Einleitung
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Erhebungen aus Deutschland zeigen, dass 2012 der Anteil der Bevölkerung mittleren Alters mit Vorhofflimmern bei 2,5 % lag und mit steigendem Alter zunimmt. Bei 65- bis 74-Jährigen lag die Prävalenz der Frauen bei etwa 5 %, die der Männer bei über 10 % (Abb. 1) [1]. VHF ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für zerebrale und systemische Embolien assoziiert und geht mit einer erhöhten Mortalität einher.
Zur Prävention von Thromboembolien bei Vorhofflimmern standen lange Zeit nur die Kumarine als orale Antikoagulanzien zur Verfügung. In Deutschland wird bis heute vor allem Phenprocoumon eingesetzt, international deutlich verbreiteter ist Warfarin. Charakteristisch für Kumarine ist die sehr lange Halbwertszeit von bis zu 156 Stunden (Phenprocoumon). Die Substanzen hemmen die Bildung der aktiven Blutgerinnungsfaktoren II, VII, IX und X, deren Synthese abhängig von Vitamin K ist.
In den letzten Jahren wurden vier NOAK zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei VHF zugelassen: Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban und Dabigatran
Die Xabane sind direkte Faktor-Xa-Inhibitoren, die die aktivierte Form des Blutgerinnungsfaktors X und damit die Bildung von Thrombin aus Prothrombin hemmen. Thrombin überführt Fibrinogen zu Fibrin und fördert so die Entstehung des Fibrinpfropfs. Faktor-Xa-Inhibitoren haben zusätzlich auch einen indirekten Einfluss auf die Plättchenaggregation. Dabigatran ist ein direkter Thrombininhibitor und blockiert die Aktivierung von Prothrombin zu Thrombin.
Vorzüge der NOAK
NOAK zeichnen sich durch eine Reihe von Vorteilen im Vergleich zu den VKA aus: Ähnlich wie bei den subkutan gegebenen Heparinen zeigen sie einen schnellen Wirkungseintritt von 0,5 bis zwei Stunden. Die orale Einnahme ist einfach: Rivaroxaban und Edoxaban werden einmal täglich, Apixaban und Dabigatran zweimal täglich verabreicht. Im Gegensatz zu den Vitamin-K-Antagonisten müssen keine routinemäßigen Gerinnungskontrollen durchgeführt werden. Die Bestimmung der International Normalized Ratio (INR) entfällt somit in der täglichen Routine.
NOAK werden in fix dosiert, was eine Dosistitration überflüssig macht. Sie können vor operativen Eingriffen für bis zu drei Tagen ausgesetzt werden. Ein Bridging ist in aller Regel nicht erforderlich. NOAK sind mit zahlreichen Medikamenten gut kombinierbar und zeigen keine Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln.
Im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten haben NOAK eine zumindest gleich gute Wirkung und verursachen signifikant weniger intrazerebrale Blutungen.
Wirksamkeit der NOAK im Vergleich zu VKA
Eine im Lancet erschienene Metaanalyse vergleicht NOAK mit Warfarin hinsichtlich der Wirksamkeit in der Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten mit VHF (Abb. 2) [2]. Dazu wurden die Phase-III-Studien ARISTOTLE (Apixaban), ENGAGE AF-TIMI 48 (Edoxaban), ROCKET AF (Rivaroxaban) und RE-LY (Dabigatran) ausgewertet, die zusammen über 70.000 Patienten abbilden. Unter NOAK ist die Anzahl der Schlaganfälle oder systemischen Embolien um 19 % gegenüber Warfarin reduziert (HR 0,81; KI: 0,73–0,91). Dieses Ergebnis beruht maßgeblich auf dem Vorteil der NOAK bei der Prävention von hämorrhagischen Schlaganfällen. Hier ist die Anzahl der Ereignisse um etwa die Hälfte erniedrigt (HR 0,49; KI: 0,38–0,64). Bei ischämischen Schlaganfällen (HR 0,92; KI: 0,83–1,02) und Myokardinfarkten (HR 0,97; KI: 0,78–1,20) sind die Vorteile gegenüber Warfarin nicht signifikant, wohl aber bei der Reduktion der Gesamtmortalität um etwa 10 % (HR 0,90; KI: 0,85–0,95).
