Blackbox Exazerbation – akute Exazerbationen der COPD erkennen und behandeln

Exazerbationen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) werden nicht immer erkannt oder sie werden falsch eingeschätzt. Der aktuelle GOLD-Report schlägt eine neue Definition der COPD-Exazerbation vor, die eine bessere Abgrenzung von einer langsamen Verschlechterung der Symptome erlaubt.

Wir beleuchten in diesem Teil unserer Fortbildungsreihe die möglichen Folgen von Exazerbationen und zeigen auf, wie Patienten identifiziert werden können, die ein erhöhtes Exazerbationsrisiko haben. Sie erfahren, woran sich eine bevorstehende Exazerbation erkennen lässt und wie die medikamentöse Therapie nach Risikogruppen erfolgt. Außerdem werden nicht medikamentöse Maßnahmen zur Prävention von Exazerbationen bei COPD skizziert.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124081480013
Zeitraum 07.09.2024 - 06.09.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Frederik Trinkmann
Dr. med. Petra Sandow
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner AstraZeneca GmbH
Bewertung 4.4 (200)

Blackbox Exazerbation – akute Exazerbationen der COPD erkennen und behandeln

Exazerbationen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) können den Verlust der Lungenfunktion beschleunigen und sich nachhaltig auf die körperliche Leistungsfähigkeit und den Gesundheitszustand der Patient:innen auswirken. Sie sind mit einem erhöhten Risiko für akute kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall und einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Dennoch werden COPD-Exazerbationen deutlich unterdiagnostiziert, was u. a. damit zusammenhängen könnte, dass viele COPD-Erkrankte Exazerbationen nicht oder nur unzureichend beim Arztbesuch ansprechen. Ein möglicher Grund: Sie halten Exazerbationen für ein „normales” Merkmal ihrer COPD-Grunderkrankung. Manche zögern den Arztbesuch hinaus, in der Hoffnung, dass sich ihre Beschwerden ohne aktives Eingreifen bessern werden. In einer Studie gaben über 40 % der befragten COPD-Erkrankten an, bei einer Exazerbation zunächst abzuwarten bzw. nichts zu tun. Befragungen von Patient:innen und Hausärzt:innen lassen darauf schließen, dass ein gemeinsames Verständnis von COPD-Exazerbationen nur in begrenztem Maße besteht. Umso wichtiger ist eine klare Definition der Exazerbation bei COPD.

Der GOLD-Report 2023 definiert die COPD-Exazerbation neu

Bisher basierten Definition und Klassifikation von Exazerbationen nach Schweregraden auf der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens durch den Patienten oder die Patientin (sog. healthcare utilization). Laut aktuellem Report der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease” (GOLD) aus dem Jahr 2023 soll sich diese Betrachtungsweise nun ändern. Demnach wird eine Exazerbation der COPD „definiert als ein Ereignis, das durch verstärkte Dyspnoe und/oder Husten und Auswurf gekennzeichnet ist und sich innerhalb von weniger als 14 Tagen verschlimmert und von Tachypnoe und/oder Tachykardie begleitet sein kann”. Ein Vorteil dieser Definition liegt darin, dass sie die Abgrenzung einer Exazerbation von einer langsamen Verschlechterung erlaubt. Zudem sollen Symptome und Zeichen einer Exazerbation nicht mehr nur subjektiv eingeschätzt, sondern objektiv ermittelt werden.

Die Einteilung in Schweregrade wurde objektiviert

Im aktuellen GOLD-Report wird folgender Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen bei Verdacht auf eine akute Exazerbation vorgeschlagen: Anhand von fünf leicht zu ermittelnden Parametern, und zwar Atem- und Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Dyspnoe-Intensität (mit visueller Analogskala) und CRP-Wert (C-reaktives Protein), soll zwischen milder, moderater und schwerer Exazerbation unterschieden werden. Wichtig ist auch, dass Differenzialdiagnosen, insbesondere Herzinsuffizienz, Pneumonie und Lungenembolie, sorgfältig zu prüfen und auszuschließen sind.

