Update Harnblasenkarzinom

Das Harnblasenkarzinom gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen, wobei Männer dreimal häufiger betroffen sind als Frauen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei >70 Jahren. Die häufigste Form ist das nicht muskelinvasive Blasenkarzinom (70 %). Beim muskelinvasiven lokalisierten Blasenkarzinom erfolgt die Behandlung in der Regel multimodal. Diese umfasst eine Zystektomie, ergänzt durch perioperative Systemtherapien oder eine trimodale Therapie.

Für Patienten mit einem geringen oder mittleren Risiko beim nicht muskelinvasiven Blasenkarzinom ist eine Instillationstherapie mit einem Chemotherapeutikum wie beispielsweise Mitomycin C 20 mg die bevorzugte Therapieoption, während bei „high risk“ nicht muskelinvasiven Blasenkarzinomen die Anwendung von Bacillus Calmette-Guérin die primäre Instillationstherapie ist. Für resektable muskelinvasive Tumoren ist die neoadjuvante Chemotherapie präoperativ Standard of Care. Postoperativ ist die adjuvante Immuntherapie oder die Immunerhaltungstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren eine vielversprechende neue Therapieoption. Im metastasierten Stadium kommen neue, hochwirksame palliative Immunchemotherapien zum Einsatz.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709125042920013
Zeitraum 16.03.2025 - 15.03.2026
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. med. Gerson Lüdecke
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vortrag, Handout, Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH
Bewertung 4.3 (515)

Grundlagen

Das Harnblasenkarzinom ist eine der häufigsten Tumorerkrankungen im höheren Lebensalter, wobei histologisch überwiegend Urothelkarzinome vorkommen (95 %). Plattenepithelkarzinome der Harnblase sind in Mitteleuropa selten. Harnblasenkarzinome sind für >90 % aller Urothelkarzinome verantwortlich. Die diagnostische Basis für die Abklärung des Harnblasenkarzinoms bildet die klassische Symptomtrias: Makrohämaturie, Mikrohämaturie und chronischer Harndrang. Die Makrohämaturie tritt oft plötzlich auf und äußert sich durch sichtbar blutigen Urin, teils mit dunkelroten Koageln. Dies kann bei den Betroffenen erhebliche Besorgnis auslösen. Im Gegensatz dazu wird eine Mikrohämaturie meist durch routinemäßige Urinuntersuchungen, entweder mittels Mikroskopie oder Schnellteststreifen, festgestellt. Chronischer Harndrang sollte ebenfalls an ein Urothelkarzinom denken lassen. Bei bestehender Makrohämaturie liegt in etwa 20 % der Fälle ein Urothelkarzinom vor. Weitere mögliche Ursachen für eine Rotfärbung des Urins umfassen Entzündungen, Harnsteine, bestimmte Medikamente oder Farbstoffe. Daher ist bei dieser Symptomkonstellation stets eine gründliche differenzialdiagnostische Abklärung erforderlich.

Epidemiologie

Die Inzidenz des Urothelkarzinoms in Deutschland liegt bei etwa 36,7 pro 100.000 Personen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 31.000 Menschen neu an einem Urothelkarzinom der Harnblase, wobei etwa drei Viertel der Fälle Männer betreffen. Jährlich fallen etwa 14.000 Neuerkrankungen in die Kategorie der nicht-muskelinvasiven Tumoren (pTa, pTis), während 17.000 Tumoren invasiv sind (pT1 und höher). Mit steigendem Alter nimmt die Inzidenz bei beiden Geschlechtern deutlich zu, bei >75-Jährigen liegt sie bei etwa 300 pro 100.000. International steht das Harnblasenkarzinom unter allen malignen Tumorerkrankungen hinsichtlich Häufigkeit an neunter Stelle mit jährlich 614.000 Neuerkrankungen und einer Mortalität von 220.000 Fällen pro Jahr (Stand 2022). Dies entspricht einer Sterberate von etwa 10 % unter den weltweit rund 1,95 Millionen Betroffenen. In Deutschland ist eine regional altersabhängige Verteilung erkennbar, wobei die östlichen Bundesländer, aufgrund einer älteren Bevölkerungsstruktur, eine höhere Inzidenz aufweisen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei >70 Jahren und bei Frauen bei >72 Jahren. Muskelinvasive Blasenkarzinome machen etwa 28 % der Erstdiagnosen aus, und bei etwa 6 % der Fälle liegen bereits Lymphknotenmetastasen vor. Die Wahrscheinlichkeit für nodale Metastasen steigt mit der Tumorstadieneinteilung von 1,2 % bei T1 auf 50% bei T4.

