Einführung
Das Prostatakarzinom ist weltweit die zweithäufigste Krebserkrankung des Mannes und eine der führenden Todesursachen. Im Jahr 2018 wurden mehr als 360.000 Todesfälle durch das Prostatakarzinom registriert. Die meisten Patienten erhalten ihre Erstdiagnose in einem lokalisierten Stadium, in dem mit der klassischen Bildgebung noch keine Metastasen nachweisbar sind. Wenn sich nach der Primärbehandlung bei diesen Patienten ein biochemisches Rezidiv entwickelt, wird eine systemische Androgendeprivationstherapie (ADT) eingeleitet, auf die zwar die meisten Patienten initial gut ansprechen, in deren Verlauf es bei dem überwiegenden Anteil aber zu einem Progress der Erkrankung mit Wiederanstieg der PSA-Spiegel (prostataspezifisches Antigen) kommt, obwohl die Testosteronkonzentration im Serum durch die ADT effektiv supprimiert wurde. Je schneller der PSA-Anstieg bei diesen Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) erfolgt, desto höher ist zum einen die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Knochenmetastasen und zum anderen das Mortalitätsrisiko. Die größte Herausforderung liegt darin, diese Hochrisikopatienten rechtzeitig zu identifizieren und interdisziplinär die jeweils besten Therapieentscheidungen zu treffen. Bei der weiterführenden Diagnostik, insbesondere bei der Bildgebung, sollte bedacht werden, welche therapeutischen Konsequenzen sich aus den Befunden ergeben und welche Auswirkungen diese auf die Lebensqualität und Therapielinien der Patienten haben. Da fast alle Patienten mit ansteigenden PSA-Werten unter kontinuierlicher ADT keine Krankheitssymptome haben und die Lebensqualität bis auf ADT-bedingte Effekte nicht eingeschränkt ist, ist die Auswirkung jeder zusätzlichen therapeutischen Maßnahme auf die Lebensqualität klinisch relevant.
Patientenfall – Teil 1
Der Patient ist aktuell 65 Jahre alt, wiegt 75 kg bei einer Größe von 180 cm. Er ist körperlich fit und sportlich aktiv. Die Diagnose lautet nmCRPC. Die aktuelle PSA-DT beträgt 5,6 Monate. Anamnese: Vor fünf Jahren laparoskopische radikale Prostatektomie mit extendierter pelviner Lymphadenektomie (LAE) aufgrund eines bioptisch gesicherten Prostatakarzinoms. Der initiale PSA-Wert lag bei 15,3 ng/ml. Histologischer Befund: pT3b; drei Lymphknoten positiv: N1 (3/15 ECS+), R0, L1, V0, pN1
Expertenempfehlung:
Bei diesem lokal fortgeschrittenen Befund und bis zu drei Lymphknotenmetastasen würde der Patient sehr wahrscheinlich von einer direkten Strahlentherapie in Kombination mit einer Hormontherapie (ADT) für ein bis zwei Jahre profitieren. In der aktuellen EAU-Leitlinie findet sich für dieses Stadium bei pN0 und pN1 eine starke Empfehlung für eine adjuvante Strahlentherapie plus ADT.
Patientenfall – Teil 1
Im Anschluss an die Prostatektomie erfolgte eine Bestrahlung der Prostataloge und der Lymphabflusswege. Beginn einer ADT für zunächst ein Jahr. Bis auf eine leichte Strahlenproktitis wurde die Therapie sehr gut vertragen. Auch nach dem Absetzen der ADT: Erholung der Testosteronwerte. Fortführung der PSA-Surveillance mit einem Nadir 0,001 ng/ml.
Expertenempfehlung:
In diesem Krankheitsstadium regelmäßige Wiedereinbestellung des Patienten einmal pro Quartal. Bei jeder PSA-Kontrolle sollte zusätzlich die Testosteronkonzentration mit bestimmt werden, um die Suppression zu kontrollieren.
Patientenfall – Teil 1
Vor zwei Jahren biochemischer Progress mit einem PSA-Wert von 4 ng/ml. Danach konventionelle Bildgebung bestehend aus CT, MRT und Knochenszintigramm ohne Befund. Unter erneut begonnener ADT mit einem LHRH-Analogon zunächst Rückgang des PSA-Wertes auf 0,15 ng/ml nach drei Monaten (Nadir). Nach acht Monaten unter der ADT rasche PSA-Progression auf 4 ng/ml mit einer PSA-DT <6 Monaten bei gleichzeitig gut supprimiertem Testosteron. Erneute konventionelle Bildgebung (Knochenszintigrafie und CT) zur Metastasensuche ohne Befund.
