Behcet Syndrom – ein Update

Das Behçet-Syndrom stellt eine zu den Vaskulitiden variabler Größe zählende, inflammatorische Erkrankung dar, die zahlreiche Organsysteme (Haut, Schleimhäute, Gelenke, Augen, Gefäße, Nervensystem und Gastrointestinaltrakt) betreffen kann. Wiederkehrende orale Aphthen sind häufig die ersten Anzeichen des Behçet-Syndroms.

In Ermangelung spezifischer Laborparameter erfordert die Diagnosestellung eine genaue Kenntnis der sehr variabel ausgeprägten klinischen Symptome. Auch die verschiedenen Therapieoptionen richten sich nach deren Manifestation und Schweregrad.

Lernen Sie hier wichtige klinische Manifestationsformen des Behçet-Syndroms kennen und erfahren Sie, welche aktuellen Therapieoptionen je nach Ausprägung und Schweregrad empfohlen werden.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123047100012
Zeitraum 27.04.2023 - 26.04.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Dipl.-Biol. (univ) Th. Xenitidis
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf); Bearbeitungsdauer: 90 Minuten
Fortbildungspartner AMGEN GmbH
Bewertung 4.4 (829)

Einleitung

Beim Behçet-Syndrom, das auch als Morbus Behçet oder Adamantiades-Behçet´s Disease bezeichnet wird, handelt es sich um eine inflammatorische Multisystemerkrankung, deren Ursache bislang noch nicht vollständig verstanden ist. Histopathologisch imponiert eine leukozytoplastische Vaskulitis, die sich sowohl an Arterien als auch an Venen jeglicher Größe manifestieren kann. Dementsprechend kann nahezu jedes Organ von dieser rheumatischen Erkrankung betroffen sein. Im Jahr 2012 wurde das Behçet-Syndrom in die revidierte „Chapel Hill Consensus Conference”-Nomenklatur aufgenommen und wird seitdem zusammen mit dem Cogan-Syndrom den Vaskulitiden variabler Gefäßgröße zugeordnet. Die Erkrankung kann den gesamten Gefäßbaum betreffen – von der Aorta über die kleinen Gefäße bis hin zu den größten Venen. Erstmals erwähnt wurde das Behçet-Syndrom bereits in vorchristlicher Zeit von Hippokrates von Kos, der in seinem dritten Epidemion-Buch von Patienten berichtet, die ihm „mit vielen aphthösen Ulzerationen des Mundes, purulenten Geschwüren und Furunkeln um die Genitalien herum sowie schmerzhaften wässrigen Augenentzündungen mit chronischem Verlauf” aufgefallen waren. Im Jahr 1930 stellte der griechische Augenarzt Benediktos Adamantiades den Fall eines 18-jährigen Patienten vor, der an einer Hypopyon-Iritis, an oralen Aphthen, genitalen Ulzerationen, einer Thrombophlebitis am linken Bein und einer sterilen beidseitigen Gonarthritis litt und im weiteren Verlauf an den Folgen seiner chronisch rezidivierenden Hypopyon-Iritis mit beidseitiger Atrophie der Sehnerven schließlich erblindete. Adamantiades publizierte den Fall international und diskutierte eine Staphylokokkeninfektion als mutmaßliche Ursache. Nur wenige Jahre später, im Jahr 1937, publizierte Hulusi Behçet, ein türkischer Dermatologe, in einer deutschsprachigen dermatologischen Zeitschrift einen Artikel „Über rezidivierende aphthöse, durch einen Virus verursachte Geschwüre an Mund, am Auge und an den Genitalien”. Somit postulierten beide Autoren einen infektiösen Auslöser für die Erkrankung, wobei Adamantiades eine bakterielle Infektion und Behçet eine Virusinfektion vermutete.

Erkrankung oder Syndrom?

Aktuell besteht eine Kontroverse um die Frage, ob Behçet eine Erkrankung oder ein Syndrom darstellt. Dabei sprechen vor allem die folgenden drei Aspekte für ein Syndrom: Erstens bestehen deutliche Unterschiede in der geografischen Ausprägung des Krankheitsbildes. So spielt beispielsweise in asiatischen Ländern wie Korea oder Japan die Augenbeteiligung sowie auch die intestinale Beteiligung eine große Rolle, wohingegen etwa in Deutschland eine intestinale Beteiligung sehr selten ist. Zweitens sind sogenannte Symptomcluster innerhalb von familiär gehäuft auftretenden Erkrankungen zu beobachten. So treten beispielsweise in manchen Familien vorwiegend orale sowie genitale Aphthen und eventuell eine Hautbeteiligung auf, während in anderen Familien die klinische Manifestation einer Großgefäßvaskulitis oder einer zerebralen Vaskulitis überwiegt. Der dritte Aspekt, der für ein Syndrom spricht, ist das unterschiedliche Ansprechen von medikamentösen Therapien, insbesondere Zytokinantagonisten, auf einzelne Manifestationsformen. Dennoch ist die Frage bislang nicht eindeutig geklärt, und die eingangs beschriebenen Begriffe werden – auch in dieser Fortbildung – synonym verwendet.

