Verbesserte Versorgung der nAMD-Patienten durch hilfreiche Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung

Die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM) von Anti-VEGF-Medikamenten hat die Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration revolutioniert und verhilft den meisten Patienten zur Stabilisierung oder Verbesserung ihres Sehvermögens. Gleichzeitig stellt sie – auch angesichts steigender Patientenzahlen – die Augenheilkunde vor große logistische Herausforderungen. Im Rahmen eines Best-Practice-Projektes mit erfahrenen IVOM-Anwendern aus ganz Deutschland wurden nun Erkenntnisse zur IVOM-Patientenversorgung erhoben und daraus mit Experten konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, die zu einer effizienten Versorgung beitragen können.

Erfahren Sie hier, wie es um die Versorgung der nAMD-Patienten in Deutschland bestellt ist, welche Optimierungsmöglichkeiten sich zur weiteren Verbesserung anbieten und wie sich diese in Ihren Praxisalltag integrieren lassen.

Victoria Pollig - optimed
Nur die Umsetzung ungewohnter Dinge bringt am Ende die Veränderung.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709121035110019
Zeitraum 20.04.2021 - 19.04.2022
Zertifiziert in D, A, CH
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Victoria Pollig
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (Webcast)
Lernmaterial Vortrag (49:07 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.2 (185)

Einführung

Die neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD), eine progressive chronische Erkrankung der Makula, ist in Industrienationen die Hauptursache für eine Erblindung bei Menschen über 50 Jahren. Unbehandelt führt sie zu voranschreitenden Visusverlusten, in deren Folge sich auch die Lebensqualität der Betroffenen zunehmend verschlechtert [1]. Die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM) von Anti-VEGF-Medikamenten (VEGF: Vascular Endothelial Growth Factor) ist heute als Standardtherapie etabliert und verhilft den meisten Patienten zu einer Stabilisierung oder Verbesserung ihres Sehvermögens [2]. Allerdings werden im klinischen Alltag die beeindruckenden Behandlungserfolge aus klinischen Studien häufig nicht erreicht. Die Ursachen dafür sind vielfältig: So können ein verspäteter Behandlungsbeginn, Verzögerungen bei der Wiederbehandlung, unregelmäßige Therapieintervalle sowie mangelnde Therapieadhärenz der Patienten zur Folge haben, dass die gewünschten Visusergebnisse nicht erreicht werden [3–8]. Im Umkehrschluss sind also ein schneller Behandlungsbeginn, gefolgt von einer konsequenten und regelmäßigen Versorgung mit einer individuell erforderlichen Anzahl an Anti-VEGF-Injektionen ausschlaggebend für gute Therapieerfolge. Um dies im Praxisalltag zuverlässig leisten zu können, gilt es daher, Praxisabläufe und Therapieprozesse optimal zu gestalten und dabei gleichzeitig die Belastung der Patienten durch die Therapie (Behandlungslast) möglichst zu minimieren. Welche Stellschrauben sich zur Prozessoptimierung und zur Verbesserung der Patientenversorgung anbieten und wie sich dies erfolgreich im Praxisalltag umsetzen lässt, zeigen die Erkenntnisse eines bundesweiten Best-Practice-Projektes zur IVOM-Patientenversorgung in Deutschland.