Was kann COPD-Exazerbationen auslösen?

Exazerbationen der Atemwegssymptome bei COPD-Patient:innen können durch eine Reihe verschiedener Faktoren – allein oder in Kombination – ausgelöst werden. Zu den Auslösern gehören u. a.: Atemwegsinfektionen mit Viren und/oder Bakterien, Umweltfaktoren, z. B. Luftverschmutzung oder übermäßige Hitze, Bronchiektasen. Dass auch vorangegangene Exazerbationen ein Risikofaktor für weitere Exazerbationen sind, zeigte eine Analyse von Krankenversicherungsdaten von über 250.000 COPD-Patient:innen in Deutschland. Die Analyse ergab, dass eine zu Studienbeginn vorliegende Exazerbation die Wahrscheinlichkeit für nachfolgende Exazerbationen erhöhte und die Zeit bis zu diesen verkürzte. Selbst bei Patient:innen ohne Exazerbationen zu Studienbeginn traten innerhalb von drei Jahren Exazerbationen auf, was die Bedeutung einer angemessenen Behandlung auch bei Patient:innen mit weniger schweren Krankheitsverläufen unterstreicht.

Nach schwerer Exazerbation ist die Mortalitätsrate sehr hoch

In den ersten Wochen nach einer schweren Exazerbation ist das Mortalitätsrisiko besonders hoch, wie eine kanadische Kohortenstudie mit 73.106 Patient:innen, die zum ersten Mal wegen einer COPD-Exazerbation hospitalisiert wurden, gezeigt hat. Lediglich die Hälfte der Patient:innen, die eine schwere Exazerbation erlitten hat, war nach median 3,6 Jahren noch am Leben. Die Mortalität stieg auf 75 % nach 7,7 und auf 96 % nach 17 Jahren. Darüber hinaus verkürzt jede Exazerbation die Zeit bis zur nächsten: Zwischen der ersten und der zweiten Exazerbation mit stationärer Behandlung lagen etwa fünf Jahre. Danach verringerten sich die Zeitabstände rapide auf 1,6 Jahre bis zur dritten und schließlich auf nur noch wenige Monate bis zur folgenden Exazerbation. Auch eine neuere britische Kohortenstudie mit über 340.000 COPD-Erkrankten zeigte, dass mit zunehmender Anzahl und Schwere der Exazerbationen das Risiko für nachfolgende Exazerbationen, die Gesamtmortalität und die COPD-bedingte Sterblichkeit zunahm. Selbst ein einziges moderates Ereignis erhöhte das Risiko für künftige Ereignisse. Beide Studien verdeutlichen die enormen Auswirkungen von Exazerbationen auf die Prognose der Erkrankten. Daher sollte unter allen Umständen jede Exazerbation verhindert werden, um das Sterblichkeitsrisiko zu senken. Doch auch Patient:innen, die noch keine Exazerbation erlebt haben, sind vor einer Verschlechterung ihrer Erkrankung in Zukunft nicht geschützt und müssen vor Exazerbationen bewahrt werden.

COPD-Erkrankte auf kardiale Komorbiditäten untersuchen

Kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) stellen die am weitesten verbreiteten und wichtigsten Begleiterkrankungen der COPD dar. Patient:innen mit einer Kombination aus COPD und CVD weisen eine hohe Morbidität auf, einschließlich einer schlechteren Lebensqualität, einer Dyspnoe und körperlichen Belastbarkeit, und haben ein höheres Risiko für Krankenhausaufenthalte wegen COPD und CVD. Daher sollten COPD-Erkrankte immer auch auf kardiale Komorbiditäten untersucht und ggf. wirksam behandelt werden. Dass dies häufig nicht geschieht, haben Analysen von Daten aus der deutschen COSYCONET-Kohorte gezeigt. Beispielsweise erhielt ein bedeutsamer Anteil der COPD-Patient:innen mit auffälligen echokardiografischen Befunden (LVEF <50 % oder LVEDD >56 mm) keine angemessene medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz (38 % bzw. 53 %). Einer der Gründe könnte das Fehlen ausreichend spezifischer Symptome sein, die zu weiteren kardiologischen Untersuchungen führen. Für diese Patient:innen ist das Risiko für eine ungünstige Prognose erhöht, besonders dann, wenn die COPD exazerbiert.

