Aktuelle Entwicklungen in der Endokrinologie

Das Update Endokrinologie besteht aus vier Vorträgen zu State-of-the-Art-Therapiekonzepten und aktuellen Entwicklungen im Bereich Endokrinologie. In seinem Vortrag beleuchtet Prof. Jörg Bojunga aus Frankfurt hormoninaktive Hypophysentumoren und die erste deutsche Leitlinie dazu. Prof Stephan Petersenn aus Hamburg folgt mit einem Vortrag über Patienten mit Hyperkortisolismus mit den Aspekten Diagnostik, Komorbiditäten und Nachsorge. Daran schließt sich der Vortrag „Wachstumshormonmangel beim Erwachsenen“ von Prof. Peter Herbert Kann aus Marburg an mit der Frage, wann therapiert werden soll. Den Abschluss bildet der Vortrag von PD. Dr. Eleni Tsourdi aus Dresden über den Einfluss von Typ-1- und Typ-2-Diabetes bei Kindern und Erwachsenen auf den Knochenstoffwechsel.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709121030830017
Zeitraum 05.03.2021 - 04.03.2022
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. J. Bojunga
Prof. Dr. med. Stephan Petersenn
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Peter Herbert Kann
PD Dr. med. habil. Elena Tsourdi
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webcast
Lernmaterial Vorträge, Lernerfolgskontrolle (pdf); Bearbeitungsdauer: 90 Minuten
Fortbildungspartner Ipsen Pharma GmbH
Bewertung 4.1 (799)

Vortrag 1 – S2k-Leitlinie der AWMF: Klinisch hormoninaktive Hypophysentumoren unter der Schirmherrschaft der DGE (Prof. Dr. med. Jörg Bojunga)

Grundlagen

In der Nachbarschaft der Hypophyse befinden sich einige relevante anatomische Strukturen. Dazu gehört kranial das Chiasma opticum, lateral die Arteriae carotidae und kaudal der Sinus sphenoidalis. Bei einem tumorösen Geschehen lassen sich Mikroadenome (<1 cm), Makroadenome (>1 cm) und aggressive Adenome unterscheiden. Auch können Hypophysentumoren hormonell aktiv sein. Zu den sezernierbaren Hormonen gehören das Wachstumshormon oder Growth Hormone (GH), Prolaktin, Adrenocortikotropes Hormon(ACTH), Thyroidea-stimulierendes Hormon(TSH) und Luteinisierendes Hormon (LH) beziehungsweise Follikelstimulierendes Hormon (FSH). Im Fokus sollen aber heute die hormoninaktiven Tumoren stehen, die nach den Prolaktin-produzierenden Tumoren die häufigste Entität darstellen.

Terminologie in der Leitlinie

  • Soll = Starke Empfehlung
  • Sollte = Empfehlung
  • Kann = Offene Empfehlung

Patientenfall

Es stellt sich eine 43-jährige Patientin mit seit mehreren Monaten bestehenden Kopfschmerzen vor. Im MRT wird eine 1,5 cm große Sella-Raumforderung detektiert. Klinisch ergibt sich kein Hinweis auf eine Hormonstörung. Die Patientin hat keine weiteren Symptome oder Vorerkrankungen. Hier gilt die vielleicht wichtigste Einzelempfehlung der Leitlinie: „Jeder Patient mit neu nachgewiesenem oder bekanntem Hypophysentumor soll von einem interdisziplinären Team, aus in der Behandlung von Hypophysentumoren erfahrenen Ärzten, diagnostiziert und behandelt werden.“

