Focused Update – ESC-Leitlinie Herzinsuffizienz

Um den Ergebnissen aktueller Studien Rechnung zu tragen, hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) ein Focused Update ihrer Leitlinien zur Herzinsuffizienz veröffentlicht. Bei der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) wird eine möglichst schnelle Initiierung aller vier Basismedikamente empfohlen. Bei der leicht reduzierten Ejektionsfraktion (HFmrEF) und der erhaltenen Ejektionsfraktion (HFpEF) haben aktuell nur Diuretika und Natrium-Glucose-Cotransporter-2-(SGLT2-)Inhibitoren Klasse-Ia-Empfehlungen. Der nicht steroidale Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist Finerenon soll präventiv zur Verhinderung von Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierungen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung (CKD) mit einer Klasse-Ia Empfehlung eingesetzt werden.

Bei HFrEF-Patienten mit „worsening heart failure“ wird eine schnelle und frühzeitige Initiierung der medikamentösen Therapie empfohlen. Um das Risiko für weitere Hospitalisierungen zu senken, sollen verschiedene Wirkmechanismen additiv eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang wird Vericiguat als fünfter Baustein der Basistherapie empfohlen, die aus vier Basismedikamenten besteht (Eskalation zur Fünffachtherapie).

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124063550015
Zeitraum 10.06.2024 - 09.06.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. Dr. Stephan von Haehling
PD Dr. med. Djawid Hashemi
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout, Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.3 (592)

Einführung

Die Herzinsuffizienz ist eine progrediente Erkrankung und bei über 65-jährigen Menschen der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung. Seit der Veröffentlichung der ESC-Leitlinie 2021 zur Behandlung der Herzinsuffizienz hat sich die Evidenzlage zu diesem häufigen Krankheitsbild durch zahlreiche neue Studienergebnisse signifikant erweitert. Davon sind alle definierten Formen der Herzinsuffizienz von der erhaltenen bis zur reduzierten Pumpfunktion betroffen. Insbesondere die Herzinsuffizienz mit einer Ejektionsfraktion (EF) ≥40 % wird derzeit in mehreren Studien untersucht, deren Ergebnisse die zukünftigen Leitlinien weiter beeinflussen werden. In dieser Fortbildung werden schwerpunktmäßig die Empfehlungen des aktuellen Focused Update der ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz zusammengefasst und kommentiert.

Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion

Für die Behandlung der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF), das heißt mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≥50 %, werden im Focused Update der ESC-Leitlinien 2023 aufgrund der Studienergebnisse von DELIVER und EMPEROR-Preserved die SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin empfohlen. Diuretika haben als Standardtherapie ebenfalls eine Klasse-Ia-Empfehlung erhalten. Der Bedeutung der Behandlung von kardiovaskulären und nicht kardiovaskulären Komorbiditäten wurde mit einer weiteren Klasse-Ia-Empfehlung Rechnung getragen, weil diese Komorbiditäten gerade bei der HFpEF einen besonders hohen Stellenwert haben. Im Vergleich zur Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) sind die medikamentösen therapeutischen Optionen bei der HFpEF immer noch sehr begrenzt. In der TOPCAT-Studie konnte die Wirksamkeit von Spironolacton im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit einer Ejektionsfraktion ≥45 % nicht bestätigt werden. In der zurzeit noch laufenden SPIRIT-HF-Studie wurde als Einschlusskriterium eine Ejektionsfraktion von ≥40 % festgelegt, um Wirksamkeit und Sicherheit von Spironolacton nicht nur bei Patienten im gesamten definierten HFmrEF-Intervall, sondern auch mit einer HFpEF zu untersuchen. Eine weitere wegweisende Studie ist FINEARTS-HF, die den Stellenwert des nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten Finerenon im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≥40 % untersucht. Finerenon wird in der Studie abhängig von der eGFR (geschätzte Glomeruläre Filtrationsrate) in einer maximalen Dosierung von 40 mg verabreicht. Einschlusskriterien sind unter anderem eine eGFR ≥25 ml/min/1,73 m2, ein Serumkalium <5,0 mmol/l, bei Patienten im Sinusrhythmus ein NT-proBNP (N-terminales pro-Brain Natriuretisches Peptid) ≥300 pg/ml und bei Patienten mit Vorhofflimmern ein NT-proBNP ≥900 pg/ml. Mit SPIRIT-HF und FINEARTS-HF ist die Hoffnung verbunden, mehr Evidenz für die Therapie mit einem MRA (Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist) bei Patienten mit einer Ejektionsfraktion ≥40 % zu bekommen.

Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter Pumpfunktion

Die Therapieempfehlungen für die HFmrEF, das heißt für Patienten mit einer links-ventrikulären Ejektionsfraktion zwischen 41 und 49 %, haben im Vergleich zur HFpEF ein breiteres Spektrum, allerdings wurden evidenzbedingt nur für Diuretika und die Natrium-Glucose-Cotransporter-2-(SGLT2-)Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin eine Klasse-Ia-Empfehlungen aufgenommen. Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren (ACEI), Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB), Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA) und Betablocker, die bei der HFrEF zur Basistherapie gehören, haben bei der HFmrEF nur jeweils eine Klasse-IIb-Empfehlung. Ein Hintergrund ist neben dem Mangel an Daten auch die Tatsache, dass sich aus einer HFmrEF durch die Progredienz der Erkrankung eine HFrEF entwickeln kann und umgekehrt, aber auch die Tatsache, dass die Wirksamkeit der Basistherapeutika bei steigender EF abnimmt bzw. schlechter nachweisbar war. Auch zwischen einer HFpEF und einer HFmrEF werden Krankheitsentwicklungen in beide Richtungen beobachtet. Der Benefit einer HFrEF-Basistherapie endet nicht bei einer Ejektionsfraktion von 40 %, sodass aus den vorhandenen Daten zur HFrEF eine relevante Wirkung auch bei Patienten mit einer nur leicht eingeschränkten Pumpfunktion zwischen 41 und 49 % extra-poliert werden kann. SPIRIT-HF und FINEARTS-HF werden auch für Patienten mit einer HFmrEF neue Daten liefern.

Prävention der Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes und CKD

Eine wesentliche Neuerung in dem Focused Update ist die Aufnahme der Prävention der Herzinsuffizienz als wichtiges Therapieziel. So wird zur Prävention von Herzinsuffizienz bei Patienten mit einem Typ-2-Diabetes und einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) der Einsatz von SGLT2-Inhibitoren empfohlen, um das Risiko einer Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinsuffizienz oder eines kardiovaskulären Todes zu verringern. Eine weitere Klasse-Ia-Empfehlung betrifft den nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten Finerenon, der zur Verringerung des Risikos einer Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierung eingesetzt werden soll. Finerenon hat keine antidiabetische Wirkung, konnte aber bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) sowohl einen kombinierten kardiovaskulären Endpunkt als auch einen kombinierten renalen Endpunkt reduzieren. Der Nachweis der Risikoreduktion wurde mit der FIDELITY-Analyse aus den beiden randomisierten klinischen Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD mit einer Gesamtzahl von 13.026 Patienten erbracht, in denen Finerenon in Dosierungen von 10 oder 20 mg im Vergleich zu Placebo zusätzlich zu einer optimierten RAS-Blockade (Renin-Angiotensin- System) mit maximal tolerierten Dosierungen verabreicht wurde. Patienten mit einer symptomatischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) waren ausgeschlossen. Der Stellenwert von Finerenon im Rahmen der Therapie von Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit EF ≥40 % wird in der FINEARTS-HF-Studie untersucht. Die Ergebnisse werden auch deshalb mit Interesse erwartet, weil Diabetes und CKD häufige Komorbiditäten bei Patienten mit einer symptomatischen Herzinsuffizienz sind. Die Nierenfunktion wird in der Praxis häufig nur durch die Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) dokumentiert, die für die Bestimmung des renalen Risikos aber nicht ausreicht. Hierzu sollte zusätzlich die Albuminausscheidung im Urin bestimmt werden, am besten in Form des Urin-Albumin-Kreatinin-Quotienten (UACR), um Verdünnungseffekte auszuschließen.