Exazerbationen erhöhen das Risiko für kardiale Ereignisse und Tod

Dass Exazerbationen die Wahrscheinlichkeit eines kardiovaskulären Ereignisses erhöhen, hat eine dänische Registerstudie gezeigt: Gegenüber Patient:innen ohne eine Exazerbation war die Wahrscheinlichkeit eines kardiovaskulären Ereignisses bei Patient:innen mit einer moderaten Exazerbation 1,5-fach und bei denen mit einer schweren Exazerbation mehr als 6-fach erhöht. Bei Patient:innen im spirometrischen GOLD-Stadium II – also bei einer eher „frühen” Erkrankung – waren kardiale Ereignisse sogar die überwiegende Todesursache, wie die Analyse einer US-amerikanischen Kohorte von COPD-Erkrankten ergeben hat. Erst in den späteren GOLD-Stadien III und IV dominierten die pulmonalen Todesursachen. Dies zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, möglichst frühzeitig alle Behandlungsoptionen zu nutzen, u. a. Angebote zur Rauchentwöhnung, Impfungen zum Schutz vor pulmonalen Infektionen, körperliches Training sowie die medikamentöse Eskalation.

In welche Risikogruppe gehört der COPD-Kranke?

Das individuelle Exazerbationsrisiko für jeden COPD-Kranken abzuschätzen, ist eine wichtige Grundlage für die initiale Therapieentscheidung sowie für ein effektives COPD-Management. Anhand der Anzahl der Exazerbationen in der Vorgeschichte sowie der respiratorischen Symptome lassen sich neu diagnostizierte COPD-Patient:innen gemäß aktuellem GOLD-Report verschiedenen Risikogruppen zuordnen. Die Einstufung erfolgt zum einen nach der Häufigkeit von Exazerbationen der COPD in den vergangenen zwölf Monaten und zum anderen nach respiratorischen Symptomen, die mithilfe von Fragebögen – z. B. dem „Modified Medical Research Council”-(mMRC-)Score oder dem COPD-Assessment-Test (CAT) – ermittelt werden. Gab es mindestens zwei ambulant behandelte, moderate Exazerbationen oder mindestens eine schwere, die zu einem Krankenhausaufenthalt führte, haben diese Personen ein erhöhtes Risiko für weitere Exazerbationen und werden der Gruppe E zugeordnet. Traten keine oder nur eine moderate Exazerbation ohne Krankenhausaufenthalt auf, sind diese Personen der Gruppe A oder B zuzuordnen – abhängig von den respiratorischen Symptomen. Eine Eingruppierung in Risikogruppe A erfolgt bei einem mMRC-Score ≤1 und/oder einem CAT-Score <10. Bei einem mMRC-Score von ≥2 und einem CAT ≥10 wird der Erkrankte der Gruppe B zugeordnet.