Prognose

Die Prognose beim Harnblasenkarzinom hängt maßgeblich vom Tumorstadium ab. Die Tumoreindringtiefe ist hierbei ein entscheidender Faktor. Die absolute Überlebensrate umfasst das Versterben aus jeglicher Ursache, während die relative Überlebensrate ausschließlich auf das Tumorleiden bezogen ist. Im frühen Stadium („Union for International Cancer Control”, UICC 0) beträgt die absolute 5-Jahres-Sterberate etwa 20 %, während das relative Überleben bei ca. 97 % liegt. Dies zeigt, dass die Mortalität in frühen Stadien stark durch die Morbidität der Population geprägt ist. Im Gegensatz dazu ist die Prognose im fortgeschrittenen Stadium (UICC 4) äußerst ungünstig mit einer Sterberate von etwa 80 % innerhalb von drei Jahren. Hier dominiert der Tumor als Haupttodesursache, ungeachtet etwaiger Begleiterkrankungen. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede spielen eine wichtige Rolle. Männer erkranken dreimal häufiger, jedoch haben Frauen eine schlechtere Prognose. Innerhalb von fünf Jahren versterben 31,1 % der Frauen und 22,6 % der Männer an der Erkrankung. Ursächlich sind anatomische Unterschiede (v. a. eine dickere Harnblasenwand bei Männern), hormonelle Faktoren sowie eine bei Frauen häufig verzögerte Diagnosestellung. Symptome wie Hämaturie werden bei Frauen oft als Entzündung fehlinterpretiert, was zu einer verspäteten Diagnostik und schlechteren Überlebenschancen führt. Eine frühzeitige und differenzierte Abklärung ist daher essenziell.

Diagnostik

Für die Primärdiagnostik im Urin stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: Urinstatus, Urinkulturen sowie urinlösliche Marker, von denen drei käuflich erhältlich und direkt in der urologischen Praxis durchführbar sind. Zellbasierte Untersuchungen wie Zytologie oder CellDetect werden in der Regel vom Pathologen durchgeführt, können aber auch von Urologen mit entsprechender Spezialausbildung und Zertifizierung erbracht und abgerechnet werden. Zudem sind molekulare Marker eine wichtige neue Option. Bei den molekularen Markern unterscheidet man zwischen Desoxyribonukleinsäure-(DNA-), Ribonukleinsäure-(RNA-) und proteinbasierten Markern. Zwei dieser Marker werden bereits routinemäßig in deutschen Laboren eingesetzt. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 zeigt, dass die DNA-basierten Marker in der Nachsorge überlegen sind, da sie eine höhere Sensitivität aufweisen und somit weniger Tumoren übersehen. Bei negativem Marker steigt die Chance, auf unnötige Zystoskopien verzichten zu können, während rezidivierende Erkrankungen dennoch frühzeitig erkannt werden können.

Pathogenese

Den molekularen Veränderungen im Urothelkarzinom liegen unterschiedliche genomische Alterationen zugrunde. Besonders relevant sind aktivierende Mutationen im Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-Gen FGFR3, die in etwa 70 % der Fälle vorkommen, sowie somatische Mutationen des TERT (telomerase reverse transcriptase)-Promotors, die in 52 bis 85 % der Fälle auftreten. Etablierte Risikofaktoren für das Harnblasenkarzinom umfassen v. a. Alter, männliches Geschlecht, Rauchen, Exposition gegenüber bestimmten aromatischen Aminen sowie chemotherapeutische und strahlentherapeutische Behandlungen. Der Zusammenhang zwischen Harnblasenkarzinom und aromatischen Aminen wurde erstmals bereits 1895 von Ludwig Rehn beschrieben, der dabei auf die Risiken für Fuchsinarbeiter hinwies. Seit 1902 gilt das Urothelkarzinom als anerkannte Berufserkrankung. Eine arbeitsmedizinische Anamnese ist entscheidend, um potenzielle Berufserkrankungen festzustellen. Verdachtsfälle müssen gemeldet werden, da dies rechtliche und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Endoskopie

