COPD ist bei beiden Geschlechtern weitverbreitet
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) steht in Deutschland auf Platz 4 der häufigsten Todesursachen – nach ischämischer Herzerkrankung, Schlaganfall und Lungenkrebs. In der Vergangenheit ging man davon aus, dass COPD vor allem ältere Männer mit Raucherhintergrund betrifft. Inzwischen ist klar, dass Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen sind und dass Rauchen zwar der Hauptrisikofaktor ist, aber auch Menschen, die nie geraucht haben, an COPD erkranken können. Das Wissenschaftliche Institut der AOK hat ermittelt, dass im Jahr 2022 in Deutschland 7 % der Gesamtbevölkerung mit der Diagnose COPD lebten. Die Prävalenz bei Frauen lag mit 6,22 % nur geringfügig unter der der Männer mit 7,87 %. Allerdings wird die COPD bei Frauen häufiger falsch oder unzureichend diagnostiziert. Die Zahl der tatsächlich an COPD erkrankten Frauen könnte daher höher liegen. Bis zu 30 % aller Menschen, bei denen eine COPD diagnostiziert wird, haben nie geraucht. Die überwiegende Mehrheit dieser Nieraucher, fast 80 %, sind Frauen. Daher kann die Identifizierung von anderen Risikofaktoren als Rauchen bei COPD-Patientinnen von besonderer Bedeutung sein. Zu diesen Risiken gehören neben Passivrauchen vor allem Atemwegserkrankungen wie Asthma und Tuberkulose in der Vorgeschichte sowie die Exposition gegenüber Staub und Dämpfen am Arbeitsplatz, in der Landwirtschaft oder im Haushalt.
Gibt es einen weiblichen und einen männlichen COPD-Phänotyp?
Tatsächlich werden bei Männern und Frauen mit COPD unterschiedliche Symptome und Verläufe beobachtet: Im Vergleich zu männlichen COPD-Patienten klagen gleichaltrige Frauen mit COPD stärker über Atemnot oder Kurzatmigkeit und seltener über Husten und Auswurf – bei gleichem COPD-Schweregrad. Frauen fühlen sich durch die COPD körperlich stärker beeinträchtigt und haben eine schlechtere Lebensqualität als Männer. Bei Raucherinnen kommt es außerdem zu einer schnelleren jährlichen Abnahme der Lungenfunktion als bei männlichen Rauchern. In mehreren Studien wurden auch unterschiedliche Komorbiditäten bei Männern und Frauen festgestellt, wobei Frauen offenbar häufiger unter Angstzuständen, Depressionen und Osteoporose leiden, Männer hingegen häufiger an kardiovaskulären Erkrankungen.
Was versteht man eigentlich unter Exazerbation der COPD?
Im aktuellen Report der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease” (GOLD) wird eine Exazerbation der COPD definiert „als ein Ereignis, das durch verstärkte Dyspnoe und/oder Husten und Auswurf gekennzeichnet ist und sich innerhalb von weniger als 14 Tagen verschlimmert und von Tachypnoe und/oder Tachykardie begleitet sein kann”. Griffiger und näher an der klinischen Praxis ist die frühere Definition im GOLD-Report aus dem Jahr 2021. Darin werden Exazerbationen bei COPD-Patienten definiert als Episoden mit zunehmenden Atemwegsbeschwerden, insbesondere Dyspnoe, Husten, Keuchen, mit vermehrtem Auswurf und Eiter im Sputum. Die Symptome bestehen meist für 7–10 Tage, wobei manche Ereignisse auch länger andauern können. Der Schweregrad der Exazerbation kann anhand der benötigten Therapie bestimmt werden. Demnach wird die Exazerbation als „leicht” eingestuft, wenn der Patient nur mit inhalativen kurz wirksamen Bronchodilatatoren behandelt wird. Die Exazerbation gilt als „moderat”, wenn der Patient außerdem Antibiotika und/oder systemische Kortikosteroide erhält, und als „schwer” bei Hospitalisierung oder Aufsuchen der Notaufnahme.