Aktuelle Fragestellung und weiteres Vorgehen
Bei dem genannten Patienten mit einem nmCRPC, der bis auf die unerwünschten Wirkungen der ADT-Monotherapie keine Beschwerden hat, stellt sich jetzt die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Die PSA-DT von unter sechs Monaten signalisiert ein sehr hohes Risiko für das Auftreten von Knochenmetastasen. Therapieziele sind die Verlängerung des metastasenfreien Überlebens, des Gesamtüberlebens, die Vermeidung von Schmerzen und der Erhalt der Lebensqualität. Es gilt, durch effektive Maßnahmen die Dynamik der Erkrankung zu verlangsamen und mit möglichst nebenwirkungsarmen Medikamenten die Bildung von Metastasen zu verhindern, denn mit dem Auftreten von Knochenmetastasen beginnen Komplikationen und Schmerzen, die den Patienten erheblich einschränken.
Risikopatienten mit der PSA-Verdopplungszeit identifizieren
Die Berechnung der PSA-DT kann zum Beispiel einfach und schnell mit einem Kalkulator (z. B. dem „PSA doubling time calculator” auf der Website des Memorial Sloan Kettering Cancer Center, MSKCC) durchgeführt werden. Dazu werden die PSA-Werte mit dem dazu gehörenden Datum in die Eingabemaske eingetragen. Nach Eingabe von optimalerweise drei bis fünf Werten erfolgt die Angabe der PSA-Verdopplungszeit in Monaten und Jahren sowie die Angabe der PSA-Anstiegsgeschwindigkeit (Velocity), die mit ng/ml/Monat oder Jahr definiert ist. Der Befund kann dann ausgedruckt werden, um ihn zusammen mit dem Patienten für die Festlegung der nächsten therapeutischen Schritte zu nutzen. Da die Androgenrezeptor-Antagonisten innerhalb der jeweiligen Studien erst ab einem PSA-Cut-off-Wert von 2,0 ng/ml gegeben wurden, sollte mit der Berechnung der PSA-DT begonnen werden, wenn die PSA-Konzentrationen über 1 ng/ml liegen. Die Dokumentation der PSA-DT ist auch sinnvoll, um bei Regressforderungen die korrekte Indikationsstellung und das hohe Krankheitsrisiko belegen zu können. Die Entwicklung ihres PSA-Wertes wird von den Patienten sehr aufmerksam verfolgt. Bei vielen Patienten mit einem nur leicht erhöhten PSA-Wert kann mit einer unauffälligen PSA-DT von deutlich über zehn Monaten der Krankheitsstress abgebaut werden. Die therapeutischen Konsequenzen aus einer kurzen PSA-Verdopplungszeit sollten immer unter Berücksichtigung des Patientenalters, der Komorbiditäten und der tatsächlichen Lebenserwartung ausgewählt und mit den Patienten besprochen werden. Bei etwa 46 % der Hochrisikopatienten sind nach zwei Jahren Metastasen nachweisbar, etwa 20 % sind nach Ablauf dieses Zeitraumes bereits verstorben. Bei hochbetagten Patienten kann deshalb auch nur die Fortführung einer ADT eine durchaus relevante Alternative sein.
