Diagnostik und Therapie des CKD-assoziierten Pruritus

„Chronic kidney disease“-assoziierter Pruritus (CKD-aP), auch bekannt als urämischer oder nephrogener Pruritus, beschreibt einen häufigen, oft unterschätzten Juckreiz, der bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz auftritt. CKD-aP ist mit einer verminderten Lebensqualität und einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. Obwohl 58 % der Hämodialysepatienten in Deutschland unter CKD-aP leiden, wird das Problem viel zu selten erkannt und adäquat behandelt.

Bei der Entstehung des CKD-aP spielt ein Ungleichgewicht peripherer µ- und κ-Opioidrezeptoren (MOR bzw. KOR) eine wichtige Rolle. Folglich lässt sich eine Linderung des Pruritus über MOR-Antagonisten bzw. KOR-Agonisten erreichen. Mittlerweile wurde der erste KOR-Agonist zur Behandlung des CKD-aP hierzulande zugelassen.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124060920013
Zeitraum 01.06.2024 - 31.05.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Univ.-Prof. Dr. med. Danilo Fliser
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout, Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Vifor Pharma Deutschland GmbH
Bewertung 4.2 (287)

Einleitung

Viele Patienten mit einer terminalen Niereninsuffizienz leiden unter starkem Juckreiz. Dieser wird aufgrund des direkten Zusammenhanges mit der chronischen Nierenerkrankung („chronic kidney disease”, CKD) als CKD-assoziierter Pruritus (CKD-aP) bezeichnet, auch bekannt als urämischer oder nephrogener Pruritus. Das klinische Erscheinungsbild von Pruritus bei Patienten mit CKD ist individuell sehr unterschiedlich. Auch können Intensität und Lokalisation im Laufe der Zeit erheblich variieren. Die Intensität reicht von sporadischem Unbehagen bis zu völliger Unruhe während des Tages und der Nacht. In der Regel treten die Symptome über Monate bis Jahre auf. Definitionsgemäß liegt bei Juckreiz, der länger als sechs Wochen anhält, ein chronischer Pruritus vor.

Juckreiz in verschiedenen Ausprägungen

Im Gegensatz zum dermatologischen Pruritus werden bei Patienten mit CKD-aP keine primären Hautläsionen beobachtet; die Haut ist lediglich sehr trocken. Da die Betroffenen versuchen, sich durch Kratzen und Reiben, u. a. durch den Einsatz von Hilfsmitteln, Linderung zu verschaffen, entstehen sekundäre Hautveränderungen, wie Exkoriationen mit und ohne Impetigo, Krusten, Papeln, Ulzerationen und seltener auch eine Prurigo nodularis. Bis zu 50 % der Patienten mit CKD-aP berichten über generalisierten Pruritus. Häufige Lokalisationen sind außerdem Rücken, Gesicht und Unterarme. Zu den verschlimmernden Faktoren für den Pruritus gehören u. a. Hitze und Kälte, Duschen, Stress und körperliche Aktivität. Der Juckreiz kann auch im Zusammenhang mit der Dialyse auftreten, und zwar jederzeit, d. h. vor, während oder nach der Dialyse.

CKD-aP ist häufiger als angenommen

Von über 23.000 befragten Hämodialyse-(HD-)Patienten gaben 67 % an, unter Juckreiz zu leiden; 37 % fühlten sich dadurch mäßig bis schwer beeinträchtigt. So das Ergebnis der prospektiven Kohortenstudie Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS), die seit 1996 weltweit den Zusammenhang zwischen Hämodialyse und Behandlungsergebnissen bei erwachsenen Patienten untersucht. Von den befragten HD-Patienten in Deutschland berichteten 58 % über Juckreiz, für 27 % war der Pruritus mäßig bis schwer belastend. Dabei wird die Häufigkeit von CKD-aP von den meisten ärztlichen Leitern der Dialyseeinrichtungen unterschätzt – möglicherweise weil von Juckreiz Betroffene nicht über ihre Symptome sprechen. 17 % der DOPPS-Teilnehmer, die über ständigen Juckreiz klagten, berichteten davon nicht an medizinisches Fachpersonal. Manche Patienten brachten den Juckreiz nicht in Zusammenhang mit ihrer Nierenerkrankung; andere hatten sich damit abgefunden, mit dem Juckreiz leben zu müssen. Es gab aber auch Patienten, die beklagten, dass das medizinische Fachpersonal sich nicht um CKD-aP kümmere und/oder nicht darüber Bescheid wisse