Mit dem MEP-Fragebogen Exazerbationen strukturiert erfassen

Um die Patient:innen in die A-B-E-Risikogruppen einteilen zu können, ist ein Rückblick auf die Exazerbationen in den vergangenen Monaten erforderlich. Doch nicht jeder kann sich an das Geschehen verlässlich erinnern und sollte daher gezielt befragt werden. Dafür eignet sich z. B. der MEP-Fragebogen („Monitoring of Exacerbation Probability”). Dieser besteht aus fünf leicht verständlichen Fragen, die von den Patient:innen mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Wird auch nur eine Frage mit Ja beantwortet, kann von einer stattgefundenen Exazerbation einer COPD ausgegangen werden. Eine aktuelle Validierungsstudie des MEP-Fragebogens ergab bereits für das Beantworten einer der fünf Fragen eine Sensitivität von 91 % und eine Spezifität von 66 %. In den nationalen Versorgungsleitlinien wird empfohlen, die Symptome sowie aufgetretene Exazerbationen systematisch bei jedem ärztlichen COPD-bezogenen Patient:innenkontakt zu erfassen und zu dokumentieren. Dies kann z. B. durch Eintragen des MEP-Scores über den zeitlichen Verlauf in die Krankenakte erfolgen. Ein Blick auf den Verlauf kann die Entscheidung, welcher Risikoklasse der oder die COPD-Erkrankte angehört, erleichtern.

Management der Exazerbationen der COPD

Das Management der akuten Exazerbationen sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad der Exazerbation und der Beeinträchtigung der Patient:innen ambulant oder stationär durchgeführt werden. Die Behandlung der akuten Exazerbationen hat zum Ziel, eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff sowie einen annähernd normalen Blut-pH-Wert sicherzustellen, die Atemwegsobstruktion zu verbessern und mögliche Ursachen zu behandeln. Die drei am häufigsten bei COPD-Exazerbationen eingesetzten Medikamentenklassen sind Bronchodilatatoren, Kortikosteroide und Antibiotika. Leichte und moderate Exazerbationen können bei ausreichender häuslicher Unterstützung oft ambulant behandelt werden. Die schwere Exazerbation sollte stationär behandelt werden. Ältere gebrechliche Patient:innen und solche mit Begleiterkrankungen, Lungenversagen in der Vorgeschichte oder akuten Veränderungen in der Blutgasanalyse sollten zur Beobachtung und Behandlung stationär aufgenommen werden.

Die initiale medikamentöse Therapie erfolgt nach Risikogruppen

Die Einleitung einer Pharmakotherapie der COPD sollte auf der Grundlage einer individuellen Bewertung der Symptome und des Exazerbationsrisikos nach dem A-B-E-Bewertungsschema erfolgen. Patient:innen der Gruppe A sollten einen kurz oder lang wirksamen Bronchodilatator erhalten. Ein lang wirksamer Bronchodilatator ist die bevorzugte Option, außer bei Patient:innen mit nur gelegentlicher Dyspnoe. Patient:innen der Gruppe B sollten mit einer Kombination aus einem LABA+LAMA behandelt werden. Aus Gründen der Therapieadhärenz sind Kombinationspräparate gegenüber Monopräparaten zu bevorzugen. Für Patient:innen der Gruppe E ist eine LABA+LAMA-Kombination ebenfalls die bevorzugte Therapie der Wahl. Liegt die Zahl der Eosinophilen im Blut bei ≥300 Zellen/µl, ist eine Triple-Therapie mit LABA+LAMA+ICS von Vorteil. Bei COPD-Kranken mit Asthma in der Vorgeschichte ist ein ICS obligatorisch. Besteht eine Indikation für ein ICS, so ist LABA+LAMA+ICS nachweislich besser als LABA+ICS und daher die bevorzugte Wahl. Dieses initiale Therapiekonzept sollte regelmäßig überprüft werden, indem erneut die Symptome und das Exazerbationsrisiko bewertet werden. Je nach Befund ist die medikamentöse Behandlung dann entsprechend anzupassen.