Unterschiedliche regionale Verbreitung

Weltweit erkranken Menschen am Behçet-Syndrom, allerdings bestehen regional deutliche Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit der Erkrankung. In Deutschland handelt es sich um eine seltene Krankheit mit einer Prävalenz von etwa 0,55 Patienten auf 100.000 Einwohner. Damit wären im Großraum Stuttgart ungefähr fünf bis maximal sieben Menschen betroffen. Hingegen kommt die Erkrankung entlang der Seidenstraße im Nahen und Mittleren Osten sowie in Ostasien deutlich häufiger vor. So sind in Japan zwischen sieben und 14 Menschen und in Iran zwischen 17 und 68 Menschen pro 100.000 Einwohner von der Erkrankung betroffen. Das Land mit der höchsten Prävalenz ist die Türkei und hier insbesondere Istanbul mit 420 Erkrankten auf 100.000 Einwohner.

Genetik oder Pathophysiologie

Beim Behçet-Syndrom handelt es sich weder um eine klassische Autoinflammationserkrankung noch um eine klassische Autoimmunerkrankung – so sind etwa keine klar definierte Zielantigene oder Zeichen einer universellen, mit der Krankheitsaktivität korrelierenden Immunreaktion bekannt. Vielmehr weist das Behçet-Syndrom Charakteristika beider Lager auf und nimmt somit eine Mittelstellung ein: Zu den autoinflammatorischen Merkmalen zählen die gesteigerte Aktivität der Neutrophilen sowie das Ansprechen auf Interleukin-1-Antagonisten und Colchicin, die bei Autoinflammationserkrankungen häufig zum Einsatz kommen. Auch wiederkehrende Episoden von Remission und Exazerbation, meist ohne bekannte Ursache, zählen ebenso wie das Fehlen spezifischer Antikörper zu den typischen autoinflammatorischen Merkmalen. Zu den typischen autoimmunologischen Charakteristika des Behçet-Syndroms zählen die MHC-Klasse-1-Assoziation über das HLA-B*51-Allel, das Ansprechen auf eine T-Zell-Suppression beispielweise durch eine Ciclosporin-A-Gabe sowie letztlich auch das Vorkommen einer Arthritis und einer Hautbeteiligung, deren Verlauf denen bei dem systemischen Lupus erythematodes ähnelt. Die pathogenetische Bedeutung des HLA-B*51 ist bereits seit den 1970er-Jahren bekannt. Eine Metaanalyse aus 80 Studien ergab eine Odds Ratio von 5,78 für die Entwicklung eines Behçet-Syndroms bei Vorliegen des HLA-B*51-Allels. Auch die regional unterschiedliche Prävalenz der Erkrankung liefert weitere Belege für einen Zusammenhang zwischen dem HLA-B*51-Allel der Erkrankung. So liegt etwa im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland passend zur niedrigen Prävalenz des Behçet-Syndroms (0,27 bis 0,5 Fälle auf 100.000 Einwohner) auch eine niedrige Prävalenz von nur 3 bis 8 % für das Vorhandensein des HLA-B*51-Allels in der Normalbevölkerung vor. In der Türkei hingegen, dem Land mit der höchsten Prävalenz des Behçet-Syndroms (90 bis 100 Fälle pro 100.00 Einwohner), liegt auch die Prävalenz des HLA-B*51-Allels mit 24 % deutlich höher. Zudem liefern Familienuntersuchungen Belege für ein genetisch vererbbares Risiko und ergaben in verschiedenen Populationen innerhalb der Türkei eine geschwisterliche Risk Ratio für ein Rezidiv zwischen 11,4 und 52,5 %. Diese Zahlen liefern allerdings auch gleichzeitig Hinweise darauf, dass zusätzlich zur genetischen Disposition noch weitere Faktoren hinzukommen müssen, damit es zu einem Krankheitsausbruch kommt. Das derzeit favorisierte Pathogenesemodell geht davon aus, dass Polymorphismen in den für HLA-B*51 und ERAP-1 kodierenden Sequenzen, die beide für die Präsentation von endogenen und pathogenen Aminosäuresequenzen verantwortich sind, zu einer abnorm gesteigerten Antigenpräsentation beizutragen scheinen. Weiterhin gibt es Hinweise für eine Beteiligung des Mikrobioms an der Pathogenese Behçet-Syndroms. Aus der Mikrobiomforschung ist bekannt, dass eine Dysbiose in der Zusammensetzung der oralen und intestinalen bakteriellen Besiedlung vorliegt. Im Vergleich zur Normalbevölkerung weisen Behçet-Patienten eine deutlich geringere Diversität ihres Mikrobioms auf. Weiterhin scheint auch der Th17-Pfad – ebenso wie bei den Spondyloarthritiden – beim Morbus Behçet eine Rolle zu spielen. Verschiedene Arbeitsgruppen konnten sowohl Th17-Zellen selbst als auch ihre Sekretionsprodukte in Hautläsionen, in peripheren Blutproben sowie im Kammerwasser von Patienten mit Augenbeteiligung nachweisen.