nmCRPC: Klassische Bildgebung versus PSMA-PET
Welche Bildgebung sollte der Hochrisikopatient in der kastrationsresistenten Situa tion erhalten? Die klassische Bildgebung zur Diagnose des nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms besteht aus einem CT von Thorax, Abdomen und Becken sowie einer Knochenszintigrafie zum Ausschluss von Knochenmetastasen. Der Patient gilt dann als nicht metastasiert, wenn mit der klassischen Bildgebung keine Organ- oder Knochenmetastasen nachweisbar sind und wenn nur limitierte Lymphknotenmetastasen im Becken vorliegen. Im TNM-System bedeutet das Stadium N1, dass Lymphknotenmetastasen im Bereich des Beckens vorhanden sind. Im Stadium M1 sind Organe, Knochen oder Lymphknoten außerhalb des Beckens befallen. Um den Lymphknotenbefall im Rahmen der CTR-Befundung einzuordnen, dient die Aortenbifurkation zur Orientierung. Alle Lymphknotenmetastasen, die unterhalb der Aortenbifurkation sind, gelten als N1 und somit als nicht metastasiert, sondern nur nodal positiv. Alle oberhalb der Aortenbifurkation lokalisierten Metastasen gelten als M1a, also metastasiert. Mit dem PSMA-PET-CT, einer kombinierten Untersuchung aus Positronenemissionstomografie mit einem Marker für das prostataspezifische Membranantigen und einer Computertomografie, können auch kleinere Knochen- und Organmetastasen entdeckt werden, die bei der klassischen Bildgebung nicht auffallen. Eine retrospektive Analyse bei 200 Patienten, die die SPARTAN-Kriterien erfüllt haben, also unter einer laufenden ADT eine niedrige PSA-Verdopplungszeit aufwiesen und über die klassische Bildgebung als nicht metastasiert galten, wertete die Ergebnisse der bei den Patienten zusätzlich durchgeführten PSMA-PET-CT aus: Nur 2 % dieser Patienten hatten keinen Tumornachweis. Bei 98 % der Patienten konnten entweder im Bereich der Prostata, wenn noch vorhanden, oder in anderen Organsystemen lokale oder Fernmetastasen festgestellt werden. 24 % der Patienten hatten lediglich ein lokales Problem in der Prostata, aber keine Lymphknoten- oder Organmetastasen, und insgesamt wurde bei 55 % der Patienten ein Tumor nachgewiesen, der außerhalb des lokalen Gebietes war, also Knochen- oder Organmetastasen. Bei fast allen Patienten mit einem in der klassischen Bildgebung nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (nmCRPC) kann demnach mittels PSMA-PET-CT Tumorgewebe und bei über der Hälfte der Patienten Fernmetastasen nachgewiesen werden. Gemäß den aktuellen Leitlinien ist der Einsatz eines PSMA-PET-CT eine Kannoption nur zur Ausbreitungsdiagnostik bei Patienten mit einem neu diagnostizierten High-Risk-Prostatakarzinom mit einem Gleason-Score von 8 bis 10 oder der T-Kategorie cT3/cT4 oder einem PSA ≥20 ng/ml in der hormonsensitiven Situation nach einer Prostatektomie. Sobald mit einer ADT gestartet wurde, soll die Entscheidung über die Bildgebung zur Verlaufskontrolle in Abhängigkeit von Symptomatik und möglichen therapeutischen Konsequenzen erfolgen. Bei fehlender Symptomatik ist eine Bildgebung nicht zwingend erforderlich. Im Stadium der symptomfreien Kastrationsresistenz hätte die erfolgreiche Metastasensuche mittels PSMA-PET-CT zur Folge, dass eine evidenzbasiert lebensverlängernde Behandlung mit dem Androgenrezeptor-Antagonisten Darolutamid nicht mehr in Betracht gezogen werden würde. Die Bildgebung mittels PSMA-PET-CT würde in dieser Situation das therapeutische Spektrum also eher einschränken. Wenn das PSMA-PET-CT bei einem asymptomatischen jüngeren und aktiven Patienten mit einer singulären Metastase oder mit nmCRPC mit der Zielsetzung einer metastasengerichteten Therapie durchgeführt werden soll, ist zu bedenken, dass es für diese Therapie bislang keine Evidenz für eine lebensverlängernde Wirksamkeit gibt. Allerdings gibt es auch bei Patienten mit einem nmCRPC Situationen, in denen ein PSMA-PET-CT sinnvoll sein kann, wie zum Beispiel bei klinisch symptomatischen Patienten mit Knochenschmerzen ohne Metastasennachweis in der klassischen Bildgebung. Für eine Strahlentherapie ist die Lokalisation der Metastase erforderlich.