Eskalation auf eine Triple-Therapie (LAMA+LABA+ICS) kann die Mortalität senken

Die Eskalation der Inhalationstherapie auf LABA+LAMA+ICS (Triple-Therapie) kann mit verschiedenen Ansätzen erfolgen. Die Triple-Therapie verbessert nachweislich die Lungenfunktion, die von den Patient:innen berichteten Ergebnisse („patient reported outcomes”, PRO) und reduziert Exazerbationen im Vergleich zu LAMA allein oder zur Dualtherapie mit LABA+LAMA oder LABA+ICS. Zwei große randomisierte klinische Studien, IMPACT und ETHOS, haben gezeigt, dass inhalative Dreifachkombinationen mit fixer Dosierung die Gesamtmortalität im Vergleich zu einer dualen inhalativen langwirksamen Bronchodilatationstherapie senken: ETHOS mit 49 % Mortalitätsreduktion (HR 0,51; 95%-KI 0,33–0,80) und IMPACT mit 38 % Mortalitätsreduktion (HR 0,72; 95%-KI 0,53–0,999). In einer post-hoc Analyse der ETHOS-Studie senkte die LABA+LAMA+ICS-Triple-Therapie mit einem Formoterol/Glycopyrronium/Budesonid-Dosieraerosol bei Patient:innen mit COPD (n = 8509) und bestehender Exazerbationshistorie von ≥1 mittelschwere/schwere Exazerbation im Vorjahr, das Risiko der Gesamtmortalität um 49 % im Vergleich zu einer dualen LAMA+LABA-Therapie. Die Auswertung der Todesursachen zeigte eine deutliche Reduktion der kardiovaskulären Mortalität.

Welche Patient:innen sollten eine Triple-Therapie erhalten?

Derzeit bietet die Eosinophilenzahl im Blut (≥300 Zellen/μl) einen Anhaltspunkt zur Identifizierung von COPD-Patient:innen, die ein höheres Risiko für Exazerbationen haben und eher von einer präventiven Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden profitieren. Wie die Datenmodellierung in der ETHOS-Studie gezeigt hat, haben ICS-haltige Therapien bei einer Eosinophilenzahl von <100 Zellen/μl Blut wenig oder gar keine Wirkung. Daher kann dieser Schwellenwert zur Identifizierung von Patient:innen mit einer geringen Wahrscheinlichkeit eines Behandlungsnutzens durch ICS verwendet werden. Bei einem Schwellenwert von ≥300 Eosinophilen/μl ist die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungsnutzens durch ICS am größten. Die genannten Schwellenwerte sollen jedoch eher als Schätzwerte und nicht als präzise Grenzwerte betrachtet werden, die unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für einen Behandlungsnutzen vorhersagen können. Es ist wichtig, die Indikation für den Einsatz von ICS regelmäßig zu prüfen. ICS sollen abgesetzt werden, wenn die Zahl der Eosinophilen im Differenzialblutbild <100 Zellen/μl beträgt oder wenn unter ICS eine Pneumonie aufgetreten ist. Die verwendete ICS-Dosis sollte sorgfältig abgewogen werden, um das Potenzial für ICS-bedingte Nebenwirkungen zu verringern, da diese bei höheren Dosen häufiger auftreten.

Woran lässt sich eine bevorstehende Exazerbation erkennen?

Bei den Teilnehmer:innen an der ETHOS-Studie wurde während der gesamten Studie bei Bedarf eine Behandlung mit einem SABA als rasch wirkende Notfallmedikation durchgeführt. In einer Post-hoc-Analyse der ETHOS-Studie zeigte sich eine Zunahme des SABA-Gebrauches in den 30 Tagen vor der ersten moderaten oder schweren Exazerbation in allen Behandlungsgruppen. Insbesondere wurde ein sprunghafter Anstieg des SABA-Gebrauches in den sieben Tagen vor Beginn der Exazerbation beobachtet. Da eine solche Beobachtung auf eine bevorstehende Exazerbation hinweisen kann, sollten Patient:innen gezielt nach ihrem SABA-Gebrauch befragt werden, insbesondere beim Wunsch nach einem SABA-Folgerezept in kurzem Zeitabstand.

