Behandlung von Augenerkrankungen mit topischen Kortikoiden

Topische Kortikosteroide sind und bleiben aufgrund ihres breiten Wirkspektrums, ihrer potenten Effektivität und ihres raschen Wirkeintrittes ein wichtiger Baustein im Armamentarium zur Behandlung verschiedener Erkrankungen des Auges. Sie haben entzündungshemmende, antiallergische und immunsuppressive Eigenschaften und sind in Form von Lösungen, Suspensionen, Salben und Gelen für die Behandlung entzündlicher Erkrankungen des Auges verfügbar.

Lernen Sie hier die Unterschiede verschiedener Substanzen hinsichtlich Wirkstärke und -dauer kennen und erfahren Sie, wie topische Kortikosteroide bei unterschiedlichen Indikationen im klinischen Alltag erfolgreich eingesetzt werden können.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709124063300015
Zeitraum 29.06.2004 - 28.06.2025
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. Uwe Pleyer, Charité
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webcast
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Dr. Gerhard Mann chem.-pharm. Fabrik GmbH
Bewertung 4.4 (151)

Vielfältige Wirkmechanismen

Kortikosteroide zeichnen sich durch immunsuppressive, antiallergische, antiproliferative und vor allem antientzündliche Wirkung aus. Dazu hemmen sie die Entzündungskaskade an verschiedenen, entscheidenden Stellen und unterbinden so die Synthese der Prostaglandine und Leukotriene. Weiterhin verhindern sie auch die Bildung von Entzündungsmediatoren wie Zytokine und die Akkumulation pro-inflammatorischer Proteine. Darüber hinaus entfalten Steroide auch eine Wirkung auf Metalloproteinasen (MMP-9) und nehmen somit Einfluss auf die Wundheilung. Dieser wachstumshemmende Effekt wird insbesondere nach Glaukomchirurgie genutzt, um mittels postoperativer Gabe von Kortikosteroiden die Proliferation von Fibroblasten zu bremsen. Über ihre Wirkung auf „Tight Junctions” beeinflussen sie zudem auch die Dichtigkeit von Endothelzellen. Insgesamt entfalten Kortikosteroide daher auch bei Erkrankungen des Auges vielfältige wünschenswerte klinische Effekte wie eine reduzierte Entzündungsreaktion, verminderte Zellinfiltration, veränderte Barrierefunktionen und eine wachstumshemmende Wirkung.

Unterschiedliche Wirkstärken

Wie bereits erwähnt, ist eine Vielzahl von Kortikosteroiden mit unterschiedlichen Eigenschaften verfügbar. Entscheidend für den Therapieerfolg ist eine gezielte Wahl des Wirkstoffes abgestimmt auf die jeweilige Indikation und Fragestellung. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist der Schweregrad der Entzündung und demzufolge die erforderliche antiinflammatorische Wirkstärke. Diesbezüglich zeigt sich, dass sich die „intrinsischen” antiinflammatorischen Wirkstärken verschiedener Kortikosteroide erheblich unterscheiden. So entfalten etwa Prednisolon, Loteprednol und Dexamethason sowohl in vitro als auch in vivo deutlich stärkere Wirkungen als die Ursprungssubstanz Kortison, wobei sich Loteprednol und Dexamethason in vivo durch eine über sechsfach stärkere biologische Wirkstärke als Prednisolon auszeichnen. Ebenfalls wichtig in diesem Zusammenhang ist die Wirkdauer. Diese hängt von der biologischen Halbwertzeit ab und kann von einer eher kurzen (Loteprednol) über eine mittellange (Prednisolon) bis hin zu einer langen Wirkdauer (Dexamethason) reichen.

