Differenzierte Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause

Fast jede dritte Frau leidet im Klimakterium unter behandlungsbedürftigen vasomotorischen Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schweißausbrüchen. Symptome wie Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder sexuelle Funktionsstörungen können ebenfalls auftreten und die Lebensqualität betroffener Frauen stark einschränken.

Die Hormonsubstitution in der Peri- und Postmenopause stellt hier eine effektive Maßnahme dar und wird inzwischen – bei entsprechender Indikationsstellung – wieder klinisch empfohlen. In der Praxis sollten das Beschwerdebild und mögliche Risikofaktoren gut erfasst und potenzielle Arzneimittelinteraktionen ausgeschlossen werden.

State of the art ist heute der individualisierte Einsatz von vorzugsweise niedrig dosierten Östrogenen, Östrogenen kombiniert mit Gestagenen oder Tibolon, wobei die Applikation, Dosierung und Behandlungsdauer gemeinsam mit der Patientin festgelegt wird.

Prof. Dr. med. Thomas Römer
Ein Drittel der Frauen hat behandlungsbedürftige Beschwerden.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709122066130017
Zeitraum 25.07.2022 - 24.07.2023
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Thomas Römer
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webcast
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Aristo Pharma GmbH
Bewertung 4.4 (621)

Einleitung

Der Begriff „Menopause“ bezeichnet die letzte Menstruation im Leben einer nicht hysterektomierten Frau, die keine Hormone einnimmt [1, 2]. Die Lebensphase davor und kurz danach wird Perimenopause genannt. Der Perimenopause geht die Prämenopause voran, gefolgt wird sie von der Postmenopause (Abb. 1). Die natürliche Menopause wird nach zwölf Monaten Amenorrhö diagnostiziert. Sie kann aber auch pathologische Ursachen haben oder durch Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung ausgelöst werden. Der Übergang in die Menopause ist ein komplexer physiologischer Prozess, der oft von zusätzlichen Effekten des Alterns und der sozialen Anpassung begleitet wird. Das Durchschnittsalter mitteleuropäischer Frauen während der Menopause liegt bei 51 Jahren. Jeweils etwa 5 % der Frauen haben eine Spätmenopause im Alter ab 55 Jahren bzw. eine Frühmenopause, die im Alter von 40 bis 45 Jahren auftritt. Bei etwa 1 % kommt es vor dem 40. Lebensjahr zu einer prämaturen Ovarialinsuffizienz, der Menopause praecox. Östrogene, vor allem Östradiol, werden bei geschlechtsreifen Frauen in den Follikeln der Ovarien gebildet [3]. Die Menopause resultiert aus einer verminderten Sekretion der Eierstockhormone Östrogen und Progesteron, die stattfindet, wenn der endgültige Vorrat an Eierstockfollikeln aufgebraucht ist. Während der Prämenopause kommt es durch das Abfallen der Progesteronspiegel zu einer relativen Dominanz des Östrogens (Abb. 2). In dieser Phase werden die Längen des Menstruationszyklus unregelmäßig, und es können Blutungsstörungen oder Erkrankungen wie Myome und Endometriose gehäuft auftreten. In der Perimenopause werden zunehmend Menstruationszyklen verpasst und schließlich gestoppt, ebenso wie der Eisprung. Es kommt zum Sistieren der Produktion von Östrogenen im Ovar; als Reaktion steigt die Konzentrationen des follikelstimulierenden Hormons (FSH; Abb. 1). Dieser Prozess kann zwei bis drei Jahre dauern und endet mit dem Erreichen der Postmenopause. Der Abfall der Östradiolwerte führt bei vielen Frauen zu einer vielfältigen klinischen Symptomatik.

