Langzeitsauerstofftherapie

Die Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) verbessert die Prognose von Patienten mit verschiedenen pulmonalen Erkrankungen mit respiratorischer Insuffizienz. Pathogenetisch wichtig sind eine Verbesserung der Oxygenierung, eine mäßige Senkung des pulmonalarteriellen Druckes und insbesondere eine Verringerung der Atemarbeit. Die LTOT ist nur auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung nach gründlicher Indikationsstellung mittels Blutgasanalysen gerechtfertigt.

Patienten steht heute eine Vielzahl unterschiedlicher Sauerstoffsysteme für den häuslichen und mobilen Einsatz zur Verfügung. Flugreisen sind grundsätzlich möglich. Auch aufgrund der Vielfalt der LTOT-Systeme ist eine individuelle Einstellung des Patienten auf die LTOT erforderlich. Dies beinhaltet eine individuelle Sauerstofftitration und die Überprüfung der Triggerfähigkeit von Demand-Systemen. Die Auswahl einer geeigneten Sauerstoffversorgung muss die Situation des Patienten, seine Erwartungen und seine Therapieadhärenz berücksichtigen. Um den Behandlungserfolg zu gewährleisten, sollten Ärzte und Medizintechnikanbieter den Patienten detailliert über die Therapieform und die Anwendung des individuell gewählten LTOT-Systems aufklären und ihn engmaschig begleiten.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123082020018
Zeitraum 05.10.2023 - 04.10.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Dora Triché
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (Webcast)
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner ResMed Medizintechnik GmbH
Bewertung 4.3 (295)

Einleitung

Patienten, die von einer chronischen Hypoxämie betroffen sind, haben eine reduzierte Lebensqualität, eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und eine erhöhte Morbidität und Mortalität. Unter Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) versteht man die Anwendung von Sauerstoff für ≥ 15 Stunden/Tag. Die LTOT erhöht das Überleben und verbessert die Lebensqualität von hypoxämischen Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und kann auch in analoger Weise anderen Patienten mit chronischer struktureller Lungenerkrankung mit anhaltender Hypoxämie verschrieben werden. Die Verordnung von LTOT erfordert die diagnostische Möglichkeit der Blutgasanalyse, die üblicherweise in Kliniken und pneumologischen Praxen zur Verfügung steht. Voraussetzung für die LTOT ist eine korrekte, leitlinienbasierte Indikationsstellung. Im Jahr 2020 ist die Aktualisierung der S2k-Leitlinie zum Thema LTOT herausgegeben worden. Es haben sich verschiedene Fachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz daran beteiligt. Diese Leitlinie stellt die Basis für die hier vorliegende Fortbildung zur LTOT dar.

Formen der respiratorischen Insuffizienz

Grundlage der Indikationsstellung zur LTOT ist die pathophysiologische Einteilung der chronischen respiratorischen Insuffizienz. Das respiratorische System setzt sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen. Es besteht zum einen aus dem gasaustauschenden System, der Lunge. Zum anderen gibt es das ventilatorische System, das auch als Atempumpe bezeichnet werden kann. Die Atempumpe ist ein komplexes Gebilde, zu dem das Atemzentrum im Hirnstamm, seine neuronalen Verbindungen in die Peripherie und die Atemmuskulatur gehören. Hierbei stellt das Zwerchfell den Hauptatemmuskel dar. Eine strukturelle Lungenerkrankung führt primär zu einer respiratorischen Insuffizienz Typ 1. Diese zeigt sich in der Blutgasanalyse durch eine Hypoxämie bei gleichzeitiger Normokapnie oder ggf. Hypokapnie. Bei einer Einschränkung des ventilatorischen Systems liegt eine respiratorische Insuffizienz Typ 2 vor. In der Blutgasanalyse zeigt sich eine Hypoxämie begleitet von einer Hyperkapnie, d. h. einem Anstieg des pCO2 im Blut. Die respiratorische Insuffizienz Typ 1 kann mit einer Sauerstofftherapie behandelt werden. Die respiratorische Insuffizienz Typ 2 hingegen erfordert eine Beatmung.