Die urologische Endoskopie ermöglicht eine präzise Diagnostik und Therapie von Urothelkarzinomen. Neben der klassischen Weißlicht-Zystoskopie stehen heute High-Definition-Kamerasysteme und kontrastverstärkende Technologien wie Hexvix-Fluoreszenz oder Narrow Band Imaging (NBI) zur Verfügung. Diese Techniken verbessern die Erkennung oberflächlicher Tumoren und erhöhen die Detektionsrate von Carcinoma in situ. Hexvix-Fluoreszenz verstärkt den Kontrast durch stoffwechselassoziierte Akkumulation eines Fluorochroms im Urothel. Dabei lassen sich Tumoren unter Fluoreszenz besser von normalem Gewebe unterscheiden, wodurch die Detektion und Risikoklassierung verbessert wird und die Qualität der Resektionen (R0-Rate) präziser durchgeführt werden kann. Der Einsatz solcher Technologien reduziert das Restrisiko für verbleibendende Tumorzellen und verbessert somit die Qualität der Resektion signifikant. Für die Nachsorge und Verlaufskontrolle erweisen sich diese Verfahren ebenfalls als vorteilhaft.

Frühinstillation beim NMIBC

Das nicht-muskelinvasive Blasenkarzinom (englisch „non-muscleinvasive bladder cancer”, NMIBC) ist eine heterogene Subklasse des Urothelkarzinoms, die eine erhebliche Variation im individuellen Risiko für Rezidive und das Fortschreiten zu muskelinvasiven Stadien aufweist. Bei Patienten mit einem Low-Risk-Tumor für Rezidive und Progression nach den Kriterien der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) wird eine einmalige Frühinstillation eines Chemotherapeutikums empfohlen. Die Risikoklassifikation erfolgt heute standardisiert über den EORTC-Risikokalkulator, der in einer modernisierten Version online verfügbar ist. Die Frühinstillation mit Mitomycin C (MMC) nach Resektion zeigt insbesondere bei pTa-Low-Grade-Tumoren einen deutlichen Nutzen, da sie die Nidation zirkulierender Tumorzellen reduziert. Bei High-Risk-Tumoren ist sie jedoch, aufgrund der aggressiveren Natur dieser Karzinome weniger wirksam. Hier ist keine Frühinstillation indiziert und es wird die adjuvante Instillation von Bacillus Calmette-Guérin (BCG) bevorzugt. Da BCG im Vergleich zu MMC ein höheres Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse aufweist, ist gemäß Leitlinienempfehlung Mitomycin C beim Intermediate-Risk-NMIBC gegenüber BCG als erste Therapieoption zu bevorzugen. Mitomycin C 40 mg/ml steht bei gleicher Konzentration als Therapieoption bei Blasen mit großer Kapazität zur Verfügung.

Bedeutung der Risikoklassifikation für die Therapieplanung beim NMIBC

Der Interessenverband zur Qualitätssicherung in der Uroonkologie in Deutschland (IQUO), eine ehemalige Versorgungsforschungsgemeinschaft aktiv von 2000 bis 2017, untersuchte die Behandlungsergebnisse von 854 Patienten mit NMIBC in der realen klinischen Versorgung. Die Risikoverteilung zeigte, dass 18,7 % der Patienten der High-Risk-Gruppe, 33,5 % der Intermediate-Risk-Gruppe, 37,2 % der Low-Risk-Gruppe und 10,5 % der Minimal-Risk-Gruppe zuzuordnen waren. Die Analyse der Behandlungsstrategien offenbarte deutliche Abweichungen von Leitlinienempfehlungen. Während es bei unilokulären Primärtumoren mit G1-Grading häufig zur Übertherapie kam, zeigte sich bei multilokulären Rezidiven in praktisch 100 % der Fälle eine Untertherapie. Dies verdeutlicht den Mangel an einer Standardisierung, insbesondere bei der Anwendung von Instillationstherapien. Für Intermediate-Risk-Tumoren variieren die Therapiestartzeitpunkte erheblich. Während bei einem Teil der Patienten die Behandlung bereits am Folgetag der Resektion begann (8 %), erfolgte bei 44,4 % der Patienten der Start erst nach drei Wochen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass hinsichtlich der Standardisierung der risikoadaptierten Therapieplanung ein wesentlicher Verbesserungsbedarf besteht.