CKD-aP verringert die Lebensqualität

Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz leiden bereits aufgrund ihrer Grunderkrankung unter einer eingeschränkten Lebensqualität. Die CKD-aP verschlimmert diese Belastung erheblich, da der zunehmende Juckreiz sowohl physisch als auch psychisch zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensqualität führt. Diese Verschlechterung kann sich in Problemen im sozialen und beruflichen Umfeld, in Schlafstörungen, Unruhe, Stimmungsschwankungen und Depressionen äußern. Zudem ist eine schlechte Schlafqualität mit einer erhöhten Mortalität und einer verminderten Lebensqualität bei Patienten mit CKD-aP assoziiert. Der hohe Leidensdruck der Patienten kann dazu führen, dass sie die Dialysebehandlung weniger konsequent durchführen und Dialysetermine auslassen. Dies wiederum kann zu längeren Dialyseabständen, einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes, einem erhöhten Komplikationsrisiko und vermehrten Krankenhausaufenthalten führen. Letztere erfolgten vor allem aufgrund von schweren Hautinfektionen, kardiovaskulären Ursachen sowie aufgrund Bakteriämie oder Sepsis im Zusammenhang mit dem HD-Katheter.

Das Sterberisiko ist bei CKD-aP erhöht

In mehreren Studien wurde über ein erhöhtes Mortalitätsrisiko bei HD-Patienten mit CKD-aP im Vergleich zu HD-Patienten ohne Pruritus berichtet. Der Zusammenhang zwischen CKD-aP und Mortalität wurde auch in der DOPPS-Studie gezeigt, in der Patienten, die extrem unter Juckreiz litten, ein um 59 % höheres Risiko hatten, innerhalb des 18-monatigen Nachbeobachtungszeitraumes zu sterben, als Patienten, die nicht unter Pruritus litten. Das Risiko an kardiovaskulären Ereignissen oder an einer Infektion zu sterben, war bei denen, die sich extrem stark durch den Juckreiz beeinträchtigt fühlten, um 29 % bzw. um 44 % erhöht. Diese Ergebnisse unterstreichen die enorme Bedeutung einer angemessenen Behandlung der CKD-aP.

Screening auf CKD-aP empfohlen

Da HD-Patienten oft nicht mit dem Dialyseteam über ihre Juckreizprobleme sprechen, wird eine proaktive Abfrage in regelmäßigen Abständen (z. B. alle drei Monate) vorgeschlagen. So empfiehlt auch die Österreichische Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN) bei allen Dialysepatienten ein Basis-Screening auf CKD-aP in der ersten Hälfte der Dialysesitzung, das möglichst alle drei Monate wiederholt werden sollte. Dabei werden die Patienten gefragt, ob sie in den letzten Wochen unter Juckreiz gelitten haben. Zusätzlich beinhaltet das Screening die Erfassung des Schweregrades mittels einer validierten Bewertungsskala, der „Worst Itch Numeric Rating Scale” (WI-NRS). Die WI-NR-Skala eignet sich auch zur Kontrolle und Dokumentation des Behandlungserfolges. Gibt der Patient an, in den letzten 24 Stunden Juckreiz verspürt zu haben (WI-NRS ≥1), sollte ein Arzt hinzugezogen werden, um die Diagnose zu bestätigen oder gegebenenfalls eine Differenzialdiagnose zu stellen. Hilfreich sind auch Pruritustagebücher, in denen die Patienten ihre Beschwerden täglich eintragen können. Die Juckreiztagebücher gibt es z. B. unter www.sagwennsjuckt.de zum Ausdrucken oder in digitaler Form in der MIZU-App für Dialysepatienten.

WI-NRS und Nieren-App mit Leitlinienempfehlungen

Eine Vorlage der WI-NRS in fünf Sprachen findet sich in den ÖGN-Leitlinien. Die Leitlinienempfehlungen für einen Diagnose- und Behandlungspfad für CKD-assoziierten Pruritus werden u. a. auch in der Nieren-App kostenlos zur Verfügung gestellt. Die App kann einfach auf jedem Smartphone oder Tablet installiert werden. Darüber hinaus steht die WI-NRS in insgesamt zehn Sprachen zum Download zur Verfügung.