Landmark-Studien zum Stellenwert der LTOT

Die erste große Studie zum Stellenwert der LTOT bei Patienten mit COPD, die unter einer Hypoxämie leiden, war die 1981 veröffentlichte MRC-Studie (MRC, Medical Research Council). Die Patienten wurden randomisiert in eine Gruppe mit Sauerstofftherapie für 15 Stunden/Tag und in eine Kontrollgruppe, die keinen Sauerstoff erhielt. Die Gruppe mit Sauerstofftherapie hatte hinsichtlich der Letalität, über einen langen Zeitraum gesehen, einen wesentlichen Vorteil. Die multizentrische Nocturnal Oxygen Therapy Trial (NOTT) wurde in den USA durchgeführt und umfasste 203 COPD-Patienten mit Hypoxämie. Als Einschlusskriterium durfte der PaO2 maximal 55 mmHg oder maximal 59 mmHg betragen, wenn zusätzliche Faktoren wie ein P-pulmonale im EKG, ein erhöhter Hämatokrit oder peripherere Ödeme vorhanden waren. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen von jeweils > 100 Patienten randomisiert. Ein Arm erhielt nachts über zwölf Stunden Sauerstoff, der andere kontinuierlich Sauerstoff (bzw. in der praktischen Durchführung > 18 Stunden/Tag). Hinsichtlich der Mortalität profitierten die Patienten mit kontinuierlicher Sauerstoffzufuhr gegenüber der Gruppe mit nur nächtlicher Gabe. Hier war die Sterberate fast doppelt so hoch. Zusammen belegen diese Studien den Überlebensvorteil einer LTOT bei COPD-Patienten mit Hypoxämie.

Wirkungsweise der LTOT bei COPD

Um die Wirkungsweise der LTOT bei COPD-Patienten zu erklären, existieren verschiedene Ansätze. Zum einen wird ein geringer Abfall des pulmonalarteriellen Druckes gemessen, was aber wahrscheinlich nicht den entscheidenden Faktor darstellt. Am bedeutendsten für die Wirksamkeit ist vermutlich der Effekt, dass durch das erhöhte Sauerstoffangebot der hypoxische Atemantrieb vermindert wird. Das Atemminutenvolumen wird hierdurch geringer und die Atemarbeit wird reduziert. Somit wird die Atempumpe vor übermäßiger Belastung und letztlich vor Erschöpfung geschützt. Die Schonung der Atempumpe erhöht die Wahrscheinlichkeit Exazerbationen der COPD zu überleben. Die Ziele einer LTOT sind:
  • Verminderung der Morbidität und Letalität
  • Minderung der Dyspnoe
  • Verbesserung der Leistungsfähigkeit
  • Sowie eine Verbesserung der Lebensqualität

Bestimmung des Sauerstoffpartialdrucks

Um die Indikation für eine LTOT zu stellen, muss zunächst der Sauerstoffanteil im Blut bestimmt werden. Hierzu existieren verschiedene Messmethoden. Eine einfache Möglichkeit stellt die periphere Messung der Sauerstoffsättigung (SpO2) mittels Pulsoxymeter dar. Die alleinige Bestimmung des SpO2 reicht jedoch für die Indikationsstellung zur LTOT nicht aus, weil der Wert eine geringe Spezifität bezüglich der Vorhersage des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes (PaO2) hat. Der Sauerstoffpartialdruck ist ein Gasdruck, der abhängig ist vom Umgebungsdruck, aber auch vom Lebensalter. Eine pulsoxymetrisch gemessene Sättigung von ≤ 92 % indiziert eine Bestimmung des PaO2 mittels Blutgasanalyse (BGA). Zur Sicherung des Befundes einer chronischen Hypoxämie soll eine arterielle BGA oder alternativ eine kapilläre BGA am hyperämisierten Ohrläppchen erfolgen. Akzeptierter oberer Grenzwert für eine potenziell mittels LTOT behandlungsbedürftige Hypoxämie ist ein pO2-Wert von 55 mmHg, alternativ kann der Wert zwischen 55 und 60 mmHg liegen, sofern ein Zusatzkriterium vorliegt. Eine Studie, die die beiden Messmethoden bei hypoxämischen COPD-Patienten verglich, konnte zeigen, dass die kapilläre Blutentnahme den pO2 im Vergleich zur arteriellen Messung im Durchschnitt um 6 mmHg zu niedrig einschätzt. Dies würde bei 21 % der Patienten mit einem kapillär gemessenen pO2 ≤ 55 mmHg zu einer nicht indizierten Verordnung einer LTOT auf Basis einer kapillaren BGA führen. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die arterielle BGA für den Patienten invasiver und für den Verordnenden zeitaufwendiger ist. Daher sollten sich verschreibende Ärzte der Unterschätzung des PaO2 bei der Anwendung der Kapillarmethode bewusst sein. Die Messung sollte nach einer Ruhezeit von ≥ 10 Minuten vorgenommen werden und das Ohrläppchen sollte mindestens zehn Minuten vor der Blutentnahme hyperämisiert werden. In jedem Fall sollte die Entscheidung zur LTOT nicht auf der Basis einer einzigen Messung getroffen werden. Auf die initiale Messung sollte mindestens eine Verlaufsmessung folgen in einem Abstand von mindestens drei Wochen. Zu beachten ist, dass infolge der kompensatorischen Hyperventilation der PaO2 über der Indikationsschwelle für eine LTOT liegen kann. Im Falle einer Hyperventilation kann daher folgende Formel zur Berechnung des Standard-pO2 angewandt werden: Standard pO2(mmHg) = pO2gemessen (mmHg) –1,66 × (40 –pCO2gemessen (mmHg)).

