinzu. Unbehandelt versterben die Betroffenen zumeist innerhalb des ersten Lebensjahres. Mit Behandlung durch Enzymersatztherapie kann das Überleben der Kinder ermöglicht werden, dennoch bleibt für viele Kinder ein schweres Krankheitsbild bestehen, das motorische Beeinträchtigungen nach sich zieht, wie auch z. B. Sprachstörungen. Bei Kindern mit late onset Morbus Pompe kann eine Scapula alata (englisch „scapular winging”) als äußerlich sichtbares Zeichen der muskulären Schwäche auffallen. Diese juvenile Form des Morbus Pompe wird von Kinderärzten häufig übersehen. Motorische Entwicklungsverzögerungen, proximale Muskelschwäche, Schwäche der Nackenheber, Schwierigkeiten im Sportunterricht und verminderte Leistungsfähigkeit sollten an Morbus Pompe denken lassen. Eine muskuläre Hypotonie wird zudem typischerweise bei der ASMD-Variante NP-A und NP-C beobachtet.

Hauterscheinungen

Angiokeratome gehören zu den Frühzeichen des Morbus Fabry. Sie treten typischerweise bereits bei Kindern und Jugendlichen auf. Sie erscheinen als Ansammlungen punktförmiger, dunkelroter bis blauschwarzer Teleangiektasien in den oberflächlichen Hautschichten. Die Läsionen können flach oder leicht erhaben sein, sie erblassen nicht auf äußeren Druck. Bei größeren Läsionen fällt eine leichte Hyperkeratose auf. Angiokeratome finden sich am häufigsten an Hüften, Rücken, Oberschenkeln, Gesäß sowie Genitalien und sind in der Regel bilateral symmetrisch vorhanden. Die Mundschleimhaut, die Bindehaut und andere Schleimhautbereiche sind ebenfalls häufig betroffen. Viele Kinder mit Morbus Fabry weisen ein vermindertes Schwitzen auf (Hypo- bis Anhidrose); vermehrtes Schwitzen (Hyperhidrose) kommt in seltenen Fällen ebenfalls vor.

Hämatologische Beteiligung

LSD gehen regelmäßig mit Blutbildveränderungen einher. Eine Thrombozytopenie wurde bei MPS II und III beschrieben. Eine Panzytopenie (Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie) ist ein typischer Befund beim unbehandelten Morbus Gaucher sowie bei ASMD. Sie resultiert teilweise aus der häufig vorliegenden Splenomegalie mit Hypersplenismus. Die Panzytopenie kann aber auch Folge der Knochenmarksinfiltration sein. Eine Immunthrombozytopenie kann bei Patienten mit Morbus Gaucher ebenfalls vorkommen. Die Thrombozytopenie bei Morbus Gaucher ist allerdings meist moderat ausgeprägt, betroffen sind etwa 68 % der Jugendlichen und Erwachsenen sowie etwa 50 % der Kinder mit Morbus Gaucher. Neugeborene mit NP-C können mit kongenitaler Anämie und Thrombozytopenie auffallen.

Versorgung in Zusammenarbeit mit Kompetenzzentren

In vielen Regionen Deutschlands existieren Zentren, die auf die verschiedenen LSD und andere seltene Erkrankungen spezialisiert sind. Niedergelassene Ärzte können in diesen Kompetenzzentren Beratung und Informationsmaterial erhalten. Daher sollte bei Verdacht auf Vorliegen einer LSD frühzeitig der Kontakt zu einem Kompetenzzentrum hergestellt werden. Aufgrund der Komplexität von LSD erfolgt die Betreuung der Patienten typischerweise in Zusammenarbeit zwischen behandelnden Ärzten vor Ort und den Experten in den regionalen Kompetenzzentren.

Fazit

  • LSD treten zumeist bereits in der Kindheit in Erscheinung; die Erstmanifestation ist jedoch prinzipiell in jedem Lebensalter möglich.
  • Mit einer Gesamtprävalenz von knapp <1/8000 sollten niedergelassene Ärzte LSD differenzialdiagnostisch mitberücksichtigen.
  • Bei Wachstumsverzögerungen, Dysphasien sowie intellektuellen und motorischen Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen („hinten dran sein”) muss stets an Speichererkrankungen bzw. LSD gedacht werden.
  • Weitere wichtige sichtbare Veränderungen bei LSD sind u. a. Skelettanomalien, Hepatosplenomegalie, okuläre Veränderungen sowie gehäufte respiratorische Probleme.
  • Aufgrund der vielen unspezifischen, anfangs scheinbar unzusammenhängenden Beschwerden verzögert sich die Diagnosestellung oft um Jahre bis Jahrzehnte.
  • Dabei gibt es heute für eine Reihe von LSD wirksame Therapien, besonders Enzymersatztherapien, die kausal wirken.
  • Heute erleichtern u. a. Trockenbluttests wesentlich die Diagnostik; mit ihrer Hilfe kann gleichzeitig die Enzymaktivität mehrerer Enzyme schnell und unkompliziert gemessen werden.

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Helen Sushitskaya – www.shutterstock.com