Diagnostik

In diesem Rahmen soll eine ausführliche Anamnese und klinische Untersuchung vorgenommen werden. Sehstörungen wie eine bitemporale Hemianopsie oder eine Visusminderung gehören zu den möglichen Symptomen. Darüber hinaus sollen Zeichen einer hormonellen Insuffizienz erfragt werden. Bei Frauen können das Zyklusstörungen oder eine Amenorrhö sein, bei Männern sind Libidoverlust und eine erektile Dysfunktion potenzielle Manifestationen. Des Weiteren soll eine laborchemische Sicherung der Diagnose hormoninaktiver Hypophysentumor erfolgen. Deswegen ist eine basale morgendliche Messung von Prolaktin, TSH, fT4, fT3, LH, FSH, Gesamttestosteron (bei Männern) beziehungsweise Östradiol (bei postmenopausalen Frauen), IGF-1 und ein 1-mg-Dexamethason-Test indiziert. Das gilt auch für sehr kleine Adenome. Bei Auffälligkeiten soll eine weitere Funktionstestung erfolgen. Der Goldstandard ist hier der Insulin-Hypoglykämie-Test. Dieser ist jedoch recht aufwendig und kann mit Komplikationen wie zerebralen Krampfanfällen einhergehen, auf die man vorbereitet sein sollte. Auch ein ACTH-Test ist möglich. Dieser kann aber zu Beginn einer adenohypophysären Insuffizienz noch unauffällig sein. Eine Testung mit GnRH oder TRH ist obsolet. In der Bildgebung soll – wie im Fallbeispiel auch geschehen – eine MRT der Sella durchgeführt werden. Wird in der MRT festgestellt wird, dass ein Hypophysentumor Kontakt zur Sehbahn hat, soll zusätzlich eine augenärztliche Untersuchung erfolgen.

Therapie

Bei bestimmten Befunden soll primär eine „wait and scan“ angewendet werden. Dazu gehören symptomlose, hormoninaktive Hypophysentumoren <1 cm. Bei symptomlosen, hormoninaktiven Tumoren ≥1 cm kann meist so verfahren werden. In beiden Fällen sollte in der Regel keine medikamentöse Therapie mit Dopaminagonisten durchgeführt werden. Wann soll operiert werden? Eine Operation soll dann vorgenommen werden, wenn eine (drohende) Beeinträchtigung des Sehvermögens besteht. Auch Tumoren, die ein signifikantes Größenwachstum aufweisen, sollten operiert werden. Eine „Kann-Situation“ ist gegeben, wenn eine relevante Hypophyseninsuffizienz nachgewiesen wird. Darüber hinaus ist es wichtig zu erwähnen, dass Hypophysentumoren eher selten die Ursache für Kopfschmerzen sind, weshalb eine Operationsindikation allein aufgrund dieses Symptoms zurückhaltend gestellt werden sollte. Entscheidet man sich für eine Operation, ist das perioperative Management zu beachten. Bei Vorliegen oder Verdacht auf eine sekundäre Nebenniereninsuffizienz soll eine adäquate Glukokortikoidsubstitution erfolgen. Zusätzlich ist bei möglichem oder bewiesenem Vorliegen einer Nebennierenrindeninsuffizienz die Aufklärung des Patienten und die Ausstellung eines Notfallausweises zu bedenken. Um ein mögliches Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) frühzeitig zu erkennen, sollen nach der Operation über mindestens zehn Tage Serumelektrolyte regelmäßig bestimmt und der Patient ausführlich aufgeklärt werden.

Nachsorge

Im Allgemeinen soll die Nachsorge engmaschig und nach lokalen interdisziplinären Standards erfolgen. Allerdings gilt die Maßgabe: Innerhalb der ersten drei Monate nach der Operation sollte keine Sella-MRT durchgeführt werden. Eine endokrinologische Nachsorge innerhalb der ersten drei Monate soll jedoch erfolgen. Frühestens nach sechs und spätestens nach zwölf Wochen soll dann verbindlich eine Nebennierenrindeninsuffizienz ausgeschlossen werden.

Vorgehen bei nicht operierten Fällen

Das Vorgehen ist abhängig davon, ob ein Mikroadenom, ein Makroadenom oder ein Makroadenom mit Kontakt zu Strukturen der vorderen Sehbahn vorliegt. Letzteres geht potenziell mit mehr Komplikationen einher und wird engmaschiger kontrolliert als ein Mikroadenom.

