Diagnose der COPD – Abgrenzung zu Asthma

Die meisten COPD-Patienten werden in hausärztlichen Praxen diagnostiziert und behandelt. Dabei sind Fehldiagnosen keine Seltenheit. Am häufigsten bereitet die Abgrenzung zu Asthma Schwierigkeiten. Das liegt zum einen daran, dass die Symptome sehr ähnlich sein können. Zum anderen existieren Mischformen beider Erkrankungen.

Erfahren Sie, warum eine korrekte Diagnose für die optimale Behandlung von Asthma und COPD entscheidend ist und welche Bedeutung die Spirometrie dabei hat. Anhand von zwei Patientenfällen aus der Hausarztpraxis werden leitliniengerechte Herangehensweisen in der COPD-/Asthmadifferenzialdiagnostik veranschaulicht.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124076440014
Zeitraum 08.08.2024 - 07.08.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Frederik Trinkmann
Dr. med. Petra Sandow
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner AstraZeneca GmbH
Bewertung 4.4 (964)

Die Mustererkennung kann wegweisend sein

COPD und Asthma sind unterschiedliche Entitäten mit charakteristischen klinischen Merkmalen und pathophysiologischen Mechanismen, die sich teilweise überlappen. Die Herausforderung bei der Diagnose: Kein einzelnes Merkmal ist spezifisch für COPD oder für Asthma. Vielmehr ergibt sich die Diagnose aus der Zusammenschau mehrerer Merkmale, die erfragt und bei Untersuchungen ermittelt werden können, im Sinne einer „Mustererkennung”.

Wie häufig sind eigentlich COPD, Asthma und Mischformen?

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) ermittelte auf Basis von Krankenkassendaten eine 1-Jahres-Prävalenz von fast 7 % für COPD und eine von ca. 4 % für Asthma. Allerdings wurden nur Asthmapatienten einbezogen, die eine Asthmamedikation erhielten, wodurch leichtere Fälle vermutlich nicht erfasst wurden. Einige Patienten mit Asthma oder COPD entwickeln im Verlauf ihrer Krankheitsgeschichte Symptome beider Erkrankungen. Nach einer Analyse bundesweiter vertragsärztlicher Abrechnungsdaten liegt der Anteil dieser Patienten unter allen mit COPD- oder Asthmadiagnose bei etwa 23 %. Es ist bekannt, dass Patienten mit überlappenden Symptomen einen ungünstigeren Krankheitsverlauf und eine höhere Mortalität haben als Patienten, die nur COPD oder nur Asthma haben. Die bisherige Bezeichnung „Asthma-COPD-Overlap-Syndrom”, kurz ACOS, soll nicht mehr verwendet werden, da es sich um keine eigenständige Krankheitsentität handelt, sondern um Mischformen mit vielen verschiedenen Konstellationen und Phänotypen.

Warum ist die Unterscheidung überhaupt relevant?

Eine korrekte Diagnose ist für die optimale Behandlung von Asthma und COPD von entscheidender Bedeutung. Denn die Therapie stützt sich in beiden Fällen zwar auf die gleichen Wirkstoffklassen, jedoch in unterschiedlicher Abfolge: So sollen zur Erstbehandlung der COPD lang wirksame Beta-2-Agonisten (LABA) und/oder lang wirksame Muskarin-Antagonisten (LAMA) allein, d. h. ohne inhalative Corticosteroide (ICS), eingesetzt werden. Bei COPD-Patienten mit häufigen und/oder schweren Exazerbationen wird die Eskalation auf eine Triple-Therapie (LABA+LAMA+ICS) empfohlen. Eine Therapie mit LABA+ICS wird aktuell bei COPD nicht mehr empfohlen. Beim Asthma erfolgt die Stufentherapie genau anders herum: ICS stellen die Basistherapie dar, meist in Kombination mit einem LABA. Erst bei schwerem Asthma (ab Stufe 4) ist eine Triple-Therapie indiziert. Eine Therapie ausschließlich mit lang wirksamen Bronchodilatatoren (LABA und/oder LAMA) ist bei Asthmapatienten aufgrund des Risikos schwerer Exazerbationen und erhöhter Mortalität kontraindiziert.