… auch bei unerwünschten Wirkungen

Wie so häufig bei Medikamenten treten auch bei den Kortikosteroiden im Zusammenhang mit den Wirkungen unerwünschte Wirkungen auf. So können sie bei lokaler Gabe am Auge über Effekte auf das Trabekelmaschenwerk zu einer Steigerung des intraokularen Druckes führen. Dabei ist – wie bei den Wirkeffekten auch – zu beachten, dass es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Präparaten gibt. Im Wesentlichen können drei Gruppen unterschieden werden: So weisen Ketosteroide mit hoher biologischer Wirkstärke damit verbunden auch gleichzeitig ein höheres Risiko für eine Drucksteigerung auf. Dazu zählen Dexamethason, Betamethason und Prednisolon. Daneben sind Ketosteroide wie Hydrocortison oder Fluorometholon, die weniger gut in die Gewebestrukturen penetrieren können, auch weniger problematisch bezüglich einer Steigerung des intraokularen Druckes. Dies zeigt u. a. eine Studie, in der die Effekte verschiedener Steroide bei identischen Patienten verglichen wurden. Eine gewisse Sonderrolle kommt aufgrund ihres retrometabolen Wirkmechanismus den Ester-Steroiden zu, von denen Loteprednol als einzige Substanz zur Therapie am Auge verfügbar ist. Bei diesem ist das Risiko einer intraokularen Drucksteigerung bei gleichzeitig hoher biologischer Wirkstärke relativ gering. So weist Loteprednol, das zum Zeitpunkt der gerade beschriebenen Vergleichsstudie noch nicht verfügbar war, eine deutlich geringere drucksteigernde Wirkung als Prednisolon und Dexamethason auf. Eine Analyse gepoolter Daten aus kontrollierten Studien ergab, dass das Risiko eines Druckanstieges von über 10 mmHg vom Ausgangswert unter Loteprednol signifikant geringer ist als unter Prednisolon (3,4 % vs. 11,3 %; p < 0,001). Auch die kombinierte Gabe von Loteprednol mit dem Antibiotikum Tobramycin war mit einem signifikant niedrigeren Risiko einer intraokularen Drucksteigerung verbunden als die Kombination Dexamethason/Tobramycin (1,8 % vs. 5,2 %, p = 0,008). Zudem wies Loteprednol keine signifikant höhere Drucksteigerung als die Vehikelkontrolle auf. Wichtig für den klinischen Alltag ist ebenfalls, dass der Eintritt und das Abklingen des drucksteigernden Effektes unterschiedlich verlaufen können. Während eine systemische Kortikosteroidtherapie meist nicht zu Steigerungen des Augeninnendruckes führt, setzt eine Augeninnendrucksteigerung bei lokaler topischer Therapie meistens zwischen zwei und sechs Wochen nach Therapiebeginn ein. Auch für das Abfluten und die Druckreduktion nach Karenz ist etwa der gleiche Zeitraum anzunehmen. Bei peribulbärer Gabe von Triamcinolon ist nach etwa vier bis sechs Wochen mit einem Augeninnendruckanstieg zu rechnen, während bei intravitrealer Applikation eines Dexamethason-Implantates meist nach zwei Monaten der maximale Augeninnendruckanstieg erreicht wird. Im klinischen Alltag ist es empfehlenswert, vor geplanter lokaler Steroidtherapie am Auge in der Anamnese zu erfragen, ob bereits eine frühere Steroidresponse bekannt ist und ob nach Absetzen der Medikation wieder eine Normalisierung eingetreten ist, wie es bei den meisten Patienten der Fall ist. Zudem sollten Kontrollen des Augeninndruckes bei topischer Gabe etwa nach zwei Wochen durchgeführt werden, wohingegen bei intravitrealer Applikation bereits nach einer Woche sowie nach zwei Wochen kontrolliert werden sollte. Eine weitere mögliche Nebenwirkung von Kortikosteroiden ist die Entwicklung einer Katarakt. Vor allem bei jüngeren Patienten kann als grobe Annäherung nach etwa 700 Tropfen eines penetrierenden Ketosteroides das Auftreten einer subkapsulären Katarakt erwartet werden. Auch diesbezüglich nimmt das Ester-Steroid Loteprednol wiederum eine gewisse Ausnahmestellung ein: Während in vitro kultivierte Linsen unter Prednisolon eine deutliche Linsentrübung entwickelten, war dies unter dem Nicht-Keton-Analogon auch bei höherer Konzentration nicht der Fall.