Vortrag 2 – Hyperkortisolismus – Diagnostik, Komorbiditäten und Nachsorge (Prof. Dr. med. Stephan Petersenn)

Klinik des Cushing-Syndroms und weitere Diagnostik

Das Cushing-Syndrom kann mit einer Vielzahl an Symptomen einhergehen. Als besonders spezifisch sind jedoch die Striae rubrae distensae und die proximale Muskelatrophie anzusehen. Bei Verdacht auf einen Hyperkortisolismus sind zunächst exogene Glukokortikoide auszuschließen. Ist dies erfolgt, stehen drei Screeningtests zur Verfügung: die Messung des Cortisols im 24-h-Urin (mindestens zweimal durchzuführen), der 1-mg-Dexamethason-Kurztest und das Speichel-Cortisol (ebenfalls mindestens zweimal durchzuführen). Je nach Befund wird danach evaluiert, ob ein Cushing-Syndrom wahrscheinlich ist oder nicht. Es konnte gezeigt werden, dass die Tests alle eine ähnliche Spezifität aufweisen, die Sensitivität der Messung des Cortisols im 24-h-Urin jedoch im Vergleich schlechter war, sodass dieser Test eher nicht als Erstes durchgeführt werden sollte.

Differenzialdiagnosen

Sind nun die Laborbefunde auffällig, gibt es dennoch einige Differenzialdiagnosen. Physischer Stress (OP, Schmerz), Mangelernährung und schweres Training korrelieren zwar nicht mit der Klinik des Cushing-Syndroms, sollten jedoch dennoch abgeklärt werden. Schwangerschaft, Depression und Alkoholismus können zusätzlich eine ähnliche Klinik zeigen wie das Cushing-Syndrom. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass Medikamente über Induktion und Inhibition des CYP3A4-Metabolismus zu falschen Ergebnissen im Dexamethason-Suppressionstest führen können. Hier seien beispielsweise Phenobarbital und Carbamazepin als Induktoren sowie Itraconazol als Inhibitor genannt. Carbamazepin erhöht darüber hinaus – ähnlich wie ein übermäßiger Verzehr von Lakritz – die Konzentration des Cortisols im 24-h-Urin. Östrogene können zu einer Erhöhung des Serumcortisols führen. Das ACTH spielt eine wichtige Rolle, um zwischen einem ACTH-unabhängigen Cushing-Syndrom, wie es bei Nebennierenrindenadenomen respektive -karzinomen vorkommt, und einem ACTH-abhängigen Cushing-Syndrom zu unterscheiden. Letzteres kann durch ein ektopes ACTH-Syndrom induziert werden. Bei der Bestimmung des ACTH ist darauf zu achten, einen verlässlichen Assay zu benutzen. Heterophile Antikörper können zu Fehlbestimmungen von ACTH führen und damit die weitere Abklärung eines Cushing-Syndroms erschweren. Bei der ACTH-abhängigen Form ist zwischen einem Morbus Cushing und einer ektopen Sekretion im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms zu unterscheiden. Hier konnte gezeigt werden, dass eine Zusammenschau der Parameter aus Dexamethason-Suppressionstest und CRH-Test geeignet war, um viele Patienten korrekt zu identifizieren. Das Sampling des Sinus petrosus inferior gilt als Goldstandard in der Differenzialdiagnostik. Liegen jedoch übereinstimmende Funktionstests sowie eine eindeutige Bildgebung vor, kann darauf verzichtet werden. Eine negative MRT schließt einen Morbus Cushing allerdings nicht aus.

Komorbiditäten

Im Vergleich zur „normalen“ Bevölkerung treten bei Patienten mit Morbus Cushing deutlich häufiger Hypertension, Insulinresistenz, Depressionen und Osteoporose auf. Neuere Daten zeigen zudem, dass die Anzahl der thromboembolischen Ereignisse sowie Suizide ebenfalls signifikant erhöht sind.