Sicherheit der NOAK und VKA
Die spezifischere Wirkung der NOAK auf nur einen Gerinnungsfaktor (Thrombin bzw. Faktor Xa) könnte die bessere Prophylaxe intrazerebraler Blutungen begründen. Vitamin-K-Antagonisten hemmen die Synthese verschiedener Faktoren, was am gewebeständigen Gerinnungssystem des Gehirns die Entstehung deletärer Blutungen begünstigen könnte.
In einer Studie mit über 1500 eingeschlossenen Patienten konnte gezeigt werden, dass das Auftreten schwerer und tödlicher Blutungen unter Therapie mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin in nahezu linearer Abhängigkeit von der Behandlungsdauer zunahm. Nach jedem Behandlungsjahr stieg die kumulierte Häufigkeit um etwa 4 %. Dabei ist das männliche Geschlecht ein unabhängiger Risikofaktor. Während bei Frauen die Häufigkeit schwerer Blutungen nach ca. 1,5 Jahren ein Plateau (Steady State) bei etwa 2 % erreichte, stieg die Häufigkeit bei den Männern bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes auf etwa 9 % an (Abb. 3) [3]. Die Unterschiede bei der Risikozunahme über die Zeit könnten sich aus einem stärker ausgeprägten Gerinnungssystem der Frauen ergeben.
Eine weitere Auswertung der oben genannten NOAK-Zulassungsstudien zeigte, dass Blutungen für 5,6 % der beobachteten Todesfälle ursächlich waren. Ein ähnlich hohes Risiko hatten ischämische Schlaganfälle/systemische Embolien und andere vaskuläre Ursachen. Annähernd jeder zweite Patient mit Vorhofflimmern (46 %) erlag einer kardialen Grunderkrankung. Jeder dritte Patient verstarb aufgrund nicht vaskulärer Ursachen. Damit stellen tödliche Blutungen zwar ein signifikantes Risiko dar, das jedoch möglicherweise häufig zu hoch eingeschätzt wird (Abb. 4).
Blutungen: Hinweise auf okkulte Karzinome?
Unter jeder Antikoagulation können Blutungen auftreten. Deren Ursache sollte frühzeitig abgeklärt werden, um z.B. maligne Ursachen auszuschließen. Eine Untersuchung an über 27.000 Patienten mit stabiler atherosklerotischer Gefäßerkrankung, die antithrombotische Medikamente einnahmen, zeigte für leichte bis schwere Blutungen eine Inzidenz von etwa 10 % [5]. Über den Beobachtungszeitraum von 23 Monaten (Median) wurde bei insgesamt 1084 Patienten (4 %) erstmalig eine Krebserkrankung bestätigt. Fast jede vierte Neudiagnose (23,8 %) wurde bei Patienten mit zuvor stattgehabter Blutung gestellt.
Gastrointestinale (GI) Blutungen waren mit einem 20-fach erhöhten Risiko für GI-Tumoren assoziiert. Patienten mit urogenitalen Blutungen hatten ein 32-fach erhöhtes Karzinomrisiko. Die Tumorerkrankung wurde in diesen beiden Lokalisationen zumeist innerhalb von sechs Monaten nach dem Blutungsereignis festgestellt [5]. Patienten sollten daher darauf hingewiesen werden, auf die Farbe des Stuhls wie auch des Urins zu achten und frühzeitig ihren behandelnden Arzt anzusprechen, um eine weiterführende Diagnostik einzuleiten.