Systemische (orale) Kortikoide (OCS) nur kurz anwenden

Bei Patient:innen mit schweren Exazerbationen können orale Kortikoide die Lungenfunktion (FEV1) und die Sauerstoffversorgung verbessern und die Erholungszeit einschließlich der Dauer des Krankenhausaufenthaltes verkürzen. Empfohlen wird eine Dosis von 40 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag für fünf Tage. Diese Therapiedauer sollte in der Regel nicht überschritten werden, denn Studien liefern Hinweise darauf, dass längere Behandlungen mit OCS bei COPD-Exazerbationen mit einem erhöhten Pneumonie- und Mortalitätsrisiko assoziiert sind. In einer historischen Beobachtungsstudie wurden die Daten von über 300.000 COPD-Patient:innen in Großbritannien ausgewertet und die Sterblichkeit in Abhängigkeit von der OCS-Behandlung untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Einnahme von OCS mit einem höheren Risiko für die Gesamtmortalität verbunden war. Diese stieg mit zunehmender kumulativer OCS-Exposition an. Bei den Patient:innen, die kumuliert in einem Jahr ≥500 mg bis <1.000 mg Kortison erhielten, war das Mortalitätsrisiko 1,7-fach erhöht gegenüber denjenigen, die <500 mg eingenommen hatten. Bei den häufig verwendeten 40 bis 50 mg Prednisolon oder Äquivalent für die Dauer von fünf Tagen wird eine OCS-Exposition von 250 mg erreicht, sodass bereits die zweite Exazerbationsbehandlung mit OCS im Jahr Auswirkungen auf das Mortalitätsrisiko haben kann.

Wann sind Antibiotika bei COPD-Exazerbationen indiziert?

Weisen Betroffene mindestens zwei der drei Kardinalsymptome auf sowie klinische Anzeichen einer bakteriellen Infektion, z. B. eine an der Gelbfärbung erkennbare Sputumpurulenz, sind Antibiotika indiziert: Sie können die Genesungsdauer verkürzen und das Risiko eines frühen Rezidivs, eines Behandlungsversagens und die Dauer eines Krankenhausaufenthaltes verringern: Die empfohlene Dauer der Antibiotikatherapie beträgt fünf bis sieben Tage: Für die ambulante Behandlung von COPD-Exazerbationen werden nur maximal fünf Tage empfohlen: Wie eine Metaanalyse zeigen konnte, hat eine Antibiotikatherapie von fünf oder weniger Tagen die gleiche klinische und bakteriologische Wirksamkeit wie eine längere Einnahme bei Patient:innen mit COPD-Exazerbationen im ambulanten Setting. Darüber hinaus kann eine kürzere Antibiotikaexposition das Risiko der Entwicklung einer antimikrobiellen Resistenz und der mit dieser Therapie verbundenen Komplikationen verringern: Die Wahl des Antibiotikums sollte sich am lokalen bakteriellen Resistenzmuster orientieren. In der Regel besteht die erste empirische Behandlung aus einem Aminopenicillin mit Clavulansäure, Makrolid, Tetrazyklin oder – in ausgewählten Fällen – Chinolon. Bei Patient:innen mit häufigen Exazerbationen, schwerer Atemwegsobstruktion und/oder Exazerbationen, die eine mechanische Beatmung erfordern, sollten Kulturen aus Sputum oder anderen Sekreten aus der Lunge angelegt werden, da gramnegative Bakterien, wie z. B. Pseudomonas-Arten oder resistente Erreger, die gegen die oben genannten Antibiotika unempfindlich sind, vorhanden sein können.

