Einführung
Retinale Venenverschlüsse (RVV) stellen – nach der diabetischen Retinopathie – die zweithäufigste, vaskulär bedingte Erkrankung des Auges dar, wobei hinsichtlich Pathogenese und Prognose zwischen einem Zentralvenenverschluss (ZVV) und einem Venenastverschluss (VAV) zu unterscheiden ist. Die Prävalenz eines RVV steigt mit zunehmendem Alter und wird mit 0,3 bis 3,7 % angegeben. Meist sind Patienten im Alter von 60 bis 70 Jahren betroffen. Bei etwa 5 bis 12 % der Patienten tritt ein RVV an beiden Augen auf. In den frühen Stadien der Erkrankung weisen die Patienten häufig keine Symptome auf. Allerdings kann es aufgrund der gestörten retinalen Perfusion zu verschiedenen ophthalmologischen Komplikationen kommen, die mit – sich meist langsam entwickelnden – Sehverschlechterungen bis hin zu einem schweren Sehverlust einhergehen und behandelt werden müssen. Die meisten Patienten mit RVV suchen den Augenarzt aufgrund von Sehverschlechterungen infolge eines Makulaödems (MÖ) auf, aber auch Ischämien und Neovaskularisationen, die Glaskörperblutungen, Sekundärglaukom oder eine traktive Netzhautablösung nach sich ziehen können, sind bei der Therapieplanung zu beachten. Die Rolle der Augenärzte besteht darin, eine präzise Diagnose zu stellen, die Therapie rechtzeitig einzuleiten und eine interdisziplinäre Abklärung weiterer Risikofaktoren, darunter insbesondere kardio- und zerebrovaskuläre Risikofaktoren, einzuleiten.
Präzise Diagnose essenziell
Wesentliche Basis der Therapieplanung ist eine korrekte Diagnosestellung. Empfohlen wird eine komplette augenärztliche Untersuchung mit Visus, Pupillenreaktionstestung, Augeninnendruckmessung, Kammerwinkelinspektion und Beurteilung des vorderen und hinteren Augenabschnittes in Mydriasis. Die Fluorescein-Angiografie gehört weiterhin zum Standard bei Erstdiagnose und im Verlauf, kann aber auch erst nach einigen Wochen erfolgen, sofern retinale Blutungen die Beurteilung der ischämischen Areale beeinträchtigen. Wichtig ist, präzise zwischen arteriellem und venösem Verschluss zu unterscheiden und das Ausmaß eines MÖ sowie möglicher Ischämien zu beurteilen. Diesbezüglich ist eine sorgfältige Beurteilung der Ischämien im Zentrum sowie auch in der Netzhautperipherie sowohl zu Beginn der Therapie als auch im weiteren Therapieverlauf wichtig. Sehr hilfreich und unentbehrlich zur Diagnosestellung sowie für Therapieentscheidungen im weiteren Verlauf ist die OCT-Diagnostik. Sie ermöglicht die präzise Erfassung eines MÖ nach Venenverschluss sowie dessen Verlaufskontrolle unter Therapie. Zudem können auch Ischämien infolge arterieller Verschlusskomponenten anhand einer erhöhten Reflektivität in den inneren Netzhautschichten erkannt werden. Liegen diese zusätzlich zum venösen Verschlussgeschehen vor, so ist die Visusprognose deutlich reduziert. Beispielhaft sei hier der Fall einer 49-jährigen Patientin dargestellt, die mit einer vor einigen Tagen plötzlich wahrgenommenen Sehverschlechterung und einer sehr schlechten Sehschärfe am linken Auge vorstellig wurde. Die Fundusautofluoreszenzbilder sowie Fluorescein-Angiografiebilder aus der Früh- und Spätphase zeigen die typischen Zeichen eines retinalen Venenschlusses am linken Auge mit Gefäßdilatation, Tortuositas, randunscharfer Papille und Fleckblutungen in allen Quadranten. Zusätzlich zeigt sich auch eine untypische Hypofloreszenz im Bereich des papillomakulären Bündels. Auch dies lässt darauf schließen, dass zusätzlich zu dem Venenverschluss ein arterieller Astverschluss vorliegt.