Venöse und arterielle Thromben
Auch wenn Patienten z. B. nach einer Pulmonalvenenisolation wieder im Sinusrhythmus sind, ist eine Kontraktilität der Vorhöfe, insbesondere bei langer Krankengeschichte, nicht gesichert. Der linke Vorhof und das linke Vorhofohr wandeln sich in ein venöses Gefäß um. Wie bereits von Rudolf Virchow 1855 beschrieben, kommt es in der Folge zu makro- oder mikroskopischen Veränderungen der Gefäßwand, einer abnormalen Stase wegen des Verlustes an atrialer Funktion und einer Abnormität von Gerinnung, Plättchen und Fibrinolyse. Sich neu formierende Thromben sind meist langsam wachsend, groß und reich an Fibrin. Sie machen eine Antikoagulation erforderlich.
Wird der Patient z. B. nach einem Koronarereignis mit einem Stent versorgt, ist zur Vermeidung eines Stentverschlusses eine duale Plättchenhemmung (DAPT) mit ASS und Clopidogrel indiziert. Arterielle Thromben sind meist klein, rasch wachsend und reich an Thrombozyten (Abb. 5).
Sowohl die duale Plättchenhemmung als auch die Triple-Therapie mit zusätzlicher oraler Antikoagulation gehen mit einem erhöhten Blutungsrisiko, vor allem innerhalb der ersten sechs Monate, einher [6].
Wirksamkeit und Sicherheit unterschiedlicher Triple-Therapien
In der randomisierten, offenen, aktiv kontrollierten Phase-III-Sicherheitsstudie PIONEER wurden die Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Triple-Therapien bei VHF-Patienten nach perkutaner Versorgung mit einem Stent verglichen [7]. Dazu wurde der Vitamin-K-Antagonist Warfarin mit dem NOAK Rivaroxaban in Kombination mit Plättchenhemmern eingesetzt. Die primären Endpunkte waren alle klinisch relevanten Blutungen nach TIMI-Kriterien (Thrombolysis in Myocardial Infarction) und behandlungspflichtige Blutungen.
Die 2124 Teilnehmer wurden 1 : 1 : 1 auf drei Behandlungsarme randomisiert (Abb. 6):
- Studienarm 1: Rivaroxaban 15 mg einmal täglich + P2Y12-Hemmer
- Studienarm 2: Rivaroxaban 2,5 mg zweimal täglich + P2Y12-Hemmer + ASS
- Studienarm 3: Vitamin-K-Antagonist (dosisadjustiert INR-Zielwert 2,0 bis 3,0) + DAPT
Der eingesetzte P2Y12-Hemmer war überwiegend Clopidogrel. Die Behandlungsdauer mit P2Y12-Hemmer im ersten Studienarm betrug zwölf Monate, in Arm 2 und 3 betrug die Dauer der DAPT je ein, sechs oder zwölf Monate.
Im Verlauf der Studie traten klinisch relevante Blutungen signifikant seltener bei den mit Rivaroxaban behandelten Patienten der Studienarme 1 (16,8 %) und 2 (18,0 %) im Vergleich zu Patienten des Studienarms 3 (26,7 %) auf, die eine klassische Triple-Therapie erhalten hatten.
In einer Post-hoc-Analyse lag die Re-Hospitalisierungsrate aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse im Warfarin-Arm bei 28,4 %, in den beiden Rivaroxaban-Gruppen bei jeweils 20,3 % [8]. Auch Blutungen, die zu erneuten stationären Aufnahmen führten, waren unter VKA mit 10,5 % nahezu doppelt so hoch im Vergleich zu den beiden NOAK-Armen (5,4 % bzw. 6,5 %). Die Studie war allerdings nicht darauf ausgelegt, Unterschiede in der Wirksamkeit nachzuweisen.
Plättchenhemmung plus Antikoagulation
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat in ihrer Leitlinie aus dem Jahr 2017 Empfehlungen zum risikoadaptierten Vorgehen bei Patienten mit nv VHF und Indikation zur oralen Antikoagulation, die sich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterziehen, formuliert [9] (Abb. 7).
Hiernach werden Patienten zunächst hinsichtlich ihres Ischämierisikos einerseits und des Blutungsrisikos andererseits beurteilt. Bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko – beispielsweise nach kürzlich stattgehabtem blutenden Magenulkus – sollte eine duale Therapie aus oraler Antikoagulation und Plättchenhemmung mit Clopidogrel für bis zu zwölf Monate eingeleitet werden.