Exazerbationen sind häufig, bleiben aber oft unerkannt
In mehreren großen Kohortenstudien haben bis zu 70 % der Patienten mindestens eine akute Exazerbation (AECOPD) innerhalb mindestens eines Jahres erlebt. Die AECOPD wird jedoch von den Patienten im Allgemeinen nur unzureichend erkannt und beim Arztbesuch nicht angesprochen, was dazu beiträgt, dass ihre tatsächliche Häufigkeit unterschätzt wird. Das Erkennen einer Exazerbation stellt selbst für Spezialisten oft eine Herausforderung dar. Gründe sind die Heterogenität der Symptommuster, die unterschiedliche Wahrnehmung der Symptome durch den Patienten, „übliche” tägliche Schwankungen der Beschwerden, das Vorhandensein von Komorbiditäten und das Fehlen objektiver Messungen oder Biomarker zur Definition einer echten Exazerbation. Zudem fehlt manchmal schlichtweg die Zeit für eine ausführliche Befragung.
Mithilfe des MEP-Fragebogens Exazerbationssignale erkennen
Der MEP-Fragebogen (Monitoring of Exacerbation Probability) kann eine wertvolle Unterstützung beim Erkennen von stattgefundenen Exazerbationen bieten. Der COPD-Patient wird gebeten, den Fragebogen zu Hause vor dem nächsten Kontrolltermin auszufüllen und mitzubringen. Wenn auch nur eine Frage mit „Ja” beantwortet wird, zeigt dies mit einer Sensitivität von 91 % an, dass eine Exazerbation wahrscheinlich ist oder war. Wird die Anzahl der Ja-Antworten im Fragebogen als MEP-Score (0–5) in der Patientenakte vermerkt, erhält man im Laufe der Zeit einen Überblick über mögliche Exazerbationstendenzen. So kann gegebenenfalls frühzeitig die Therapie angepasst werden, um z. B. mit einer Triple-Therapie weiteren Exazerbationen entgegenzuwirken. Der MEP-Fragebogen kann als Kopiervorlage kostenlos heruntergeladen werden. Der MEP-Score kann nur eine stattgefundene Exazerbation anzeigen. Ob es tatsächlich zu einer Exazerbation gekommen ist, muss immer in einem ausführlichen Gespräch verifiziert oder falsifiziert werden.
Diagnose einer akuten Exazerbation (AECOPD)
Um eine AECOPD zu diagnostizieren, müssen zunächst andere Ursachen für die Symptome des Patienten ausgeschlossen werden. Es gibt mindestens 28 Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie eine AECOPD aufweisen können. Pneumonie, Lungenembolie und die Verschlechterung einer Herzinsuffizienz sind die häufigsten Ereignisse, die eine AECOPD imitieren können. Untersuchungen, die bei der Eingrenzung der Diagnose hilfreich sein können, sind eine Röntgenaufnahme des Thorax, die Bestimmung der D-Dimere und des „N-terminal pro-brain natriuretic peptide” (NT-proBNP). Zu den empfohlenen diagnostischen Schritten bei Verdacht auf eine AECOPD gehören die Beurteilung von Atemfrequenz, Sputumvolumen und -farbe, die Pulsoxymetrie und gegebenenfalls die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP). Die Bestimmung der arteriellen Blutgase wird in der Regel in der Notaufnahme oder im Krankenhaus durchgeführt, um festzustellen, ob eine Beatmung erforderlich ist.
Was sind Auslöser und Risikofaktoren für eine Exazerbation?