nmCRPC: Diagnosekriterien und Anforderungen an die Therapie aus Patientensicht
Die Diagnose eines nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms steht mit folgenden Kriterien:
- PSA-Anstieg unter laufender ADT oder nach bilateraler Orchiektomie in drei aufeinanderfolgenden Analysen in mindestens einwöchigem Abstand mit einem Testosteronspiegel <50 ng/dl
- PSA-Wert >2 ng/dl
- PSA-DT <10 Monate
- Keine Organ- und Knochenmetastasen (M0) und limitierter Lymphknotenbefall in den Beckenlymphknoten (N1) in der konventionellen Bildgebung gemäß Fachinformation und S3-Leitlinie
Aus Sicht der Patienten, die im Stadium der Kastrationsresistenz mit Ausnahme der Nebenwirkungen einer ADT in den meisten Fällen keine Symptome und eine gute Lebensqualität haben, sind folgende Anforderungen an die weitere Therapie relevant:
- PSA-Kontrolle
- Verlängerung des Überlebens
- Vermeidung von Metastasenbildung und Schmerz
- Möglichst keine weiteren Nebenwirkungen
- Erhalt der Lebensqualität
Für die Bewertung der Ergebnisse aus den Zulassungsstudien für die neuen Androgenrezeptor-Antagonisten haben diese Kriterien deshalb eine große Bedeutung.
Neue Androgenrezeptor-Antagonisten - Pharmakologie
Alle drei Androgenrezeptor-Antagonisten haben den gleichen Wirkmechanismus. Darolutamid unterscheidet sich allerdings molekular von Apalutamid und Enzalutamid durch eine polare Gruppe und einen flexiblen Linker. Diese strukturellen Besonderheiten sind der Grund dafür, dass Darolutamid die Blut-Hirn-Schranke schlechter durchdringen kann. Hinweise auf die klinische Relevanz dieser Besonderheit ergeben sich aus präklinischen Untersuchungen, aus Studien an Probanden und der Inzidenz von zentralnervösen unerwünschten Wirkungen in klinischen Studien. In präklinischen Untersuchungen an Mäusen wurde zunächst gezeigt, dass Darolutamid sich im Vergleich zu Apalutamid und Enzalutamid im Gehirn deutlich weniger anreichert. Neuroimaging-Daten aus einer prospektiven Phase-I-Studie mit gesunden Probanden passen sehr gut zu den mit präklinischen Modellen gewonnenen Daten. Enzalutamid führte im für die Kognition relevanten temporo-occipitalen Cortex im Vergleich zu Placebo oder Darolutamid zu einer signifikanten Reduktion des Blutflusses um 5,2 % bzw. 5,9 %]. Die Reduktion des Blutflusses kann zu Veränderungen der Hirnaktivität führen. Es handelt sich zwar um eine kleine Studie mit n = 26 gesunden Probanden, was sicher bei der Interpretation der Daten zu berücksichtigen ist, dennoch untermauert das Ergebnis nicht nur die präklinischen Befunde, sondern erklärt auch dokumentierte Unterschiede bei der Inzidenz von zentralnervös bedingten unerwünschten Wirkungen in den Zulassungsstudien. Auf eine Kommentierung dieser Unterschiede wurde in der deutschen S3-Leitlinie zur medikamentösen Therapie des nmCRPC vom Mai 2021 verzichtet, weil zu diesem Zeitpunkt keine Daten aus direkten Vergleichsstudien vorlagen. Generell gilt jedoch, dass bei der Therapieentscheidung für einen Androgenrezeptor-Antagonisten auch potenzielle unerwünschte Wirkungen und die Lebensqualität zu berücksichtigen sind.
Neue Androgenrezeptor-Antagonisten – Pharmakologie
Alle drei Androgenrezeptor-Antagonisten haben den gleichen Wirkmechanismus. Darolutamid unterscheidet sich allerdings molekular von Apalutamid und Enzalutamid durch eine polare Gruppe und einen flexiblen Linker. Diese strukturellen Besonderheiten sind der Grund dafür, dass Darolutamid die Blut-Hirn-Schranke schlechter durchdringen kann. Hinweise auf die klinische Relevanz dieser Besonderheit ergeben sich aus präklinischen Untersuchungen, aus Studien an Probanden und der Inzidenz von zentralnervösen unerwünschten Wirkungen in klinischen Studien. In präklinischen Untersuchungen an Mäusen wurde zunächst gezeigt, dass Darolutamid sich im Vergleich zu Apalutamid und Enzalutamid im Gehirn deutlich weniger anreichert. Neuroimaging-Daten aus einer prospektiven Phase-I-Studie mit gesunden Probanden passen sehr gut zu den mit präklinischen Modellen gewonnenen Daten. Enzalutamid führte im für die Kognition relevanten temporo-occipitalen Cortex im Vergleich zu Placebo oder Darolutamid zu einer signifikanten Reduktion des Blutflusses um 5,2 % bzw. 5,9 %. Die Reduktion des Blutflusses kann zu Veränderungen der Hirnaktivität führen. Es handelt sich zwar um eine kleine Studie mit n = 26 gesunden Probanden, was sicher bei der Interpretation der Daten zu berücksichtigen ist, dennoch untermauert das Ergebnis nicht nur die präklinischen Befunde, sondern erklärt auch dokumentierte Unterschiede bei der Inzidenz von zentralnervös bedingten unerwünschten Wirkungen in den Zulassungsstudien. Auf eine Kommentierung dieser Unterschiede wurde in der deutschen S3-Leitlinie zur medikamentösen Therapie des nmCRPC vom Mai 2021 verzichtet, weil zu diesem Zeitpunkt keine Daten aus direkten Vergleichsstudien vorlagen. Generell gilt jedoch, dass bei der Therapieentscheidung für einen Androgenrezeptor-Antagonisten auch potenzielle unerwünschte Wirkungen und die Lebensqualität zu berücksichtigen sind.