Was macht die Unterscheidung so schwierig?

Die sich überlappenden Merkmale von COPD und Asthma sind ein wesentlicher Grund für häufige Fehldiagnosen. Insbesondere die Abgrenzung einer COPD von einem Asthma im Erwachsenenalter („Adult-Onset-Asthma”) kann schwierig sein. Die aktuelle Literatur legt nahe, dass der unzureichende Einsatz der Spirometrie beim Hausarzt sowie Schwierigkeiten bei der Interpretation die Hauptursachen für Fehldiagnosen sind. Eine Untersuchung der diagnostischen Genauigkeit der Spirometrie in der Primärversorgung zeigte, dass die Sensitivität der Spirometrie bei der Diagnose von COPD 92 % betrug, bei der Diagnose von Asthma jedoch nur 29 %. Aufgrund des episodischen Verlaufes bei Asthma ist hier eine einzige Spirometrie oft nicht aussagekräftig.

auchverhalten, Symptome und Allergien abfragen

Mit Fragen zur Krankengeschichte kann bereits recht zuverlässig zwischen COPD und Asthma unterschieden werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie in niederländischen Hausarztpraxen. Zwei Lungenfachärzte beurteilten, ob bei den Probanden COPD, Asthma oder keine chronische Atemwegserkrankung vorlag. Die Diagnosen der Hausärzte wurden mit denen der Fachärzte abgeglichen. Mit statistischen Methoden wurde die Fähigkeit von drei Szenarien bewertet, zwischen den beiden Erkrankungen zu unterscheiden: 1. Die reine Patientenanamnese 2. Die Anamnese zusammen mit der Diagnostik in der Primärversorgung (Spirometrie) 3. Die Diagnostik in der Sekundärversorgung (Bodyplethysmographie). Patienten, bei denen eine COPD diagnostiziert wurde, waren im Vergleich zu den Asthmapatienten älter und mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit ehemalige oder aktuelle Raucher mit mehr „pack years”. Mehr COPD- als Asthmapatienten klagten über Husten, Auswurf und Luftnot, jedoch waren die Unterschiede nicht signifikant. Patienten mit Asthma berichteten hingegen signifikant häufiger über Allergien und Giemen als COPD-Patienten. Daher wurden die Faktoren Rauchverhalten, Symptome und Allergien als besonders relevant erachtet. Folgende Fragen können demnach zur Abgrenzung von COPD und Asthma beitragen: 1. „Rauchen Sie, oder haben Sie früher geraucht?” 2. „Haben Sie Husten? Auswurf? Luftnot? Geräusche beim Atmen?” 3. „Haben oder hatten Sie Allergien?”