Folgen der hormonellen Umstellung

Die Lebensqualität und die Funktionsfähigkeit im Beruf und Alltag von Frauen während der Wechseljahre können durch eine Vielzahl von Beschwerden und Symptomen eingeschränkt sein. So haben etwa 80 % der Frauen vasomotorische Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schweißausbrüche [4], die auch Schlafstörungen verursachen können [5]. Viele Frauen sind zudem von psychischen Beschwerden wie Stimmungslabilität, depressiven Verstimmungen, Reizbarkeit oder Ängsten betroffen [5]. Kognitive Veränderungen und sexuelle Funktionsstörungen können ebenfalls auftreten. Besonders relevante Langzeitfolgen sind die Trockenheit von Haut und Schleimhäuten, Inkontinenz und Veränderungen im Herz-Kreislauf-System. Östrogenmangel kann zudem eine Osteoporose begünstigen. Während bei postmenopausalen Frauen insbesondere der Östrogenmangel zu klinischen Symptomen führt, sind es bei perimenopausalen Frauen vermutlich die schwankenden Östrogenspiegel infolge alternder Eierstöcke. Ursache ist ein Ansteigen des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und luteinisierenden Hormons (LH). Die stärker werdenden Impulse können von den Ovarien mit teilweise sehr hohen Östrogenspiegeln beantwortet werden. Brustspannen und ein Spannungsgefühl im ganzen Körper können die Folge sein. Hitzewallungen und Schweißausbrüche treten besonders auf, wenn die erhöhten Östrogenspiegel zur Menstruation hin wieder abfallen.

Häufigkeit vasomotorischer Beschwerden im Klimakterium

Die Symptomatik ist nicht bei allen Frauen gleich ausgeprägt. Ein Drittel der Frauen hat behandlungsbedürftige Beschwerden, ein Drittel der Frauen hat geringe Beschwerden und ein weiteres Drittel der Frauen hat keine Beschwerden. Besonders bei leichter Symptomatik besteht keine zwingende Indikation zur Hormonsubstitution (Hormone Replacement Therapy; HRT). In der SWAN-Studie (Study of Womenˊs Health Across the Nation) wurden über 16 Jahre hinweg mehr als 1400 Frauen mit Hitzewallungen untersucht [6]. Für Frauen, die erste Hitzewallungen bereits erlebten, während sie noch Periodenblutungen hatten, lag die Beschwerdedauer bei 11,8 Jahren. Für Probandinnen, bei denen die ersten Hitzewallungen erst in der Postmenopause auftraten, lag die Beschwerdedauer bei drei bis vier Jahren. Die mittlere Beschwerdedauer lag bei 7,4 Jahren, davon 4,5 Jahre nach der Menopause. Auch aufgrund anderer möglicher Symptome ist die Beschwerdedauer sehr individuell.

Diagnostik

Die Diagnose der Peri- und Postmenopause erfolgt in der Regel anhand klinischer Parameter. Die Hormonspiegel unterliegen in der Perimenopause erheblichen Schwankungen und haben daher keinen hohen diagnostischen Aussagewert. Bei Frauen unter 40 Jahren mit Hinweisen auf vorzeitige Ovarialinsuffizienz und bei Frauen zwischen 40 und 45 Jahren mit klimakterischen Symptomen empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe eine Bestimmung des FSH [7]. Diese kann helfen, alternative Ursachen für die Beschwerden zu bestimmen bzw. eine entsprechende Therapie frühzeitig einzuleiten.

Informationsbedarf

Ratsuchende Frauen sollten im Rahmen eines ärztlichen Aufklärungsgespräches aktiv über die physiologischen Veränderungen und die Symptome der Peri- und Postmenopause informiert werden [7]. Zu letzteren gehören insbesondere Hitzewallungen und Schweißausbrüche, deren Einfluss auf einen gestörten Schlaf sowie die Zusammenhänge zwischen Östrogenmangel und Stimmungsschwankung bis hin zum depressiven Syndrom. Bei länger anhaltendem Östrogenmangel kann es zum urogenitalen Syndrom mit vaginaler Trockenheit oder auch zur Harninkontinenz kommen. Ebenso kann sich eine verminderte Libido einstellen, die zu sexuellen Problemen führen kann.