Indikationen und diagnostische Evaluation der LTOT

Wichtig ist, dass es sich um eine stabile Krankheitsphase handelt, das bedeutet, dass alle anderen Therapieformen optimal ausgeschöpft sein sollten. Die Hypoxämie sollte chronisch, d. h. seit mindestens drei Wochen, bestehen, was durch eine mindestens zweimalige Blutgasanalyse dokumentiert werden muss. Der Grenzwert bei der BGA liegt bei pO2 ≤ 55mmHg oder pO2 > 55mmHg und ≤ 60mmHg, wenn zugleich mindestens eines der folgenden Kriterien vorliegt: sekundäre Polyglobulie (Hämatokrit ≥ 55 %) oder Cor pulmonale (mit oder ohne Rechtsherzinsuffizienz). Es sollte sichergestellt werden, dass die Therapieadhärenz gegeben ist. Vor weiterer Diagnostik ist zu erfragen, ob der Patienten einer LTOT zustimmt. Die diagnostische Evaluation soll mehrere Fragen beantworten: Liegt eine Indikation für eine LTOT bei dem Patienten vor? Wieviel O2-Fluss braucht der Patient, um eine ausreichende Oxygenierung sicherzustellen? Braucht der Patient lediglich eine Heim- oder auch eine mobile Sauerstoffversorgung? Wenn der Messwert bei der BGA zwischen 55 mmHg und 60 mmHg liegt, sollte eine Echokardiografie mit der Fragestellung Rechtsherzinsuffizienz erfolgen. In der Vergangenheit wurde das Cor pulmonale klinisch diagnostiziert und zudem aus der Höhe der P-Welle im EKG abgeleitet. Dieses Vorgehen ist heute nicht mehr ausreichend. Eine Echokardiografie wird zur Sicherung der Diagnose benötigt. Sie ist zudem sinnvoll, um andere kardiale Komorbiditäten zu erfassen. Zur Bestimmung der notwendigen Sauerstoffflussrate erfolgt ein Sauerstoffbedarfsermittlungstest. Hierbei hängt die anfängliche Sauerstoffflussrate unter LTOT vom individuellen Krankheitsbild und der Schwere der Oxygenierungsstörung ab. Der Fluss soll schrittweise erhöht werden bis die pulsoxymetrisch gemessene Sättigung > 90 % erreicht. Daran sollte sich eine weiterer BGA anschließen, um einen Anstieg des PaO2 auf einen Wert ≥ 60 mmHg oder um mindestens 10 mmHg zu dokumentieren. Kommt es nach Sauerstoffgabe zu keiner Erhöhung des PaO2, sollte ein erhöhtes Shuntvolumen z. B. mittels Kontrastmittelechokardiografie abgeklärt werden. Bei Patienten, die kurz vor Verordnung eine akute Verschlechterung ihrer Grundkrankheit, wie eine Exazerbation der COPD, durchgemacht haben, kann eine postakute Sauerstofftherapie (PoaOT) verordnet werden. Von einer PoaOT können symptomatische Patienten mit Dyspnoe profitieren. Dabei ist keine BGA notwendig, sondern der Nachweis einer Sauerstoffsättigung ≤ 92 % ist bereits ausreichend. Zu beachten ist jedoch, dass in solchen Situationen eine Re-Evaluation der dauerhaften Indikation bereits nach ca. sechs bis zwölf Wochen erfolgen sollte.