Optionen zur Therapieanpassung (Eskalation bzw. Deeskalation)

Wie wir bereits bei der A-B-E-Risikoklassifizierung gesehen haben, sollen COPD-Patient:innen, die im vergangenen Jahr höchstens eine moderate Exazerbation und nur geringe Symptome zeigen, mit einem LABA oder LAMA behandelt werden. Bei COPD-Erkrankten mit anhaltenden Exazerbationen unter Bronchodilatator-Monotherapie und einer Eosinophilenzahl <300 Zellen/μl Blut wird eine Eskalation auf LABA+LAMA empfohlen. Liegt die Eosinophilenzahl höher, sollte eine Triple-Therapie aus LAMA+LABA+ICS zum Einsatz kommen. Bei Patient:innen, die unter einer LABA+LAMA-Therapie weitere Exazerbationen entwickeln, wird die Eskalation auf LABA+LAMA+ICS empfohlen. Dabei kann bei ≥100 Eosinophilen Zellen/μl im Blut ein günstiges Ansprechen auf die Triple-Therapie beobachtet werden. Liegen die Eosinophilenzahlen <100 /μl, sollte die Gabe von Roflumilast erwogen werden. Auch wenn unter LABA+LAMA+ICS weiterhin Exazerbationen auftreten, kann die Gabe von Roflumilast als „Add-on” zur Triple-Therapie infrage kommen. Um das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen zu reduzieren, ist Roflumilast stufenweise aufzudosieren. Im GOLD-Report wird als Alternative zu Roflumilast die zusätzliche Gabe eines Makrolid-Antibiotikums wie Azithromycin aufgeführt – vorzugsweise bei ehemaligen Raucher:innen. In Deutschland haben Makrolide in der Dauerbehandlung der COPD jedoch keine Bedeutung. Das Ansprechen auf eine Behandlungseskalation sollte stets überprüft werden. Patient:innen, bei denen eine Änderung der Therapie, insbesondere eine Deeskalation, erwogen wird, sollten unter enger ärztlicher Aufsicht behandelt werden. Eine Deeskalation der Triple-Therapie kann sinnvoll sein, wenn eine Pneumonie oder andere erhebliche Nebenwirkungen auftreten. Allerdings kann eine Deeskalation zur Exazerbation führen, insbesondere wenn die Eosinophilenzahl hoch ist (≥300 Zellen/μl).

Weitere Maßnahmen zur Prävention von Exazerbationen (neben der Rauchentwöhnung)

1. Pneumologische Rehabilitation (Lungenreha)

Laut nationaler Versorgungsleitlinie soll COPD-Patient:innen eine pneumologische Rehabilitation angeboten werden, u. a. wenn in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine schwere oder zwei mittelschwere Exazerbationen aufgetreten sind. Dass eine Lungenreha die Sterblichkeit verringern kann, zeigte u. a. eine große bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit über 190.000 Patient:innen, die wegen COPD ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Die Einleitung einer Reha innerhalb von 90 Tagen nach der Entlassung im Vergleich zu keiner oder einer später begonnenen Reha war mit einem statistisch signifikant geringeren Sterberisiko nach einem Jahr assoziiert. Diese Ergebnisse unterstützen die aktuellen Leitlinienempfehlungen für pulmonale Rehabilitation nach einem Krankenhausaufenthalt.

2. Körperliche Aktivität/Rehasport

COPD-Exazerbationen führen dazu, dass die Betroffenen sich weniger bewegen – ein Teufelskreis: Wie Studien belegen, ist bei COPD-Erkrankten ein geringeres Maß an körperlicher Aktivität mit einem höheren Risiko für Exazerbationen und Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit Exazerbationen assoziiert sowie mit einem erhöhten Sterberisiko. Daher wird in den Leitlinien empfohlen, COPD-Patient:innen zu mehr körperlicher Aktivität zu motivieren und zu beraten, z. B. in Lungensportgruppen. Die Seite www.lungensport.org der AG Lungensport in Deutschland e. V. bietet u. a. eine Adressdatenbank mit Lungensportgruppen in Deutschland, informiert über die Voraussetzungen für eine Verordnung und gibt praktische Übungsanleitungen.