ESC-Leitlinie zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen bei Patienten mit Diabetes

In Ergänzung zum Focused Update der ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz enthalten auch die neuesten ESC-Leitlinien zur Behandlung des Diabetes Empfehlungen für das kardiovaskuläre Management. Zunächst sollte bei jedem Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung abgeklärt werden, ob gleichzeitig ein Typ-2-Diabetes besteht und umgekehrt. Wenn der Patient einen Typ-2-Diabetes hat, ist nicht nur nach einer symptomatischen kardiovaskulären Erkrankung zu suchen, sondern insbesondere auch nach einer relevanten Zielorganschädigung, wie zum Beispiel einer Herzinsuffizienz oder einer chronischen Nierenerkrankung. Wenn ein Typ-2-Diabetes und eine atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankung vorliegen, werden Glucagon-like-Peptid-1-(GLP-1-)Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren mit der höchsten Evidenzklasse Ia empfohlen, um das kardiovaskuläre Risiko zu reduzieren. Liegen ein Typ-2-Diabetes und eine Herzinsuffizienz vor, sollen SGLT2-Inhibitoren eingesetzt werden, um Herzinsuffizienz-bedingte Krankenhausaufenthalte zu reduzieren (Klasse Ia). Bei Typ-2-Diabetes und einer chronischen Nierenerkrankung ist der Einsatz von SGLT2-Inhibitoren und von Finerenon zur Reduzierung des Risikos von Herz-Kreislauf- und Nierenversagen empfohlen (Klasse Ia). Alle Therapien sollen unabhängig von der Glukosekontrolle und zusätzlich zur Standardversorgung eingesetzt werden.

Steroidale im Vergleich zu nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten

Finerenon ist ein neuartiger, nicht steroidaler und selektiver Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (MRA), der sich von steroidalen MRA wie Spironolacton und Eplerenon unterscheidet. Finerenon hat nicht nur eine hohe Selektivität gegenüber dem Mineralokortikoid-Rezeptor, sondern penetriert im Gegensatz zu Spironolacton und Eplerenon nicht die Blut-Hirn-Schranke. Das Nebenwirkungsprofil von Finerenon ist deutlich günstiger. Hormonelle Effekte, wie die Gynäkomastie unter Spironolacton, sind unter Finerenon nicht bekannt. Eine Hyperkaliämie wurde im Vergleich zu den steroidalen MRA unter Finerenon in den Phase-II-Studien nur selten beobachtet. In den Phase-III-Studien trat unter Finerenon eine Hyperkaliämie zwar häufiger auf, klinisch relevant erhöhte Serumkaliumspiegel blieben aber auf einem niedrigen Niveau. Bei Neueinstellungen auf Finerenon sollte dennoch ein Monitoring der Serumkaliumkonzentrationen erfolgen. Die steroidalen MRA Spironolacton und Eplerenon haben eine blutdrucksenkende Wirkung, die besonders bei Spironolacton sehr ausgeprägt ist und deshalb häufig den Einsatz dieser Substanz bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz in evidenzbasierten Dosierungen erschwert. Die Blutdrucksenkung unter Finerenon ist dagegen im Vergleich zu den steroidalen MRA nicht sehr ausgeprägt. In der FIDELIO-DKD-Studie war der Blutdruck bei den meisten Patienten unter anderem mit einer RAS-Blockade bereits kontrolliert, bevor Finerenon eindosiert wurde. Der mittlere systolische Blutdruck sank unter Finerenon im Vergleich zu Placebo um 3,7 mmHg im Monat 4 und um 3,0 mmHg im Monat 12. Bei den Patienten, die zum Studienbeginn einen eher unkontrollierten Blutdruck hatten, war der drucksenkende Effekt von Finerenon deutlicher ausgeprägt. Bei einem systolischen Ausgangsdruck zwischen 140 und 150 mmHg betrug die mittlere Drucksenkung nach einem Monat 4,8 mmHg; lag der Ausgangsdruck zwischen 150 und 160 mmHg, lag die mittlere Drucksenkung bei 10,79 mmHg. Die FINEARTS-HF-Studie wird zum Nebenwirkungsprofil von Finerenon bei herzinsuffizienten Patienten mit EF ≥40 % weitere Daten liefern.