Nachsorge bei Patienten mit Morbus Cushing

Die Nachsorge lässt sich in drei Phasen aufteilen: Ein bis zwei Wochen nach der Operation sollte die Remission durch Messung des Cortisols um 8 Uhr überprüft werden. Zuvor sollte 24 Stunden kein Hydrocortison eingenommen werden, das für die Substitution in einer Dosis von 20 bis 40 mg/d gegeben wird. Der Patient sollte auch über das „Steroidentzugssyndrom“ aufgeklärt werden. Ein bis zwei Jahre nach der Operation kann das Hydrocortison schrittweise reduziert werden. Liegen im ACTH-Test ausreichende Cortisolspiegel vor, kann das Hydrocortison vollständig abgesetzt werden. Es schließen sich jährliche Kontrolluntersuchungen an, um Rezidive, eine Hypophyseninsuffizienz oder eine Osteoporose frühzeitig detektieren zu können. Es bedarf einer lebenslangen Nachsorge. Bei der biochemischen Nachsorge kann man das Cortisol im 24-h-Urin bestimmen. Hier konnte jedoch gezeigt werden, dass die Werte erheblichen Schwankungen unterliegen. Auch scheint die Natriumaufnahme mit der Ernährung eine Rolle zu spielen

Vortrag 3 – Wachstumshormonmangel bei Erwachsenen (Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Peter Herbert Kann)

Status quo

Neben Raumforderungen können auch Schädelhirntraumata, Subarachnoidalblutungen und maligne Erkrankungen eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz induzieren. Nach Bestrahlung nicht hypophysärer Schädeltumoren zeigten in einer Studie nur 60 % der Patienten im Anschluss eine normale Hypophysenfunktion. Für eine Therapie des Wachstumshormonmangels gibt es Rahmenbedingungen. Es muss eine hypothalamisch-hypophysäre Erkrankung vorliegen, die somatotrope Insuffizienz muss mit einem Test nachgewiesen und Kontraindikationen müssen ausgeschlossen werden. Der Insulin-Hypoglykämie-Test gilt zwar als Goldstandard, ist aber schlecht reproduzierbar und für den Patienten sehr unangenehm. Als beste Alternative gilt daher der GHRH-Arginin-Test. Hier muss der ermittelte GH-Peak BMI-abhängig bewertet werden. Der Test gilt als gut reproduzierbar und hat keine Kontraindikationen.

Knochendichte

Sollten Adoleszenten weiterhin eine GH-Substitution erhalten? Hier ist der Aspekt der Knochendichte zu berücksichtigen. In Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten, bei denen bereits im Kindesalter ein Wachstumshormonmangel diagnostiziert wurde und die über das Erreichen der maximalen Körperhöhe hinaus GH einnahmen, über eine signifikant höhere Knochendichte verfügten als die Kontrollgruppe. Auch bei Erwachsenen kann sich eine GH-Substitution nachhaltig günstig auswirken. Der Haupteffekt zeigt sich vor allem in den ersten sieben bis zehn Jahren. Danach zeigt sich ein Plateau. Männer sprechen im Allgemeinen besser auf die Substitution an als Frauen.

Symptome und Substitution

Im Kindesalter zeigt sich ein Wachstumshormonmangel in erster Linie durch einen proportionierten Kleinwuchs. Bei Erwachsenen sieht das klinische Bild anders aus: Die Patienten haben einen erhöhten Körperfettanteil, Stoffwechselstörungen und eine gesteigerte Herz-Kreislauf-Sterblichkeit. Liegt nun ein organisch bedingter Wachstumshormonmangel im Erwachsenenalter vor, besteht die Indikation zur Substitution. Bei Patienten <60 Jahre sollte man 0,2 bis 0,4 mg/d GH s. c. immer abends applizieren und ab 60 Jahren 0,1 bis 0,2 mg/d ebenfalls im Rahmen einer abendlichen Applikation. Die Substitution wirkt sich positiv auf die Lebensqualität der Patienten aus und verbessert das „Energielevel“. Zudem steigt das Herzzeitvolumen an. Des Weiteren führt eine korrekt durchgeführte Substitutionstherapie dazu, dass das Gesundheitssystem deutlich weniger belastet wird. Die Betroffenen mussten seltener stationär aufgenommen werden und fehlten seltener am Arbeitsplatz. Auch für den Metabolismus konnten ermutigende Ergebnisse gezeigt werden: Die GH-Substitution reduziert nachhaltig das LDL-Cholesterin. Vorübergehend wird zusätzlich die Körperfettmasse gesenkt, die sich jedoch im Verlauf dem Niveau der gesunden Bevölkerung angleicht.