Hormonsubstitution – Indikationen

Bei Frauen mit normaler oder später Menopause ist bei akuten Beschwerden eine Hormonsubstitution indiziert. Besonders Frauen mit früher oder vorzeitiger Menopause im Alter bis 51 Jahren sollten eine Substitution erhalten, solange keine Kontraindikationen vorliegen. Die exakte Indikationsstellung und individualisierte Hormontherapie ist heute der Standard. Eine lebenslange Substitution bei allen Frauen ist hingegen nicht mehr zeitgemäß. Auch gelten heute präventive Effekte einer Hormonsubstitution als Zusatzeffekte, stellen aber keine primäre Indikation für eine Therapie dar. Für beschwerdefreie Frauen besteht keine Behandlungsnotwendigkeit. Zugelassene Indikationen sind klimakterische und urogenitale Beschwerden. Unter besonderen Voraussetzungen kann eine HRT auch zur Prävention der Osteoporose durchgeführt werden, beispielsweise bei Hochrisikopatienten mit prämaturer Ovarialinsuffizienz oder wenn andere Maßnahmen versagen. Transdermale oder orale Östrogene und Tibolon können eine adäquate Hormonsubstitution darstellen, mit der das klimakterische Syndrom effizient behandelt werden kann [8, 9, 10]. Oft tragen schon niedrige Östrogendosierungen zur Besserung der Symptome bei, indem die Rate der Hitzewallungen reduziert wird. Patientinnen erleben häufig innerhalb von vier Wochen erste deutliche Effekte und meist innerhalb von zwölf Wochen die optimale Wirkung einer Therapie.

Praktisches Vorgehen

Vor Beginn einer individuellen HRT muss das Beschwerdebild der Patientin im Rahmen einer gründlichen Anamnese erfasst werden. Die Eigen- und Familienanamnese gibt Hinweise auf mögliche Risikofaktoren, wie das Thrombose- und Karzinomrisiko. Bestehende Medikationen müssen erfragt werden, um mögliche Wechselwirkungen auszuschließen. Eine Vorsorgeuntersuchung der Patientin ist selbstverständlich durchzuführen. Besteht eine klare klinische Diagnose, bedarf es keiner Hormonbestimmung. Diese kann aber bei Frauen, die noch sehr jung sind und sehr frühzeitig in die Wechseljahre kommen, oder bei Patientinnen mit unspezifischen Beschwerden nach Hysterektomie angezeigt sein. Die Patientinnen sollten dabei über die kurz- und langfristigen Nutzen und Risiken der Therapie informiert werden. Die eingehende Beratung bietet die Gelegenheit, eventuelle Vorbehalte gegenüber Hormonsubstitutionen auszuräumen sowie ein Therapieregime festzulegen und die Überwachung und Dosisanpassungen zu besprechen. Die aktuellen Leitlinien raten dazu, Frauen initial drei Monate nach Therapiebeginn und anschließend regelmäßig hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit der Hormontherapie zu untersuchen [7]. Nicht hysterektomierte Frauen soll das mögliche Auftreten von Blutungsstörungen erklärt werden. Die Leitlinie empfiehlt, dass Frauen mit vasomotorischen Beschwerden eine HRT angeboten wird. Für nicht hysterektomierte Frauen kommt eine Behandlung mit Tibolon in Betracht oder eine Östradiol-(E2-)Therapie gegebenenfalls in Kombination mit einem Gestagen. Hier muss geklärt werden, ob die Östradiolgabe transdermal oder oral erfolgen soll. Der adäquate Gestagenanteil und die Dosierung sind festzulegen Abb. 3). Hysterektomierte Frauen ohne Kontraindikationen erhalten meist eine Östrogenmonotherapie. Auch hier muss über die Applikationsform (transdermal/oral) entschieden werden. Eine lokale Östriol-(E3-)Therapie kann dort erwogen werden, wo eine systemische Hormonsubstitution nicht möglich ist, wie beispielweise aufgrund von Kontraindikation, und urogenitale Symptome im Vordergrund stehen.