Spirometrie erhöht die Diagnosesicherheit

Wurden zur Anamnese die Spirometriebefunde einbezogen, erhöhte sich die Diagnosesicherheit. Weitere Lungenfunktionstests, wie die Bestimmung des Transferfaktors oder der bronchialen Hyperreagibilität, haben bei dieser Studienpopulation nicht zu einer besseren COPD-/Asthmadifferenzierung geführt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Hausärzte besser zwischen COPD und Asthma unterscheiden können, wenn sie zusätzlich zur Anamnese eine Spirometrie durchführen. Zwei Fallbeispiele aus der hausärztlichen Praxis sollen typische Herausforderungen und leitliniengerechte Herangehensweisen in der COPD-(Differenzial-)-Diagnostik veranschaulichen: Fall 1: Alexander, 54 Jahre, Filialleiter einer Bank, BMI 29, Raucht seit 30 Jahren ca. 30 Zigaretten tgl. Aktuelle Beschwerden: angeblich keine, kommt auf Wunsch der Ehefrau zum Check-up. Anamnese: morgendlicher „Raucherhusten”, Erkältungen „schlagen auf die Bronchien”, Treppensteigen fällt schwer wegen Kurzatmigkeit, wacht nachts wegen Luftnot auf, fragliche Heuschnupfensymptomatik als Kind. Befunde im Rahmen des Check-up: EKG o. B., keine Herzinsuffizienzzeichen jedoch Hyperlipidämie, Hyperurikämie, gestörte Glukosetoleranz. Alexander ist insofern ein „typischer” Fall eines starken Rauchers, da er von sich aus zunächst über keinerlei Beschwerden berichtet. Erst durch Nachfragen stellt sich heraus, dass ihn vor allem nächtliche Luftnot belastet. In der Vergangenheit seien ihm Erkältungen öfter „sehr stark auf die Bronchien geschlagen”. Möglicherweise könnte es sich dabei um Exazerbationen gehandelt haben. Im Rahmen des Check-up ergeben sich keine Anzeichen für eine Herzinsuffizienz, jedoch werden eine Hyperlipidämie, Hyperurikämie und gestörte Glukosetoleranz diagnostiziert. Aufgrund seines Alters, der Raucheranamnese und der geschilderten Symptome, vor allem der Dyspnoe, liegt bei Alexander der Verdacht einer COPD nahe.

Schwere der Symptome strukturiert erfassen

In den Leitlinien wird empfohlen, die Schwere der COPD-Symptome strukturiert zu erfassen – und zwar mit dem COPD Assessment Test (CAT) und/oder der modifizierten Dyspnoeskala des Medical Research Council (mMRC). Patienten können den CAT-Fragebogen z. B. auf der Website der Deutschen Atemwegsliga ganz einfach online ausfüllen und den Ausdruck zum nächsten Arzttermin mitbringen. Je niedriger die CAT-Punktzahl, desto weniger ist der Alltag durch die COPD beeinträchtigt (<10 Punkte: gering; 10 bis 20 Punkte: mittel; 20 bis 30 Punkte: hoch; >30 Punkte: sehr hoch). Alexander hat im CAT 21 Punkte; der Grad seiner Beeinträchtigung ist demnach hoch. Mit der mMRC-Dyspnoeskala lässt sich der Schweregrad der Dyspnoe von COPD-Patienten subjektiv einteilen. Vom Aufbau und Inhalt ist die mMRC-Dyspnoeskala vergleichbar mit der bekannteren Skala der New York Heart Association (NYHA-Skala). Daher fällt hier die Zuordnung leicht. Bei Alexander liegt ein mMRC-Grad 1 vor. Neben der körperlichen Untersuchung und einem Röntgenthorax zum Ausschluss eines Lungenkarzinoms soll bei Alexander eine Spirometrie durchgeführt werden.

„Kleine Lufu“ beim Hausarzt zu selten

Gemäß nationalen und internationalen Leitlinien ist die Spirometrie zur Sicherung der Diagnose von COPD bzw. Asthma, zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung sowie zur Verlaufs- und Therapiekontrolle erforderlich. Dennoch wird die sogenannte „kleine Lufu” in Hausarztpraxen nur selten angeboten. Eine aktuelle Studie in 50 deutschen Allgemeinarztpraxen ergab, dass diese nur bei ca. 27 % der COPD-Patienten, bei 7 % der Asthmapatienten und bei ca. 55 % der Patienten mit einer Asthma- und COPD-Diagnose Spirometrien durchgeführt haben. Wie viele Patienten zur Spirometrie zum Lungenfacharzt überwiesen wurden, ist nicht bekannt. Bei Patienten, bei denen keine Spirometrie durchgeführt wird, besteht die Gefahr, dass sie fälschlicherweise als COPD eingestuft und behandelt werden. Der weitaus häufigste Grund für eine COPD-Fehldiagnose sind jedoch Schwierigkeiten bei der Interpretation des Spirometrie-Befundes.