Interdisziplinäre Abklärung sicherstellen
Beim RVV handelt es sich – wie bei der diabetischen Retinopathie auch – meist um eine Folge von Systemerkrankungen. So gehen etwa arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mit einem 2,5- bis 3-fach erhöhten Risiko für einen RVV einher. Die Behandlung eines RVV sollte daher unbedingt mit dem Hausarzt bzw. Internisten abgestimmt werden. Weiterhin sollte nach retinalem Verschlussgeschehen eine interdisziplinäre Abklärung insbesondere von kardio- und zerebrovaskulären Risikofaktoren erfolgen und eine angemessene Behandlung der Grunderkrankung sichergestellt werden. Verschiedene Metaanalysen haben eine klare Assoziation zwischen retinalem Venenverschluss und kardiovaskulären Risikofaktoren sowie einer erhöhten Mortalität gezeigt. So ergab eine aktuelle Metaanalyse, in der 15 Kohortenstudien mit insgesamt knapp 475.000 Teilnehmern gemeinsam ausgewertet wurden, dass Patienten mit retinalem Venenverschluss ein 1,3- bis 1,5-fach erhöhtes Risiko haben, einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt, eine Herzinsuffizienz oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit zu erleiden und infolgedessen ein erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen. Eine interdisziplinäre Abklärung nach Verschlussgeschehen ist daher von außerordentlicher Wichtigkeit. Neben der Abklärung dieser typischen Risikofaktoren sollte insbesondere bei jungen Patienten (<45 Jahren) zusätzlich eine Gerinnungsanalyse erfolgen. So wurde beispielsweise bei einem jungen Patienten in den 20er-Jahren nach Diagnose eines beidseitigen Venenverschlusses eine Leukämie festgestellt.
Glaukom im Blick haben – Konversionsrisiko beachten
Zudem empfiehlt es sich insbesondere bei Zentralvenenverschlüssen, unbedingt auch auf eine veränderte Papillenmorphologie zu achten, um eine möglicherweise zugrunde liegende Glaukomerkrankung nicht zu übersehen. Etwa 70 % aller Patienten mit RVV weisen ein Glaukom auf. Umgekehrt ist das Vorliegen eines Glaukoms der wichtigste okuläre Risikofaktor und erhöht das relative Risiko für einen RVV um das Fünf- bis Siebenfache. Etwa 2 bis 8 % aller Glaukompatienten erleiden einen RVV. Daher gilt es, bei RVV nicht nur das Verschlussgeschehen und das MÖ im engmaschigen Blick zu behalten, sondern auch ein mögliches Glaukom und dessen Therapie – insbesondere auch, um am Partnerauge einen Verschluss zu verhindern. Weiterhin ist bei RVV auch das Konversionsrisiko von einem nicht ischämischen Geschehen hin zu einer Ischämie im Blick zu behalten und ggf. die Therapie entsprechend anzupassen. Eine Ischämie kann nicht nur zu Beginn des Verschlussgeschehens, sondern auch jederzeit in dessen Verlauf auftreten. Dementsprechend sollte über eine längere Zeit kontrolliert werden, ob es sich um einen nicht ischämischen oder ischämischen Verlauf handelt. Beispielhaft ist hier der Fall einer über 60-jährigen Patientin mit Zentralvenenverschluss am linken Auge dargestellt, die zunächst mit einem nicht ischämischen Verschluss vorstellig wurde und nach zwei Jahren ein erneutes Verschlussgeschehen mit ausgeprägter Ischämie aufwies, die eine panretinale Laserkoagulation erforderte.