Best-Practice-Projekt – Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung

Im Rahmen dieses Projektes wurden in 29 ophthalmochirurgischen Zentren aus ganz Deutschland relevante Daten zur Beurteilung sowohl der IVOM-Patientenversorgung als auch des IVOM-Prozesses erhoben und analysiert. Die beteiligten Zentren führen jährlich insgesamt 75.000 IVOM durch – wobei in knapp 80 % dieser Zentren zwischen 1000 und 5000 IVOM pro Jahr erfolgen – und liefern so ein realistisches Abbild der IVOM-Versorgung in Deutschland. Zur Beurteilung der Qualität der IVOM-Versorgung wurden anhand der Patientenakten die folgenden, sogenannten „Versorgungskennzahlen“ erhoben: Die Dauer zwischen Diagnose und erster Injektion, die Soll-Ist-Abweichung des Injektionstermins sowie die Anzahl der durchgeführten Injektionen pro Patient im ersten Behandlungsjahr (Abb. 1). Diese Kennzahlen geben Aufschluss darüber, wie zeitlich adäquat, wie häufig und wie regelmäßig Injektionen beim Patienten erfolgen. Sie sind daher relevant für eine langfristig günstige Visusentwicklung und liefern somit Erkenntnisse zur Beurteilung der Versorgungsqualität. Zur Beurteilung der Qualität der IVOM-Prozesse wurden zudem auch die in den Zentren praktizierten IVOM-Abläufe erfasst und daraus sogenannte „Prozesskennzahlen“ ermittelt. Dazu wurde mithilfe eines digitalen Patienten-Tracking-Systems vor Ort anonymisiert erfasst, wie viel Zeit bestimmte Abschnitte des IVOM-Prozesses in Anspruch nehmen. Der IVOM-Prozess gliedert sich – unabhängig davon, ob die Anti-VEGF-Injektionen im Rahmen eines „pro re nata“-(PRN-)Schemas oder eines „Treat and Extend-“(T&E-)Schemas durchgeführt werden – in einen konservativen und einen chirurgischen Teil. Für beide Teile wurden Prozess- und Wartezeiten für den Patienten erfasst und analysiert. Dabei ist als „Prozesszeit“ die Zeit definiert, in der aktiv etwas mit dem Patienten geschieht (Diagnostik, gesamter OP-Prozess, Befundbesprechung etc.), während der Patient in der „Wartezeit“ lediglich auf den nächsten Prozessschritt wartet. Addiert man die Wartezeit zur Prozesszeit erhält man die „Durchlaufzeit“, also die Zeit, in der sich der Patient vom Betreten bis zum Verlassen in der Praxis oder im OP-Zentrum befindet. Aus der Summe der Durchlaufzeit des konservativen und des chirurgischen Prozessteils ergibt sich die „Gesamtdurchlaufzeit“, die ein Patient im gesamten IVOM-Prozess verbringt. Anhand dieser Prozesskennzahlen kann die Behandlungslast für Patienten und Angehörige abgeschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass kurze Durchlaufzeiten in einer geringeren Behandlungslast resultieren und somit dazu beitragen, die Adhärenz des Patienten zur IVOM-Therapie aufrechtzuerhalten bzw. zu verbessern. Eine Verbesserung der Prozesskennzahlen kann daher zu verbesserter Adhärenz der Patienten beitragen und in der Folge wiederum einen positiven Effekt auf die Versorgungskennzahlen haben.

Injektionszahlen – doch besser als oftmals gedacht

Überraschend gute Ergebnisse liefert das Best-Practice-Projekt hinsichtlich der Versorgungslage der Patienten in Deutschland: So erhielten die Patienten mit der Diagnose nAMD in den teilnehmenden Zentren im ersten Behandlungsjahr im Mittel 7,6 Injektionen und wurden somit adäquat behandelt. Im Vergleich zu vielen Real-World-Untersuchungen – wie etwa der AURA-Studie, in der für deutsche IVOM-Zentren durchschnittlich 4,3 Injektionen jährlich ermittelt wurden [9] – scheint sich die Versorgungslage der nAMD-Patienten in Deutschland somit insgesamt deutlich verbessert zu haben. Dabei zeigte sich auch, dass die Injektionsfrequenz durch eine kurze Gesamtdurchlaufzeit positiv beeinflusst werden kann: Zentren, in denen effiziente Prozesse dafür sorgen, dass die zeitliche Belastung für den Patienten möglichst gering gehalten wird, erreichen eine höhere Injektionsfrequenz als Zentren mit einer längeren Gesamtdurchlaufzeit. Dies legt nahe, dass effiziente Abläufe zu einer besseren Adhärenz und in der Folge auch zu einer besseren Versorgung der Patienten beitragen.