Patienten mit einem moderat erhöhten Blutungsrisiko wird initial eine Triple-Therapie aus oraler Antikoagulation und dualer Plättchenhemmung mit Clopidogrel und ASS für zunächst einen Monat empfohlen. Anschließend kann von der Triple-Therapie auf eine duale Therapie umgestellt werden, entweder ASS plus orale Antikoagulation oder Clopidogrel plus orale Antikoagulation.
Patienten mit hohem Ischämierisiko sollen ebenfalls initial eine Triple-Therapie aus oraler Antikoagulation plus dualer Plättchenhemmung mit Clopidogrel und ASS für zunächst einen Monat erhalten. Bei Bedenken hinsichtlich des Blutungsrisikos kann hiernach auf eine duale Therapie umgestellt werden, entweder ASS plus orale Antikoagulation oder Clopidogrel plus orale Antikoagulation. Bei fortbestehendem hohen Ischämierisiko wird die Dreifachprophylaxe für zunächst sechs Monate fortgesetzt und gegebenenfalls bis zu zwölf Monate weitergeführt.
Für alle vorgenannten Patienten gilt: Nachzwölf Monaten kann die Thrombozytenfunktionshemmung bei Fortsetzung der oralen Antikoagulation abgesetzt werden.
Risiko VHF plus Niereninsuffizienz
Niereninsuffizienz ist eine weitverbreitete Begleiterkrankung bei Vorhofflimmern. Etwa jeder dritte VHF-Patient ist betroffen [10]. Patienten mit nv VHF und Niereninsuffizienz haben sowohl ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle als auch ein gesteigertes Risiko für terminales Nierenversagen [10]. Aus dänischen Registerdaten ist bekannt, dass Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion zudem ein fast dreifach erhöhtes Blutungsrisiko aufweisen [11]. Diese Patienten sind mit VKA häufig unterbehandelt im Vergleich zu Patienten mit normaler Nierenfunktion [12].
Treffen Niereninsuffizienz und VHF zusammen, resultiert eine hohe Morbidität und Mortalität. Das Schlaganfallrisiko nimmt signifikant zu [11]. Es besteht zudem ein deutlich erhöhtes Risiko für einen fortschreitenden Funktionsverlust der Nieren. Etwa zwei Drittel der Patienten laufen Gefahr, ein terminales Nierenversagen zu erleiden [13, 14].
Antikoagulation bei Niereninsuffizienz
Aufgrund der erhöhten Schlaganfallgefahr ergibt sich eine Indikation zur Antikoagulation. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann eine Reduktion der NOAK-Dosis indiziert sein [15]. Der Umfang der Dosisanpassung hängt dabei in erster Linie vom eingesetzten Wirkstoff ab und ist den jeweiligen Fachinformationen zu entnehmen.
Bei Rivaroxaban ist eine Dosisreduktion erst ab einer GFR unter 50 ml/min erforderlich. Die empfohlene Dosis beträgt dann 15 mg einmal täglich. Bei einer Kreatinin-Clearance (KrCl) von 15 bis 29 ml/min soll Rivaroxaban mit Vorsicht angewendet werden. Bei einem GFR-Wert unter 15 ml/min wird eine Behandlung mit Rivaroxaban nicht empfohlen [16].
Bei Dabigatran ist neben der Nierenfunktion auch das Lebensalter zu berücksichtigen. Patienten mit leichter Niereninsuffizienz, die 75 bis 80 Jahre alt sind, können mit der Standarddosis 150 mg zweimal täglich behandelt werden. Die niedrigere Dosis von 110 mg zweimal täglich ist bei diesen Patienten zu verordnen, wenn ein niedriges thromboembolisches Risiko und ein hohes Blutungsrisiko bestehen. Bei moderater Niereninsuffizienz (KrCl 30 bis 50 ml/min) und einem Alter ≥75 Jahren kann mit 150 mg zweimal täglich behandelt werden und bei hohem Blutungsrisiko mit der niedrigeren Dosierung von 110 mg zweimal täglich. Bei über 80-Jährigen und moderater Niereninsuffizienz ist generell die niedrigere Dosierung von 110 mg zweimal täglich angezeigt. Liegt eine Niereninsuffizienz mit Werten unter 30 ml/min vor, so ist Dabigatran kontraindiziert [17].