Anti-VEGF-Inhibitoren: Mittel der Wahl bei RVV und MÖ
Hinsichtlich der Therapie ophthalmologischer Komplikationen eines RVV ist zwischen einer peripheren Ischämie und dem Vorliegen eines MÖ zu unterscheiden. Für die Therapie der peripheren Ischämie stellt auch heute noch eine panretinale oder sektorale Laserbehandlung die Therapie der Wahl dar. Diese ist auch unabhängig von der Therapie eines MÖ durchzuführen und kann unter Umständen eine geringere VEGF-Ausschüttung unterstützen. Liegt eine Ischämie ohne MÖ vor, sollte keine intravitreale operative Medikamenteneingabe (IVOM) erfolgen. Diese ist – im Gegensatz zur proliferativen diabetischen Retinopathie – zur Behandlung einer Ischämie weder sinnvoll noch zugelassen. Liegt ein MÖ infolge RVV vor, so ist hingegen eine rasche und konsequente IVOM-Therapie indiziert. Im Vergleich zur fokalen Laserbehandlung zeigen IVOM-Medikamente bei Vorliegen eines MÖ bessere Visusergebnisse und sind bei der Behandlung des MÖ daher die erste Wahl. Grundsätzlich stehen mit Anti-VEGF-Medikamenten und Kortikosteroiden zwei Wirkstoffklassen mit jeweils verschiedenen Substanzen zur IVOM-Therapie des MÖ infolge eines RVV zur Verfügung. Prospektive Studien, in denen die beiden Wirkstoffklassen im Head-to-Head-Vergleich zur RVV-Behandlung untersucht wurden, ergaben für Anti-VEGF-Medikamente übereinstimmend bessere Ergebnisse und geringere Nebenwirkungen als für das Kortikosteroid-Implantat, das mit einem erhöhten Risiko für Augeninnendruckerhöhung und Kataraktentwicklung einhergeht. Zudem lieferten die Anti-VEGF-Injektionen in der COMRADE-C Studie schon nach dem zweiten Monat bessere Visusergebnisse als das Dexamethason-Implantat, was bedeutet, dass die Anti-VEGF-Behandlung bei konsequenter, monatlicher Umsetzung der Dexamethason-Therapie schon zu einem Zeitpunkt überlegen war, an dem eigentlich deren höchste Wirkung erwartet wird. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird auch in der Stellungnahme der Fachgesellschaften die Anti-VEGF-Behandlung als Therapie der ersten Wahl empfohlen, während der Einsatz von Kortikosteroiden als Alternative für ausgewählte Patienten vorgesehen ist. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Wirkung des Dexamethason-Implantates nach ca. 60 Tagen nachzulassen scheint und dass bei früherem Rezidiv ggf. frühere Re-Implantationen erwogen werden sollten, um eine möglichst konsequente und lückenlose Therapie aufrechtzuerhalten. Die Möglichkeit zur Verlängerung der Behandlungsintervalle scheint daher begrenzt zu sein. Zudem ist bei früherer Re-Implantation auch das Risiko vermehrter Nebenwirkungen zu berücksichtigen.
Rascher, konsequenter Start der IVOM-Therapie
Studien zeigen, dass mit einer optimalen Anti-VEGF-Behandlung Patienten mit MÖ nach RVV einen Visusgewinn von 15 bis 20 ETDRS-Buchstaben erreichen können, etwa die Hälfte der Patienten ihre Lesefähigkeit erhalten kann und die Entwicklung von Neovaskularisationen unterbunden wird. Wesentliche Grundvoraussetzung für den Therapieerfolg sowie für mögliche Intervallverlängerungen ist allerdings ein rascher und intensiver Behandlungsstart. Denn je schneller sich das MÖ zurückbildet, umso geringer sind morphologische Schäden und desto eher haben Patienten eine Chance auf gute Visusergebnisse und verlängerte therapiefreie Intervalle. Die aktuelle Stellungnahme der Fachgesellschaften empfiehlt, mit einer 3er-Serie monatlicher IVOM mit VEGF-Inhibitoren zu beginnen, mindestens nach der dritten IVOM den Therapieeffekt zu kontrollieren und bei Behandlungsbedarf eine weitere 3er-Serie monatlicher IVOM durchzuführen. Ist anschließend ein Ansprechen auf die Therapie festzustellen, liegt aber dennoch weiterhin ein klinisch relevantes Restödem vor, was häufig der Fall ist, muss auf jeden Fall weiter therapiert werden. Ab dem siebten Behandlungsmonat können verschiedene Injektionsschemata, wie 3er-Blöcke, Treat-and-Extend (T&E) oder pro re nata (PRN) angewendet werden. Ziel ist es, die Therapie zu individualisieren und im Idealfall die Injektionsintervalle zu verlängern, um so die Behandlungslast für Patienten und Angehörige soweit wie möglich zu reduzieren. Welche Vorteile ein intensiver Behandlungsstart und eine anschließende Therapieindividualisierung den Patienten bringen, zeigt eine Sekundäranalyse der Studie SCORE II, in der Bevacizumab und Aflibercept im T&E-Regime angewendet wurden: Nach konsequenter Behandlung im ersten Jahr benötigten im zweiten Jahr 24,4 % der Patienten unter Bevacizumab und 28,2 % der Patienten unter Aflibercept keine Injektion mehr.