Höhere Injektionsfrequenz und weniger Therapieabweichung bei T&E

Deutliche Unterschiede hinsichtlich der Versorgungslage ergaben sich je nachdem, welches Therapieschema angewendet wurde. Die Patienten, die nach dem T&E-Schema behandelt wurden, erhielten im ersten Behandlungsjahr signifikant mehr Injektionen als Patienten, die nach dem PRN-Schema behandelt wurden (im arithmetischen Mittel 8,6 vs. 7,3). Dabei ist hervorzuheben, dass selbst die minimale Injektionszahl in T&E-Zentren mit 7,6 Injektionen noch über dem Mittelwert der PRN-Zentren liegt. Zudem traten in den T&E-Zentren auch geringere zeitliche Therapieabweichungen auf: In den Zentren, in denen die Patienten nach T&E-Schema behandelt wurden, lag die durchschnittliche Abweichung bei 5,8 Tagen, während sie in den PRN-Zentren im Mittel bei 6,8 Tagen lag. Noch deutlichere Abweichungen zeigen sich bei genauerer Betrachtung einer 3er-Serie des PRN-Schemas. So wird die erste Injektion einer 3er-Serie im Mittel 16,8 Tage später und somit um über zwei Wochen verzögert durchgeführt. Dies bedeutet eine Ausweitung des geplanten Therapieintervalls um 50 %. Erklären lässt sich dieser Unterschied vermutlich mit der besseren Planbarkeit des T&E-Schemas. Während bei der Behandlung nach PRN bei einer positiven Re-Indikationsstellung eigentlich noch am gleichen Tag eine sofortige Weiterbehandlung indiziert ist, fehlt es allerdings in der Realität oftmals an kurzfristig verfügbaren OP-Ressourcen in den Zentren. Daher erhalten die Patienten oftmals einen Injektionstermin, der erst Tage später als der eigentlich geplante Termin liegt. Bei der Behandlung nach T&E ist dieser Engpassfaktor dadurch beseitigt, dass alle Injektionen schon mindestens 4 Wochen und bis zu 16 Wochen im Voraus planbar sind. Eine kurzfristige Terminvergabe ist daher beim T&E-Schema nicht notwendig, und der Ressourcenbedarf kann frühzeitig kalkuliert werden – mit geringeren zeitlichen Therapieabweichungen in der Folge.

40 % der Zentren injizieren erst mehr als 14 Tagen nach der Verdachtsdiagnose

Auch wenn die Injektionsfrequenz im ersten Behandlungsjahr zwar für eine adäquate Versorgung der nAMD-Patienten im Praxisalltag spricht, zeigen die Ergebnisse des Best-Practice-Projektes dennoch, dass die erste Injektion häufig zu spät erfolgt. Studien legen nahe, dass der Abstand zwischen erster Verdachtsdiagnose und erster IVOM nicht mehr als 14 Tage betragen sollte, um den Therapieerfolg nicht zu gefährden [5]. So erreichten die 1333 Patienten der OCEAN-Studie, bei denen ein zügiger Behandlungsbeginn innerhalb der ersten 14 Tage nach Diagnosestellung erfolgte, bessere Visusergebnisse als Patienten mit späterem Therapiebeginn. Im Rahmen des Best-Practice-Projektes vergingen allerdings zwischen der Diagnose und der ersten IVOM im Durchschnitt 14,2 Tage. In 40 % der Zentren erfolgte die erste Injektion sogar mit mehr als zwei Wochen Verzögerung und damit außerhalb der visuskritischen 14-Tages-Grenze. Häufig genannte Gründe waren zu wenig verfügbare Termine für eine Fluoreszenzangiografie (FAG) sowie nur unzureichende OP-Termine für die Injektion. Diese Engpässe führten schließlich zu einer Verschiebung des Therapiebeginns. Daher sollte die zur Indikationsstellung notwendige FAG möglichst am selben Tag der Verdachtsdiagnose durchgeführt werden. Dabei ist die Durchführung der FAG nicht zwingend an die Anwesenheit eines Anästhesisten gebunden und kann auch an entsprechend geschultes nicht ärztliches Personal delegiert werden. In diesem Fall muss der Arzt sich in unmittelbarer Rufnähe befinden, so dass er im Falle von Komplikationen (z. B. Anaphylaxie) unmittelbar reagieren kann und entsprechende ärztliche Maßnahmen durch ihn eingeleitet werden können.