Leben ohne Substitution möglich?

Unter dieser Fragestellung wurde eine randomisierte, doppelblinde Studie durchgeführt. Patienten, die über eine mittlere Therapiedauer von zehn Jahren GH substituierten, unterbrachen die GH-Applikation. Es kam zu einer signifikanten Verschlechterung der Lebensqualität sowie zu einer Zunahme von Fettmasse und LDL-Cholesterin.

GET-Score

Der Growth hormone deficiency und Efficacy of Treatment (GET) Score (0 bis 100 Punkte) gewichtet unterschiedliche Items, die in der Therapie des GH-Mangels relevant sind. Die größte Fraktion stellt dabei die Lebensqualität mit 40 Punkten dar. Es konnte gezeigt werden, dass sich dieses Instrument eignet, um die klinischen Manifestationen des Wachstumshormonmangels zusammenzufassen und die Effekte der GH-Substitution zu messen.

Mortalität bei Hypophysenvorderlappeninsuffizienz

Um diese Arbeitshypothese zu klären, wurde eine Metaanalyse durchgeführt, die 19.000 Patienten mit HVL-Insuffizienz einschloss. In der Tat konnte eine Exzessmortalität festgestellt werden; die standardisierte Mortalitätsratio (SMR) lag bei 1,99 (1,21 bis 2,76). In der Subgruppe der Patienten, die einen GH-Mangel hatten, aber GH substituierten, lag die SMR bei 1,15 (1,05 bis 2,04). Bei Betroffenen ohne GH-Substitution konnte eine SMR von 2,40 (1,46 bis 3,34) ermittelt werden. Auch wenn diese Daten weder randomisiert noch doppelblind sind, unterstreichen sie doch die Wichtigkeit der GH-Substitution. Die Relevanz dieser Maßnahme lässt sich auch in der Leitlinie wiederfinden. Dort ist die Empfehlung zur GH-Substitution mit dem höchsten Empfehlungs-/Evidenz-Grad versehen, der in der Leitlinie vorkommt.

Perspektive

In Studien werden vermehrt langwirksame Substanzen getestet, die an Albumin binden. Somapacitan gehört in diese Gruppe und muss nur einmal wöchentlich appliziert werden. Nicht ganz überraschend berichten Patienten von einem höheren Komfort. Die subjektive Wirksamkeit und Zufriedenheit der Anwender sind vergleichbar mit der der täglichen Injektion.

Vortrag 4 – Knochenstoffwechsel bei Diabetes mellitus (PD Dr. med. Elena Tsourdi)

Pathophysiologie

Die Inzidenz von Diabetes mellitus und Osteoporose nimmt mit dem Alter zu. Die diabetische Knochenerkrankung geht dabei unter anderem mit einer geringeren Knochenmaterialstärke einher und begünstigt so die Frakturentstehung. Die Frakturheilung wird mit zunehmenden HbA1c immer schlechter. Ein zentrales Hormon ist beim Typ-1-Diabetes, neben dem Insulin, das Osteocalcin. Osteocalcin wird von den Osteoblasten sezerniert und stimuliert im Pankreas die Freisetzung von Insulin. Ein Insulinmangel wie beim Diabetes mellitus wiederum führt zu einer Verminderung der osteoanabolen Effekte, woraus eine reduzierte Knochenmineraldichte resultiert.