T&E-Regime bei RVV: Visusverbesserung und sinkende Behandlungslast
Auch die Ergebnisse der aktuellen, randomisierten Phase-IV-Studie CENTERA zeigen, dass Patienten mit MÖ infolge eines ZVV unter intravitrealer Aflibercept-Therapie im T&E-Regime im Mittel einen Visusgewinn von 20 ETDRS-Buchstaben gegenüber dem Ausgangswert erzielen können – und dies bei sinkender Behandlungslast im Zeitverlauf. Im Rahmen der Initiierungsphase erhielten die Patienten monatliche Injektionen bis zum Erreichen der Krankheitsstabilität oder bis zur Woche 20. Anschließend konnten die Behandlungsintervalle je nach Krankheitsaktivität basierend auf funktionellen und anatomischen Ergebnissen in zweiwöchigen Schritten angepasst werden. Direkt nach Therapiestart zeigte sich bereits innerhalb der ersten vier Wochen ein rascher und ausgeprägter Visusanstieg, der dann im T&E-Schema über anderthalb Jahre erhalten blieb. Zum Studienende hatten die Patienten durchschnittlich +20,3 ETDRS-Buchstaben im Vergleich zu ihrem Ausgangsvisus gewonnen. Zudem erzielten 65,6 % der Patienten einen Visusgewinn von 15 Buchstaben oder mehr zum Studienende. Gleichzeitig führte das T&E-Regime dazu, dass die Behandlungslast im Studienverlauf abnahm: Während innerhalb der ersten 24 Wochen noch durchschnittlich fünf Injektionen erforderlich waren, waren es zwischen Woche 24 und 52 noch vier Injektionen und nur drei Injektionen innerhalb der letzten 24 Wochen. Mehr als zwei Drittel der Patienten erreichten am Studienende ein geplantes Intervall von acht Wochen. Auch hinsichtlich der anatomischen Ergebnisse ergaben sich ein rasches Ansprechen und klinisch relevante Verbesserungen zu allen vorgesehenen Visiten: Die stärkste Reduktion der zentralen Netzhautdicke wurde bereits nach der ersten Aflibercept-Injektion (–462 μm in Woche 4) beobachtet, zum Studienende war die Netzhautdicke im Mittel um 496 µm reduziert. Insgesamt zeigt sich somit, dass mit einer Aflibercept-Therapie im T&E-Schema nach Zentralvenenverschluss vergleichbare Ergebnisse wie in den Zulassungsstudien erzielt werden können und gleichzeitig die Behandlungslast reduziert werden kann.
Langfristige Kontrolle und Therapie lohnen sich
Aber auch, wenn nicht bei jedem Patienten eine Reduktion der Behandlungslast möglich ist, so zahlen sich dennoch eine konsequente, lückenlose Therapie und Kontrolle aus, wie ein weiteres Fallbeispiel zeigt: Der 52-jährige Patient stellte sich 2014 erstmalig mit ausgeprägtem MÖ nach RVV und sehr stark herabgesetztem Sehvermögen am rechten Auge vor. Im Verlauf einer siebenjährigen Anti-VEGF-Therapie mit regelmäßig vier- bis achtwöchigen Injektionen wurde ein Rückgang des MÖ sowie eine schrittweise, kontinuierliche Visusverbesserung erreicht: Bis zum vierten Therapiejahr stieg der Visus von unter 0,1 Dezimal stufenweise auf 0,8 und kann seither stabil erhalten werden. Auch die Ergebnisse der Studien CRYSTAL und BRIGHTER, in denen Ranibizumab nach einer Upload-Phase im PRN-Regime angewendet wurde, zeigen, dass bei RVV in der Regel eine intensive, nachhaltige Therapie erforderlich ist, um Therapieerfolge zu erzielen: Im Median waren 15 Injektionen im Verlauf von 24 Monaten erforderlich. Eine weitere retrospektive Studie zur Langzeiteffektivität einer Anti-VEGF-Therapie zeigt, dass im Verlauf von fünf Jahren etwa die Hälfte der Patienten mit RVV zwischen 30 und 60 Injektionen erhielten und damit im Mittel zehn ETDRS-Buchstaben (ZVV) und 14 ETDRS-Buchstaben gewannen (VAV). Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass auch in den Fällen, in denen eine intensive Therapie erforderlich ist, langfristig beträchtliche Visusverbesserungen erzielt und dauerhaft erhalten werden können.