Kenntnis des klinischen Bildes wichtig zur Diagnosestellung

Nach wie vor erfolgt die Diagnosestellung des Behçet-Syndroms in Ermangelung pathognomonischer Laborparameter anhand der klinischen Manifestationsform, daher ist deren Kenntnis außerordentlich wichtig. In den meisten Fällen wird ein schubweiser Verlauf beobachtet; insbesondere die mukokutanen Schübe dauern in der Regel ein bis zwei Wochen an – schließlich wird jede Aphthe irgendwann auch abheilen. Im Durchschnitt treten diese Schübe etwa fünf- bis sechsmal jährlich auf, allerdings ist die Bandbreite sehr groß: Es gibt sowohl Patienten mit nur einem oder zwei Schüben im Jahr als auch solche, die bis zu zehn Schübe pro Woche aufweisen. Die prodromalen Symptome sind dabei eher uncharakteristisch. Typischerweise tritt die Erkrankung erstmalig in der dritten Lebensdekade auf. Weltweit ist die Erkrankung bei beiden Geschlechtern etwa gleichmäßig verteilt, allerdings haben junge Männer deutlich häufiger einen prognostisch ungünstigen Verlauf. Ein positiver Pathergie-Test, der später genauer beschrieben wird, ist zwar hoch suggestiv, nichtsdestotrotz aber nicht pathognomonisch. Insgesamt ist es daher außerordentlich wichtig, dass der Arzt, der sich mit Behçet befasst, über eine gute Kenntnis sämtlicher Manifestationsformen verfügt.

Orale Aphthen sind häufigste klinische Manifestation

Da es sich beim Behçet-Syndrom um eine Systemerkrankung handelt, die potenziell jedes Organ betreffen kann, ist das klinische Bild sehr variabel. Das häufigste Frühsymptom des Behçet-Syndroms sind wiederkehrende Aphthen im Mund, die im Krankheitsverlauf bei nahezu allen Patienten beobachtet werden. Sie sind charakterisiert durch rezidivierend auftretende schmerzhafte Ulzerationen der Mund- und Rachenschleimhaut. Morphologisch handelt es sich hierbei um scharf abgrenzbare Läsionen, die von einem fibrinösen Exsudat bedeckt und einem roten hyperämischen Saum umgeben sind. Unterschieden werden drei klinische Erscheinungsformen: Minor-Aphthen, d. h. kleinere Aphthen, Major-Aphthen, bei denen es sich um große, häufig auch sehr tief ulzerierende Aphthen handelt, sowie die herpetiformen Aphthen. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Aphthen, die auch bei Nicht-Behçet-Patienten auftreten können, sind die oralen Aphthen bei Behçet-Patienten ebenfalls an sehr ungewöhnlichen Orten wie etwa Rachen, Tonsillen, Zungenbändchen und Gaumen zu finden. Je nach Lokalisation und Ausprägung können sie mit starken Schmerzen beim Essen, Trinken, Schlucken usw. verbunden sein.

Auf genitale Aphthen achten

Genitale Aphthen treten bei zwischen 60,3 und 97 % der Patienten auf. Die Aphthen sind charakterisiert durch rezidivierend auftretende schmerzhafte Ulzerationen am Genitale. Zudem erstrecken sie sich häufig auch auf benachbarte Körperregionen wie das Rektum, den Anus, das Perineum und die Oberschenkelinnenseiten. Beim Mann ist typischerweise das Skrotum betroffen, bei der Frau die großen und kleinen Labien und in seltenen Fällen auch die Cervix uteri. Im Vergleich zu den oralen Aphthen weisen die genitalen Aphthen deutlich häufiger Vernarbungen auf. Daher sollten Patienten auch immer nach Zeichen einer abgelaufenen genitalen Aphthose abgesucht werden.