Im Ausschlussverfahren zur CKD-aP-Diagnose

Patienten mit fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz leiden oft an anderen Erkrankungen wie Diabetes, kardiovaskulären, hämatologischen, hepatobiliären, endokrinologischen, neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen, die selbst oder durch ihre Medikation Pruritus auslösen können. Daher müssen diese systemischen Ursachen sowie dermatologische, neuropathische und psychogene Ursachen zunächst ausgeschlossen werden. Die Kontrolle der Leber-, Schilddrüsen- und Elektrolytwerte sowie ein kleines Blutbild können zum Ausschluss anderer internistischer Ursachen des Pruritus beitragen. Ist eine eindeutige Diagnosestellung dennoch nicht möglich, können ein Dermatologe sowie weitere Fachdisziplinen zur differenzialdiagnostischen Abklärung hinzugezogen werden. Falls die Ausschlussdiagnose CKD-aP gestellt wurde, ist diese mit dem ICD-10-Code L29.8 (Sonstiger Pruritus) oder L29.9 (Pruritus, nicht näher bezeichnet) in Kombination mit einem CKD- oder Dialyse-Code zu verschlüsseln. Ein CKD-aP-spezifischer Diagnoseschlüssel existiert in der aktuellen Fassung des ICD-10 nicht.

Was verursacht den Juckreiz?

Die Pathophysiologie des CKD-aP ist nach wie vor unklar und multifaktoriell. Die folgenden vier Haupthypothesen zur Pathogenese der CKD-aP werden diskutiert:
  • Toxinablagerung: Möglicherweise lagern sich Vitamin A, Aluminium, Calcium, Magnesium und Phosphat in der Haut ab und führen zu Mikroverkalkungen, die den Juckreiz auslösen. Diese Theorie stützt sich unter anderem auf eine Verbesserung der CKD-aP-Prävalenzraten im Laufe der Zeit, die vermutlich mit Verbesserungen der Dialyseeffizienz zusammenhängt.
  • Dysregulation des Immunsystems: Es wird vermutet, dass eine dysregulierte systemische Inflammation die Ursache des CKD-aP sein kann. Die Theorie stützt sich unter anderem auf die Beobachtung erhöhter Spiegel des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Entzündungsmediators Interleukin-6 bei Patienten mit CKD-aP.
  • Periphere Neuropathie: Man nimmt an, dass eine Dysfunktion des peripheren Nervensystems zu CKD-aP führen kann. Der Hypothese liegen unter anderem bei Dialysepatienten beobachtete Veränderungen der Erregungsübertragung bei peripheren Hautnerven zugrunde sowie Assoziationen von CKD-aP mit Parästhesien und dem Restless-Legs-Syndrom.
  • Opioidrezeptor-Ungleichgewicht: Das körpereigene Opioidsystem besteht u. a. aus dem μ-Opioidrezeptor (MOR, ein Rezeptor für Endorphine) und dem κ-Opioidrezeptor (KOR, ein Rezeptor für Dynorphine). Dynorphine fungieren als endogene KOR-Agonisten, die den Juckreiz hemmen, während MOR-Agonisten den Juckreiz verstärken. In der Haut von HD-Patienten mit Juckreiz wurde eine signifikante Abnahme der KOR-Expression nachgewiesen, während die MOR-Expression unverändert war. Daher wurde die Hypothese aufgestellt, dass ein Ungleichgewicht der Aktivitäten von MOR bzw. KOR an der Pathogenese des CKD-aP beteiligt ist. Folglich stellen sog. KOR-Agonisten bzw. MOR-Antagonisten (potenzielle) Therapieoptionen dar.
Derzeit verfügbare und in der Entwicklung befindliche Therapien zielen mit einem oder mehreren dieser vier Ansätze auf CKD-aP ab.

Leitliniengerechte Behandlung von Patienten mit CKD-aP

Die Behandlung des leichten CKD-aP (WI-NRS <4) besteht ausschließlich aus den folgenden allgemeinen Maßnahmen, während die des mäßigen bis schweren CKD-aP zusätzlich eine Pruritus-spezifische Therapie beinhaltet:

Leitliniengerechte Behandlung von Patienten mit CKD-aP

Die Behandlung des leichten CKD-aP (WI-NRS <4) besteht ausschließlich aus den folgenden allgemeinen Maßnahmen, während die des mäßigen bis schweren CKD-aP zusätzlich eine Pruritus-spezifische Therapie beinhaltet:
  • 1. Allgemeine Maßnahmen
  • Optimierung der Dialysebedingungen: Bei HD-Patienten mit CKD-aP sollte als erster Schritt immer die Dialyse optimiert werden, um urämische Toxine zu entfernen. Grundsätzlich sollten die Basisparameter der CKD-„mineral bone disorder” (CKD-MBD) – Parathormon (PTH), Calcium (Ca) und Phosphat (P) – kontrolliert werden. Eine Assoziation zwischen dem Schweregrad des CKD-aP und den CKD-MBD-Parametern ist jedoch nicht gesichert.
  • Symptomatische Therapien: Eine Basistherapie aus rückfettenden und feuchtigkeitsspendenden Cremes, Salben oder Hautölen wird mit starkem Konsens durch die deutsche S2k-Leitlinie empfohlen und sollte bei allen CKD-aP-Patienten die Grundlage für eine therapeutische Intervention bilden. Generell wird empfohlen, Emollienzien mit hohem Wassergehalt zu wählen, um den Juckreiz zu reduzieren. Bei lokalisiertem Pruritus können auch topische Analgetika wie Capsaicin und Pramoxin den Juckreiz bei CKD lindern. Beide Wirkstoffe blockieren die Weiterleitung von Nervenimpulsen durch die Haut, was zu einer verminderten Sensibilität und einem Taubheitsgefühl führt. Die topische Anwendung von Pimecrolimus kann eine (Off-Label-)Alternative darstellen.

Keine Empfehlung für Steroide und Antihistaminika

Nach einer Umfrage unter Nephrologen in Deutschland setzen 62 % der Befragten häufig oder gelegentlich topische Steroide zur Behandlung von CDK-aP ein. Es gibt jedoch wenig bis keine Evidenz für den Einsatz von topischen Steroiden zur Juckreizreduktion bei diesen Patienten, obwohl eine Dysregulation des Immunsystems als Teil der Pathophysiologie des CKD-aP diskutiert wird. Sofern keine komorbide entzündliche Dermatose mit sichtbaren Hautläsionen diagnostiziert wird, sollte die Anwendung topischer Steroide vermieden werden. Obwohl orale Antihistaminika die am häufigsten verordnete Therapie gegen Pruritus sind, haben sie in Studien bei der CKD-aP-Population widersprüchliche Ergebnisse gezeigt oder sich als unwirksam erwiesen. Darüber hinaus sind Antihistaminika bei Patienten mit Niereninsuffizienz in der Regel kontraindiziert.
  • 2. Systemische Therapien
  • Difelikefalin: Difelikefalin ist ein peripher wirkender κ-Opioidrezeptor-(KOR-)Agonist. Die aktuellen Leitlinien empfehlen Difelikefalin als Mittel der ersten Wahl für die Behandlung von mäßigem bis schwerem CKD-aP bei erwachsenen HD-Patienten. Difelikefalin ist in den USA seit August 2021 und in der EU seit April 2022 für die Behandlung von mäßigem bis schwerem Pruritus im Zusammenhang mit einer chronischen Nierenerkrankung bei erwachsenen HD-Patienten zugelassen. Difelikefalin ist das erste und derzeit einzige in den USA und der EU zugelassene Medikament zur Behandlung von CKD-aP. Difelikefalin ist in den USA seit August 2021 und in der EU seit April 2022 für die Behandlung von mäßigem bis schwerem Pruritus im Zusammenhang mit einer chronischen Nierenerkrankung bei erwachsenen HD-Patienten zugelassen. Difelikefalin ist das erste und derzeit einzige in den USA und der EU zugelassene Medikament zur Behandlung von CKD-aP.
  • Gabapentin und Pregabalin: Die Gabapentinoide, Gabapentin und Pregabalin, haben sich in kleinen klinischen Studien als wirksam bei der Behandlung der CKD-aP erwiesen, sind aber für diese Indikation nicht zugelassen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Gabapentinoide zwar allgemein als sicher und wirksam gelten, bei CKD-Patienten jedoch ein erhöhtes Risiko für psychische Veränderungen, Stürze und Frakturen besteht. Da Gabapentinoide ausschließlich renal ausgeschieden werden, wird eine einschleichende Dosierung in Abhängigkeit vom Ausmaß der Niereninsuffizienz empfohlen. Dosen von 300 mg bzw. 75 mg für Gabapentin und Pregabalin sollten bei Dialysepatienten nicht überschritten werden, da vermehrt Komplikationen auftreten können. Die Patienten sollten engmaschig auf Schwindel und Somnolenz überwacht werden, da diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen durch die CKD verstärkt werden können.
  • UV-B-Phototherapie: Zu den nicht pharmakologischen Therapien gehört die ultraviolette Lichttherapie (UV-B), die sich in zahlreichen Studien als wirksam erwiesen hat. Die UV-B-Therapie wird in der S2k-Leitlinie ggf. in Kombination mit anderen Therapieoptionen bei CKD-aP empfohlen und sollte drei- bis sechsmal wöchentlich durchgeführt werden. Die Phototherapie ist nicht überall verfügbar, da ihr Einsatz von der Ausstattung der jeweiligen dermatologischen Praxis oder Klinik und der „Ausbildung in Photodermatologie“ der Ärzte abhängig ist.