Eine Vielzahl von Faktoren kann COPD-Exazerbationen begünstigen, darunter Atemwegsinfektionen, Umweltschadstoffe, frühere Exazerbationen in der Anamnese, mangelnde Therapietreue und das Vorliegen relevanter Komorbiditäten. Die häufigsten Auslöser für Exazerbationen sind virale Atemwegsinfektionen. Das bedeutet, dass auch vermeintlich banale Infekte schwerwiegende Folgen haben können und möglichst vermieden werden sollten, z. B. durch häufiges Händewaschen und Tragen eines Mundschutzes, wenn eine Ansteckungsgefahr für den Patienten besteht. Auch eine bakterielle Infektion kann eine Exazerbation auslösen; außerdem können Viren und Bakterien gemeinsam auftreten. Risikofaktoren für eine Exazerbation sind u. a. ein hoher Schweregrad der COPD, das Vorliegen von Komorbiditäten, eine höhere Symptombelastung, Untergewicht, geringe körperliche Aktivität, höhere Entzündungswerte und eine höhere Anzahl von Eosinophilen im Blut. Der stärkste Prädiktor für das Auftreten von Exazerbationen sind jedoch wiederholte Exazerbationen in der Anamnese.
Frauen mit COPD haben ein höheres Exazerbationsrisiko
Um herauszufinden, ob sich das Exazerbationsrisiko zwischen Männern und Frauen unterscheidet, wurden die digitalen Patientenakten von mehr als 22.000 neu diagnostizierten COPD-Patienten und -Patientinnen in Großbritannien analysiert. Dabei zeigte sich, dass das Risiko für eine erste moderate oder schwere Exazerbation bei weiblichen COPD-Patienten um 17 % höher war als bei männlichen. Nach der COPD-Diagnose vergingen bei den Frauen 504 Tage und bei den Männern 637 Tage bis zur ersten moderaten oder schweren Exazerbation. Auch die Zahl der moderaten und schweren Exazerbationen in den ersten drei Jahren der Nachbeobachtung war bei Frauen höher als bei Männern. Diese Unterschiede waren in der jüngeren Altersgruppe von 40 bis <65 Jahren am stärksten ausgeprägt.
Exazerbationen verschlechtern die Prognose
Exazerbationen der COPD können erhebliche Auswirkungen haben, nicht nur auf den Zeitraum, in dem die Exazerbation andauert, sondern auch auf die längerfristige Prognose. Bereits eine einzige COPD-Exazerbation kann die Lungenfunktion deutlich verschlechtern, die Lebensqualität verringern und das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und Mortalität erhöhen. In einer kanadischen Kohortenstudie starben etwa 50 % der COPD-Patienten innerhalb von 3,6 Jahren nach ihrer ersten schweren, d. h. stationär behandelten, Exazerbation. Insgesamt muss von einer 5-Jahres-Sterblichkeit von 50 % nach einer schweren Exazerbation ausgegangen werden. Die hohe Sterblichkeit ist vor allem auf die kardiovaskulären Folgen der COPD-Exazerbationen zurückzuführen.
Exazerbationen haben oft kardiovaskuläre Folgen
Menschen mit COPD haben im Allgemeinen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD). Der Zusammenhang zwischen CVD und COPD lässt sich durch gemeinsame Risikofaktoren und pathophysiologische Mechanismen wie systemische Inflammation, pulmonale Hyperinflation und Endothelschädigung erklären. Das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (akutes Koronar-syndrom, dekompensierte Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Arrhythmien) oder Tod nach moderater oder schwerer Exazerbation wurde im Rahmen des internationalen EXACOS-CV-Programmes untersucht. Dabei handelt es sich um mehrere retrospektive Kohortenstudien, u. a. in Kanada, in den Niederlanden, in Spanien und Deutschland, in denen routinemäßig erhobene Patientendaten analysiert wurden. In der deutschen Kohorte mit mehr als 126.000 COPD-Patienten erlitten 38,6 % nach einer Exazerbation innerhalb der medianen Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten ein schweres akutes kardiovaskuläres Ereignis oder verstarben. Das Risiko für CVD und Tod war in den ersten sieben Tagen nach Auftreten einer schweren Exazerbation deutlich erhöht (1–7 Tage: HR 15,84) und blieb bis zu einem Jahr lang erhöht (181–365 Tage: HR 1,17). Nach einer moderaten Exazerbation hatten die Patienten in der akuten Phase ebenfalls ein erhöhtes Risiko für CVD und Tod (HR 1,17), das für mindestens 30 Tage anhielt.