LTOT bei Rauchern

Rauchen stellt heutzutage keine Kontraindikation dar. Zu beachten ist jedoch, dass eine erhöhte Brand- und Explosionsgefahr besteht, über die der Patient aufgeklärt werden sollte (am besten schriftlich). Den Patienten sollte unbedingt ein professionelles Programm zur Raucherentwöhnung angeboten werden. Dies ist explizit in die neue Leitlinie aufgenommen worden. Auch eine asymptomatische, moderate Hyperkapnie stellt nach aktueller Leitlinie keine Kontraindikation für eine LTOT dar, bei stärker ausgeprägter Hyperkapnie ist die nichtinvasive Ventilation zu evaluieren.

Ambulatory oxygen therapy (AOT

Mobilen Patienten, die die Indikationskriterien für eine LTOT aufweisen, sollte eine AOT (mobile Sauerstoffversorgung) angeboten werden. Ziel ist hierbei, die tägliche Nutzungsdauer von ≥ 15 Stunden sicherzustellen (prognostische Indikation). Dies kann besonders bei berufstätigen Patienten relevant sein. Zur Evaluation der Flussrate unter Belastung sollte eine Belastungsuntersuchung unter kontinuierlicher SpO2-Messung erfolgen. Als geeignete Belastungsuntersuchungen sind der 6-Minuten-Gehtest sowie der Endurance-Shuttle-Walking-Test (ESWT) verfügbar. Zudem kann auch Patienten eine mobile Sauerstoffversorgung verordnet werden, die in Ruhe die Bedingungen einer LTOT nicht erfüllen aber eine Belastungshypoxämie (pO2 < 55 mmHg) haben, wenn es dadurch zu einer Normalisierung der Sauerstoffsättigung, Besserung der Dyspnoe und Erhöhung der Gehstrecke kommt.

Nocturnal oxygen therapy (NOT)

In den meisten Fällen ist bei nächtlicher Hypoxämie bei Normoxämie am Tag eine LTOT nicht indiziert. Eine Ausnahme besteht jedoch bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und optimaler Therapie, zentralen Apnoen, Schlafmedizinischem Ausschluss einer anderen Ursache der Oxygenierungsstörung. Eine schlafmedizinische Untersuchung ist bei ausschließlich nächtlicher Hypoxämie immer notwendig.

Anwendungsdauer der LTOT

Die Mindestanwendungsdauer der LTOT wurde in der neuen Auflage der Leitlinie nach Neubewertung der Ergebnisse der Landmarkstudien von 16 auf 15 Stunden pro Tag reduziert. Der Hauptanteil der Sauerstoffapplikation kann nachts erfolgen. Aktuelle Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass eine Nutzung der LTOT über 24 Stunden/Tag gegenüber ≥ 15 Stunden/Tag keinen Vorteil hinsichtlich Letalität oder Hospitalisierung aufweist. Diese Ergebnisse müssen jedoch in randomisierten kontrollierten Studien bestätigt werden.

Stellenwert der LTOT bei einzelnen Krankheitsbildern

LTOT bei COPD

Die COPD ist das Krankheitsbild mit der besten Evidenzlage, sodass die Indikationen für die anderen Erkrankungen in Analogie hiervon abgeleitet werden. Bei COPD-Patienten mit Hypoxämie kann die LTOT zu folgenden Therapieeffekten führen: Linderung der Dyspnoe, Erhöhung der Belastbarkeit, Optimierung der Schlafqualität und Verbesserung des Überlebens. Profitieren COPD-Patienten mit einer leichteren Hypoxämie ebenfalls von einer LTOT? Mit dieser Frage hat sich die LOTT-Studie beschäftigt. Es wurden 738 COPD-Patienten eingeschlossen, die eine leichte bis mäßige Hypoxämie (O2-Sättigung 89 bis 93 %) aufwiesen oder eine stabile, mäßige belastungsabhängige Desaturation (6-Minuten-Gehtest: O2-Sättigung ≥ 80 % für ≥ 5 Minuten und < 90 % für ≥ 10 Sekunden) hatten. Die Studienergebnisse erbrachten keine relevanten Unterschiede bezüglich: Überleben, Hospitalisierung, Exazerbation, Lebensqualität, Lungenfunktion und Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest. Daher erfolgte in der neuen Leitlinie keine Erweiterung der Anwendung.