Individuelle Behandlungsschemata

Die medikamentöse Behandlung von Wechseljahresbeschwerden erfolgt heute individuell und berücksichtigt die Patientenpräferenz im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung (Abb. 4). Hysterektomierten Patientinnen wird in der Regel eine fortgesetzte Östrogenmonotherapie empfohlen. Die zyklische Gabe von Östrogenen und Gestagenen eignet sich besonders bei nicht hysterektomierten Frauen am Beginn der Wechseljahre, da so regelmäßige Abbruchblutungen ausgelöst werden. Die meisten Frauen bevorzugen jedoch eine blutungsfreie Therapie. Hier gibt es zum einen die Möglichkeit einer kontinuierlichen kombinierten Gabe von Östrogen und Gestagen, zum anderen stellt Tibolon eine Alternative dar. Tibolon ist ein synthetisches Steroid, das nach enteraler Absorption in aktive Metaboliten mit östrogenen, gestagenen und androgenen Eigenschaften verstoffwechselt wird. Viele pflanzliche Präparate zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden sind nicht wesentlich effektiver als Placebo. Da ihre Nutzen und Risiken nicht ausreichend belegt sind, eignen sie sich nur sehr eingeschränkt zur Anwendung für spezielle Indikationen [7, 11]. Zu beachten sind gesicherte Kontraindikationen zur Hormonsubstitution, wie Mamma- und Endometriumkarzinome, venöse und akute arterielle Thromboembolien und Lebererkrankungen mit erhöhten Leberenzymwerten.

Transdermale vs. orale Therapie

Mit einer transdermalen Applikation von Östradiol können Östradiolmengen systemisch zugeführt werden, wie sie in der reproduktiven Zeit einer Frau ovariell sezerniert werden. Zudem gelangt das Hormon wie bei der ovariellen Sekretion direkt in das venöse System. Der hepatische First-Pass-Metabolismus wird so vermieden. In Studien konnte die transdermale HRT ein geringeres Risiko für Thromboembolien zeigen [12, 13]. Dies kann insbesondere für Risikopatientinnen mit einer Vorgeschichte oder zum Beispiel für adipöse Patientinnen von Vorteil sein. Transdermale Systeme können vor allem bei Erkrankungen indiziert sein, die mit einer gestörten Resorption einhergehen. Dazu gehören gastrointestinale Resorptionsstörungen, Magen- und Darmerkrankungen sowie Leber-, Gallen-, und Pankreaserkrankungen. Patientinnen mit stattgehabten venösen Thromboembolien, adipöse Frauen und Typ-2-Diabetikerinnen profitieren von einer anamnestischen bekannten transdermalen Therapie ebenso wie Patientinnen mit einer Schilddrüsenerkrankung oder Hypertonie. Orale Therapien haben günstige Einflüsse auf den Lipidstoffwechsel, besonders bei Dyslipoproteinämien mit niedrigem HDL-Cholesterin oder isolierten Hypercholesterinämien. Weitere bevorzugte Indikationen für die orale Hormongabe sind Hyperandrogenämien, niedrige Spiegel des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) oder Dispositionen für allergische Hautreaktionen. Zudem kann eine orale Anwendung kontrazeptive Sicherheit bieten. Dies ist allerdings Off-Label-Use und bedarf einer speziellen Aufklärung. Bei der Wahl der geeigneten oralen Therapie kommen Östrogenmonopräparate, Östrogen-Gestagen-Kombinationsarzneimittel und Tibolon zur Anwendung. Tibolon zeigt eine gute Wirksamkeit bei klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen [14] und induziert am Endometrium keine Hyperplasien [15]. Die Europäische Menopause Gesellschaft (EMAS) empfiehlt, Frauen mit schwerer Endometriose mit Tibolon zu substituieren, auch wenn diese hysterektomiert sind und keine Östrogenmonotherapie erhalten sollen [16], da diese die Endometriose postmenopausal wieder aktivieren könnte. Die Substanz kann zudem das Frakturrisiko bei Osteoporose senken [14, 17] und Libidostörungen besser entgegenwirken [18] als eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Therapie [19]. Die mammografische Dichte ist unter Tibolon nicht erhöht, und Brustschmerzen treten seltener auf [20]. Stimmungsveränderungen können ebenfalls günstig beeinflusst werden [21]. Die Risiken einer Tibolon-Therapie entsprechen denen anderer oraler Kombinationspräparate.