Bei Apixaban ist bei der Festlegung der Dosierung neben der Nierenfunktion und dem Alter zusätzlich das Körpergewicht zu beachten. Kriterien für eine Dosisreduktion sind eine manifeste Niereninsuffizienz, ein Lebensalter ab 80 Jahren und ein Körpergewicht unter 60 Kilogramm. Nur wenn zwei oder drei Kriterien gegeben sind, ist eine Dosisreduktion indiziert, um einen möglichst optimalen Schutz zu gewährleisten [18].
Bei Edoxaban müssen als zusätzlicher Faktor außerdem noch Komedikationen berücksichtigt werden [19].
Regelmäßige Überprüfung der Nierenfunktion
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) bevorzugt den Einsatz von NOAK vor VKA zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht valvulärem Vorhofflimmern. Die Leitlinien empfehlen zudem eine jährliche Kontrolle der Nieren- und Leberfunktion sowie die regelmäßige Bestimmung des Hämoglobinspiegels [20].
Bei fortgeschrittener Nierenfunktionseinschränkung (KrCl zwischen 30 und 60 ml/min) sowie bei schwacher körperlicher Verfassung und bei über 75-jährigen Patienten unter Dabigatran-Therapie, sollten sich Patienten halbjährlich vorstellen. Bei einer Filtrationsleistung zwischen 15 und 30 ml/min sollte der Nierenstatus sogar einmal im Quartal erhoben werden.
Als Faustregel kann auch folgende Formel gelten: eGFR (in ml/min)/10 = Anzahl der Monate bis Follow-up (Beispiel: 60/10 = sechs Monate bis Follow-up).
Wirksamkeit der NOAK bei Niereninsuffizienz
Dass NOAK auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion wirksam und sicher sind, konnte insbesondere für Rivaroxaban gezeigt werden. In einer vordefinierten Subgruppenanalyse* der ROCKET-AF-Studie bei Patienten mit einer KrCl von 49 bis 30 ml/min zeigte Rivaroxaban hinsichtlich des primären Sicherheitsendpunktes (schwere und nicht schwere, klinisch relevante Blutungen) vergleichbare Raten versus VKA: HR 0,98 (95%-KI 0,84–1,14). Zugleich kam es zu signifikant seltenerem Auftreten tödlicher Blutungen (HR 0,39 (95%-KI 0,15–0,99)) [21].
Hinsichtlich des primären Wirksamkeitsendpunktes, der Verhinderung von Schlaganfällen und systemischer Embolien, zeigte Rivaroxaban einen tendenziellen, nicht signifikanten Vorteil gegenüber Warfarin (HR 0,84 (95%-KI 0,57–1,23)).
Veränderung der Nierenfunktion unter oraler Antikoagulation
Die Wahl der oralen Antikoagulation hat auch Einfluss auf den Erhalt der Nierenfunktion im Zeitverlauf. Eine retrospektive Datenbankanalyse von Yao und Kollegen an 9769 VHF-Patienten untersuchte die Endpunkte ≥30 % eGFR-Abnahme, Kreatininverdopplung, akutes Nierenversagen und Nierenversagen. Zum Ende des Beobachtungszeitraumes von zwei Jahren zeigte sich nur für Rivaroxaban hinsichtlich der Verdopplung des Kreatinins ein signifikanter Vorteil gegenüber Warfarin. Das kumulierte Risiko lag unter VKA bei etwa 5 % und damit etwa doppelt so hoch wie bei dem NOAK (Abb. 8) [22].
Dabigatran und Rivaroxaban zeigten zudem einen signifikanten Vorteil beim 30%-Abfall der GFR sowie beim akuten Nierenversagen. Bei Nierenversagen war keines der NOAK signifikant besser. Apixaban zeigte in keinem der Endpunkte eine signifikante Verbesserung im Vergleich zu VKA.