Neue Androgenrezeptor-Antagonisten – Wirksamkeit
Die Wirksamkeit der neuen Androgenrezeptor-Antagonisten wurde immer zusätzlich zu einer Androgendeprivationstherapie in drei großen placebokontrollierten Studien bei Patienten mit einem nmCRPC untersucht: Enzalutamid in der PROSPER-Studie, Apalutamid in der SPARTAN-Studie und Darolutamid in der ARAMIS-Studie. In allen drei Studien waren die Patientenzahlen vergleichbar hoch; es wurde im Verhältnis 2 : 1 randomisiert, die PSA-Verdopplungszeit war <10 Monate, und die Metastasenfreiheit wurde mit der konventionellen Bildgebung bestätigt. Als primärer Endpunkt war das metastasenfreie Überleben (MFS) festgelegt. Die sekundären Endpunkte waren das Gesamtüberleben, die Sicherheit und andere klassische Endpunkte in diesem Kontext wie die Zeit bis zur PSA-Progression, das PSA-Ansprechen, die Zeit bis zur nächsten Tumortherapie oder die Zeit bis zur nächsten Chemotherapie. Eine vergleichende Betrachtung der Ergebnisse zum primären Endpunkt zeigt, dass alle drei neuen Androgenrezeptor-Antagonisten gut wirksam sind und die metastasenfreie Zeit gegenüber einer Behandlung mit Placebo plus ADT durchschnittlich um etwa zwei Jahre verlängern. Das metastasenfreie Überleben ist dabei offensichtlich ein Surrogatparameter für weitere klinisch wichtige Endpunkte – und zwar der Zeit bis zur Schmerzprogression und der Zeit bis zum Einsetzen der Chemotherapie, was dem Patienten gut vermittelt werden kann. Auch beim Gesamtüberleben als sekundärem Endpunkt konnte mit allen drei Substanzen eine signifikante Verlängerung gegenüber Placebo dokumentiert werden. Die bereits erwähnte Post-hoc-Auswertung der 200 „SPARTAN-like”-Patienten, bei denen zusätzlich zur klassischen Bildgebung ein PSMA-PET-CT durchgeführt wurde, hat ergeben, dass in 55 % der Fälle Mikro- bzw. Fernmetastasen vorlagen. Die Diagnose nmCRPC wäre hier also nicht korrekt. Diese Patienten hatten aber die Einschlusskriterien der Studie erfüllt und hätten demnach von Apalutamid, Enzalutamid oder Darolutamid genauso profitiert wie die 45 % der Patienten, die zu Studienbeginn tatsächlich keine Metastasen hatten. Der Androgenrezeptor-Antagonist wirkte also unabhängig davon, ob Mikrometastasen in Organen oder Knochen vorlagen oder nicht.