Pathologische Hautveränderungen

Die Prävalenz eine Hautbeteiligung liegt weltweit bei etwa 80 %, wobei sehr viele Effloreszenzen unterschieden werden können. Etwa ein bis zwei Drittel der Patienten weisen Papulopusteln bzw. Pseudofollikulitiden auf. Allerdings ist gerade bei jungen, stark behaarten Männern die Differenzialdiagnose zur Akne oder zur Follikulitis unter Umständen schwierig. Das Behçet-typische Erythema nodosum ist in der Regel eher klein (2 bis 4 cm) und lässt sich weltweit bei etwa einem Viertel bis zur Hälfte der Patienten nachweisen. Meist tritt es im Bereich der Unterschenkel streckseitig auf, gelegentlich auch an den Füßen oder den Unterarmen. Dabei handelt es sich um rötlich livide, erhoben tastbare Indurationen, die druckschmerzhaft und etwas überwärmt sind. Zumeist heilen sie nach zwei bis drei Wochen ab und hinterlassen dabei häufig eine Hyper-pigmentation. Das Pyoderma gangraenosum ist eine seltene Manifestation. Dabei handelt es sich um eine nicht infektiöse neutrophile Dermatose. Im klinischen Bild zeigt sich initial eine sterile Pustel, die relativ schnell anwächst, dann in sich zusammenfällt und eine schmerzhafte Ulzeration hinterlässt, die häufig sehr lange bis zur Abheilung braucht. Eine weitere, wichtige Hautbeteiligung stellt die superfizielle Thrombophlebitis dar, die von einigen Autoren auch den tiefen Venenthrombosen zugeordnet wird. Hinsichtlich ihres Auftretens bei Behçet-Patienten zeigen sich große Schwankungen in der Literatur; als realistisch erscheint eine Prävalenz von ungefähr 10 %. Zudem kann bei einigen Behçet-Patienten mit dem Pathergie-Test eine nicht spezifische Hyperreagibilität der Haut auf eine traumatische Schädigung festgestellt werden. Dazu wird mit einer 20-Gauge-Kanüle ein intradermaler Nadelstich durchgeführt, gegebenenfalls kann auch ein zweiter gesetzt und mit etwas Kochsalzlösung befüllt werden, sodass eine kleine Quaddel entsteht. Typischerweise kommt es nach Ablauf von 24 bis 48 Stunden zur Bildung einer dermalen Papel oder Pustel. In älteren Studien wurden bei bis zu 84 % der nicht behandelten, frisch diagnostizierten Behçet-Patienten positive Testergebnisse berichtet. In neueren Studien wird bei etwa der Hälfte der Patienten ein positiver Pathergie-Test beobachtet. Zudem gibt es auch Patienten, die bei sich gewissermaßen ein spontanes Pathergie-Phänomen feststellen, da es bei ihnen beispielsweise nach einer Verletzung mit einem Dorn, der die Haut durchdrungen hat, relativ schnell zu einer eitrigen Effloreszenz kommt.

Augenbeteiligung meist Uveitis

Die Augenbeteiligung ist eine wichtige klinische Manifestation der Erkrankung und wird bei 60 bis 80 % aller Behçet-Patienten beobachtet. Zwar tritt sie durchschnittlich etwa drei Jahre nach Erkrankungsbeginn auf, dennoch ist es häufig der Augenarzt, der den ersten Kontakt zum Patienten herstellt. In der Regel werden die Patienten wegen Lichtempfindlichkeit, Augenschmerzen, Rötungen oder Visusminderung vorstellig. Ursache ist meist eine Uveitis, die in 85,5 % der Fälle beidseitig und fast immer rekurrierend an beiden Augen auftritt. Unterschieden werden unter anderem eine anteriore Uveitis (Iritis) mit und ohne Hypopyon und eine Iridozyklitis, bei der auch Teile des Auges hinter der Linse oder der Ziliarkörper selbst betroffen sind. Bei einer Uveitis posterior sind die hinteren Augenabschnitte betroffen, während die Panuveitis sämtliche Augenabschnitte erfasst.

Häufig auch Gelenke betroffen

Bei etwa 5 bis 10 % der Patienten entwickeln sich einige Jahre nach Beginn der Erkrankung auch Manifestationen des zentralen Nervensystems. Unterschieden wird die mit etwa 72 % der Fälle häufigere parenchymale Manifestationsform und die nicht parenchymale Erscheinungsform in etwa 11,7 % der Fälle. Interessanterweise kommen beide Formen offenbar nie gemeinsam vor. Unspezifische Symptome wie migräneartige Kopfschmerzen kommen zwar relativ häufig vor, sind allerdings meist schwierig einzuordnen. Verhaltensauffälligkeiten, psychotische Syndrome und Beteiligung des peripheren Nervensystems werden eher selten beobachtet. Im Zusammenhang mit parenchymalen ZNS-Manifestationen ist in der Regel ein subakut auftretendes Hirnstammsyndrom mit einer sehr vielfältigen Symptomatik zu beobachten. Dies kann sich darstellen als partieller oder vollständiger Funktionsverlust einzelner oder mehrerer Hirnnerven, Dysarthrie, Stammgangliensymptomatik, Pyramidenbahnzeichen oder Kleinhirnzeichen. Ist die Großhirnhemisphäre betroffen, finden wir auch Hemiparesen, sensorische Störungen und Krampfanfälle. Wenn das Rückenmark betroffen ist, kommt es häufig zu Paraplegien auf dem Boden einer akuten transversen Myelitis oder eines Brown-Séquard-Syndroms. Zu beobachten sind eine ipsilateral gestörte Sensomotorik, kontralaterale Schmerz- und Temperaturmissempfindungen oder auch komplex vegetative Störungen, unter anderem Sphinkterstörungen mit Inkontinenz oder Potenzproblemen. Die Bildgebung der Wahl ist die kranielle Kernspintomografie, in der sich in etwa 46 % der Fälle asymmetrische Veränderungen am mesodienzephalen Übergang mit Ödemen entlang der Bahnen des Hirnstammes sowie des Diencephalons zeigen, gefolgt von Veränderungen im Bereich der pontobulbären Region in etwa 40 % der Fälle. Die Liquorpunktion ergibt einen Anstieg von Eiweiß und Immunglobulinkonzentration sowie eine sterile Pleozytose bestehend aus polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten. Die Liquorpunktion wird meist zum Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen durchgeführt, kann allerdings auch komplett unauffällige Befunde ergeben. Die nicht parenchymale ZNS-Manifestation ist im klinischen Alltag deutlich schwieriger zu diagnostizieren; der typische Befund ist eine Sinusvenenthrombose. Einige Patienten weisen einen moderaten Dauerkopfschmerz auf. Es wurden auch Patienten mit schweren Kopfschmerzen beschrieben, bei denen aufgrund einer venösen Abflussstörung ein erhöhter Hirndruck bedingt wurde. Dieser kann zu weiteren Symptomen wie mentalen Störungen oder Störungen der Augenmuskeln führen. Ein Papillenödem ist häufig und sollte diagnostisch mittels kranieller Kernspintomografie weiter abgeklärt werden.