Risikoadaptierte adjuvante Therapie beim NMIBC

Die adjuvante Behandlung des NMIBC erfolgt risikoadaptiert, wobei für Intermediate-Risk-Tumoren eine MMC-Instillationstherapie empfohlen wird. Nach der letzten transurethralen Resektion (TUR) und Kontrollzystoskopie erfolgt die Berechnung des Zeitpunktes für die Erstinstillation sowie der wöchentlichen Folgeinstillationen. Voraussetzung für die Fortführung der Behandlung ist das Fehlen eines Tumornachweises („no evidence of disease”). Die Erhaltungstherapie wird nicht durch ein standardisiertes oder verbindliches Therapieschema geregelt. Das in diesem Abschnitt beschriebene Vorgehen basiert auf den Empfehlungen von Dr. Gerson Lüdecke bzw. der Praxis des Klinikums in Gießen. Hierbei wird die Erhaltungstherapie üblicherweise in dreimonatlichen Abständen mit drei wöchentlichen Instillationen durchgeführt. Alternativ kann auch eine monatliche Instillation erfolgen, wobei die Wahl des Schemas flexibel gestaltet werden kann. Begleitend werden regelmäßige Kontrollzystoskopien durchgeführt. Nach Abschluss des ersten Jahres wird die Nachsorge mit definierten Zystoskopieintervallen für die Jahre 2 bis 5 fortgesetzt. Bei High-Risk-Tumoren wird primär eine BCG-Therapie empfohlen, die aus einer sechswöchigen wöchentlichen Instillationsphase besteht. Zusätzlich wird eine Kontrollresektion durchgeführt, um die Tumorfreiheit nach der Induktionsphase zu bestätigen. Darauf aufbauend folgt eine Erhaltungstherapie mit dreimonatlichen Zyklen, bestehend aus drei Instillationen. Die Kontrollzystoskopien erfolgen in engeren Intervallen, und auch hier schließt sich nach fünf Jahren eine jährliche Zystoskopie an. Für Low-Risk-Tumoren ist keine Instillationstherapie vorgesehen. Die Nachsorge beschränkt sich auf Zystoskopien, die in definierten Abständen nach drei Monaten, zwölf Monaten und in jährlichen Intervallen bis zum fünften Jahr durchgeführt werden.

Muskelinvasives Blasenkarzinom

Staging

Beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom (englisch „muscle-invasive bladder cancer”, MIBC) gilt die Durchführung einer kontrastmittelverstärkten Computertomografie (CT) mit urografischer Phase als diagnostische Methode der ersten Wahl. Bei höhergradiger Niereninsuffizienz, die den Einsatz von Kontrastmittel verbietet, wird alternativ ein Low-Dose-CT des Thorax in Kombination mit einem MRT des Abdomens mit urografischer Phase empfohlen. Ergänzend kann eine Knochenszintigrafie durchgeführt werden. Ein wesentlicher Nachteil dieser Standardverfahren liegt in der eingeschränkten Detektionsfähigkeit hinsichtlich Lymphknotenmetastasen <1 cm. Die Fluordesoxyglucose-(FDG-)Positronen-Emissions-Tomografie-(PET-)CT bietet durch die Kombination aus Ganzkörper-CT und Radionuklidtechnik eine höhere Sensitivität, insbesondere für kleinere Läsionen, und ermöglicht eine zuverlässigere Beurteilung des Krankheitsstadiums. Darüber hinaus kann das FDG-PET-CT auch ohne Kontrastmittel eingesetzt werden, was bei eingeschränkter Nierenfunktion von Vorteil ist. Allerdings ist dieses Verfahren bislang nicht in den Leitlinien verankert, da die Evidenzbasis für dessen routinemäßigen Einsatz noch nicht als ausreichend angesehen wird.