CVD-Ereignisse in immer kürzeren Abständen
Jede weitere Exazerbation verkürzte die Zeit zwischen der Exazerbation und dem ersten schweren CVD-Ereignis: Bei Patienten ohne Exazerbation betrug die mediane Zeit bis zum ersten kardiovaskulären Ereignis oder Tod 10,5 Monate. Bei Patienten, die mindestens eine Exazerbation vor einem kardiovaskulären Ereignis oder Tod erlitten, betrug die mediane Zeit zwischen einer Exazerbation und dem Ereignis nur noch einen Monat nach einer ersten Exazerbation, 0,7 Monate nach einer zweiten und 0,6 Monate nach einer dritten Exazerbation.
Lungenfunktionsverlust als Vorbote einer Exazerbation
In der 52-wöchigen WISDOM-Studie führten Patienten mit schwerer COPD, die mit einer dualen Bronchodilatation oder einer Triple-Therapie behandelt wurden, nach einer entsprechenden Schulung täglich eine Heim-Spirometrie durch. Dadurch bot sich die Möglichkeit, die Veränderungen der Lungenfunktion (FEV1) zu untersuchen, die vor und unmittelbar nach einer Exazerbation auftraten. Die Patienten waren überwiegend männlich (ca. 79 %), durchschnittlich ca. 64 Jahre alt und hatten zu Studienbeginn einen niedrigen FEV1-Wert nach Bronchodilatation (ca. 33 % vorhergesagt). Die Auswertung der spirometrischen Daten zeigte eine Verschlechterung der Lungenfunktion etwa zwei Wochen vor dem Auftreten von Symptomen einer AECOPD. Nach der Exazerbation verbesserte sich der mittlere FEV1-Wert wieder, erreichte aber nicht mehr das vorherige Niveau.
Zeitfenster zur Früherkennung einer AECOPD
Analog der Devise „time is brain” für eine möglichst frühzeitige Intervention beim Schlaganfall, sollte für COPD-Patienten das Prinzip „time is lung” gelten. Möglicherweise lässt sich zur Früherkennung einer Exazerbation das Zeitfenster von etwa zwei Wochen nutzen, in dem sich eine AECOPD durch den FEV1-Verlust ankündigt. Allerdings kann dies wohl nur bei Patienten erfolgen, die täglich zu Hause ihre Lungenfunktion spirometrisch messen. Auch könne es sein, dass sich nicht jede Exazerbation durch einen FEV1-Abfall zwei Wochen vorher ankündigt, schränken die Autoren der WISDOM-Studie ein. Somit bleibt die Vorhersage und Frühdiagnose einer AECOPD eine Herausforderung.
SABA-Gebrauch als Indikator für drohende AECOPD
Einen weiteren Hinweis auf eine AECOPD kann der zunehmende Gebrauch von SABA-Notfallsprays liefern. Dies ergab eine Post-hoc-Analyse der ETHOS-Studie, an der über 8500 Patienten mit moderater bis schwerer COPD teilnahmen, die im Jahr vor Studienbeginn mindestens eine Exazerbation erlitten hatten. Die Teilnehmer wurden entweder mit einer Triple-Therapie (LABA+LAMA+ICS) oder mit einer Zweifachkombination (LABA+LAMA oder LABA+ICS) behandelt. Bei Bedarf war eine Behandlung mit kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika (SABA) als rasch wirkende Notfallmedikation erlaubt. Der durchschnittliche SABA-Gebrauch stieg 30 Tage vor einer AECOPD von 3,5–3,9 Hübe pro Tag schließlich bis auf 4,9–5,5 Hübe pro Tag an. Insbesondere in den sieben Tagen vor einer AECOPD war der SABA-Gebrauch deutlich angestiegen. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, sich umgehend in der Praxis zu melden, wenn sie einen vermehrten Notfallspraygebrauch registrieren.