Hormonsubstitution – Vorteile und Risiken

Die Leitlinien empfehlen, Frauen, die eine HRT erwägen, über verbundene Risiken aufzuklären, um eine partizipative Entscheidungsfindung zu ermöglichen [7]. Das Brustkrebsrisiko kann sich sowohl bei einer Östrogenmonotherapie, besonders aber auch bei kombinierten Östrogen-Gestagen-Therapie geringfügig erhöhen. Dies ist abhängig von der Zusammensetzung der Therapeutika und der Behandlungsdauer. Nach Beendigung der Therapie senkt sich das Risiko wieder. In Bezug auf Osteoporose hat eine Hormontherapie einen deutlichen Nutzen. So konnten positive Effekte auf die Knochendichte nachgewiesen werden. Auch mit Osteoporose assoziierte Frakturen sind signifikant seltener. Dieser Effekt ist bereits nach kurzer Einnahmedauer nachweisbar und kann über das Therapieende hinaus in geringerem Maße fortbestehen. Das kardiovaskuläre und thromboembolische Risiko einer Hormontherapie ist stark abhängig von den individuellen Risikofaktoren der Patientin. Daher sollten letztere sorgfältig im Hinblick auf gegebenenfalls daraus resultierende Gegenanzeigen kontrolliert werden. Bei Patientinnen mit gesunden oder gering atherosklerotisch veränderten Koronararterien wirkt eine Hormonsubstitution positiv. Entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt mit der HRT begonnen wird (Timing-Hypothese). Eine Metaanalyse der WHI-Studie [22] zeigte eine Reduktion des Risikos für Herzinfarkte bei Frauen, die innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause eine Therapie begannen. Die Frauen waren im Mittel unter 60 Jahre alt. Bei Frauen, deren Therapiebeginn mindestens zehn Jahre nach der Menopause lag, ergab sich ein zunächst erhöhtes Risiko, das sich im Laufe weniger Jahre wieder reduzierte. Diese Frauen waren im Mittel über 60 Jahre alt. Bei Patientinnen mit fortgeschrittener Atherosklerose können proinflammatorische und Plaque-destabilisierende Effekte in den Vordergrund rücken, sodass sich eine Hormonsubstitution hier negativ auswirken kann. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit einer Therapie bei Frauen unter 60 Jahren gilt als Konsensus. Zur alleinigen Prävention kardiovaskulärer Risiken ist eine HRT jedoch nicht indiziert.

WHI-Studie

Die ursprüngliche WHI-Studie umfasste klinische Studien, eine Beobachtungsstudie und eine Präventionsstudie [23]. Die klinischen und die Beobachtungsstudien wurden an 40 Zentren in den USA durchgeführt und umfassten mehr als 161.000 Frauen. An den klinischen Studien waren mehr als 68.000 postmenopausale Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren in drei separaten randomisierten und kontrollierten Studienarmen eingeschlossen. Zwei Studienarme untersuchten die Effekte der Hormonersatztherapie. In einem Arm erhielten Frauen mit Gebärmutter eine gebräuchliche Östrogen-Gestagen-Kombination, im anderen Arm eine Östrogenmonotherapie. Primäre Endpunkte waren kardiovaskuläre Ereignisse, Osteoporose sowie das Risiko für Brustkrebs. Das Datenüberwachungskomitee der Studien musste 2002 die Östrogen-Gestagen-Gaben nach 5,6 Jahren vorzeitig stoppen, weil es zu einem Anstieg von Brustkrebserkrankungen, Thromboembolien, Herzinfarkten und Schlaganfällen gekommen war [24, 25]. Etwa zwei Jahre später wurde die Östrogenmonotherapie nach 7,2 Jahren gestoppt. Hier war die Mortalitätsrate erhöht [25, 26]. Die Nachteile in beiden Studien überwogen einem Nutzen, der sich aus einer geringeren Rate von osteoporotischen Frakturen ergeben könnte, schlussfolgerten die Autoren. Die 27.347 Teilnehmerinnen werden seit dem Abbruch der beiden WHI-Studien in einer Follow-up-Studie weiter beobachtet, um die langfristigen Folgen der Hormontherapie zu beurteilen. Joann Manson und Mitarbeiter haben 2017 die Auswirkungen auf das Mortalitätsrisiko untersucht [25]. Seit dem Beginn der Studie vor 18 Jahren sind 7489 Frauen gestorben. Dabei ereigneten sich 1088 Todesfälle in der Interventionsphase und 6401 Todesfälle danach. Die Gesamtmortalität betrug unter der Hormonersatztherapie 27,1 % gegenüber 27,6 % in der Placebogruppe. Damit hatte die vorübergehende Einnahme der Hormonpräparate weder positive noch negative Auswirkungen auf die Lebenserwartung. Dies gilt sowohl für die Sterblichkeit aufgrund von kardiovaskulären Ereignissen (8,9 % vs. 9 %) oder Karzinomen (8,2 % vs. 8 %) als auch für andere Ursachen (10 % vs. 10,7 %). Eine genaue Analyse der Gesamtsterblichkeit gibt Hinweise darauf, dass die kombinierte Östrogen-Gestagen-Therapie mit einem leicht erhöhten, die Monotherapie mit leicht erniedrigtem Risiko für Sterblichkeit durch Brustkrebs verbunden sein kann.