Gesamtdurchlaufzeit bei T&E deutlich geringer als bei PRN

Ein weiterer, ganz wesentlicher Parameter für die Qualität der IVOM-Versorgung ist zudem die eingangs beschriebene Gesamtdurchlaufzeit, also die Aufenthaltsdauer des Patienten in Praxis und OP für den gesamten IVOM-Prozess (Abb. 3). Wie Befragungen im Rahmen des Best-Practice-Projektes ergeben haben, wünschen sich Patienten sowie auch Angehörige in erster Linie möglichst stringente Abläufe mit nur kurzen Wartezeiten sowie gut planbare Termine – dies ist vor allem angesichts der Tatsache verständlich, dass diese chronische Erkrankung eine langfristige Therapie über Jahre hinweg erfordert. Diesbezüglich zeigte sich, dass Zentren, in denen Patienten nach dem T&E-Schema behandelt werden, eine deutlich geringere Gesamtdurchlaufzeit aufweisen als PRN-Zentren: Während in PRN-Zentren die Gesamtdurchlaufzeit bei 1:59 Stunden lag, benötigten Patienten in T&E-Zentren nur 1:22 Stunden für den kompletten IVOM-Prozess von der Diagnostik bis zum Ende der Anti-VEGF-Injektion. Zusätzlich zur niedrigeren Gesamtdurchlaufzeit können in den T&E-Zentren zudem alle notwendigen Prozessschritte an einem Tag durchgeführt werden, sodass die Patienten im Vergleich zu den Patienten in PRN-Zentren einmal weniger das Zentrum aufsuchen müssen („1-Stopp-Strategie“). Diese beiden Aspekte bedeuten sowohl für den Patienten als auch für die Begleitpersonen eine deutlich geringere Behandlungslast und können die Patientenadhärenz positiv beeinflussen. Gestützt wird diese Annahme durch die deutliche Korrelation, die sich zwischen Durchlaufzeit und Injektionsfrequenz im jeweiligen IVOM-Zentrum ergeben hat: Je kürzer die Durchlaufzeit des Patienten desto höher ist die Anzahl der IVOM je Patient im ersten Behandlungsjahr. Umgekehrt nimmt die Injektionsfrequenz – und damit die Versorgungsqualität – mit steigender Durchlaufzeit deutlich ab. Eine geringe Gesamtdurchlaufzeit scheint Patienten also dazu zu motivieren, die Diagnostik- und Behandlungstermine tatsächlich auch zuverlässig wahrzunehmen. Eine Verringerung der Durchlaufzeit kann daher – neben einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit – ganz entscheidend dazu beitragen, die Patientenadhärenz und somit letztlich die Patientenversorgung zu verbessern.