VKA begünstigen Kalzifizierung der Gefäße
Die Ursache für die verstärkte Abnahme der Nierenfunktion unter Vitamin-K-Antagonisten liegt möglicherweise in der unselektiven Wirkung der Kumarine. Im Körper wird Vitamin K für die Carboxylierung von MGP (Matrix-GLA-Protein) benötigt, das freies Calcium bindet und so die Verkalkung von Gefäßen und Organen verlangsamt oder verhindert. Es gibt Hinweise, dass ein Vitamin-K-Mangel die Kalzifizierung arterieller Gefäße beschleunigt, auch in der Niere, was zu einem zunehmenden Nierenfunktionsverlust führen kann [23, 24].
Wirksamkeit und Sicherheit von NOAK versus Phenprocoumon
Die in den Phase-III-Studien dokumentierten Vorteile der NOAK gegenüber dem international gebräuchlichen Warfarin lassen sich auch auf den hierzulande üblicherweise eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon übertragen, wie erste „Real-World-Daten“ aus Deutschland zeigen. Bei der RELOADED-Studie handelt es sich um eine retrospektive Analyse einer Datenbank deutscher Krankenkassen mit 7,2 Millionen Versicherten. Es wurden knapp 65.000 Versicherte mit nv VHF untersucht, die eine Therapie mit einem NOAK oder Phenprocoumon begonnen hatten [25].
In der Rivaroxaban-Kohorte waren insgesamt 22.339 Patienten eingeschlossen, davon 5121 mit eingeschränkter Nierenfunktion, definiert als eine Auswahl spezifischer ICD-10-Codes. Für Apixaban liegen Daten von 16.201 Patienten (4750 mit eingeschränkter Nierenfunktion) vor, im Edoxaban-Arm waren 2828 (682 mit eingeschränkter Nierenfunktion) Patienten erfasst. Im Phenprocoumon-Arm waren 23.552 Patienten eingeschlossen, davon 7289 mit eingeschränkter Nierenfunktion. Die Patienten wurden durchschnittlich 1,1 Jahre lang beobachtet.
Rivaroxaban und Apixaban erwiesen sich sowohl in der Gesamtkohorte als auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz gegenüber Phenprocoumon in puncto Wirksamkeit als mindestens ebenbürtig, zeigten aber Vorteile hinsichtlich der Sicherheit. Das relative Risiko für intrakranielle Blutungen war unter den beiden NOAK um rund die Hälfte niedriger als in der Phenprocoumon-Kohorte (RR 0,57 für Rivaroxaban, RR 0,42 für Apixaban).
Dieses günstige Profil zeigte sich ebenfalls für die Subgruppen der Patienten mit Vorhofflimmern und Niereninsuffizienz. Hier zeigten die NOAK im Vergleich zu Phenprocoumon eine vergleichbare Wirksamkeit (Rivaroxaban HR 0,95 (95%-KI 0,73, 1,24); Apixaban HR 0,99 (95%-KI 0,74; 1,30)) bei einem Vorteil hinsichtlich der Sicherheit.
Tödliche Blutungen waren bei diesem Patientenkollektiv signifikant verringert (Rivaroxaban HR 0,63 (95%-KI 0,42, 0,95) und Apixaban 0,39 (95%-KI 0,24; 0,62)), intrakranielle Blutungen traten weniger häufig auf im Vergleich zu Phenprocoumon (Rivaroxaban HR 0,62 (95%-KI 0,38, 1,01) und Apixaban HR 0,41 (95%-KI 0,23; 0,74)).
Die Parameter zur Nierenfunktion zeigen außerdem, dass Rivaroxaban im zeitlichen Verlauf die Nierenfunktion besser aufrecht erhält als Phenprocoumon. Das relative Risiko, dass die Nierenfunktion bis hin zu einer terminalen Niereninsuffizienz/Dialysepflicht abnimmt, war bei dem Gesamtkollektiv unter Rivaroxaban im Vergleich zum VKA um insgesamt 66 % geringer (HR 0,34 (95%-KI 0,23, 0,51)). Bei Apixaban war das Risiko um 33 % gesenkt (HR 0,67 (95%-KI 0,49; 0,92)).