Weitere Therapien

Die μ-Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon und Naltrexon werden in der deutschen S2k-Leitlinie zur Behandlung der CKD-aP als Mittel der dritten Wahl aufgeführt. Die Wirksamkeitsnachweise sind widersprüchlich; im Einzelfall kann ein Therapieversuch mit Naltrexon oder Naloxon bei CKD-aP erwogen werden. Die Patienten sind über die zu erwartenden Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel oder Müdigkeit in den ersten Therapietagen aufzuklären.

Wirkmechanismus von Difelikefalin

Die Wirkung von Difelikefalin beruht auf zwei der vier oben genannten pathophysiologischen Mechanismen des CKD-aP: Zum einen wird die systemische Entzündung reduziert, zum anderen wird das Gleichgewicht im Opioidsystem wiederhergestellt. Sowohl KOR als auch MOR sind an der Entstehung von Pruritus beteiligt: Während die Aktivierung von μ-Opioidrezeptoren zu Juckreiz führt, hat die Aktivierung von κ-Opioidrezeptoren eine antipruritische Wirkung. Eine Behandlung mit Difelikefalin aktiviert die endogenen κ-Opioidrezeptoren, die sich u. a. an freien Nervenendigungen, Keratinozyten der Haut und auf verschiedenen Entzündungszellen befinden, sodass sich ein Gleichgewicht zwischen der Aktivierung von κ- und μ-Opioidrezeptoren einstellen kann. Auf diese Weise wirkt der KOR-Agonist Difelikefalin der Entstehung von Juckreiz entgegen. Da Difelikefalin aufgrund seiner geringen Membranpermeabilität kaum in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren, ist es ausschließlich peripher wirksam. Eine Abhängigkeits- oder Toleranzentwicklung wurde nicht beobachtet. Darüber hinaus konnten für Difelikefalin in präklinischen Studien antiinflammatorische und analgetische Effekte durch eine Reduktion von Entzündungsmediatoren, z. B. Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α), gezeigt werden.

Wirksamkeit von Difelikefalin in klinischen Studien

Der Zulassung von Difelikefalin lagen zwei Phase-III-Studien (KALM-1 und KALM-2) mit ähnlichem doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Design zugrunde. Eingeschlossen waren insgesamt 851 Hämodialysepatienten mit mäßigem bis schwerem Pruritus. Der Juckreiz bestand bereits seit über drei Jahren und wurde zu Studienbeginn mit ca. 7,2 auf der WI-NR-Skala eingestuft. Ab dem Zeitpunkt der Randomisierung erhielten die Patienten in beiden Studien während einer zwölfwöchigen Behandlungsphase jeweils entweder Difelikefalin gemäß Fachinformation oder Placebo als intravenöse Bolusinjektion zum Ende jeder Dialyse. Anschließend konnten die Teilnehmer an einer 52-wöchigen offenen, einarmigen Verlängerungsphase teilnehmen. Ein wichtiger Aspekt: Während der Studien war die Verwendung von Arzneimitteln zur Linderung des Pruritus wie Antihistaminika, Kortikosteroide, Gabapentin oder Pregabalin erlaubt, wenn damit vor dem Screening begonnen worden war. Der primäre Endpunkt war in beiden Studien der Anteil der Patienten, die in Woche 12 auf der WI-NR-Skala eine Verbesserung von ≥3 Punkten erreichten.