Spezialsprechstunden reduzieren Wartezeiten für Patienten

Darüber hinaus lieferte das Best-Practice-Projekt auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Sprechstunde interessante Ergebnisse. Während in einem Teil der teilnehmenden Zentren die IVOM-Patienten gebündelt in Spezialsprechstunden terminiert wurden, erfolgte in einem anderen Teil der Zentren die Einbestellung „bunt gemischt“, sodass zusätzlich zu den IVOM-Patienten immer wieder auch andere Patienten wie z. B. Glaukom- oder Kataraktpatienten für den selben Arzt terminiert waren. Diesbezüglich zeigte sich, dass in Zentren mit Spezialsprechstunde die Wartezeit für Patienten fast nur halb so lang war (35 vs. 58 Minuten) wie in Zentren ohne Spezialsprechstunde. Dies ist darauf zurückführen, dass eine Spezialsprechstunde die Möglichkeit bietet, sowohl Ärzte und Praxisteam als auch Geräte wie z. B. das OCT (Gerät zur optischen Kohärenztomographie) in dieser Zeit ausschließlich für IVOM-Prozesse zu blocken und alle IVOM-Patienten, ohne Unterbrechung durch andere Patienten, durch den Ablauf zu führen. So können sich Ärzte und Praxisteam voll auf die IVOM-Patienten konzentrieren. Abläufe können stringent geplant und effizient durchgeführt und unnötige Wartezeiten wie z. B. durch einen Stau an der Anmeldung oder die Nichtverfügbarkeit des OCT vermieden werden. Falls erforderlich, kann parallel zur Spezialsprechstunde durchaus auch z. B. eine Kataraktsprechstunde oder gemischte Sprechstunde laufen. Wichtig ist allerdings, die für die IVOM-Sprechstunde erforderlichen Ressourcen – das heißt: Mitarbeiter, Räume und Geräte – zuverlässig zu separieren und vorab festgelegte, standardisierte Abläufe auch strikt einzuhalten. Geschieht das nicht, führt das zu Wechselwirkungen mit anderen Prozessen in der Praxis, und hat zur Folge, dass die Patienten meist verlängerte Wartezeiten und daraus resultierend verlängerte Durchlaufzeiten in Kauf nehmen müssen. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere in T&E-Zentren häufig bereits eine Spezialsprechstunde eingerichtet ist. Dies hat den Grund, dass beim T&E-Schema die Abläufe in Praxis und OP ohnehin ideal aufeinander abgestimmt sein müssen, um einen möglichst reibungslosen Prozessfluss zu gewährleisten.

Ist-Situation erfassen

Um die eigene Vorgehensweise optimieren zu können, ist es zunächst entscheidend, die tatsächliche Situation sowie Abläufe in der Praxis möglichst genau zu erfassen und wichtige Kennzahlen zu analysieren. Dazu gehört unter anderem die jährliche Injektionsfrequenz, also die Anzahl der IVOM pro Patienten und Jahr. Diese wiederum wird durch zwei weitere wichtige Kennzahlen beeinflusst, die aus dem eigenen Zentrum ebenfalls bekannt sein sollten: der durchschnittliche Abstand zwischen Verdachtsdiagnose und erster Injektion sowie die Soll-Ist-Abweichung der geplanten Therapieintervalle. Denn vereinfacht kann festgehalten werden: Vor allem ein schneller Therapiestart und die strenge Einhaltung der geplanten Therapieintervalle tragen dazu bei, dass im ersten Behandlungsjahr eine regelmäßige und ausreichende Injektionsfrequenz erzielt werden kann. Welche Parameter insgesamt für die Analyse der eigenen Ist-Situation wichtig sein können, ist in Abbildung 6 zusammengefasst. Darüber hinaus sollte u. a. auch geklärt werden, welchen Umfang die Stichprobengröße haben sollte, wer die Datenerfassung durchführen sollte und wie belastbare Prozessdaten erhoben werden können.

Bedarfsgerechte Terminplanung – Engpässe lösen

Entscheidend für eine geringe Soll-Ist-Abweichung der Injektionstermine ist eine bedarfsgerechte Terminplanung. Nur wenn das verfügbare Terminangebot größer ist als die Terminnachfrage, können Intervallabweichungen vermieden und Patienten adäquat behandelt werden. Dies erfordert, zunächst verlässliche Vorgaben für maximal tolerierbare Abweichung bei Therapieintervallen festzulegen und an das gesamte Praxisteam zu kommunizieren. Diese sollten anschließend im Praxisalltag über mehrere Wochen strikt eingehalten werden – notfalls, indem am Ende eines OP-Tages noch Termine für Patienten hinzugefügt werden, wenn es die Situation erfordert. So kann der tatsächliche Bedarf ermittelt werden und anschließend die Kapazität gegebenenfalls darauf angepasst werden. Dabei sind kreative Lösungen gefragt, möglicherweise kann z. B. die Einführung von Schichtdiensten für eine Kapazitätserweiterung sorgen, ohne die Mitarbeiter zu sehr zu belasten. Bei der Bestandsaufnahme gilt es auch, gewünschte Rahmenbedingungen realistisch einzuplanen sowie Engpassfaktoren zu identifizieren und zu lösen. So sollten etwa erforderliche Pausen bereits bei der Terminvergabe fest eingeplant werden, um später unnötige Terminverschiebungen und Wartezeiten zu vermeiden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, auf eine gute Kommunikation zu achten. Nur wenn offen besprochen werden kann, welche Vorgaben einerseits erfüllt werden sollen und was andererseits im Praxisalltag realistisch umsetzbar ist und welche Bedürfnisse der Mitarbeiter zu berücksichtigen sind, können langfristig sinnvolle Lösungen erarbeitet werden.