Beide NOAK konnten zudem das Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz/Dialysepflicht sowohl in der Gesamtpopulation als auch in der Population mit vorbestehender Nierenerkrankung gegenüber VKA vermindern (Rivaroxaban HR 0,27 (95%-KI 0,16, 0,43) und Apixaban HR 0,43 (95%-KI 0,29; 0,63)).
Für den Endpunkt „akutes Nierenversagen“ ergab sich nur für Rivaroxaban ein nomineller Vorteil gegenüber Phenprocoumon in der Gesamtpopulation und ebenso in der Population mit vorbestehender Nierenerkrankung.
Vorhofflimmern und Diabetes
Eine weitere relevante und zugleich weitverbreitete Komorbidität des nicht valvulären Vorhofflimmerns ist der Diabetes mellitus. Diabetespatienten erleiden häufiger einen kardiovaskulären Tod, einen nicht tödlichen Myokardinfarkt oder einen Schlaganfall als blutzuckergesunde Patienten. Ihre Mortalität ist gegenüber Nichtdiabetikern signifikant ebenfalls erhöht [26].
Auch Patienten mit manifestem Diabetes profitieren von einer Behandlung mit NOAK zur Schlaganfallprophylaxe bei einem nv VHF, wie Daten aus einer vordefinierten Subgruppenanalyse der ROCKET-AF-Studie bestätigen. Eingeschlossen in die Subgruppe waren 5695 Patienten mit nv VHF und Diabetes, analysiert wurde der Endpunkt „vaskulär bedingter Tod“. Die Ergebnisse dieser Studie geben Hinweise, dass Patienten mit nv VHF und Diabetes möglicherweise einen Vorteil hinsichtlich der kardiovaskulären Sterblichkeit hatten im Vergleich zu Warfarin [27]. Zum Vergleich: In der Gesamtanalyse von ROCKET AF zeigten sich im sekundären Wirksamkeitsendpunkt keine signifikanten Unterschiede zu Warfarin.
Hinsichtlich der Schlaganfallprävention erwies sich Rivaroxaban bei Diabetikern und Nichtdiabetikern als gleichermaßen gut wirksam. Auch im primären Sicherheitsendpunkt (schwere Blutungen und klinisch relevante, nicht schwere Blutungen) wurden keine statistischen Unterschiede zwischen Rivaroxaban und VKA beobachtet.
Die Ergebnisse einer retrospektiven Datenbankanalyse amerikanischer Krankenversicherungsdaten bestätigen diese Resultate der ROCKET-AF-Studie. Demnach traten bei Patienten mit nv VHF und Typ-1- oder Typ-2-Diabetes unter Rivaroxaban tendenziell weniger Schlaganfälle und systemische Embolien auf als unter VKA. Auch hämorrhagische Schlaganfälle waren seltener [28].
Fazit
Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, die häufig mit Komorbiditäten wie Diabetes und/oder eingeschränkter Nierenfunktion einhergeht, die ihrerseits das kardiovaskuläre Risiko steigern. Aus der erhöhten Schlaganfallgefahr ergibt sich eine Indikation zur Antikoagulation.
Aufgrund von Wirksamkeits- und Sicherheitsvorteilen, auch bei zugrunde liegenden Komorbiditäten wie Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz, sollen bei der Neueinstellung von nv VHF-Patienten bevorzugt NOAK statt der früher üblichen Vitamin-K-Antagonisten zum Einsatz kommen [10, 29].
Real-World-Daten aus Deutschland bestätigen einen Sicherheitsvorteil der NOAK gegenüber Phenprocoumon bei vergleichbarer Wirksamkeit. Rivaroxaban und Apixaban zeigen einen Vorteil hinsichtlich terminaler Niereninsuffizienz /Dialysepflicht gegenüber Phenprocoumon, jedoch nur Rivaroxaban auch bei akutem Nierenversagen.