Stellenwert des Eisenmangels bei Herzinsuffizienz

Ein bestehender Eisenmangel (definiert als Serum-Ferritin <100 oder als Serum-Ferritin 100 bis 299 ng/ml bei gleichzeitiger Transferrin-Sättigung <20 %) sollte bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz ausgeglichen werden. Auch im Focused Update der ESC-Guidelines Herzinsuffizienz von 2023 wird bei symptomatischen Patienten mit einer HFrEF und HFmrEF sowie Eisenmangel eine intravenöse Eisenergänzung empfohlen, um die Symptome der Herzinsuffizienz zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern (Klasse Ia). Auch um das Risiko einer Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierung zu verringern, sollte eine intravenöse Eisenergänzung mit Eisencarboxymaltose oder Eisenderisomaltose erfolgen (Klasse IIa). Hintergrund dieser Empfehlungen sind die Ergebnisse der AFFIRM- und der IRONMAN-Studie. Diese Empfehlungen wurden kontrovers diskutiert, basierend auf kritischen Anmerkungen zum Studiendesign und den bestehenden Limitationen wegen der Studiendurchführung während der Corona-Pandemie.

Versorgung von hospitalisierten Patienten mit einer HFrEF

Der in 2021 begonnene Paradigmenwechsel bei der Therapie der HFrEF setzt sich auch im Focused Update 2023 fort. Es geht nicht mehr darum, wenige Basismedikamente in historischer Reihenfolge nacheinander einzusetzen und bis zur höchsten evidenzbasierten Dosis aufzutitrieren, sondern darum, alle neuen prognoseverbessernden Medikamente von Anfang an vor der Entlassung aus der Klinik gleichzeitig zu initiieren und in den ersten sechs Wochen nach der stationären Rekompensation während häufiger und sorgfältiger Nachuntersuchungen hochzutitrieren. Es kann gegebenenfalls im Sinne einer individualisierten Therapie auch mit niedrigen Dosierungen gearbeitet werden, wenn die Patienten höhere Dosierungen nicht vertragen. Durch den parallelen Einsatz mehrerer gleichberechtigter Wirkmechanismen werden mehrere Signalwege gleichzeitig adressiert. Dadurch kann das Therapieziel schneller erreicht und das Risiko einer Rehospitalisierung wegen einer erneuten Dekompensation verringert werden. Basis dieser Empfehlungen sind die Ergebnisse der STRONG-HF-Studie. Angiotensin-Rezeptorblocker mit Neprilysin-Inhibition (ARNI), Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (MRA) und SGLT2-Inhibitor sind gleichberechtigte Medikamente der ersten Therapielinie, weil sie alle die Mortalität reduzieren. Obwohl STRONG-HF nur auf einer Dreifachtherapie mit neurohumoral wirksamen Substanzen basierte, wurden die SGLT2-Inhibitoren aufgrund der vorliegenden Evidenz mit in die Empfehlungen integriert. Die Einhaltung einer sechswöchigen Titrationsphase mit mehreren ambulanten Nachuntersuchungsterminen ist in Deutschland nicht flächendeckend möglich. Es gilt allerdings nach wie vor die Empfehlung, dass die Patienten, die wegen einer Dekompensation stationär aufgenommen wurden, innerhalb von ein bis zwei Wochen nach der Entlassung von einem Facharzt untersucht werden sollen.