Gastrointestinale Beteiligung

Hinsichtlich der gastrointestinalen Beteiligung wird eine obere und eine untere Beteiligung unterschieden. Bei der oberen gastrointestinalen Beteiligung treten als typische Symptome Dysphagie, Dyspepsie, epigastrische retrosternale Schmerzen und Erbrechen auf. Bei der unteren gastrointestinalen Beteiligung treten auch tiefergelegene Schmerzen sowie Verdauungsstörungen auf. Zudem können auch Blutungen, Durchfall, Meläna, und Gewichtsverlust Hinweise auf ein Behçet-Syndrom sein. Zwei Mechanismen scheinen hier eine wichtige Rolle zu spielen: Zum einen eine Vaskulitis der kleinen Gefäße, die wiederum mukosale Ulzeration bedingen, sodass Aphthen dann auch entlang des Gastrointestinaltraktes auftreten. Zum anderen kann auch eine Vaskulitis der Mesenterialgefäße Ischämien und Infarkte bedingen und ist viel gefährlicher für den Patienten. Ein primäres Mittel der Wahl stellt die Endoskopie dar, gefolgt von bildgebenden Maßnahmen.

Großgefäßvaskulitis

Hier werden im Wesentlichen zwei Entitäten unterschieden: die tiefe Venenthrombose, die in etwa 6 bis 7 % der Behçet-Patienten auftritt, und die sehr viel seltener auftretende arterielle Vaskulitis. Die venöse Thrombose hat mehrere Erscheinungsformen. Sehr häufig tritt eine klassische Bein- oder Beckenvenenthrombose auf. Etwas seltener – in etwa 1,1 % der Fälle – findet sich eine Thrombose sowohl der oberen als auch der unteren Vena cava, die mit einer deutlich schlechteren Prognose einhergeht. Ein schwerwiegender Fall ist eine Lebervenenthrombose. Je nach klinischem Bild können die Patienten mit Leberkapselschmerz, Transaminasenanstieg, Aszites, Hepatosplenomegalie und Zeichen der portalen Hypertension auffallen. Die Prognose der Lebervenenthrombose ist ernst: Nur 50 % der Patienten überleben das erste Jahr. Kardiale Thromben stellen eine seltene Manifestationsform der Großgefäßvaskulitis dar und finden sich zumeist im rechten Ventrikel. Dabei kann die Behçet-typische Arteriitis bzw. arterielle Vaskulitis anhand wichtiger Charakteristika von anderen Arteriitiden unterschieden werden. So zeichnet sie sich durch das Fehlen einer obligaten Gefäßwandverdickung und granulomatöser Inflammation aus, zeigt aber umgekehrt eine deutliche Tendenz zur Entwicklung von arteriellen Aneurysmata. Diese treten prinzipiell an allen Gefäßen auf, häufig an der Arteria femoralis und Arteria subclavia, gelegentlich auch an der Arteria ulnaris. Ein besonders schwerwiegender Verlauf sind Aneurysmen im Bereich der Pulmonalarterien, da in diesem Zusammenhang auch Hämoptysen auftreten können. In schweren Fällen, sofern der Bronchialbaum betroffen ist, kann es auch zu fulminanten Hämoptysen mit sehr hoher Mortalitätsrate kommen. Das sehr seltene und äußerst gefürchtete Hughes-Stovin-Syndrom nimmt unter den Großgefäßvaskulitiden eine besondere Stellung ein. Es stellt gewissermaßen die Maximalvariante einer Vaskulitis beim Behçet-Patienten dar und zeichnet sich aus durch eine Kombination von tiefer Venenthrombose, Lungenembolie, kardialen Thromben und Aneurysmen der Pulmonalarterien.

Weitere klinische Manifestationen

Neuere Daten zeigen, dass weltweit etwa 14,2 % aller männlichen Patienten eine rezidivierende sterile Epididymitis aufweisen. Im kumulativen Verlauf werden etwa ein bis zehn Episoden behandelt, unbehandelt können allerdings auch ein bis zehn Episoden pro Jahr auftreten. In der Klinik ist meist eine einseitige Manifestation zu beobachten, die sich typischerweise durch einen geschwollenen druck-schmerzhaften Nebenhoden auszeichnet. In der Regel handelt es sich um selbstlimitierende Episoden mit einer spontanen Remission innerhalb von drei Tagen. Gerade in Fällen, bei denen die Episoden selbstlimitierend sind und Analysen von Urin und Ejakulat ohne Keimnachweis bleiben, sollte der behandelnde Arzt, der einen Patienten mit einem solchen Krankheitsbild sieht, auch an die seltene Entität eines Morbus Behçet denken. Noch seltener sind periphere Polyneuropathien zu beobachten. Diese sind meist an den unteren Extremitäten zu finden; allerdings sollten bei ihrem Auftreten auch andere Ursachen abgeklärt werden. Auch Beteiligungen der harnableitenden Organe sind eine seltene klinische Manifestation. Diese können infolge von ZNS-Manifestationen im pontinen Miktionszentrum ausgelöst werden, die wiederum zu funktionellen Harnblasenentleerungsstörungen führen. Zum anderen können Ulzerationen, die im Bereich der Harnröhre und seltener auch an der Blasenwand zu finden sind, mit Mikrohämaturie, seltener Dysurie oder Makrohämaturie einhergehen.