Endpunkt Juckreiz

In der gepoolten Analyse erreichten ca. 51 % der Teilnehmer in der Difelikefalin-Gruppe und ca. 35 % der Teilnehmer in der Placebogruppe in Woche 12 eine signifikante Reduktion des wöchentlichen mittleren WI-NRS-Wertes um ≥3 Punkte (P < 0,001). Die Wahrscheinlichkeit, in Woche 12 eine Verringerung des Wochenmittelwertes des WI-NRS-Scores um ≥3 Punkte zu erreichen, war unter Difelikefalin fast doppelt so hoch wie unter Placebo. Als wichtige sekundäre Endpunkte wurden u. a. die Veränderungen der Juckreizstärke und der juckreizbezogenen Lebensqualität anhand der 5-D-Pruritusskala bzw. des Skindex-10 gemessen. Auch hier zeigte sich eine deutliche Überlegenheit von Difelikefalin. Klinisch bedeutsame Verbesserungen der juckreizbezogenen Lebensqualität hielten bis zu 64 Wochen an – auch bei Patienten, die in der Verlängerungsphase von Placebo auf Difelikefalin wechselten.

Einfluss auf die Schlafqualität

In einer Post-hoc-Analyse der Phase-III-Studien KALM-1 und KALM-2 wurde untersucht, ob eine Juckreizreduktion bei Patienten mit CKD-aP die Schlafqualität verbessert. Es zeigte sich, dass die Schlafqualität und der Schweregrad des Juckreizes zu Beginn der Studie und nach zwölf Wochen Behandlung mit Difelikefalin stark miteinander korrelierten. Zu Studienbeginn gaben nur etwa 10 % der Patienten in der Placebo- und der Difelikefalin-Gruppe an, dass der Juckreiz „nie den Schlaf beeinträchtigt”. Nach zwölf bzw. 64 Wochen Behandlung mit Difelikefalin fühlten sich 34,3 % bzw. 50,0 % der Patienten durch den Juckreiz nicht im Schlaf gestört. Von den Patienten unter Placebo, die anschließend in der offenen Verlängerungsphase Difelikefalin erhielten, gaben nach zwölf Wochen 26,4 % und nach 52 Wochen 42,3 % an, dass der Juckreiz ihren Schlaf nicht beeinträchtigte. Da Schlafstörungen bei CKD-aP mit Mortalität und Morbidität assoziiert sind, könnte die Behandlung mit Difelikefalin durch Verbesserung der Schlafqualität bei gleichzeitiger Linderung des Juckreizes zur Bewältigung einer erheblichen klinischen Belastung beitragen.

Sicherheitsprofil von Difelikefalin

In klinischen Phase-III-Studien trat bei etwa 6,6 % der Patienten während der Behandlung mit Difelikefalin mindestens eine Nebenwirkung auf. Die häufigsten Nebenwirkungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Difelikefalin-Behandlung standen, waren:
  • Somnolenz (1,1 %)
  • Parästhesie (1,1 %)
  • Schwindelgefühl (0,9 %)
  • Übelkeit (0,7 %)
  • Erbrechen (0,7 %)
  • Kopfschmerzen (0,6 %)
  • Veränderungen des Gemütszustandes (0,3 %)
  • Durchfall (0,2 %)
Die meisten Vorfälle waren leicht oder mittelschwer, hatten keine schädlichen Folgen und klangen während des weiteren Verlaufes der Behandlung ab. Kein Ereignis war schwerwiegend, und die Inzidenz von Ereignissen, die zu einem Behandlungsabbruch führten, betrug ≤0,5 % für jede der oben aufgeführten Nebenwirkungen.

Fazit

CKD-aP ist eine häufige und oft unterschätzte Begleiterscheinung, die die durch die HD ohnehin eingeschränkte Lebensqualität erheblich reduziert und das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko der Betroffenen erhöht. Durch ein regelmäßiges Screening (Befragung, Pruritusskala/WI-NRS, Tagebuch, klinische Untersuchung) können Ärzte und Pflegepersonal Veränderungen im Pruritusstatus frühzeitig erkennen und adäquat darauf reagieren, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Bisherige (Off-Label-) Therapieoptionen zeigen eine begrenzte Wirksamkeit. Mit dem KOR-Agonisten Difelikefalin steht erstmals ein zugelassenes Medikament zur Verfügung, welches den Juckreiz und die juckreizbezogene Lebensqualität der betroffenen HD-Patienten signifikant verbessern kann. In den aktuellen Leitlinien wird Difelikefalin als erste Wahl bei mäßigem bis schwerem CKD-aP empfohlen.

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