Indikation LTOT bei anderen strukturellen Lungenerkrankungen, bei neuromuskulären und Thoraxwanderkrankungen

Bei der zystischen Fibrose wird die Indikation zur LTOT gemäß den Kriterien bei der COPD gestellt. Bei neuromuskulären und Thoraxwanderkrankungen steht insbesondere im Anfangsstadium häufig die Hypoxämie im Vordergrund. Hier kann eine LTOT erfolgen, der Bedarf sollte aber stets im Verlauf erneut evaluiert werden. Im Rahmen der letzten beiden Erkrankungsgruppen kommt es im Verlauf häufig zu einem Atempumpenversagen mit der Notwendigkeit einer nichtinvasiven Beatmung.

Indikation LTOT bei Herzinsuffizienz

Bei der chronischen Herzinsuffizienz liegt außer bei akuter kardiopulmonaler Dekompensation in der Regel keine Oxygenierungsstörung vor, sondern eine vermehrte Sauerstoffausschöpfung. Es ist zumeist nur eine geringe Hypoxämie messbar. Bei fehlender signifikanter Hypoxämie sollte keine LTOT zur Anwendung kommen. Die LTOT ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz zumeist nur in einer palliativen Situation indiziert. Bei Herzinsuffizienz und nächtlichen zentralen Apnoen sowie Tagesschläfrigkeit sollte eine NOT erwogen werden, wenn eine adaptive Servoventilation durch Erniedrigung der EF ≤ 45 % kontraindiziert ist.

LTOT bei pulmonaler Hypertonie

Zwei Krankheitsbilder in dieser Gruppe können eine LTOT-Indikation darstellen: die pulmonalarterielle Hypertonie (PAH) und die chronisch thrombembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH). Typischerweise ist bei Patienten mit PAH der Sauerstoffpartialdruck normal oder nur leicht reduziert, weil meist eine Hyperventilation in Ruhe vorliegt. Es sollte eine LTOT bei Patienten mit PAH oder CTEPH bereits erwogen werden, wenn der pO2 < 60mmHg beträgt.

Sauerstoffgabe in der Palliativmedizin

Bei Dyspnoe und fehlender Hypoxämie stellt eine LTOT nicht die primäre Therapie dar, diese kommt erst bei therapierefraktärer Dyspnoe zum Einsatz, wenn andere Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Eine medikamentöse Behandlung mit Opioiden ist in palliativen Situationen zur Besserung der Dyspnoe häufig besser geeignet. Erfolgt Sauerstoffapplikation aus palliativer Indikation, sind kurz applizierte, bedarfsgerechte Sauerstoffgaben von ca. 20 bis 30 Minuten möglich (Short-burst-Oxygen-Therapy, SBOT). Ebenso kann eine AOT unter körperlicher Anstrengung verordnet werden. Wenn die Entscheidung für eine LTOT getroffen wird, sollte eine kurzfristige Evaluation des Therapieerfolges nach ca. drei Tagen erfolgen.

Nebenwirkungen der LTOT

Unter LTOT kann es, wie unter nahezu allen Therapien, zu unerwünschten Wirkungen kommen. Die schwerste potenzielle Nebenwirkung ist eine klinisch relevante, symptomatische Hyperkapnie. Diese kann bei Verdacht durch eine BGA diagnostiziert werden. Der pH-Wert hilft zwischen einer chronischen und einer akuten Hyperkapnie zu unterscheiden. Um diese Komplikation zu vermeiden, sollte die notwendige Sauerstoffflussrate vor Einleitung der LTOT titriert und nicht zu hoch gewählt werden. Weitere potenzielle Nebenwirkungen sind: Austrocknung der Nasenschleimhaut und Epistaxis, Psychosoziale Konsequenzen (Erleben der LTOT als Stigma), Brand- und Explosionsgefahr, Kälteunfälle bei Flüssigsauerstoffsystemen. Über diese Risiken sollte der Verordnende die Patienten vor Einleitung der Therapie aufklären. Im Rahmen der Verlaufskontrollen können die Nebenwirkungen evaluiert werden.