Prädiktive Biomarker zur Vorhersage einer AECOPD
Zur Vorhersage der Entwicklung von Exazerbationen bei COPD wurden zahlreiche Biomarker untersucht. C-reaktives Protein (CRP) und Procalcitonin erwiesen sich aufgrund mangelnder Sensitivität, Spezifität und Vorhersagekraft als ungeeignet. Zudem erschweren widersprüchliche Ergebnisse und das Fehlen einer Validierung bisher ihre Anwendung in der klinischen Praxis. Die anfangs als Kandidaten gehandelten Akutphaseproteine Fibrinogen und Alpha-2-Makroglobulin erfüllten die Anforderungen an prädiktive Biomarker ebenfalls nicht. Auch wurde die Eosinophilenzahl im Blut zur Vorhersage künftiger Exazerbationen untersucht, jedoch mit widersprüchlichen Ergebnissen: Während einige Studien keine Korrelation fanden, berichteten andere über eine positive Assoziation. Laut GOLD-Report 2024 reicht die derzeitige Evidenz nicht aus, um die Bluteosinophilen zur individuellen Exazerbationsprognose bei COPD-Patienten heranzuziehen. Die Anzahl der Eosinophilen im Blut wird jedoch als Orientierungshilfe für den Einsatz von ICS im Rahmen der medikamentösen Therapie empfohlen. Da bisher keine frühen und zuverlässigen Biomarker identifiziert werden konnten, bleibt eine bereits stattgefundene AECOPD der stärkste prädiktive Faktor.
Zunahme von Exazerbationen vor dem Tod
In einer großen deutschen Beobachtungsstudie wurden unter anderem Gesamtmortalität und Exazerbationen innerhalb von zwölf Monaten vor dem Tod von COPD-Patienten untersucht. Dazu wurden die Krankenversicherungsdaten von über 250.000 Patienten mit einer COPD-Diagnose ausgewertet. Die Patienten hatten gegenüber einer gleichaltrigen Kontrollgruppe ohne COPD, aber mit vergleichbaren Komorbiditäten, ein um etwa 60 % höheres Sterberisiko. Das höchste kumulative Sterberisiko hatten Patienten mit mehreren moderaten oder schweren Exazerbationen in der Vorgeschichte. Von den verstorbenen COPD-Patienten hatten 17,2 % in den letzten drei Monaten vor dem Tod eine schwere und 34,8 % eine moderate Exazerbation erlitten.
Die Hälfte der Patienten blieb unbehandelt
In derselben Studie wurde analysiert, wie die COPD-Patienten in dem Jahr vor ihrem Tod medikamentös behandelt wurden – mit alarmierendem Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Patienten erhielt nicht die in Leitlinien empfohlene pharmakologische COPD-Erhaltungstherapie – trotz zunehmender Exazerbationshäufigkeit. Warum ein so großer Teil der Hochrisikopatienten keine leitliniengerechte COPD-spezifische Behandlung erhielt, konnte nicht ermittelt werden. Auch eine aktuelle Befragung von niedergelassenen Hausärzten und von Lungenfachärzten weist auf Defizite in der Versorgung der COPD hin. Obwohl viele der befragten Ärzte der Exazerbation eine dem Myokardinfarkt vergleichbare Bedeutung beimessen, werden Exazerbationen meist nicht systematisch erfasst, und eine Therapieeskalation erfolgt eher spät.
Medikamentöse Behandlung der AECOPD
Die empfohlene Pharmakotherapie der AECOPD umfasst inhalative Bronchodilatatoren, systemische Kortikosteroide und – falls indiziert – Antibiotika:
Antiobstruktive Therapie
Zur initialen symptomatischen Behandlung der AECOPD werden kurz wirksame inhalative Beta-2-Agonisten (SABA) zusätzlich zur COPD-Erhaltungstherapie empfohlen. Diese können alleine oder in Kombination mit kurz wirksamen Anticholinergika (SAMA) eingesetzt werden. Die Inhalation kann mithilfe eines Dosieraerosols verbunden mit einem Spacer erfolgen oder über einen Vernebler. Dabei ist die Vernebelung mit Druckluft gegenüber derjenigen mit Sauerstoff zu bevorzugen, um das damit verbundene potenzielle Risiko einer Erhöhung des Kohlendioxidpartialdruckes (PaCO2) zu vermeiden.
