Dermato-Onkologie für die Praxis

Die Inzidenz dermato-onkologischer Erkrankungen steigt kontinuierlich an und so sind sie tägliches Thema des Praxisalltags. Bei den aktinischen Keratosen treten häufig Feldkanzerisierungen auf, deren Therapie sich nach der Risikoeinteilung richtet. Neben der konventionellen und häufig schmerzhaften Photodynamischen Therapie (PDT) gibt es heute zahlreiche schmerzlose Verfahren mit guter Wirksamkeit zur AK-Therapie. Hierzu zählt z. B. die simulierte Tageslicht-PDT. Bei aktinischen Keratosen und Basalzellkarzinomen ist eine Risikostratifizierung notwendig, um Überlebensprognosen präzisieren und den Patienten besser aufklären zu können.

Prof. Dr. med. Thomas Dirschka, Wuppertal
Dermato-onkologische Erkrankungen sind alltäglich in der dermatologischen Praxis und haben eine steigende Inzidenz.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709122031180014
Zeitraum 27.03.2022 - 26.03.2023
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Thomas Dirschka
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (Webcast)
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH
Bewertung 4.2 (358)

Einleitung

Die Inzidenz dermato-onkologischer Erkrankungen steigt kontinuierlich an und so sind sie tägliches Thema des Praxisalltags. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über Diagnosen und adäquate Therapien häufig wiederkehrender dermato-onkologischer Fragestellungen auch anhand von Fallbeispielen.

Fallbeispiel 1

Ein 83-jähriger Patient weist disseminierte aktinische Keratosen (AK) auf dem Capillitium auf. Sechs Wochen nach der Photodynamischen Therapie (PDT) verbleibt eine stetig wachsende Läsion. Die anschließende Probeexzision zeigt ein zwar verheiltes Oberflächenepithel ohne Zeichen aktinischer Schädigung, darunter jedoch ein atypisches Fibroxanthom, das als undifferenziertes pleomorphes Sarkom einzustufen ist.

Diagnose hochriskanter aktinischer Keratosen (AK)

In der Dermato-Onkologie gehören Feldkanzerisierungen unter den AK-Erkrankungen zu den häufig wiederkehrenden Fällen. Ein besonderes Augenmerk muss auf Patienten gelegt werden, die immunsuppressiv behandelt werden. Dazu zählen z. B. organtransplantierte Patienten, Rheuma-Patienten und Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Psoriasis. Insbesondere organtransplantierte Patienten haben ein etwa 250-fach erhöhtes Risiko, AK zu entwickeln. Zusätzlich ist ihr Risiko, ein aus diesen AK entstehendes invasives Plattenepithelkarzinom (PEK) zu entwickeln, um das 100-fache erhöht. Gemäß der S3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut, in der jüngst auch die Wirksamkeit von Cemiplimab bei PEK aufgenommen wurde, muss jede Form der AK behandelt werden. Dabei gilt es jedoch zu eruieren, welche AK-Läsionen zu den Hochrisiko-Keratosen zählen und welche „schlummernd” sind, also nach einer Wait-and-See-Strategie behandelt werden können. Hierzu kann es hilfreich sein, die AK-Läsionen im Bereich der basalen Epidermis zu untersuchen, da bei jeder AK eine Verdichtung von Zellen (genannt: crowding) auftritt. In manchen Fällen durchsetzen die atypischen Zellen außerdem das Deckepithel zudem von unten nach oben oder entwickeln sich von unten noch weiter in die Tiefe (genannt: budding). Diese AK-Läsionen zählen nicht zu den Hochrisiko-Keratosen. Anders verhält es sich bei der klinisch ähnlich aussehenden AK-Läsion, die sich in das dermale Bindegewebe entwickelt (genannt: papillary sprouting). Hier wird der Haarfollikel komplett von den atypischen Zellen durchsetzt. Eine Risikoform stellen außerdem die schwer zu behandelnden impetiginisierten, akantholytischen AK-Läsionen dar. In einer Studie haben wir untersucht, warum gewisse AK-Formen, die im Vorfeld klinisch nicht zu unterscheiden sind, nicht auf feldgerichtete Therapien ansprechen. Hierzu wurden 17 AK-Läsionen exzidiert und auf Risikofaktoren untersucht. 13 der 17 Keratosen wiesen ein papillary sprouting auf, 9 waren akantholytisch und 12 zeigten eine follikuläre Beteiligung. Im Ergebnis konnte in allen 17 Fällen zumindest einer der genannten Hochrisiko-Faktoren für AK nachgewiesen werden. Sind die AK-Läsionen darüber hinaus schmerzhaft, ist dies ein weiteres Indiz für eine Hochrisiko-Keratose. Spricht die feldgerichtete AK-Therapie nicht an, sollte eine Biopsie durchgeführt werden. Weist die Keratose daraufhin Hochrisiko-Faktoren auf, muss sie exzidiert werden.