Spirometrie-Befunde richtig interpretieren

Eine qualitativ hochwertige Spirometrie erfordert ein zuverlässiges Equipment, die Zusammenarbeit zwischen einer gut geschulten medizinischen Fachkraft und einem motivierten Patienten sowie einem erfahrenen Arzt, der den Spirometrie-Befund interpretiert. Üblicherweise werden die Spirometrie-Ergebnisse grafisch als in- und exspiratorische Fluss-Volumen-Kurve dargestellt. Diese gilt es, wie ein EKG genau anzuschauen, da die Form bereits Rückschlüsse auf eine mögliche Ventilationsstörung zulässt. Anschließend sind zur Quantifizierung die Messwerte einzubeziehen. Die wichtigsten spirometrischen Messwerte sind die forcierte Vitalkapazität (FVC), die Einsekundenkapazität (FEV1) und das Verhältnis FEV1/FVC (relative Einsekundenkapazität oder Tiffeneau-Index). Der exspiratorische Fluss zeigt einen schnellen Anstieg bis zum Peak (maximaler exspiratorischer Fluss (peak exspiratory flow, PEF) und fällt danach zum Residualvolumen nahezu linear ab. Der Schnittpunkt mit der X-Achse ist die FVC. Für die inspiratorische Kurve ist eine Bauchbildung typisch. In der Regel lässt sich die Qualität der Mitarbeit sofort an entsprechenden Formveränderungen erkennen. So können Dellen im exspiratorischen Teil auf Hustenartefakte hindeuten. Ist die Fluss-Volumen-Kurve nicht geschlossen, hat der Patient nicht vollständig ausgeatmet. Bei obstruktiven respiratorischen Erkrankungen wie COPD und Asthma sind die Ausatemströme verringert. Bei einer leichten Obstruktion kommt es zur typischen Innenkrümmung der exspiratorischen Fluss-Volumen-Kurve. Liegt ein Emphysem vor, kann die forcierte Exspiration zu einem Atemwegskollaps führen, der sich typischerweise als Knick in der exspiratorischen Fluss-Volumen-Kurve zeigt. Dabei sind PEF und FEV1 deutlich erniedrigt.

Prüfung der Reversibilität der Bronchialobstruktion

Liegt eine obstruktive Ventilationsstörung vor, ist zur Differenzierung von COPD und Asthma ein Reversibilitätstest hilfreich: Die Messungen erfolgen in der Regel vor und 15 Minuten nach Inhalation eines kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetikums (SABA). Als reversibel wird ein Anstieg der FEV1 um >12 % bzw. 200 ml des Ausgangswertes gewertet. Je höher die Reversibilität ist, desto wahrscheinlicher ist die Diagnose eines Asthmas, insbesondere bei entsprechender Klinik. Eine COPD ist nur bei einer Normalisierung der Obstruktion ausgeschlossen. Wichtig: Der Patient muss seine SABA-Medikation mindestens sechs Stunden vor dem Test absetzen, LABA und LAMA mindestens zwölf bzw. 48 Stunden vorher.

Passt das Ergebnis zur Klinik?

Bei Alexander zeigt die Fluss-Volumen-Kurve der Spirometrie einen verringerten Peak und einen konkaven, „durchhängenden” Kurvenverlauf, was auf eine deutliche Obstruktion hindeutet. Der Tiffeneau-Index ist auf 52 % reduziert; der Sollwert liegt für Alexander bei 79 %. In Übereinstimmung mit der Klinik kann bei Alexander daher von einer COPD ausgegangen werden. Ist FEV1/FVC <70 % als COPD-Diagnosekriterium ausreichend? Ein fixer Grenzwert von 70 % ist zwar seit Jahren etabliert, führt aber bei etwa 20 % der älteren COPD-Patienten zu einer Überdiagnose und bei etwa 20 % derjenigen <55 Jahren zu einer Unterdiagnose. Daher sollen bevorzugt die „Global Lung Initiative”-(GLI-)Referenzwerte herangezogen werden. Gewöhnlich erfolgt die individuelle Berechnung der GLI-Normalwerte in der im Messgerät integrierten Software. Bei COPD erfolgt die Bewertung des Schweregrades der Obstruktion anhand der Einsekundenkapazität (FEV1) nach Bronchodilatation (% vom Sollwert). Entsprechend der spirometrischen Grenzwerte liegt bei Alexander ein GOLD-II-Stadium vor.