Knochenmineraldichte bei Typ-1-Diabetes

Erstaunlicherweise zeigte eine neue Studie, dass die Knochenmineraldichte bei Patienten mit Typ-1-Diabetes in allen drei Altersgruppen (Kinder, junge Erwachsene, ältere Erwachsene) mit der der gesunden Kontrollgruppe vergleichbar ist. Die einzige Ausnahme stellten postmenopausale Frauen dar. Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu vorherigen Erkenntnissen: Die meisten Studien zeigten eine verminderte Knochenmineraldichte sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes. Weitere Risikofaktoren für eine niedrige Knochenmineraldichte sind auch mikro- und makrovaskuläre diabetische Komplikationen. Hierzu gehören unter anderem Retinopathien, Nephropathien und die peripher arterielle Verschlusskrankheit (pAVK).

Frakturrisiko bei Patienten mit Typ-1-Diabetes

Um das Frakturrisiko bei Kindern mit Typ-1-Diabetes zu evaluieren, wurden diese mit gesunden Kindern verglichen. An Typ-1-Diabetes erkrankte Kinder wiesen einen niedrigen Knochenumsatz auf, hatten eine reduzierte Knochenmineralisierung und erlitten häufiger Frakturen. Eine erhöhte Inzidenz an Frakturen zeigt sich auch in allen weiteren Altersgruppen.

Pathophysiologie Typ-2-Diabetes

Beim Typ-2-Diabetes liegt vorwiegend eine Insulinresistenz und im weiteren Verlauf dann eine ß-Zell-Dysfunktion vor. Interessant ist, dass die Knochenmineraldichte bei Betroffenen meist erhöht ist. Dennoch besteht ein erhöhtes Frakturrisiko. Worauf ist dieses Phänomen zurückzuführen? Patienten mit Typ-2-Diabetes weisen einen höheren Anteil an Advanced Glycation Endproducts (AGE) im Knochengewebe auf, die mit einer Verschlechterung der Knochenqualität einhergeht. Der erhöhte Gewebemineralgehalt führt darüber hinaus zu einer reduzierten Knochenbiegsamkeit.

Einfluss von Antidiabetika auf Knochengesundheit

Das Standardmedikament Metformin zeigte neutrale Effekte auf den Knochenstoffwechsel. Das Frakturrisiko unter Metformin ist also nicht erhöht. Tierexperimentelle Ergebnisse suggerieren sogar positive Effekte auf die Osteoblastenaktivität. SGLT2-Inhibitoren führten zu heterogenen Daten. Unter einer Therapie mit Canaglifozin wurde eine erhöhte Frakturrate festgestellt; alle anderen Substanzen hatten keinen Effekt auf die Knochenparameter. GLP-1-Agonisten scheinen weitgehend keinen Einfluss auf Resorption, Formation und Knochenmineraldichte zu haben, induzieren jedoch eine Gewichtsabnahme.

Prävention

Folgende Maßnahmen können ergriffen werden, um das Frakturrisiko bei Diabetikern zu reduzieren:
  • Glykämische Kontrolle
  • Prävention diabetischer Komplikationen (Nephropathien etc.)
  • Gewährleistung eines ausreichenden Vitamin-D-Status
  • Sturzprophylaxe
  • Osteoporosetherapie

Fazit für Klinik und Praxis

Die „Take Home Messages“ des Vortrages lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Die diabetische Stoffwechsellage beeinflusst über komplexe pathophysiologische Mechanismen die Qualität und somit die Frakturanfälligkeit des Knochens.
  • Typ-1- und Typ-2-Diabetes sind mit einem erhöhten Risiko für osteoporotische Frakturen assoziiert.
  • Typ-1-Diabetes ist durch eine gestörte Knochenformation und erniedrigte Knochendichte charakterisiert
  • Typ-2-Diabetes zeigt eine verminderte Knochenqualität trotz vergleichsweise guter Knochendichte.

Bildnachweis

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