Diagnose- und Klassifikationskriterien

Wie bereits erwähnt, erfolgt die Diagnosestellung des Behçet-Syndroms aufgrund fehlender pathognomonischer Laborparameter anhand des klinischen Bildes. Dazu haben sich allerdings aufgrund der regional unterschiedlichen Ausprägung der Erkrankung über 15 verschiedene Diagnose- und Klassifikationskriterien, wie zum Beispiel die Japan-Kriterien oder die Iran-Kriterien, entwickelt. Im Jahr 1990 wurden schließlich durch die International Study Group for Behçet´s Disease (ISGBD) erstmals einheitliche Klassifikationskriterien festgelegt, deren Einhaltung auch eine Vergleichbarkeit von Studiendaten ermöglichte. Die ISGBD-Klassifikationskriterien von 1990 sahen vor, dass Patienten mindestens dreimal pro Jahr rekurrierende orale Aphthen und zusätzlich dazu noch zwei der folgenden Kriterien aufwiesen: rekurrierende genitale Aphthen, eine definierte Augenläsion, eine definierte Hautläsion und/oder einen positiven Pathergie-Test. Im Jahr 2014 erfolgte schließlich die Entwicklung der ICBD-Kriterien (International Criteria for Behçet´s Disease) mit einer noch besseren Sensitivität von 94,8 % und einer deutlich besseren Spezifität von 90,5 %. Zudem können diese Kriterien nicht nur als Klassifikationskriterien, sondern auch als Diagnosekriterien angewendet werden. In den ICBD-Kriterien ist jedem Symptom ein Punktwert zugeordnet. Die Punktwerte der aufgetretenen Symptome werden addiert, bei Erreichen eines Gesamtpunktwertes von vier oder darüber kann das Vorliegen des Morbus Behçet angenommen werden. Dabei werden für Läsionen an den Augen, am Genitale und für orale Aphthen jeweils zwei Punkte vergeben, für Hautläsionen, neurologische Manifestationen oder vaskuläre Manifestationen je ein Punkt. Der Pathergie-Test kann fakultativ erfolgen und fließt – sofern positiv – mit einem Punkt ein.

Behandlungsmöglichkeiten begrenzt

Bis vor wenigen Jahren waren für die Behandlung des Morbus Behçet außer Glukokortikoiden lediglich Azathioprin und Ciclosporin A zugelassen. Allerdings war Ciclosporin A nur zur Behandlung einer Uveitis mit Beteiligung des hinteren Augenabschnittes zugelassen. Wie in vielen Bereichen der Rheumatologie gibt es allerdings auch beim Morbus Behçet langjährige Off-Label-Erfahrungen mit anderen Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs, mit Colchizin sowie bereits erste Erfahrungen mit Biologika. Zum Interferon alpha-2a liegen Kasuistiken und Fallserien insbesondere zu dessen Wirksamkeit am Auge vor. Im Juni 2016 wurde Adalimumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha), für die Behandlung der nicht infektiösen intermediären und posterioren Uveitis sowie Panuveitis durch die amerikanischen und europäischen Behörden zugelassen.