Blutuntersuchungen

Zur COPD-Diagnostik gehört ein Differenzialblutbild mit Bestimmung der Eosinophilen (EOS), da das Ergebnis Einfluss auf die Therapieentscheidung bei COPD hat: So sollen inhalative Corticosteroide (ICS) zusätzlich zur dualen Bronchodilatation zur Initialtherapie in Betracht gezogen werden, wenn Patienten mit häufigen oder schweren Exazerbationen eine Eosinophilenzahl von ≥300 Zellen/μl Blut aufweise. Bei Alexander ergibt das Differenzialblutbild eine absolute Zahl von 190 EOS/µl. Der Wert ist unauffällig; der Normalwert bei Erwachsenen liegt zwischen 50 und 250 EOS/μl. Grundsätzlich sollte auch Alpha-1-Antitrypsin bestimmt werden, um einen (seltenen) Mangel als Ursache für eine COPD auszuschließen.

Therapieempfehlung für Alexander

Anhand der Schwere der Symptome sowie der Häufigkeit von Exazerbationen in der Anamnese kann jeder COPD-Patient in eine der drei Risikokategorien A, B und E gemäß der aktuellen GOLD-Empfehlungen eingeteilt werden. Daraus leitet sich die initiale medikamentöse Therapieempfehlung ab. Da bei Alexander möglicherweise zwei mittelschwere Exazerbationen in der Vergangenheit stattgefunden haben, wird er der Risikogruppe E zugeordnet. Die Zahl seiner Eosinophilen liegt unter 300 pro µl Blut, daher ist für ihn eine Dauertherapie mit einer LABA+LAMA-Kombination indiziert. Aufgrund seiner akuten Symptome hat Dieter bereits einen Kardiologen aufgesucht, der eine Lungenembolie sowie eine Herzerkrankung ausschließen konnte. FAll 2: Dieter, 64 Jahre, Neurochirurg im Ruhestand, seit ca. 20 Jahren Nichtraucher, treibt regelmäßig Sport (Fitness, Golf). Aktuelle Beschwerden: seit fünf Tagen starke Atemnot bei kleinster Belastung, kaum Husten, kein Fieber, vor zwei Tagen beim Kardiologen, Herz o. B., Lungenembolie ausgeschlossen. Vorerkrankungen: in der Jugend gelegentlich Atemnot bei Belastungen, damals Verdacht auf Asthma: Seit zwölf Jahren allmählich zunehmende Belastungsdyspnoe, bekannte Hypertonie, Hyperlipidämie. Aktuelle Medikation: Candesartan/HCT, Amlodipin, Moxonidin, Metoprolol, Atorvastatin, Budesonid/Formoterol zweimal ein Hub; früher auch Tiotropium. Zur weiteren Abklärung wird der Patient noch am selben Tag an einen Pneumologen überwiesen, der verschiedene Lungenfunktionsprüfungen, u. a. eine Bodyplethysmographie durchführt.