Abläufe standardisieren und einhalten – Wartezeiten verkürzen

Wie bereits erwähnt, sorgen kurze Durchlaufzeiten für eine geringere Behandlungslast der Patienten (und Angehörigen) und haben somit einen positiven Einfluss auf Adhärenz und Patientenversorgung. Stabil laufende Prozesse mit nur geringer Prozessvarianz wiederum tragen wesentlich zu einer Verkürzung der Durchlaufzeit bei. Daher empfiehlt es sich, zentrumsintern standardisierte IVOM-Abläufe in Praxis und OP festzulegen, die einheitlich von allen Mitarbeitern eingehalten werden sollten. So können unterschiedliche Vorgehensweisen vermieden, eine eindeutige Aufgabenerfüllung erreicht und das Fehlerrisiko reduziert werden. Gerade bei IVOM-Prozessen sind die einzelnen Prozessschritte vorhersehbar und lassen sich sehr gut planen und standardisieren. Dies wiederum ermöglicht es, Ressourcen gut auszulasten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist eine exakte Planung der Slot-Frequenz im Vorfeld und deren strikte Einhaltung im Praxisalltag: Wird für bestimmte Prozessschritte zu wenig Zeit geplant, führt dies im Alltag zwangsläufig zu Verzögerungen, Staus und langen Wartezeiten. Wird zu viel Zeit pro Slot veranschlagt, sind Leerläufe die Folge und der Arzt wartet auf seine Patienten. Um also effiziente Abläufe zu gewährleisten, muss die terminierte Slot-Frequenz auch der tatsächlich realisierten Slot-Frequenz entsprechen. Mindestens in mittleren und großen ophthalmochirurgischen Zentren (>1000 IVOM/Jahr) ist es hilfreich, einen „IVOM-Manager“ in der Praxis zu benennen, der die wichtigsten Aktivitäten im Bereich des IVOM-Managements wie z. B. Prozessmanagement, Termin- und Slot-Planung, Koordination von Räumen und Ressourcen, Arbeitspläne sowie Bestellwesen und Abrechnung für die IVOM-Prozesse koordiniert und der alle Bereiche im Blick haben sollte. Darüber hinaus ist es sinnvoll, an den einzelnen Stationen des IVOM-Prozesses speziell geschultes Personal einzusetzen, um z. B. die Durchführung von OCT- und FAG-Untersuchungen zu beschleunigen oder den Patienten fachkundig und bedarfsgerecht zu beraten.

Workflow schlank halten

Um eine adäquate und gleichzeitig effiziente Patientenversorgung zu gewährleisten, ist es grundsätzlich sinnvoll, die Aufenthaltsdauer des Patienten in Praxis und OP auf ein medizinisch notwendiges Minimum zu reduzieren. Dementsprechend sollten möglichst nur Prozessschritte und Untersuchungen durchgeführt werden, die letztlich auch eine therapeutische Konsequenz haben. Daher empfiehlt es sich, die medizinische Relevanz sämtlicher Abläufe genau zu überdenken und gegebenenfalls Maßnahmen zur Prozessoptimierung einzuleiten. Dabei gilt es, bei der Planung relevanter Prozesse auf die adäquate Versorgung des Patienten zu achten. Auch im chirurgischen Prozessteil empfiehlt es sich zu überdenken, welche Schritte möglicherweise optimiert werden können, um die Durchlaufzeit weiter zu verkürzen und somit die Behandlungslast für den Patienten zu reduzieren. So ist in den meisten Fällen eine zweimalige Applikation lokalanästhetischer Tropfen ausreichend. Ein exzessives Tropfen hingegen ist meist kontraproduktiv, weil durch den epitheltoxischen Effekt der Tropfen postoperative Schmerzen beim Patienten induziert werden können. Grundsätzlich scheint es empfehlenswert, die Zeit im OP-Saal möglichst gering zu halten und möglichst viele Prozessschritte in den Vorraum zu verlegen. Zudem sollten zur Injektion die Patienten „en bloc“ terminiert werden, d. h. hintereinander ohne Unterbrechung der Injektionen durch andere OP-Arten wie Katarakt- oder Lidoperationen. So können negative Wechselwirkungen mit anderen Prozessen vermieden und eine bestmögliche Prozessstabilität erreicht werden. Dabei sollte möglichst ein konstanter Prozessfluss während des OP-Programms aufrechterhalten werden. Jeder Mitarbeiter sollte daher festgelegte Aufgaben und Stationen haben, diese kennen und wirklich auch exakt durchführen. Zudem sollten sich immer zwei bis drei Patienten im unmittelbaren OP-Vorlauf befinden (also unmittelbar in den OP-Saal abrufbereit sein), um Leerläufe des OP mit nachfolgenden Wartezeiten möglichst zu vermeiden.