Orale Kortikosteroide (OCS)
Systemische Kortikosteroide verbessern Lungenfunktion und Sauerstoffversorgung, können die Erholungszeit und die Dauer eines AECOPD-bedingten Krankenhausaufenthaltes verkürzen und das Risiko eines frühen Rückfalles und eines Behandlungsversagens verringern. Empfohlen wird eine Dosis von 40 mg Prednison-Äquivalent pro Tag für maximal fünf Tage. Eine längere Behandlung mit OCS bei AECOPD ist mit einem erhöhten Risiko für Pneumonie und Mortalität assoziiert. Außerdem ist es nicht notwendig, die OCS-Kurzzeittherapie auszuschleichen, was die Behandlung vereinfacht.
Antibiotika in ausgewählten Fällen
Antibiotika sollen nur bei Patienten mit klinischen Anzeichen einer bakteriellen Infektion zum Einsatz kommen. Der GOLD-Report empfiehlt, sich an den Kardinalsymptomen zu orientieren. Demnach soll eine Antibiose nur erfolgen, wenn der Patient folgende drei Kardinalsymptome aufweist: 1. Zunahme der Dyspnoe, 2. Zunahme des Sputumvolumens und 3. Sputumpurulenz oder mindestens zwei der Kardinalsymptome, wenn die Zunahme der Sputumpurulenz eines davon ist. Darüber hinaus werden Antibiotika für mechanisch beatmete Patienten empfohlen. Andere Indikatoren, wie erhöhte CRP- oder Procalcitonin-(PCT-)Spiegel, werden im GOLD-Report kontrovers diskutiert. Dennoch könnte PCT als Biomarker zur Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Ursachen von AECOPD eine wichtige Rolle spielen und so unnötige Antibiotikatherapien verhindern. Eine retrospektive Studie zeigte, dass bei Patienten, die mit nicht schwerer AECOPD und niedrigen PCT-Konzentrationen von <0,25 µg/ml ins Krankenhaus eingeliefert wurden, eine Antibiotikatherapie über 24 Stunden hinaus nicht zu einem besseren Outcome führte. In der Regel sollte die Antibiotikatherapie nicht länger als fünf Tage dauern.
In diesen Fällen besser ins Krankenhaus einweisen
Indikationen für eine Krankenhauseinweisung umfassen schwere Symptome wie Verschlechterung der Dyspnoe in Ruhe, Tachypnoe, verringerte Sauerstoffsättigung, Verwirrtheit und Schläfrigkeit. Weitere Gründe sind akutes Atemversagen und schwerwiegende Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz oder neu aufgetretene Arrhythmien. Unzureichende häusliche Unterstützung kann ebenfalls eine Einweisung bei einer AECOPD erforderlich machen.
Empfehlungen für die COPD-Erhaltungstherapie
Die derzeitige pharmakologische Standardtherapie der COPD umfasst kurz und lang wirksame Anticholinergika (SAMA oder LAMA), kurz und lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (SABA oder LABA) und bei schwererer Erkrankung zusätzlich antiinflammatorische inhalative Kortikosteroide (ICS). Der GOLD-Report empfiehlt die Eskalation auf eine inhalative Triple-Therapie (ICS+LABA+LAMA) bei Patienten, die unter einer Erhaltungstherapie mit einem oder zwei Bronchodilatatoren wiederholt exazerbieren. Zur Entscheidung über den Einsatz einer Triple-Therapie soll die Eosinophilenzahl im Differenzialblutbild als Biomarker herangezogen werden, da sie einen prädiktiven Wert für den klinischen Erfolg einer ICS-haltigen Therapie bietet. Darüber hinaus wird der Einsatz einer Triple-Therapie als Erstbehandlung bei Patienten mit zwei oder mehr moderaten Exazerbationen oder einer schweren Exazerbation im letzten Jahr und mit ≥300 Eosinophilen pro µl Blut empfohlen. Die Eosinophilenzahl sollte daher einmal zu Beginn der Therapie und dann in regelmäßigen Abständen unter der Therapie bestimmt werden, um diejenigen Patienten zu identifizieren, die von einer Therapieeskalation profitieren.