Unterschiede der VEGF-Inhibitoren
Hinsichtlich der Vergleichbarkeit der verschiedenen Anti-VEGF-Wirkstoffe zur Therapie eines RVV liegen bislang nur wenige Head-to-Head-Studien vor. In der bereits erwähnten Studie SCORE II, in der Bevacizumab und Aflibercept bei 362 Patienten eingesetzt wurden, ergaben sich hinsichtlich der Funktion und der zentralen Subfeld-Dicke keine signifikanten Unterschiede zwischen den Wirkstoffen. Allerdings war der Anteil der Augen, bei denen sich innerhalb von sechs Monaten das MÖ vollständig zurückgebildet hatte, unter Aflibercept signifikant größer als unter Bevacizumab, wie eine Post-hoc-Analyse ergab. Weitere Hinweise auf mögliche Unterschiede liefert die prospektive, randomisierte LEAVO-Studie mit 463 Patienten, in der die klinische Wirksamkeit von Ranibizumab, Aflibercept und Bevacizumab verglichen wurde: Untersucht wurde die Nichtunterlegenheit von Aflibercept und Bevacizumab gegenüber Ranibizumab bei ZVV-Patienten (Nichtunterlegenheitsgrenze: fünf ETDRS-Buchstaben). Initial erhielten die Patienten vier aufeinanderfolgende monatliche Injektionen und wurden anschließend bei bestehender Krankheitsaktivität gemäß PRN-Regime weiterbehandelt. Der größte Visusgewinn zum Studienende in Woche 100 wurde in der Aflibercept-Gruppe mit durchschnittlich +15,1 ETDRS-Buchstaben erzielt, gefolgt von Ranibizumab (+12,5) und Bevacizumab (+9,8). Während Bevacizumab in Woche 100 keine Nichtunterlegenheit gegenüber den beiden zugelassenen Wirkstoffen erreichte, erzielte Aflibercept hingegen den primären Endpunkt der Nichtunterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Gleichzeitig waren in der Aflibercept-Gruppe mit durchschnittlich zehn Injektionen im Verlauf von zwei Jahren weniger Injektionen erforderlich als in den beiden anderen Wirkstoffgruppen (Bevacizumab 11,5 und Ranibizumab 11,8 Injektionen). Die Autoren schlussfolgern, dass bei ZVV Bevacizumab nicht gegen Aflibercept oder Ranibizumab austauschbar sei.
Switching?
In Bezug auf ein „Switching”, also einen Medikamentenwechsel bei Patienten mit behandlungsresistentem MÖ, liegen bislang zwar noch nicht ausreichend Daten zur abschließenden Beurteilung vor. Allerdings liefern einige Fallserien und Studien bereits erste Hinweise, wobei in der überwiegenden Mehrzahl dieser Studien von Bevacizumab oder Ranibizumab auf Aflibercept umgestellt wurde. In einer acht Studien umfassenden Metaanalyse mit insgesamt 137 Patienten mit RVV, bei denen von Bevacizumab oder Ranibizumab auf Aflibercept umgestellt wurde, ergab sich zwar keine signifikante Verbesserung der Sehschärfe, wohl aber ein signifikanter Rückgang der Netzhautdicke nach dem Switching. Weiterhin wurden die Effekte eines Switchings auch in einer Sekundäranalyse der bereits erwähnten SCORE-II-Studie untersucht. In der Untergruppe der Patienten mit schlechtem Therapieansprechen nach sechs Monaten (n = 49; „poor Responder”) wurden die Patienten unter Bevacizumab (n = 35) auf Aflibercept umgestellt und nach drei aufeinanderfolgenden monatlichen Aflibercept-Injektionen (Monate 6, 7, 8) im T&E-Regime behandelt. Patienten mit ursprünglicher Aflibercept-Therapie (n = 14) erhielten im Monat 6 ein Dexamethason-Implantat, gefolgt von bedarfsgerechten Implantatinjektionen im Monat 9, 10 oder 11. Insgesamt zeigte sich in Monat 12, dass ein Switching von Aflibercept auf ein Dexamethason-Implantat (im Mittel wurden 1,8 ± 0,6 Dexamethason-Implantate verabreicht) weder morphologische noch funktionelle Verbesserungen brachte. Wurde hingegen von Bevacizumab auf Aflibercept umgestellt, so wurden im Mittel deutliche Befundverbesserungen erzielt. Zwar blieben die Ergebnisse hinter denen der Patienten zurück, die sofort auf Aflibercept angesprochen hatten, dennoch erreichten auch Patienten