Versorgung von Patienten mit „worsening heart failure“

Den Begriff des „worsening heart failure” einfach nur als Verschlechterung einer bestehenden Herzinsuffizienz zu übersetzen, wird dem komplexen Geschehen nicht gerecht. Die Definition des Begriffes ist aber bezogen auf die therapeutischen Implikationen relativ einfach und wurde in einem Konsensus-Statement der Heart Failure Association (HFA) der ESC 2023 so formuliert, dass Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz beim Erreichen des Status eines „worsening heart failure” mehr Therapie benötigen als zuvor. In der Praxis sind es meist Stauungszeichen wie eine reduzierte Belastbarkeit und zunehmende Ödeme, die im Krankenhaus, in der Notaufnahme oder in der Ambulanz eine Eskalation der oralen Therapie einschließlich einer intravenösen Therapie notwendig machen. Dazu gehört auch eine ambulante intravenöse Gabe von Diuretika. Eine neu auftretende Herzinsuffizienz erfüllt hier noch nicht die Kriterien eines „worsening heart failure”. Die Therapie des „worsening heart failure” besteht in der Behandlung von Stauungen durch eine Intensivierung der harntreibenden Therapie. Zu den präventiven Maßnahmen gehört der frühzeitige Beginn einer Kombinationstherapie mit allen evidenzbasierten Basismedikamenten, die Gabe von i. v. Eisen bei einem bestehenden Eisenmangel und als neue Option die Gabe von Vericiguat, einem Stimulator der löslichen Guanylatcyclase. Vericiguat ist unabhängig von der bereits bestehenden Herzinsuffizienzmedikation wirksam. Grundlage der Empfehlung von Vericiguat als fünfte Säule der medikamentösen Therapie bei HFrEF-Patienten mit einem hohen Risiko für weitere Verschlechterungen sind die Ergebnisse der VICTORIA-Studie. Der praktische Ablauf der Versorgung von HFrEF-Patienten mit „worsening heart failure” wurde in einem Fokus-Seminar im Journal of the American College of Cardiology (JACC) zusammengefasst. Schritt 1 umfasst die Einleitung krankheits-modifizierender medikamentöser Therapien in schneller Abfolge oder gleichzeitig bis zur Fünffachtherapie mit Vericiguat, die mit einer Anfangsdosis von 2,5 mg/Tag begonnen werden sollte. Ein bestehender Eisenmangel ist intravenös auszugleichen. Im zweiten Schritt erfolgt die Dosissteigerung oraler medikamentöser Therapien orientiert an der individuellen Verträglichkeit. Die Dosis von Vericiguat sollte alle zwei Wochen verdoppelt werden bis zur Zieldosis von 10 mg/Tag, sofern der Patient dies verträgt. Die praktische Umsetzung dieser Therapieempfehlungen wird am Beispiel eines Patientenfalles beschrieben.

Patientenfall mit „worsening heart failure“

Bei der 55-jährigen Patientin ist seit August 2016 eine nicht ischämische Kardiomyopathie mit einer hochgradig eingeschränkten linksventrikulären Ejektionsfraktion zwischen 30 und 35 % bekannt. An Begleiterkrankungen besteht ein Typ-2-Diabetes, Vorhofflimmern und eine dekompensierte gering- bis mittelgradige Mitralklappeninsuffizienz. Im Januar 2023 wurde die Patientin schwer symptomatisch entsprechend New York Heart Association (NYHA) IV mit peripheren Ödemen und Sprechdyspnoe stationär aufgenommen. Bei der echokardiografischen Untersuchung wurde mit einer LVEF(Linksventrikuläre Ejektionsfraktion) von 24 % eine HFrEF, eine linksventrikuläre Dilatation sowie eine pulmonale Stauung dokumentiert. Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz bestand bis zum Aufnahmezeitpunkt aus Spironolacton 25 mg/Tag, Metoprolol 95 mg/Tag, Sacubitril/Valsartan 49/51 mg/zweimal am Tag und Torasemid 10 mg/Tag. Die Patientin wurde stationär mit Furosemid i. v. rekompensiert und anschließend wieder oralisiert auf Torasemid 10 mg/Tag. Die Patientin mit einer bekannten HFrEF ist unter einer nicht leitliniengerechten unvollständigen Herzinsuffizienzmedikation mit schweren Symptomen kardial dekompensiert und wurde stationär diuretisch geführt rekompensiert. Vor der Entlassung ist die medikamentöse Herzinsuffizienztherapie anzupassen. Aktuelle klinische Parameter: Blutdruck systolisch 104 mmHg, eGFR bei 45 ml/min/1,73 m2, Herzfrequenz 65 bpm, Serumkalium 4,8 mmol/l und NT-proBNP 3512 pg/ml. Der grenzwertige Blutdruck spricht gegen eine weitere Aufdosierung des ARNI. Die Nierenfunktion ist eingeschränkt, Herzfrequenz und Serumkalium sind im Zielbereich, und das relevant erhöhte NT-proBNP ist mit einem hohen Risiko für eine erneute Dekompensation assoziiert und kann deshalb als Indikator für einen sich weiter verschlechternden Verlauf gewertet werden. Die Patientin hat damit „worsening heart failure”. Die bisherige Herzinsuffizienzmedikation bestehend aus Spironolacton, Metoprolol, Sacubitril/Valsartan und Torasemid wurde in unveränderter Dosierung beibehalten und während des stationären Aufenthaltes zunächst um den SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin 10 mg/Tag und danach mit drei Tagen Zeitversatz um Vericiguat in der Startdosis von 2,5 mg/Tag ergänzt, um die Wahrscheinlichkeit erneuter Krankenhausaufnahmen der Patientin weiter zu verringern. Der SGLT2-Inhibitor wurde deshalb während der Rekompensation als Erstes initiiert, weil mit einer zusätzlichen Diurese zu rechnen ist. Drei bis vier Tage später kann dann Vericiguat initiiert werden. Im Medikationsplan für die Patientin war nach zwei Wochen eine Dosiserhöhung von Vericiguat auf 5 mg/Tag (zweimal 2,5 mg morgens) vorgesehen. Sechs Wochen nach der Entlassung war eine Wiedervorstellung in der Ambulanz geplant. An diesem Termin wurde die Dosis von Vericiguat auf die Zieldosis von 10 mg/Tag erhöht. Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet, ebenso keine vegetative Symptomatik und keine Elektrolytentgleisungen. Blutdruck und Retentionsparameter blieben nach der Entlassung und im weiteren Verlauf stabil.