Verlaufskontrollen unter LTOT

Die erstmalige Reevaluation der LTOT ist bei regulärer Einleitung nach drei Monaten und bei postakuter Sauerstofftherapie bereits nach sechs bis acht (spätestens 12) Wochen indiziert. Die weiteren Intervalle können nach klinischem Zustand und Therapieadhärenz erfolgen. Folgende Aspekte sollten bei den Verlaufskontrollen stets überprüft werden: Klinischer Zustand des Patienten? Ist die Indikation weiterhin gegeben? Ist die Flussmenge noch passend? Nutzt der Patient die Therapie? Nebenwirkungen? Ist der Wechsel auf eine nicht-invasive Ventilation (NIV) oder High-Flow-Therapie erforderlich?

Evaluation einer nicht-invasiven Beatmung (NIV)

In welchen Fällen sollte auf eine Beatmung umgestellt werden? Patienten mit schwerer COPD, Obesitas-Hyperventilationssyndrom, neuromuskulären Erkrankungen, und thorakal-restriktiven Erkrankungen (z. B. Kyphoskoliose) können von einer nicht-invasiven Ventilation (NIV) profitieren. Bei der Indikationsstellung zur NIV hilft die BGA. Oft erfolgt die Indikationsstellung zur NIV anhand einer Tageshyperkapnie mit unterschiedlichen Grenzwerten für die verschiedenen Krankheitsbilder, die der S2k-Leitlinie zur NIV bei chronischer respiratorischer Insuffizienz entnommen werden können. Der pCO2 sollte allerdings auch nächtlich, meist transkutan, gemessen werden, um eine zunächst nur im Schlaf auftretende Hyperkapnie frühzeitig zu detektieren. Es konnte ein Überlebensvorteil der NIV bei Patienten mit COPD, neuromuskulären und restriktiven Erkrankungen gezeigt werden. In einigen Fällen kann eine zusätzliche Sauerstoffgabe zur NIV indiziert sein, allerdings sollte zuvor die NIV-Einstellung optimiert werden.

Alternativbehandlung: nasale High-Flow-Therapie

Bei der High-Flow-Therapie wird Luft, die meist mit Sauerstoff angereichert ist, mit einem hohen in- und exspiratorischen Fluss von 10 bis 60 l/min über eine Nasenbrille in die Atemwege geleitet. Die Atemluft ist dabei angefeuchtet und angewärmt. Ein Wirkprinzip besteht im Auswaschen des Totraumes der oberen Atemwege und der konsekutiven Senkung des pCO2. Zudem wird ein mäßiger extrinsic PEEP (positive end-expiratory pressure) erzeugt, der teilweise dem intrinsischen PEEP entgegenwirkt. Die Sauerstoffzufuhr und die Erhöhung des Atemzugvolumens verbessern die Oxygenierung. Es kommt durch die Therapieform zu einer Reduktion der Atemarbeit, die im Vergleich zur NIV jedoch weniger ausgeprägt ist. Entscheidend ist schließlich die Verbesserung der mukoziliären Clearance mittels Anfeuchtung und Anwärmen der Luft und durch den extrinsic PEEP. Anwendung findet die High-Flow-Therapie z. B. bei Patienten mit COPD mit chronischer respiratorischer Insuffizienz Typ 2 mit mäßiger Hyperkapnie, vorallem wenn eine NIV nicht toleriert wird oder noch nicht indiziert ist, aber auch bei respiratorischer Insuffizienz Typ 1.