Dauer einer Hormonsubstitution

Bei Frauen in einem Alter unter 60 Jahren sollten Hormonsubstitutionen nicht beendet und Auslassversuche nicht durchgeführt werden, da anderenfalls ein erhöhtes kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko besteht [27]. Generell gibt es keine Gründe, die Dauer einer HRT zu beschränken [28, 29]. Auch die Nordamerikanische Menopause Gesellschaft rät zu keinem routinemäßigen Absetzen der Therapie bei Frauen, die älter als 60 oder 65 Jahre sind [29]. Bei Fortbestehen der Symptome soll auch die Therapie weitergeführt werden. Bei Patientinnen ab einem Alter von 60 Jahren soll die Substitution jährlich neu bewertet werden. Dazu gehört das Überprüfen von Komorbiditäten, eventuelle Dosisanpassungen oder der Wechsel zu einer transdermalen Applikation sowie gegebenenfalls Auslassversuche zur Prüfung der Notwendigkeit der Therapie. Die Weiterführung einer Therapie sollte regelmäßig mit jeder Patientin individuell besprochen werden (Abb. 5). Das bisherige Konzept „niedrigste Dosis für die kürzest mögliche Dauer“ wird als unpassend oder gar nachteilig für einige Frauen beurteilt. In dem neuen Konzept stehen die adäquate Dosis, Therapiedauer und der Applikationsweg im Vordergrund.

Empfehlungen für die HRT-Sprechstunde

Eine Hormonsubstitution sollte als individualisierte Therapie durchgeführt werden. Im Vergleich zu Früher ist die Dosis der meisten Präparate heute deutlich niedriger. Daraus leiten sich zum einen weniger Nebenwirkungen ab, zum anderen eröffnet sich die Möglichkeit eines verlängerten Behandlungszeitraumes. Im Patientengespräch sollte eine eindeutige Indikation für eine Therapie herausgearbeitet und gegebenenfalls Alternativen zu einer Hormonsubstitution besprochen werden. Die Beratung sollte zudem den Lebensstil der Frau beleuchten und zum Beispiel über Risikofaktoren wie Inaktivität, Rauchen oder Übergewicht aufklären. Häufig zeigen HRT-Patientinnen eine bessere Compliance für Vorsorgeuntersuchungen. Eine differenzierte und individualisierte HRT erfordert eine Vielzahl diagnostischer und therapierelevanter Kenntnisse. Dies schließt die unterschiedlichen Dosierungen, Kombinationen und Applikationsformen mit ihren teils spezifischen Wirkungen und Vorteilen ein. Bei richtigem, individualisiertem und differenziertem Einsatz kann eine Hormonsubstitution für die meisten Frauen eine Verbesserung insbesondere der Lebensqualität bedeuten.

Quellen

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