Additive Wirkung der medikamentösen Behandlung der HFrEF

Durch die Kombination mehrerer pharmakologischer Wirkprinzipien konnten in zahlreichen klinischen Studien additive Effekte bei der Therapie von Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) dokumentiert werden. Zu den Outcome-verbessernden Mechanismen gehören die Inhibition des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) mit ACE-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptorblockern und Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten, die Hemmung des sympathischen Nervensystems (SNS) durch Betablockade, die Inhibition des Abbaus natriuretischer Peptide mit einem Neprilysin-Inhibitor sowie die teilweise noch nicht vollständig aufgeklärten pleiotropen Effekte durch die Hemmung des Natrium-Glucose-Cotransporter-2 (SGLT2). Die Stimulation der löslichen Guanylatcyclase (sGC) mit Vericiguat führt zu einer Erhöhung der intrazellulären Konzentration von zyklischem Guanosin-Monophosphat (cGMP). Mit diesem zusätzlichen Wirkprinzip konnte ein weiterer Baustein zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Krankenhausaufnahme etabliert werden. Obwohl alle Substanzen die Mortalität und das Herzinsuffizienzhospitalisierungsrisiko von Patienten mit einer HFrEF senken, bleibt ein immer noch hohes Restrisiko bestehen, wie es zum Beispiel die DAPA-HF-Studie gezeigt hat. Deshalb ist es wichtig, dass die Patienten möglichst schnell mit allen etablierten Wirkprinzipien leitliniengerecht versorgt werden.

Fazit

  • Bei HFpEF und HFmrEF haben Diuretika und die SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin Klasse-Ia-Empfehlungen.
  • Bei einer HFmrEF können mit einer Klasse-IIb-Empfehlung ACEI/ARNI/ARB, MRA und Betablocker eingesetzt werden.
  • Die Anwendung weiterer Substanzgruppen bei HFpEF orientiert sich an den Begleiterkrankungen des Patienten.
  • Zur Prävention der Herzinsuffizienz werden bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung SGLT2-Inhibitoren mit einem Klasse-Ia-Level empfohlen, um das Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierungsrisiko oder die CV-Mortalität zu reduzieren. Hier hat Finerenon ebenfalls eine Klasse-Ia-Empfehlung zur Verringerung des Risikos einer Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisierung.
  • Bei HFrEF und HFmrEF wird bei einem vorliegenden Eisenmangel die intravenöse Substitution mit Eisencarboxymaltose oder Eisenderisomaltose empfohlen
  • Bei hospitalisierten Patienten mit einer Herzinsuffizienz sollte die evidenzbasierte Therapie möglichst schnell initiiert und innerhalb von sechs Wochen nach Entlassung hochtitriert werden. Nach der Entlassung sollten die Patienten regelmäßig nachuntersucht werden.
  • Bei HFrEF-Risikopatienten mit einem „worsening heart failure” wird Vericiguat zur Ergänzung einer leitliniengerechten Vierfachtherapie empfohlen.

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