Neue Androgenrezeptor-Antagonisten – Verträglichkeit und Interaktionen
Eine vergleichende Gegenüberstellung der Studienergebnisse zur Verträglichkeit der drei Androgenrezeptor-Antagonisten zeigt insgesamt ein moderates Nebenwirkungsprofil. Die vergleichende Darstellung der unerwünschten Wirkungen, die die Patienten besonders beeinträchtigen, basiert jedoch nicht aus direkten Vergleichsstudien, sondern die Daten stammen aus placebokontrollierten Einzelstudien mit ähnlichen Einschlusskriterien. Alle drei Substanzen sind im Vergleich zu Placebo gut verträglich; Darolutamid zeigt aber insbesondere bei den zentralnervösen Nebenwirkungen, zu denen auch Stürze und daraus resultierende Frakturen gehören, Inzidenzen auf Placeboniveau. Auch die Auswertung des zeitlichen Verlaufes schwerwiegender unerwünschter Ereignisse bestätigt das Sicherheitsprofil von Darolutamid, das eine niedrige Inzidenz und eine ähnliche Anfangs- und kumulative Inzidenz im Vergleich zu Placebo aufweist. Eine Erklärung für das seltenere Auftreten von zentralnervösen Nebenwirkungen könnte die geringere Penetration der Blut-Hirn-Schranke durch Darolutamid sein. Patienten mit einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom sind häufig in einer höheren Lebensdekade und haben deshalb häufig Komorbiditäten mit entsprechender Begleitmedikation. Die Patienten erhalten als Basismedikation eine Androgendeprivationstherapie, die sich auf einen Diabetes mellitus auswirkt, auf den Cholesterinhaushalt, auf die Muskelmasse und auch auf zerebrale kognitive Prozesse. Jedes zusätzliche Medikament kann noch einmal mit einem Plus an Nebenwirkungen verbunden sein, was die Lebensqualität weiter beeinträchtigt. Die neue S3-Leitlinie empfiehlt deshalb zurecht, dass bei der Indikationsstellung für Androgenrezeptor-Antagonisten potenzielle unerwünschte Wirkungen und die Lebensqualität berücksichtigt werden sollten. Bei Patienten, die aufgrund von Komorbiditäten regelmäßig mehrere Medikamente einnehmen müssen, können unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch Interaktionen verursacht werden. Wenn Substanz A als Induktor die Metabolisierung einer anderen Substanz B in der Leber beschleunigt, hat das zur Folge, dass Substanz B weniger und/oder kürzer wirksam ist. Wenn Substanz A als Inhibitor die Metabolisierung von Substanz B verzögert, dann hat das eine verstärkte und/oder verlängerte Wirkung von Substanz B zur Folge. Die drei Androgenrezeptor-Antagonisten haben ein unterschiedliches Interaktionsprofil. So sollten beispielsweise Patienten, die mit Apixaban antikoaguliert sind, nicht gleichzeitig mit Apalutamid oder Enzalutamid behandelt werden. Darolutamid kann bei diesen Patienten unter Einhaltung der entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt werden. Das Gleiche gilt für Hypertoniepatienten, die Amlodipin erhalten. Eine Hilfe bietet hier der bundeseinheitliche Medikamentenplan, der vom Hausarzt ausgestellt wird und auf den jeder Patient ein Anrecht hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seinen Beschlüssen vom Oktober und November 2020 den Zusatznutzen der neuen Androgenrezeptor-Antagonisten in der Indikation Hochrisiko-nmCRPC bewertet und allen Substanzen einen Zusatznutzen bescheinigt. Der von Darolutamid wurde als beträchtlich eingestuft.
Patientenfall – Teil 2
Nach der Einstellung auf Darolutamid im Mai 2020 mit einer Dosierung von zweimal täglich 600 mg unter Beibehaltung der ADT waren die PSA-Werte rückläufig:
- 04/2020 4 ng/ml
- 06/2020 0,4 ng/ml
- 07/2020 0,07 ng/ml
- 10/2020 <0,001 ng/ml
- 08/2021 <0,001 ng/ml
Der Patient verträgt die Therapie gut und stellt sich regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen vor.