Fazit

Ein schneller Behandlungsbeginn, gefolgt von konsequenter, regelmäßiger Behandlung ist wesentlich für den Therapieerfolg.
Das T&E-Schema trägt zu einer signifikant höheren Anzahl IVOM/Patient im ersten Behandlungsjahr, konsequenter Einhaltung der Therapieintervalle und geringerer Gesamtdurchlaufzeit der Patienten bei.
Eine geringere Gesamtdurchlaufzeit bedeutet eine geringere Behandlungslast für den Patienten und kann dessen Adhärenz und Versorgung positiv beeinflussen.
Optimierung, Standardisierung und exakte Einhaltung der festgelegten Prozesse erleichtern die Planbarkeit für Zentren, Patienten und deren Begleitung und sorgen so für geringere Durchlaufzeiten.
[1] Schmidt-Erfurth U et al. Guidelines for the management of neovascular age-related macular degeneration by the European Society of Retina Specialists (EURETINA) Br J Ophthalmol 2014;98:1144–67.
[2] Stellungnahme der DOG und des BVA. Anti-VEGF-Therapie bei der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration. Stand Februar 2020. https://www.dog.org/wp-content/uploads/2013/03/Stellungnahme-AMD_02_2020.pdf (Zugriff 24.03.2020).
[3] Ziemssen F et al. Retrospektive Untersuchung der Anti-VEGF-Behandlungsrealität und Wirksamkeit bei Patienten mit neovaskulärer altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD) in Deutschland. Behandlungsrealität von Ranibizumab bei nAMD in Deutschland. Ophthalmologe 2015;12:246–54.
[4] Ehlken C et al. Treatment of neovascular age-related macular degeneration patients with vascular endothelial growth factor inhibitors in everyday practice: Identification of Health Care Constraints in Germany-The PONS Study. Retina 2018;38:1134–44.
[5] Ziemssen F et al. Verzögerung des Behandlungsbeginns um mehr als 2 Wochen. Relevanz für möglichen Visusgewinn nach Anti-VEGF-Therapie unter Real-Life-Bedingungen (Interimanalyse der prospektiven OCEAN-Studie). Ophthalmologe 2016; 113: 143–51.
[6] Wecker T et al. Anti-VEGF injection frequency correlates with visual acuity outcomes in pro re nata neovascular AMD treatment. Sci Rep 2019; 9: 3301.
[7] Framme C et al. Aflibercept for Patients with Neovascular Age-Related Macular Degeneration in Routine Clinical Practice in Germany. Ophthalmol Retina 2018; 2: 539-549.
[8] Sachs HG et al. Real-Life-Daten zur Anti-VEGF-Therapie: Therapieadhärenz bestimmt den Visuserhalt bei neovaskulärer AMD. Klin Monbl Augenheilkd 2016; 233: 958–64.
[9] Holz FG et al. Key drivers of visual acuity gains in neovascular age-related macular degeneration in real life: findings from the AURA study. Br J Ophthalmol 2016; 100: 1623–8.