Systeme für die LTOT: stationär versus mobil

Bei der Wahl eines geeigneten Gerätes stehen stationäre mobilen Systemen gegenüber. Zur Entscheidung sollten die Aspekte der Mobilität, der benötigten O2-Flussrate sowie der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Sind Patienten an ihre Wohnung gebunden, kann ein Sauerstoffkonzentrator als stationäre Einheit eingesetzt werden. Diese koffergroßen Geräte benötigen eine Stromversorgung, um Sauerstoff aus der Raumluft anzureichern und in der Regel bis zu ca. 6 l/min des Gases freizusetzen. Durch lange Schläuche kann eine verbesserte Mobilität im Haushalt erreicht werden. Diese eignen sich auch, um das Gerät vom Bett weg zu positionieren, und so die Lärmbelästigung zu reduzieren und einen erholsameren Schlaf zu ermöglichen. Patienten sollten jedoch auf die erhöhte Sturzgefahr durch einen am Boden liegenden Sauerstoffschlauch hingewiesen werden. Homefill-Systeme sind Konzentratoren, mit denen Patienten kleine Druckflaschen befüllen können, die eine gewisse Mobilität außerhalb des Hauses erlauben. Die beiden Hauptoptionen für eine mobile Sauerstoffversorgung sind tragbare Konzentratoren und Flüssigsauerstoffsysteme. Erstere werden mit Batterien betrieben und können in Taschen oder Rucksäcken transportiert werden. Flüssigsauerstoffanlagen sind stationäre Geräte, die gasförmigen Sauerstoff durch Kühlung in den flüssigen Zustand überführen. Kleine mobile Einheiten, die zu Hause befüllt werden können, ermöglichen Mobilität. Demand-Systeme sparen Sauerstoff, indem sie den Sauerstoff nur in der Inspirationsphase durch ein Ventil strömen lassen. Ein Nachteil ist der Inspirationsfluss, der zum Auslösen des Ventils erforderlich ist. Insbesondere COPD-Patienten können diesen manchmal nicht aufbringen, vor allem unter Belastung. Daher muss die Demand-Fähigkeit überprüft werden, bevor die Therapie verordnet wird. Demand- Systeme sind zudem bei gleichzeitiger Anwendung mit einer nichtinvasiven Beatmung nicht einsetzbar.

Applikationssysteme

Die Nasenbrille stellt die bevorzugte Applikationsform dar. Sauerstoffmasken werden eher im klinischen Rahmen eingesetzt. Speziell für mobile Patienten, die eine möglichst diskrete Lösung bevorzugen, stehen Brillengestelle mit integrierter Sauerstoffversorgung zur Verfügung. Häufig werden auch optionale Befeuchtungseinheiten verschrieben. Ihr Einsatz verbessert gelegentlich die Toleranz. Eine Befeuchtung des Sauerstoffes ist laut der aktualisierten Leitlinie aber nicht regelhaft erforderlich, da auf der anderen Seite möglicherweise die Effektivität sinkt, wenn die Befeuchtung sich am Geräteausgang der Sauerstoffquelle befindet. Falls der Patient auch eine nicht-invasive Beatmung verwendet, sollte keine Befeuchtung vor dem Beatmungsgerät angebracht werden. Andernfalls kann Kondenswasser aus dem Sauerstoffschlauch in das Beatmungsgerät eindringen und zu technischen Defekten führen. In solchen Fällen wird ein Befeuchter nach dem Beatmungsgerät platziert

Verordnung der LTOT

Die Indikationsstellung und Verschreibung der LTOT erfolgt in der Regel durch einen Lungenfacharzt, der über die Möglichkeit der Blutgasanalyse verfügt. Idealerweise werden Patienten schriftlich über die LTOT aufgeklärt und auf die potenziellen Nebenwirkungen und Gefahren aufmerksam gemacht. Das Rezeptformular soll die Diagnose, Indikationskriterien und Blutgase enthalten. Außerdem muss angegeben werden, ob die Sauerstofftherapie in Ruhe, bei Belastung oder nur nachts angewendet werden soll. Die Verordnung stationärer oder mobiler Geräte wird hier ebenso spezifiziert wie die Flussrate. In der aktuellen Leitlinie wird hierfür ein Rezeptformular zur Verfügung gestellt. Die Patienten werden über die Intervalle aufgeklärt, in denen sie zur Kontrolle kommen sollten. Nach Klärung der Kostenübernahme kann ein Medizintechnikanbieter das notwendige Sauerstoffapplikationssystem liefern, für das ein 24-Stunden-Service bestehen soll.