3. Impfungen

Impfungen spielen eine wichtige Rolle in der Prävention akuter Atemwegsinfektionen, die häufige Auslöser von Exazerbationen darstellen. Patient:innen mit COPD sollen Impfungen gemäß den aktuellen Empfehlungen der STIKO angeboten werden. Die STIKO empfiehlt bei COPD die jährliche Influenza-Impfung mit einem inaktivierten quadrivalenten Hochdosisimpfstoff, die einmalige Pneumokokken-Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) unabhängig vom Alter, die COVID-19-Impfung als jährliche Auffrischungsimpfung mit einem präferenziell zugelassenen variantenadaptierten Impfstoff. Die drei genannten Impfungen können am selben Termin verabreicht werden. Noch nicht in den STIKO-Empfehlungen berücksichtigt ist die Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). RSV wurde neben Rhinoviren und Influenza als wichtiger Auslöser von schweren COPD-Exazerbationen identifiziert. Die mit einer RSV-Infektion im Alter verbundene Morbidität und Mortalität ist höher als bei Influenza. Im Juni 2023 wurde der erste RSV-Impfstoff in der EU für Menschen ab 60 Jahren zugelassen, der einen Schutz gegen eine RSV-ausgelöste Atemwegserkrankung von schätzungsweise 83 % für mindestens sechs Monate verspricht.

Wann kann die Zusammenarbeit mit einem Pneumologen oder einer Pneumologin erforderlich sein?

Die Leitlinien listen verschiedene medizinische Situationen auf, die eine Überweisung vom betreuenden Hausarzt oder von der betreuenden Hausärztin zu einem Pneumologen oder einer Pneumologin erforderlich machen können. Dazu gehören u. a. ein unzureichender Therapieerfolg trotz intensivierter Behandlung, eine geplante Triple-Therapie (LAMA+LABA+ICS) und/oder eine Therapie mit Roflumilast als Add-on, eine vorausgegangene Notfallbehandlung mit bedrohlichem Krankheitszustand, neu aufgetretene Begleiterkrankungen, die sich aus der Schwere der Grunderkrankung oder aus der COPD-Behandlung ergeben könnten, eine neu aufgetretene respiratorische Insuffizienz bzw. Verschlechterung dieser um etwa 15 bis 25 % vom Ausgangswert.

Fazit

Exazerbationen sind mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall und einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Selbst eine einzige moderate Exazerbation erhöht das Risiko für künftige Ereignisse und weitere Exazerbationen. Die neue Definition laut GOLD-Report 2023 fokussiert auf die Symptomatik, die sich innerhalb von weniger als 14 Tagen verschlimmert und von Tachypnoe und/oder Tachykardie begleitet sein kann. Wichtig ist es, Exazerbationen strukturiert zu erfassen sowie Differenzialdiagnosen sorgfältig zu prüfen und auszuschließen. Die initiale medikamentöse COPD-Therapie erfolgt nach A-B-E-Risikogruppen. Für Patient:innen in der Gruppe E (wie Exazerbation) ist eine LABA+LAMA-Kombination die Therapie der Wahl, die je nach Eosinophilenzahl auf eine LABA+LAMA+ICS-Triple-Therapie eskaliert werden sollte. Systemische Kortikoide (OCS) dürfen nur kurzzeitig für max. fünf Tage verabreicht werden. Falls Antibiotika indiziert sind, gilt ebenfalls eine Dauer von max. fünf bis sieben Tagen. Wichtige Maßnahmen zur Prävention von Exazerbationen sind neben der Tabakentwöhnung u. a. Impfungen zur Vermeidung von Atemwegsinfektionen sowie Lungenrehabilitation und körperliche Aktivität. In bestimmten Situationen, z. B. vor einer Triple-Therapie, kann die Zusammenarbeit mit einem Pneumologen oder einer Pneumologin erforderlich sein.

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