Neu zugelassene Therapieoption: Apremilast

Die letzte Neuerung der Therapieoptionen beim Morbus Behçet stellen Phosphodiesterase-4-Antagonisten wie Apremilast dar, das bereits zur Behandlung der Psoriasis oder der Psoriasisarthritis eingesetzt wird. Seit April 2020 ist Apremilast nun auch zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit oralen Aphthen, die mit dem Behçet-Syndrom assoziiert sind und für die eine systemische Therapie infrage kommt. Dabei handelt es sich um ein oral aufgenommenes „small molecule”, das intrazellulär zu einer spezifischen Hemmung der Phosphodiesterase 4 führt und so vorwiegend bei immunologisch bedeutsamen Zellen erhöhte Spiegel an zyklischem Adenosinmonophosphat hervorruft. Dies wiederum bedingt einen Abfall der proinflammatorischen Zytokine in der Zelle. Im Rahmen einer randomisierten, placebokontrollierten Phase-II-Studie im Jahr 2015 wurde unter Apremilast gegenüber Placebo ein klares Ansprechen auf orale Aphthen gezeigt. Hinsichtlich der Anzahl oraler Aphthen in Woche 12 (primärer Endpunkt) zeigte sich im Durchschnitt ein Abfall auf 0,5 orale Aphthen in der Apremilast-Gruppe versus 2,1 orale Aphthen in der Placebogruppe. Die Phase-III-Daten der multizentrischen, randomisierten, doppelverblindeten Zulassungsstudie, in der die Sicherheit und Wirksamkeit von Apremilast zur Behandlung von Behçet-Patienten mit aktiven oralen Aphthen untersucht wurden, bestätigen diese Ergebnisse. Die Studie wurde in Zentren in Asien, Europa, den USA, der Türkei, dem Libanon und in Israel durchgeführt. Insgesamt wurden 207 Behçet-Patienten mit aktiven oralen Ulzerationen eingeschlossen und 1 : 1 randomisiert. Eine Hälfte der Patienten erhielt für insgesamt zwölf Wochen Apremilast in einer Dosis von zweimal 30 mg pro Tag, die andere Hälfte der Patienten wurde mit einem Placebo versorgt. Nach zwölf Wochen konnten die Patienten beider Gruppen an einer Verlängerungsphase teilnehmen, in der alle Patienten bis zu Woche 64 mit Apremilast behandelt und für weitere vier Wochen nachbeobachtet wurden. Primärer Endpunkt der Studie war die „Area under the Curve” (AUC) für die Gesamtzahl oraler Aphthen zur Woche 12. In weiteren sekundären Endpunkten wurden unter anderem die Schmerzminderung, die Krankheitsaktivität und die Veränderung des Behçet-Scores für die Lebensqualität gegenüber dem Ausgangswert erfasst. Hinsichtlich demografischer und klinischer Charakteristika zeigte sich eine gute Übereinstimmung zwischen der Placebogruppe und der Apremilast-Gruppe. In beiden Gruppen wurden ein Durchschnittsalter von etwa 40 Jahren, ein leicht höherer Anteil an Frauen und eine Krankheitsdauer des Behçet-Syndroms von etwa sechs bis sieben Jahren festgestellt. In beiden Gruppen wiesen die Patienten zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses etwa vier Aphthen auf, etwa die Hälfte der Patienten je Gruppe hatte eine Vorbehandlung mit Colchizin erhalten. Die anderen Patienten waren zu vergleichbaren Anteilen mit einem klassischen Immunsuppressivum, Kortison oder topischen Glukokortikoiden versorgt worden. Nur wenige Patienten beider Gruppen waren mit einem Biologikum vorbehandelt worden. Auch in dieser Studie zeigte sich – vergleichbar den Daten der Phase-II-Studie – ein schnelles Ansprechen auf die Apremilast-Therapie. Bereits in der ersten Woche wurde in der Apremilast-Gruppe ein signifikanter Rückgang der mittleren Anzahl oraler Aphthen beobachtet (p ≤0,0015), der bis Woche 12 aufrechterhalten wurde. Die Tatsache, dass auch in der Placebogruppe die Zahl der oralen Aphthen bis Woche 12 etwas sinkt, ist darauf zurückzuführen, dass jede Ulzeration irgendwann abheilt. Entscheidend ist, dass unter Apremilast nicht mehr so viele neue orale Aphthen hinzukommen. Hinsichtlich der Nebenwirkungen zeigte sich im Wesentlichen das gleiche Sicherheitsprofil, das bereits aus den Studien für den Einsatz von Apremilast bei Psoriasis und Psoriasisarthritis bekannt ist. Unter der Apremilast-Therapie traten in der Regel häufiger Durchfall (etwa 40 % der Patienten), Übelkeit und Kopfschmerzen auf. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass Apremilast in der Phase-III-Studie mit 207 Patienten zu einer signifikanten Verbesserung oraler Aphthen führte. Hinsichtlich der AUC für die Anzahl oraler Aphthen bis einschließlich Woche 12 ergab sich für Apremilast ein Least-Square-Mittelwert von 129,5 im Vergleich zu 222,1 für Placebo und dementsprechend eine signifikante Differenz von –92,6 zwischen den beiden Gruppen (p <0,001).