LTOT und Flugfähigkeit

Eine wichtige praktische Frage ist: Kann der Patient mit Sauerstoff fliegen? Für die meisten Patienten sind Flugreisen möglich, allerdings müssen einige Aspekte beachtet werden. Zunächst sollte der Betroffene mindestens 48 Stunden vor Abflug bei der Airline einen Antrag auf Flug unter Sauerstoffgabe stellen. Ein Konzentrator mit entsprechender Zulassung ist erforderlich, Flüssigsauerstoffsysteme sind in Flugzeugen in der Regel nicht erlaubt. Die Akkulaufzeit muss mindestens 150 % der berechneten Flugzeit betragen. Zudem benötigt der Patient eine ärztliche Bescheinigung über die Flugfähigkeit. COPD-Patienten unter LTOT, die bis zu 4 l/min Sauerstoff benötigen, können mit Sauerstoff fliegen. Wenn sie einen höheren Sauerstoffbedarf haben, ist eine Flugreise nicht möglich. Patienten mit einem PaO2 von mindestens 70 mmHg und einer Sättigung von mindestens 95 % in Ruhe (in der Leitlinie wurde der niedrigere Grenzwert von 92 % gewählt) können ebenfalls meist ohne zusätzliche Untersuchung mit dem Flugzeug reisen, außer sie gehören einer definierten Hochrisikogruppe an. Ein hohes Risiko für Hypoxämie während der Flugreise besteht u.a. für Patienten mit Dyspnoe unter Belastung, einem forcierten exspiratorischen Volumen in 1 sec (FEV1) von < 30 % des Sollwertes (oder < 1,5 l), Lungenemphysem, signifikanten Symptomen bei einer vorangegangenen Flugreise oder einer Komorbidität, die die Hypoxämie verschlechtern könnte (z. B. Herzerkrankung). Diese Hochrisikopatienten sowie alle Patienten, die in Ruhe einen PaO2 von < 70 mmHg bzw. eine SpO2 von < 95 % (bzw. 92 % nach Leitlinie) zeigen, sollten den sogenannten Hypoxic-Challenge-Test in Zentren durchführen lassen. Bei dieser Untersuchung wird für 20 Minuten ein Gasgemisch mit 15 % Sauerstoff eingeatmet, um die atmosphärischen Verhältnisse der Flugzeugkabine zu simulieren. Patienten, deren PaO2 nicht unter 50 mmHg und SpO2 nicht unter 85 % sinken, sind flugfähig. Probanden, deren Werte unterhalb dieser Grenzwerte liegen, können ggf. unter Sauerstoffzufuhr fliegen. Bei diesen Patienten sollte der Hypoxic-Challenge-Test unter Sauerstoffgabe mit 2 bis 4 l/min wiederholt werden.

Fazit

Die Indikation zur LTOT ist gegeben, wenn nach optimaler Therapie eine chronische Hypoxämie besteht. Diese liegt vor, wenn der Ruhe-PaO2 während einer stabilen Krankheitsphase zu mehreren Zeitpunkten maximal 55 mmHg beträgt. LTOT ist auch bei COPD-Patienten mit PaO2-Werten zwischen 55 und 60 mmHg sinnvoll, sofern eine sekundäre Polyglobulie oder ein Cor pulmonale nachgewiesen werden. Eine mögliche Nebenwirkung der Sauerstoffgabe ist ein ausgeprägter, klinisch relevanter Anstieg des pCO2, was bei Flussraten eintreten kann, die für den Bedarf des Patienten zu hoch sind. Ein moderater Anstieg des pCO2 unter Sauerstoffgabe hingegen zeigt die Entlastung der Atempumpe an und kann als Hinweis für einen guten Patientennutzen angesehen werden. Die LTOT sollte in Bezug auf Indikationsstellung, O2-Flussmenge, Therapieeffekte und Adhärenz nach etwa drei Monaten überprüft werden. Die nachfolgenden Kontrollintervalle können sich am klinischen Zustand des Patienten bzw. der Therapieadhärenz orientieren. Die Behandlung hat als Ziel den PaO2 auf mindestens 60 mmHg bzw. um mindestens 10 mmHg zu erhöhen. LTOT-Systeme sind vielfältig und können individuell für den Patienten verordnet werden. Die Auswahl der Sauerstoffquelle richtet sich nach der nötigen Flussmenge und dem Mobilitätsgrad des Patienten. Rauchende Patienten müssen bei gegebener Indikation für eine LTOT auf die Gefahren (Sauerstoff als Brandbeschleuniger) der LTOT hingewiesen und dringend zur Aufgabe des Rauchens motiviert werden. Die Geräteschulung ist bei jedem Patienten sicherzustellen.

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