Bodyplethysmographie und Reversibilitätstest

Die Bodyplethysmographie ist im Vergleich zur Spirometrie weit weniger von der Mitarbeit des Patienten abhängig und ermöglicht eine umfassendere Beurteilung der Lungenfunktion. Die Golfschlägerform der Atemschleifen sowie die stark durchhängende Fluss-Volumen-Kurve und der Tiffeneau-Index (FEV1/FVC ca. 46 %, Sollwert 75 %) weisen eindeutig auf eine obstruktive Ventilationsstörung hin. Der Bronchodilatationstest (Reversibilitätstest) wird entsprechend den Empfehlungen mit SABA, z. B. 400 µg Salbutamol, durchgeführt. In der Regel ist eine spirometrische Lungenfunktion, die sich nach der Einnahme eines Bronchodilatators normalisiert, keine COPD. Bei Dieter verändert sich der FEV1-Wert jedoch überhaupt nicht, das heißt, es liegt keine klinisch relevante Reversibilität der obstruktiven Ventilationsstörung vor. Daher besteht der Verdacht auf eine COPD. Allerdings schließt eine fehlende Reversibilität in einem einzigen Bronchodilatationstest ein Asthma nicht sicher aus.

Arterielle Blutgasanalyse und C-reaktives Protein (CRP)

Die arterielle Blutgasanalyse (BGA) ergibt einen erniedrigten Sauerstoffpartialdruck (pO2) von 63 mmHg; normal wären 80 bis 100 mmHg. Da der pO2 mit zunehmendem Alter progredient abnimmt, kann mit der folgenden Faustregel eine Altersanpassung des Normwertes vorgenommen werden: 100 – (Lebensalter/3). Der 64-jährige Dieter sollte somit einen pO2 von 100 – (64 : 3) = 79 mmHg haben. Dieters Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) liegt mit 36 mmHg noch im Normbereich (35 bis 45 mmHg). Der pH-Wert ist mit 7,48 leicht alkalisch. Der CRP-Schnelltest ist positiv

FeNO-Messung

Außerdem wird bei Dieter mit einem einfachen Atemtest das fraktionierte exhalierte Stickstoffmonoxid (FeNO) bestimmt, ein unverzichtbarer Biomarker in der fachärztlichen Asthmadiagnostik. Sein Wert liegt bei 48 „parts per billion” (ppB) nah am FeNO-Schwellenwert von ≥50 ppb, der als relativ sicheres diagnostisches Kriterium für Asthma gilt. Niedrigere FeNO-Werte allein können Asthma jedoch nicht ausschließen. So können beispielsweise eine ICS-Exposition oder Rauchen die FeNO-Werte deutlich absenken. Umgekehrt können akute respiratorische Virusinfektionen mit sehr hohen FeNO-Werten einhergehen. Normalwerte bei gesunden Erwachsenen ohne Asthma liegen <25 ppB. Der „Graubereich” von 25 bis 49 ppB weist auf eine Typ-2-Inflammation der Atemwege bei Asthma hin. Werte in diesem Bereich müssen im klinischen Kontext interpretiert werden. Die GINA-Leitlinien empfehlen außerdem eine mindestens dreimalige Messung des Biomarkers. Wir erinnern uns daran, dass Dieter sich aktuell mit Budesonid/Formoterol behandelt, sodass eine ICS-Exposition einige Stunden vor der FeNO-Messung wahrscheinlich ist und den Wert möglicherweise verfälscht hat.

Röntgenthorax und CT

Leitlinien empfehlen bei Verdacht auf COPD oder Asthma in der Erstdiagnostik eine Röntgenaufnahme der Thoraxorgane, um andere Erkrankungen auszuschließen. Zur Diagnostik sind die Aufnahmen nicht besonders gut geeignet, wie eine britische Studie zeigte. Demnach wies ein Drittel der Patienten mit positivem Röntgenbefund bei der Spirometrie keine COPD auf. Die Forscher errechneten eine Sensitivität für die Erkennung der COPD im Röntgenbild von nur 35 % und eine Spezifität von 87 %. Zuverlässigere und erheblich mehr Informationen liefert die Computertomografie (CT) für alle Bereiche der Lungendiagnostik. Im CT lassen sich Emphysem und „air trapping” nachweisen sowie Informationen über den Gefäßstatus und die Atemwege gewinnen.