Schmerzlose, simulierte Tageslicht-PDT bei aktinischen Keratosen

Die Behandlung von AK-Läsionen richtet sich nach Lage, Größe und Ausmaß der Hautveränderung und wird in drei Therapien-Strategien aufgeteilt:
  • Läsionsgerichtete Therapie (z. B. Kryotherapie, topisch aktive Medikamente, Laser)
  • Clustergerichtete Therapie (z. B. Topika wie Imiquimod 5 %)
  • Feldgerichtete Therapie (z. B. Diclofenac 3 %, Imiquimod 3,75 %, PDT)
Neben der konventionellen und häufig schmerzhaften PDT gibt es heute zahlreiche schmerzlose Verfahren mit guter Wirksamkeit zur AK-Therapie. Hierzu zählt z. B. die simulierte Tageslicht-PDT mit standardisierter Belichtung bzw. Dosimetrie. Mit ihr kann eine variable Anzahl von Patienten gleichzeitig unter einheitlichen Bedingungen („Tageslicht” eines definierten Wellenlängenbereiches) und unter ständiger Beobachtung des Praxispersonals sowie des verantwortlichen Dermatologen wetterunabhängig und im Vergleich zur konventionellen PDT mit deutlich reduzierter Schmerzempfindung behandelt werden. Diese Effektivität belegt auch der AKASI-Score für die AK-Schwere. Verstärkt werden kann die Therapiewirkung durch eine vorherige Behandlung mit einem fraktionierten CO2-Laser. Hierbei wird mit einer niedrigen Pulsenergie (6 mJ) Poren im Stratum corneum erzeugt, um die Permeation des Photosensitizers zu erhöhen. Dabei ist jedoch entscheidend, die AK-Läsion nicht zu zerstören oder den Zellmetabolismus zu beeinflussen. Wichtig ist, dass die Zellen intakt bleiben, da sie sonst das Protoporphyrin unter der späteren Bestrahlung nicht neu aufbauen können.

Aktinische Cheilitis

Ein komplexes Krankheitsbild stellt die aktinische Cheilitis dar, da die Lippe eine Hochrisiko-Lokalisation für Metastasierung ist und die Therapien stets off-label sind. Da die aktinische Cheilitis im Follikel auftritt und von dort eine Repopularisierung stattfinden kann, ist z. B. eine Laserablation nicht empfehlenswert. Stattdessen sollte eine Vermillionektomie in Betracht gezogen werden, bei der das geschädigte Lippenrot entfernt und nach außen gezogen wird, ohne einen großen und keilförmigen Exzisionsanteil zu kreieren.

Fallbeispiel 2

Eine 62-jährige Patientin weist nach einer Shave-Biopsie eine minimale Einsenkung an der Nase auf. Da sie vor einer erneuten Operation keine weitere Biopsie durchführen lassen möchte, muss die Diagnose auf einem alternativen Weg gestellt werden. Hierzu eignet sich die Optische Kohärenztomografie (OCT), mit deren Hilfe ein Basalzellkarzinom festgestellt werden konnte.

Diagnose und Therapie von Basalzellkarzinomen

Zur sicheren Diagnose von nodulären und superfiziellen Basalzellkarzinomen eignet sich die Optische Kohärenztomografie (OCT, s. Fallbeispiel 2). Bei der Histologie ist hierfür ein HE-gefärbtes Präparat notwendig, eine Sonderfärbung und Immunhistologie ist nur in speziellen Fällen erforderlich. Neben dem vertikalen Tumordurchmesser sollte außerdem die Invasionstiefe am Abtragungsrand gemessen werden, wenn der Tumor nicht vollständig entfernt wurde. Sollte der Abtragungsrand lediglich 0,2 mm betragen, kann zur Nachbehandlung ein medikamentöses Verfahren eingesetzt werden. Gemäß dem Therapiealgorithmus gibt es für Basalzellkarzinome (BCC bzw. BZK) mit geringem Rezidivrisiko eine Vielzahl von topischen Behandlungsmöglichkeiten (z. B. Imiquimod, 5-FU). Besonders bei Rumpfhaut-Basalzellkarzinomen ist diese Therapie gegenüber dem operativen Eingriff überlegen. Jedoch sollte diskutiert werden, ob der Grenzwert für eine Tumordicke von bis zu 2 mm, wie er in der Leitlinie empfohlen wird, nicht zu hoch angesetzt ist, da es sich hierbei bereits um noduläre, tiefinvasive Basalzellkarzinome handelt, bei denen z. B. die Wirksamkeit der PDT deutlich abnimmt. Nicht-operative Therapien eignen sich vor allem bei oberflächlichen BCC mit bis zu 1 mm Tumordicke. Dass darüber hinaus nach der Exzision eines nodulären Basalzellkarzinoms nicht zwingend ein operativer Verschluss notwendig ist, sondern auch ein Zuwarten möglich ist, zeigt Fallbeispiel 3.

Fallbeispiel 3

Nach der erfolgreichen Exzision eines nodulären Basalzellkarzinoms einer 59-jährigen Patientin soll der entstandene Defekt am Folgetag verschlossen werden. Aufgrund einer anstehenden vierwöchigen Urlaubsreise der Patientin kann der Eingriff jedoch zunächst nicht durchgeführt werden. Nach ihrer Rückkehr zeigt sich schließlich, dass der Befund fast vollständig abgeheilt ist.