Kurative Operation

Die operative Behandlung unterscheidet sich abhängig vom Geschlecht. Bei Frauen wird in der Regel eine vordere Exenteration mit Zystektomie durchgeführt, wobei Gebärmutter, vordere Vaginalwand und Adnexe mitentfernt werden. Eine kontinente Harnableitung in Form einer Neoblase kann in geeigneten Fällen erfolgen. Bei Männern umfasst die kurative Chirurgie typischerweise die Entfernung der Blase, der Samenblasen und der Prostata. Auch hier kann eine Neoblase angelegt werden, sofern keine signifikanten intraprostatischen Tumormanifestationen oder andere Kontraindikationen vorliegen. Die Neoblase als Form der kontinenten Harnableitung wird jedoch nur bei etwa 20 % der Patienten realisiert. Gründe hierfür sind das höhere Risiko durch eine verlängerte Operationszeit, ein erhöhtes Risiko für perioperative Komplikationen sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit für funktionelle Einschränkungen wie Inkontinenz oder Harnverhalt. Zudem ist die Anlage einer Neoblase bei bestimmten Vorerkrankungen wie neurogenen Blasenfunktionsstörungen, entzündlichen Darmerkrankungen oder nach Strahlentherapie kontraindiziert. Das Ileum-Conduit stellt die am häufigsten verwendete Form der Harnableitung dar, gefolgt von anderen, mittlerweile selten angewandten Methoden wie der Ureterocutaneostomie, dem Sigma-Rektum-Pouch oder dem Kock-Pouch. Alternativ ist v. a. bei Patienten mit vielen Komorbiditäten auch die Versorgung mittels perkutaner Nephrostomie möglich

Trimodale Therapie

Die trimodale Therapie, bestehend aus einer radikalen transurethralen Resektion der Blase (TUR-B) gefolgt von einer perkutanen Strahlentherapie und einer synchronen Chemotherapie, wird in Europa unterschiedlich häufig eingesetzt. Sie bietet bei sorgfältiger Patientenselektion eine vergleichbare 5-Jahres-Überlebensrate zur Zystektomie.

Systemtherapie

In der neoadjuvanten oder adjuvanten Systemtherapie kommen zumeist platin-basierte Protokolle wie Gemcitabin-Cisplatin oder Methotrexat, Vinblastin, Doxorubicin und Cisplatin (MVAC) zum Einsatz, die jedoch eine ausreichende Organfunktion und körperliche Fitness voraussetzen. Ziel der neoadjuvanten Chemotherapie ist die Maximierung der Tumorregression und eine möglichst vollständige Entfernung des Tumors bei der nachfolgenden Operation. Diese ist der adjuvanten Chemotherapie überlegen