Diagnose und Therapievorschlag

In der Zusammenschau der Befunde und Symptome diagnostiziert der Pneumologe eine COPD vom Schweregrad 3, möglicherweise eine COPD-Asthma-Mischform. Hinter den akuten Beschwerden vermutet er eine Infektexazerbation, bei der eine bakterielle Genese nicht ausgeschlossen werden kann. Gemäß den aktuellen Leitlinien sollen Patienten wie Dieter, die sowohl Asthma als auch COPD aufweisen, wie Asthmapatienten behandelt werden. Eine ICS-haltige Therapie von Beginn an ist in diesen Fällen wichtig, um das Mortalitätsrisiko und das Risiko schwerer Exazerbationen zu verringern. Daher soll die bereits bestehende Dauermedikation Budesonid/Formoterol (ICS/LABA) fortgesetzt werden, jedoch in höherer Dosierung. Zusätzlich bekommt Dieter Tiotropium aus der Gruppe der LAMA sowie als Bedarfstherapie den SABA Salbutamol. Mit der kurzzeitigen Gabe eines oralen Corticosteroids (OCS, Prednisolon 40 mg über fünf Tage) kann im Fall einer COPD-Exazerbation die Lungenfunktion verbessert und die Erholungszeit verkürzt werden. Außerdem lässt sich damit die Reversibilität der Obstruktion überprüfen. Verordnete Medikation für Dieter: Budesonid/Formoterol 160/4,5 µg/Dosis, zweimal zwei Hub, Tiotropium zwei Hub am Morgen, Salbutamol bei Bedarf, Prednisolon 40 mg für fünf Tage, Doxycyclin für sechs Tage. Da der Verdacht auf eine Infektexazerbation besteht, wird Doxycyclin für sechs Tage verordnet. Hierzu ist anzumerken, dass die Leitlinien im Fall von akuten Asthmaexazerbationen von der Routineverordnung von Antibiotika abraten, sofern kein Fieber, eitriges Sputum oder radiologischer Nachweis einer Pneumonie vorliegen.

Therapie und weiterer Verlauf

Klinisch geht es Dieter unter der Therapie mit ICS+LABA, LAMA, OCS und Antibiose rasch besser. Das Ergebnis einer zweiten Bodyplethysmographie nach vier Wochen ist für alle Beteiligten eine Überraschung: Die Lungenfunktion hat sich fast vollständig normalisiert. Die zunächst angenommene COPD-Diagnose muss revidiert werden. Die vollständige Reversibilität der Obstruktion durch die Corticosteroide sichert die Diagnose Asthma. In der Folge kann Tiotropium abgesetzt und Dieter mit einer ICS+LABA-Kombination sowie SABA bei Bedarf behandelt werden. Verordnete Medikation für Dieter: Budesonid/Formoterol 160/4,5 µg/Dosis, zweimal zwei Hub und Salbutamol bei Bedarf. Der Fall Dieter verdeutlicht, dass eine Diagnose häufig erst nach mehreren Untersuchungen und unter Berücksichtigung des Ansprechens auf eine (probatorische) Therapie gestellt werden kann.

Fazit

Die Unterscheidung zwischen COPD und Asthma in der hausärztlichen Praxis ist oft nicht einfach. Die Differenzierung ist aber wichtig, da jeweils effektive Therapien verfügbar sind. Zur Diagnosesicherung sollte in jedem Fall eine Spirometrie durchgeführt oder veranlasst werden. Die Diagnose ergibt sich aus der Zusammenschau mehrerer Merkmale aus Anamnese, Untersuchungen und Therapieansprechen im Sinne einer „Mustererkennung”. Falls eine Mischform vorliegt, also eine COPD mit Asthmakomponente oder umgekehrt, ist eine fachärztliche Abklärung sinnvoll. Im individuellen Fall kann eine probatorische Therapie weiterhelfen.

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