EULAR-Empfehlungen 2018 zum Behandlungsmanagement

Im Jahr 2008 wurden von der European League against Rheumatism (EULAR) Empfehlungen zum Management des Morbus Behçet entwickelt, die 2018 überarbeitet wurden. Dazu wurde eine Taskforce zusammengestellt, der unter anderem 20 Morbus-Behçet-Experten unterschiedlichster medizinischer Disziplinen, eine Krankenschwester und zwei Patienten angehörten. In Anlehnung an die zehn wichtigsten Organe, die von der Erkrankung betroffen sein können, wurden wie bereits 2008 erneut zehn Empfehlungen herausgegeben, zu denen nachfolgend vor allem die Neuerungen zusammengefasst werden. Bei mukokutaner Beteiligung sollen orale und genitale Aphthen auch weiterhin topisch mit Glukokortikoiden behandelt werden; das Off-Label-Medikament Colchizin empfiehlt sich zur Prävention, insbesondere wenn zusätzlich ein Erythema nodosum besteht. Für die schwereren Manifestationen werden Azathioprin, Thalidomid, Interferon-alpha-2a, TNF-alpha-Antagonisten sowie auch Apremilast empfohlen. Hinsichtlich der Augenbeteiligung gab es im Vergleich zu 2008 kaum Änderungen: Bei Beteiligung des hinteren Augenabschnittes kommen weiterhin Azathioprin, Ciclosporin A, Interferon-alpha-2a und monoklonale TNF-alpha-Antagonisten wie das zugelassene Adalimumab zum Einsatz. Darüber hinaus können auch intra-vitreale Glukokortikoidinjektionen erfolgen, insbesondere bei therapierefraktären Patienten. Bei der isolierten anterioren Uveitis kann man Patienten mit schlechter Prognose – wie etwa junge Männer mit frühem Krankheitsbeginn – schon relativ früh mit klassischen Immunsuppressiva versorgen, um schwere Verläufe abzumildern oder bestenfalls auch vermeiden zu können. Bei der arteriellen Manifestation sollte je nach Lokalisation sehr schnell mit hoch dosierten Glukokortikoiden, Cyclophosphamid oder monoklonalen TNF- alpha-Antagonisten therapiert werden. Wichtig ist es, einen chirurgischen Eingriff oder eine Embolisation nicht hinauszuzögern, sofern der Patient symptomatisch ist oder eine gar lebensbedrohliche Situation besteht. Bei der gastrointestinalen Beteiligung ist zu bedenken, dass auch durch die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika Ulzerationen entstehen können. Zudem gilt es, entzündliche Darmerkrankungen, wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und intestinale Tuberkulose, auszuschließen. Therapeutisch sind bei gastrointestinaler Beteiligung nach wie vor einsetzbar Sulfasalazin, Mesalazin, Azathioprin und in schweren Fällen TNF-alpha-Antagonisten sowie Thalidomid. Bezüglich des Nervensystems – insbesondere bei der parenchymatösen Beteiligung – sollten schnell hoch dosierte Glukokortikoide verabreicht werden. Je nach Schwere des Verlaufes können monoklonale TNF-alpha-Antagonisten auch firstline zum Zuge kommen. Bezüglich einer Gelenkbeteiligung wird nach wie vor das Colchizin favorisiert. In Einzelfällen können – wie bei anderen rheumatischen Erkrankungen auch – einzelne Gelenke eingespritzt werden. In schwereren Fällen sollten Azathioprin, Interferon alpha oder TNF-alpha-Antagonisten zur Anwendung kommen.

Therapiealgorithmus in Anlehnung an die EULAR-Empfehlungen 2018

Als mild gelten allgemein Manifestationen an Haut, Schleimhaut und Gelenken. Wir empfehlen hier trotz seines Off-Label-Charakters den Einsatz von Colchizin und die Anwendung topischer Glukokortikoide – entweder lokal als Salbe direkt auf die Aphthen oder intraartikulär ins Gelenk – sowie zumindest passager systemische Glukokortikoide in niedriger Dosierung. Auch das seit April 2020 zugelassene Apremilast scheint ebenfalls gut wirksam und stellt eine gute Therapieoption dar. Zu den mittleren Manifestationen gehören die anteriore Uveitis, die milde hintere Uveitis, die milde Großgefäßvaskulitis, die leichte gastrointestinale Beteiligung und die chronisch rezidivierende Arthritis. Primär empfehlen wir hier die klassischen Immunsuppressiva wie Azathioprin und Ciclosporin A sowie Methotrexat (off Label) mit und ohne systemische Glukokortikoide. Zumindest bei der anterioren Uveitis können unterstützend auch topisch wirksame Glukokortikoidpräparate eingesetzt werden. Als schwere Manifestation gelten die das Sehvermögen bedrohende retinale Vaskulitis, eine ZNS-Beteiligung, die schwere arterielle Beteiligung und eine schwere gastrointestinale Beteiligung, bei der das Leben bedroht ist. Bei diesen schweren Manifestationen kommen primär Cyclophosphamid sowie TNF-alpha-Antagonisten zum Einsatz, die jeweils mit und ohne hoch dosierte Glukokortikoide gegeben werden können. Auch Interferon-alpha-2a kommt zum Einsatz, wobei dies allenfalls mit niedrig dosierten Glukokortikoiden kombiniert werden darf, um dessen Wirkung nicht zu beeinträchtigen. Für die refraktären Fälle, hier dunkelrot dargestellt, setzen wir in der Regel eine Kombination aus TNF-alpha- Antagonisten, Kortison und Azathioprin ein sowie in Einzelfällen auch Tocilizumab.

Fazit

  • Das Behçet-Syndrom gehört zu den Vaskulitiden variabler Gefäßgröße.
  • Das klinische Bild ist sehr vielfältig und erfordert in der Regel eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.
  • 2018 wurden die EULAR-Empfehlungen zum Behandlungsmanagement aktualisiert.
  • Die Therapie richtet sich nach der führenden Beteiligung der einzelnen Organe.
  • Seit 2016 ist Adalimumab für die Behandlung der hinteren Augenbeteiligung zugelassen.
  • Interessante Therapiealternativen können Infliximab und Interferon-alpha-2a sein.
  • Seit April 2020 ist Apremilast zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Morbus Behçet und oralen Aphthen, bei denen eine Systemtherapie indiziert ist.
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