Palliativtherapie

Die palliative Chemotherapie wird Patienten mit Fernmetastasen oder disseminierter Erkrankung angeboten. In diesem Stadium ist eine kurative Therapie nicht mehr möglich. Zum Einsatz kommen platinhaltige Chemotherapien wie Dose-Dense- MVAC, MVAC oder Gemcitabin-Cisplatin (in Deutschland bevorzugt). Bei Kontraindikationen für Cisplatin kann alternativ Carboplatin angewendet werden, allerdings mit geringerer Effektivität (etwa 10 %). In späteren Therapielinien werden nicht platinhaltige Chemotherapeutika wie Docetaxel, Paclitaxel oder Vinflunin eingesetzt. Eine neuartige Option stellt die antikörperkonjugierte Chemotherapie dar, beispielsweise mit Enfortumab-Vedotin. Hierbei wird ein Antikörper mit einem Chemotherapeutikum kombiniert. Das Konjugat wird über Endozytose in die Tumorzellen aufgenommen. Zusätzlich haben sich Immuncheckpoint-Inhibitoren wie Avelumab, Nivolumab und Pembrolizumab beim Urothelkarzinom etabliert. Diese Präparate sind in verschiedenen Indikationen zugelassen und ermöglichen eine gezielte Immunmodulation. Versorgungsdaten zeigen jedoch, dass nur etwa 50 % der Patienten, die für eine palliative Chemotherapie infrage kommen, tatsächlich eine Systemtherapie erhalten. Von diesen erhalten 28 % eine platinbasierte Therapie, während 10 % eine nicht platinbasierte Therapie bekommen und 9 % mit immuntherapeutischen Ansätzen behandelt werden. Die First-Line-Therapie bei Patienten ohne Niereninsuffizienz besteht aus einer Kombination von Gemcitabin und Cisplatin mit Zwischen-Staging nach zwei und vier Zyklen sowie End-Staging nach sechs Zyklen. Bei stabiler Erkrankung, Teilremission oder Vollremission schließt sich eine Immunerhaltungstherapie mit Avelumab über ein Jahr an, welches alle zwei Wochen verabreicht wird. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate [GFR] 50 bis 60 ml/min) wird Gemcitabin-Carboplatin als Alternative eingesetzt, ebenfalls gefolgt von einer Immunerhaltungstherapie. Bei schwerer Niereninsuffizienz (GFR <50 ml/min) ist eine platinbasierte Chemotherapie nicht möglich. In diesen Fällen wird eine alleinige Checkpoint-Inhibitor-Therapie durchgeführt, sofern die Immunhistochemie des Tumors eine „Combined Positive Score”-(CPS-)Aktivität >10 nachweist. Hierfür sind Atezolizumab und Pembrolizumab zugelassen. Ein Zwischen-Staging erfolgt in diesem Kontext alle drei Monate. Seit der Zulassung neuer Therapieansätze im September 2023 hat sich das Behandlungsparadigma deutlich verändert. Eine Kombination aus Pembrolizumab (200 mg alle drei Wochen) und Enfortumab-Vedotin (1,25 mg/kg Körpergewicht an den Tagen 1, 8 und 15 jedes 28-tägigen Zyklus) ist der neue leitlinienkonforme Therapiestandard. Diese Therapie kann bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder dem Auftreten von Nebenwirkungen angewendet werden. Die Zulassungsstudien zeigen eine Verdopplung sowohl der progressionsfreien Überlebenszeit als auch des Gesamtüberlebens im Vergleich zur Gemcitabin-Cisplatin-Therapie (MEDIAN 12,5 vs. 6,3 Monate). Enfortumab-Vedotin wirkt durch Bindung an den Nectin-4-Rezeptor auf der Tumorzelloberfläche. Die Bindung löst eine vesikuläre Endozytose aus, bei der das Chemotherapeutikum in die Zelle aufgenommen und freigesetzt wird. Dies führt zu einer Mikrotubulusstörung, die den Zellzyklus in der G2-Phase blockiert und somit die Apoptose sowie die Nekrose induziert. Obwohl die Expression von Nectin-4 auf der Zelloberfläche der meisten Urothelkarzinome hoch ist, gibt es einzelne Tumoren mit niedriger Expression, was die Effektivität der Therapie reduzieren kann. Eine vorherige Bestimmung der Nectin-Expression wird aktuell jedoch nicht standardmäßig durchgeführt. Als palliative lokale Therapieoption bei hoher Komorbidität oder fehlender Eignung für eine Systemtherapie kann eine perkutane Bestrahlung eingesetzt werden. Diese reduziert Tumorwachstum und Blutungsneigung, minimiert lokale Progression und lindert Schmerzen. Insbesondere bei rezidivierenden Blutungen oder Entleerungsstörungen kann die Strahlentherapie die Lebensqualität verbessern. Aufgrund der reduzierten Überlebenszeit sind strahlentherapieassoziierte Nebenwirkungen als Komplikationen selten.