Reduktion der Mortalität durch Triple-Therapie
Daten aus den randomisierten, kontrollierten Studien IMPACT und ETHOS haben gezeigt, dass die Triple-Therapie bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD und mit Exazerbationen in der Anamnese das Exazerbationsrisiko und das Mortalitätsrisiko im Vergleich zur dualen bronchodilatatorischen Therapie reduziert. Der aktuelle GOLD-Report empfiehlt daher eine Triple-Therapie, um das Mortalitätsrisiko dieser Patienten zu senken. Die Triple-Therapie mit einem Inhalator („single-inhaler triple therapy”, SITT) war in Real-World-Studien im Vergleich zu mehreren Inhalatoren („multiple-inhaler triple therapy”, MITT) mit einer besseren Adhärenz und Persistenz assoziiert. Darüber hinaus zeigte die SITT eine signifikant stärkere Verbesserung der Lungenfunktion, ein geringeres Exazerbationsrisiko und ein geringeres Gesamtmortalitätsrisiko nach zwölf Monaten. In der EU sind derzeit drei verschiedene fixe Dreifachkombinationen bei Patienten mit moderater bis schwerer COPD zugelassen, die mit einer dualen Kombination (LABA+LAMA oder ICS+LABA) nicht ausreichend eingestellt sind. Auch nicht medikamentöse Maßnahmen wie Raucherentwöhnung, pulmonale Rehabilitation, Langzeitsauerstofftherapie und in bestimmten Fällen chirurgische Interventionen können einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Sterblichkeit leisten.
Frauen bei Triple-Therapie benachteiligt
Wie die Real-World-Studie PRIMUS (Prompt Initiation of Maintenance Therapy in the US) zeigte, wurden weibliche COPD-Patienten nach einer Exazerbation häufiger verzögert (31–180 Tage nach dem Ereignis) oder sehr verzögert (181–365 Tage) mit einer Triple-Therapie behandelt als männliche Patienten. Es zeigte sich, dass jede Verzögerung der Triple-Therapie um 30 Tage mit einer um 11 % erhöhten Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Exazerbation assoziiert war. Wird die Triple-Therapie hingegen innerhalb von 30 Tagen nach einem COPD-Krankenhausaufenthalt begonnen, können die Patienten von einem reduzierten Exazerbationsrisiko profitieren.
Beide Geschlechter profitieren von adäquater Therapie
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Frauen mit COPD in der inhalativen Therapie anders behandelt werden sollten als gleichaltrige Männer. Auch bei der nicht pharmakologischen Behandlung der COPD gibt es keine Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung. Allerdings haben Frauen größere Schwierigkeiten, mit dem Rauchen aufzuhören und werden häufiger rückfällig. Nach erfolgreichem Rauchstopp ist der Anstieg der FEV1 bei Frauen jedoch größer als bei Männern.
Fazit
COPD-Exazerbationen sind zentrale Ereignisse im Krankheitsverlauf und haben weitreichende Folgen, die weit über die Lunge hinausgehen. Sie verschlechtern nicht nur die Lungenfunktion und Lebensqualität, sondern erhöhen auch das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und für Mortalität erheblich. Diese systemischen Auswirkungen unterstreichen die Bedeutung eines präventiven Ansatzes im COPD-Management. Das Erkennen und Erfassen von Exazerbationsrisiken, eine konsequente, leitliniengerechte Therapie und eine rechtzeitige Eskalation der inhalativen Dauertherapie sind essenziell, um Exazerbationen vorzubeugen und ihre langfristigen Auswirkungen zu minimieren.
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