Imiquimod bei Lentigo Maligna

Lehnen Patienten die Exzision eines Lentigo-maligna-Melanoms (LMM) kategorisch ab, kann eine Therapie mit Imiquimod 5 % zum Erfolg führen. Einen entsprechenden Therapieerfolg belegt etwa eine Studie aus den USA, bei der der Therapieerfolg histologisch kontrolliert wurde. Der Patientin wurde zunächst der zentrale (exophytische) Anteil des Tumors strichförmig entnommen. Dabei wurde an einer kleinen Stelle ein LMM mit einer Tumordicke von 0,6 mm sowie ein Lentigo maligna in situ als Restbefund am Randbereich festgestellt. Da die Patientin die Exzision des Restbefunds ablehnte, wurde die Therapie mit Imiquimod (5 Mal/Woche über Nacht) über sechs Wochen eingeleitet. Zwölf Wochen nach Ende der Therapie ist sowohl die Pigmentierung als auch die Narbe unter der Entzündungsreaktion des Imiquimods abgeklungen.

Sicherheitsabstände bei der Exzision von Melanomen

In Bezug auf die Sicherheitsabstände bei der Exzision von Melanomen gibt die neue S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms wichtige Empfehlungen (Abschnitt 4.3.1):
  • Der laterale Sicherheitsabstand bei der Primärexzision eines malignen Melanoms sollte mit 2 mm möglichst klein sein und bis ins Fettgewebe reichen.
  • Bei Lentigo maligna können Shave-Biopsien als Probeexzisionen durchgeführt werden, sollten jedoch nicht als Therapie angewendet werden.
  • Bei einer sicheren Diagnose ist eine Exzision mit definiertem Sicherheitsabstand möglich (Tumordicke ≤1–2 mm = 1 cm; Tumordicke 2,01–4 mm = 2 cm).
  • Die Sicherheitsabstände können in Absprache mit dem Patienten, in Abhängigkeit der speziellen anatomischen Lokalisation des Tumors und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Ausbreitungsdiagnostik modifiziert werden.
  • Eine Faszie muss nicht exzidiert werden.
  • Trotz der fehlenden Angabe eines Sicherheitsabstandes bei In-situ-Melanomen sollte dennoch ein Sicherheitsabstand von etwa 0,5 mm eingehalten werden.

Risikostratifizierung von Melanompatienten

Ein Problem bei der Therapie von Melanomen liegt in der unklaren Interrater-Variabilität bei der Tumordickenbestimmung sowie in der Risikostratifizierung von Melanompatienten. Da noch 7 % der dünnen Melanome (Stadium I) metastasieren können und auch bei den dickeren Melanomen (Stadium III) eine zum Teil erhebliche 10-Jahres-Überlebensquote vorliegt, wäre ein Werkzeug wünschenswert, das erkennen lässt, in welchen Fällen dünne Melanome behandelt bzw. dicke Melanome nicht behandelt werden müssten. Diesen Wunsch untermauern die Erkenntnisse aus einer australischen Studie von Whiteman et al. zu der Sterblichkeit an dünnen Melanomen. Hier konnte gezeigt werden, dass zwischen 2005 und 2009 ein Großteil der Patienten (23 %) an dünnen Melanomen mit <1 mm Tumordicke verstarben. Die Vielzahl von Niedrigrisiko-Melanomen trägt demnach erheblich zur Gesamt-Mortalität bei und widerlegt das Dogma, nachdem Patienten hauptsächlich an dicken Melanomen versterben. Um die Signifikanz der Risikostratifizierung von Melanompatienten zu verbessern, werden Risikoscores entwickelt, anhand derer sich die Überlebenschancen von Melanompatienten ablesen lassen. Gemäß dem NeraCare-Score sind die Überlebensquoten mit einem Score von unter 1,3 höher als mit einem Score wenigstens 1,3. Sollten die zurzeit laufenden Validierungsstudien bestätigen, dass die Scores zur Präzisierung der Prognose beitragen, wären dies hilfreiche Zusatzinformationen für betroffene Patienten.

Fazit

Ist eine feldgerichtete Therapie, wie z. B. die schmerzlose, simulierte Tageslicht-PDT, bei aktinischen Keratosen nicht zielführend, sollte eine Biopsie zur Bestimmung von Hochrisiko-Faktoren innerhalb der Keratose durchgeführt werden. Zur Diagnose eines Basalzellkarzinoms ist u. a. eine OCT-Diagnostik denkbar, vor allem dann, wenn Patienten initial eine Exzision ablehnen. Je nach Lage, Größe und Ausmaß der Hautveränderung kann dann in Absprache mit dem Patienten die passende Therapie eingeleitet werden. Dabei ist zudem das Thema der Risikostratifizierung entscheidend, um Überlebensprognosen präzisieren und den Patienten besser aufklären zu können.

LITERATUR

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