Vorsorge – gegenwärtige Möglichkeiten und Grenzen

Die Prävention und Früherkennung des Urothelkarzinoms ist ein essenzieller, jedoch oft unterschätzter Bestandteil der Patientenversorgung. Die Möglichkeiten der Vorsorge orientieren sich primär an bekannten Risikofaktoren, wobei Rauchen als einer der wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren gilt. Die Rauchentwöhnung stellt hier die effektivste präventive Maßnahme dar – sowohl in Bezug auf Kosten als auch auf Wirksamkeit. Während die Kosten einer Rauchentwöhnung vergleichsweise gering sind, belaufen sich die monatlichen Therapieausgaben in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auf ein Vielfaches, ohne eine vergleichbare Effektivität hinsichtlich Lebensverlängerung zu erzielen. Populationsweite Screenings, wie sie bei anderen malignen Erkrankungen wie Brustkrebs, Darmkrebs oder Gebärmutterhalskrebs etabliert sind, fehlen derzeit für das Urothelkarzinom. Insbesondere beim Darmkrebs haben sich Präventionsprogramme als äußerst effektiv erwiesen, da präkanzeröse Läsionen durch das Screening frühzeitig erkannt und entfernt werden können. Die Teilnahmequote solcher Programme ist jedoch mit 30 bis 35 % der Zielpopulation vergleichsweise niedrig. Ein risikoadaptiertes Screening könnte insbesondere bei Hochrisikogruppen, wie starken Rauchern, sinnvoll sein. Hierfür existieren geeignete Vorbilder, wie beispielsweise Low-Dose- CT-Untersuchungen zur Früherkennung des Lungenkarzinoms. Für das Urothelkarzinom wäre ein ähnlicher risikobasierter Ansatz ebenfalls denkbar, insbesondere bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren wie beruflicher Exposition gegenüber Karzinogenen oder Zustand nach Strahlentherapien im Beckenbereich. Ein einfach durchzuführendes Risikoscreening könnte helfen, gefährdete Patienten frühzeitig zu identifizieren. Studien haben gezeigt, dass ein solcher Ansatz durch den Einsatz von Fragebögen eine hohe Sensitivität und Spezifität sowie einen hohen negativen Vorhersagewert erreichen kann. Besonders relevant ist die Berücksichtigung sekundärer Karzinome, die durch medizinische Interventionen wie Bestrahlungen oder Cyclophosphamidhaltige Chemotherapien induziert werden können. Das Onlinetool „RisikoCheck für Blasenkrebs” wurde für das Screening seit 1996 kontinuierlich weiterentwickelt. Die Risikoklassifikation im RisikoCheck unterscheidet zwischen niedrigem, intermediärem und hohem Risiko. In einer Untersuchung hatten 65,3 % der Befragten kein relevantes Risiko, 15,8 % wiesen ein intermediäres Risiko auf, und 18,9 % hatten ein hohes Risiko für Blasenkrebs. Somit betrug die Screening-relevante Population 34,7 %. In einer Vier-Felder-Analyse zeigte sich eine Sensitivität von 63,6 %, eine Spezifität von 68,1 %, ein negativer Vorhersagewert (NPV) von 98,4 %, ein positiver Vorhersagewert (PPV) von 13,2 %, eine Genauigkeit von 68,9 %, eine falsch negative Rate von 1,1 % (sämtlich Niedrigrisikotumoren nach EORTC) und eine falsch positive Rate von 30,1 %. Dennoch gibt es aktuell keinen Konsens, wie diese Risikogruppen zu überwachen sind. Die Einführung strukturierter Vorsorgekonzepte, kombiniert mit gezielten Präventionsmaßnahmen, könnte einen erheblichen Beitrag zur frühzeitigen Erkennung und besseren Kontrolle des Urothelkarzinoms leisten. Ein umfassender und differenzierter Blick auf die Risikofaktoren sowie die Etablierung geeigneter Präventionsstrategien sind daher zentrale Aufgaben in künftigen Versorgungsforschungen.

Fazit

  • Die Urologie wird mehr und mehr ein Fach mit geriatrischem Schwerpunkt.
  • Ein Harnblasenkarzinom ist häufig bei älteren Menschen, vor allem als Urothelkarzinom.
  • Die Prognose des Harnblasenkarzinoms hängt vom Tumorstadium und der Tumoreindringtiefe ab.
  • Das Urothelkarzinom gilt als anerkannte Berufserkrankung, weshalb grundsätzlich eine Arbeitsanamnese nötig ist.
  • Eine Frühinstillation mit Mitomycin C (MMC) verhindert die Nidation zirkulierender Tumorzellen, besonders bei pTa-Low-Grade-Tumoren.
  • Eine adjuvante Behandlung des NMIBC erfolgt risikoadaptiert, eine MMC-Instillationstherapie wird bei Intermediate-Risk-Tumoren bevorzugt empfohlen.
  • Beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom kommen kurative chirurgische Eingriffe zum Einsatz, ggf. mit Anlage einer Neoblase.
  • Die neoadjuvante Chemotherapie vor radikaler Chirurgie sollte Standard sein.
  • Alternativ zur Zystektomie steht die trimodale Therapie zur Verfügung.
  • Die Systemtherapie hat aktuell einen „Quantensprung” in der Effektivität durch die Einführung der kombinierten Immuntherapie mit Enfortumab-Vedotin erfahren.
  • Die Einführung strukturierter Vorsorgekonzepte und gezielter Präventionsmaßnahmen könnte zur frühzeitigen Erkennung und besseren Kontrolle des Harnblasenkarzinoms beitragen.

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