Erhalt der Lebensqualität als wichtiges Therapieziel
Wenn Patienten im Rahmen einer klinischen Studie die Behandlung abbrechen, sind sehr oft Fälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen der Auslöser, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die Abbruchrate aufgrund von unerwünschten Ereignissen ist damit ein direktes Maß für die Verträglichkeit des jeweiligen Wirkstoffes. Die vergleichende Darstellung der Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in den Zulassungsstudien der drei Androgenrezeptor-Antagonisten zeigt, dass die Unterschiede bei den Abbruchraten zwischen Placebo und Verum bei Darolutamid sowohl in der primären als auch in der finalen Analyse mit jeweils 0,2 % sehr gering sind. Das spricht für eine sehr gute Verträglichkeit der Substanz und ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die Lebensqualität der Patienten zu erhalten. In der ARAMIS-Studie wurde die Lebensqualität der Patienten mit verschiedenen validierten Fragebögen untersucht. Die Lebensqualität wird durch Darolutamid nicht verschlechtert, im Gegenteil: In zwei Behandlungsgruppen (Darm- und Harnwegssymptome) haben sich die entsprechenden Scores unter Darolutamid im Vergleich zu Placebo sogar signifikant verbessert. Bei den gastrointestinalen Symptomen wurden unter anderem Blut im Stuhl oder auch der Einfluss von gastrointestinalen Symptomen auf die tägliche Aktivität abgefragt. Bei den harntraktassoziierten Symptomen handelt es sich vor allem um die Miktionsfrequenz, um die Drangsymptomatik sowie um deren Einfluss auf die tägliche Aktivität.
Neue Daten zur Patientenpräferenz und kognitiven Funktion
Bei der ODENZA-Studie handelt es sich um eine randomisierte Phase-II-Studie zur Untersuchung der Patientenpräferenzen zwischen Darolutamid und Enzalutamid bei insgesamt 250 Patienten mit einem asymptomatischen oder leicht symptomatischen metastasierten CRPC (frühes mCRPC). Darolutamid ist für diese Indikation nicht zugelassen. Die Patienten durften weder mit einem Androgenrezeptor- Antagonisten noch mit einem Taxan oder Radium-233 vorbehandelt sein. Die Randomisierung erfolgte für den ersten Behandlungszeitraum von zwölf Wochen im Verhältnis 1 : 1 entweder in die Gruppe mit zweimal täglich 600 mg Darolutamid plus ADT oder einmal täglich 160 mg Enzalutamid plus ADT. Vor dem zweiten zwölfwöchigen Behandlungszeitraum wurde die Behandlung ohne Auswaschphase gewechselt. Das Cross-over-Design dieser ersten direkten Head-to-Head-Vergleichsstudie erlaubt valide Aussagen zu Unterschieden bei der Patientenpräferenz zwischen Darolutamid und Enzalutamid. Als sekundäre Endpunkte wurden unter anderem die Gründe für die Patientenpräferenzen und die kognitive Funktion nach den Behandlungszeiträumen 1 und 2 mittels Cognitive assessment using computerized cognitive tests (COGSTATE) festgelegt. Die Baseline-Charakteristika der Patienten in beiden Behandlungsgruppen waren unabhängig von der Behandlungsreihenfolge ausgeglichen. Fatigue war der wichtigste Einflussfaktor für die Präferenz von Darolutamid und das am häufigsten berichtete unerwünschte Ereignis in Woche 12 mit 21 % für Darolutamid und 36 % für Enzalutamid. Alle Faktoren, die die Patientenpräferenz beeinflussten, sprachen für Darolutamid, auch wenn die Unterschiede nicht signifikant waren. Die Analysen zum sekundären Endpunkt der kognitiven Funktion ergaben allerdings einen signifikant und klinisch relevant besseren Gesamtscore für die Gedächtnisleistung zugunsten von Darolutamid, basierend auf kognitiven Tests für verbales Lernen.
Fazit
- Eine PSA-Verdopplungszeit von <10 Monaten ist bei nmCRPC-Patienten mit einem hohen Metastasierungsrisiko assoziiert und sollte ab einem PSA-Wert von 1 ng/ml in regelmäßigen Abständen bestimmt werden. Ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl der Bildgebung bei Patienten mit erneut ansteigenden PSA-Werten unter einer ADT-Monotherapie ist die therapeutische Konsequenz.
- Alle drei Androgenrezeptor-Antagonisten zeigen eine gute Wirksamkeit und verlängern bei High-Risk-nmCRPC-Patienten das metastasenfreie Überleben und das Gesamtüberleben.
- Darolutamid ist ein sehr gut verträglicher Androgenrezeptor-Antagonist und hat ein günstiges Wechselwirkungsprofil
- Eine direkte Head-to-Head-Vergleichsstudie hat Vorteile für Darolutamid gegenüber Enzalutamid bei Patientenpräferenzen und der kognitiven Funktion beim mCRPC im asymptomatisch bzw. mild symptomatischen Stadium dokumentiert.
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