mit schlechtem Therapieansprechen auf Bevacizumab nach Umstellung auf Aflibercept im Mittel noch eine signifikante Reduktion der Netzhautdicke sowie auch signifikante Visusverbesserungen. Vergleichbare Ergebnisse liefert auch eine Fallserie mit 38 Patienten mit Venenastverschluss, die bei ausbleibendem Ansprechen (Flüssigkeitsreduktion <75 %) unter Ranibizumab nach mindestens drei Injektionen (im Mittel 8,37 Injektionen) auf Aflibercept umgestellt wurden und signifikante Verbesserungen des Visus und der Morphologie erreichten. Allerdings ist diesbezüglich festzuhalten, dass die Umstellung bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt der Behandlung erfolgte und daher möglicherweise ein Teil des Effektes auch auf die längere Behandlungsdauer zurückgeführt werden kann. In einer weiteren, kleinen Fallserie wurden Patienten (n = 11) nach unzureichendem Ansprechen auf Ranibizumab im T&E-Regime im Mittel nach 15,3 Injektionen (Range: sechs bis 34 Injektionen) auf Aflibercept im T&E-Regime umgestellt und erreichten im Mittel neben einer signifikanten Reduktion der Netzhautdicke auch eine signifikante Verlängerung der Injektionsintervalle von 6,1 auf elf Wochen. Auch diesbezüglich gilt allerdings, den Einfluss des Zeitfaktors zu bedenken, da eine Intervallverlängerung bei längerer Therapiedauer umso wahrscheinlicher wird. In einer weiteren, retrospektiven Studie aus dem klinischen Alltag kam es in 60 % der Fälle zu anatomischen und funktionellen Befundverbesserungen, nachdem von der Off-Label-Behandlung Bevacizumab auf einen der beiden derzeit zugelassenen Anti-VEGF-Wirkstoffe Aflibercept oder Ranibizumab oder auf das Dexamethason-Implantat umgestellt wurde. Insgesamt liefert die derzeitige Datenlage somit Hinweise darauf, dass mit einem Medikamentenwechsel gewisse Befundverbesserungen erzielt werden können, wobei allerdings auch der Faktor „Therapiedauer“ eine Rolle spielen könnte. Darüber hinaus wird der Effekt eines Medikamentenwechsels sicherlich auch durch die Ausgangssituation beeinflusst. Im klinischen Alltag bedeutet dies, dass bei unzureichendem Ansprechen ein Medikamentenwechsel zumindest Chancen auf Befundverbesserungen bietet, wie einige Fälle aus unserer klinischen Praxis zeigen.
Fazit
- Von RVV sind häufig Menschen zwischen 60 und 70 Jahren betroffen.
- Arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes gehen mit 2,5- bis dreifach erhöhtem Risiko für RVV einher. Umgekehrt ist daher bei RVV eine interdisziplinäre Abklärung kardio-/zerebrovaskulärer Risikofaktoren wichtig!
- Glaukom erhöht das relative Risiko für RVV um das Fünf- bis Siebenfache. Daher bei RVV auch das Vorliegen eines Glaukoms/dessen Therapie im Blick haben (Partnerauge!).
- Bei RVV Ausmaß von MÖ und Ischämie (auch peripher) erfassen und im (Therapie-)Verlauf regelmäßig kontrollieren.
- Das Risiko einer Konversion von nicht ischämischem zu ischämischem RVV beachten.
- Laserbehandlung peripherer Ischämien (unabhängig von Therapie eines MÖ)
- MÖ infolge RVV ist häufigste Ursache für Sehverschlechterung.
- Anti-VEGF-Therapie ist Therapie der Wahl bei MÖ infolge RVV und kann im Mittel zu 15 bis 20 ETDRS-Buchstaben Visusgewinn führen. Früher, intensiver Behandlungsbeginn ist entscheidend.
- Konsequente, intensive Therapie sicherstellen (Unterbehandlung vermeiden!).
- Individualisierte Therapieregime helfen, die Therapielast zu senken. Mit Aflibercept im T&E-Regime erzielten Patienten vergleichbare Visusgewinne (20 ETDRS-Buchstaben) wie in Zulassungsstudien bei deutlich reduzierter Behandlungslast.
- Bei unzureichendem Ansprechen ist der Medikamentenwechsel („Switching”) eine Therapieoption.
- Wichtig ist die dauerhafte, konsequente Therapie und Kontrolle des RVV.
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