Anwendung bei trockenem Auge ab Stufe 2

Topische Kortikosteroide werden bei Entzündungen des anterioren und posterioren Augenabschnittes eingesetzt und zeichnen sich somit durch ein breites Anwendungsgebiet aus. Häufige Einsatzgebiete für Steroide im vorderen Abschnitt sind nicht infektiöse Konjunktivitiden und Keratitiden. Auch bei der Behandlung des trockenen Auges (Keratokonjunktivitis sicca) hat das zunehmend bessere Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung in den letzten zehn bis 15 Jahren die Bedeutung einer antientzündlichen Komponente als wichtigem Baustein in der Therapie verdeutlicht. So ruft die durch den hyperosmolaren Tränenfilm induzierte Schädigung der Hornhautepithelzellen eine spezifische Immunantwort hervor und führt im Epithel zur Aktivierung proinflammatorischer Zytokine wie Interleukin-1, Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α), die im Tränenfilm nachweisbar sind. Zudem kommt es durch das Wechselspiel von hyperosmolarem Tränenfilm und Ausschüttung von Entzündungsmediatoren zu einem Aufschaukeln der Situation und somit zu dem häufig beschriebenen „Teufelskreis des trockenen Auges”, der durchbrochen werden muss. Diese Erkenntnisse haben auch Eingang in die Leitlinien der Fachgesellschaften zur Behandlung des trockenen Auges gefunden. Bereits in Stufe 2 des Algorithmus zur Behandlung des trockenen Auges wird die antientzündliche Therapie aufgeführt. Dazu steht eine Reihe von Wirkstoffen zur Verfügung. Am effektivsten und am schnellsten für die Patienten spürbar ist die Wirkung einer antientzündlichen Therapie mit Kortikosteroiden, die eine rasche Linderung der Beschwerden ermöglicht. Langfristig sollte die antientzündliche Therapie mit anderen Substanzen wie beispielsweise Ciclosporin aufrechterhalten werden. In Deutschland wurde anlässlich einer Konsensuskonferenz dafür der Begriff des „Bridging” vorgeschlagen. Dabei beginnt die Therapie aufgrund der raschen und effektiven Wirkung initial über zwei bis sechs Wochen mit einem Kortikosteroid. Parallel dazu wird mit der Gabe von Ciclosporin begonnen, dessen Wirkung langsamer einsetzt. Oftmals ist die Gabe von niedrig dosiertem Hydrocortison ausreichend, um einen initialen antientzündlichen Effekt zu erzielen. Auch potentere Kortikosteroide wie Loteprednol sind zum Bridging mit Ciclosporin geeignet, wie Daten aus den USA über einen Nachverfolgungszeitraum bis zu 60 Tagen zeigen.

Antiallergische Therapie

Auch bei akuter allergischer Konjunktivitis stellen topische Kortikosteroide eine kurzfristige Therapieoption dar. Insbesondere bei schweren Verläufen, die mit Antihistaminika nicht mehr allein beherrschbar sind, ist aufgrund des stärkeren Wirkeffektes der Einsatz lokaler Kortikosteroide unter Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte der einzelnen Präparate erforderlich. So etwa bei Keratoconjunctivitis vernalis, einer Sonderform der allergischen Konjunktivitis. Diese beidseitige, rezidivierende Konjunktivitis tritt schubweise – meist im Frühjahr – auf und kann für die Betroffenen, häufig sind es Jungen, sehr schwerwiegend sein. Aufgrund ihrer breiten antiinflammatorischen und antiproliferativen Wirkung kann durch Kortikosteroide meist rasch eine Linderung erzielt werden. Dabei weisen Dexamethason und Prednisolon zwar höchste therapeutische Potenz auf, allerdings auch die klassischen Nebenwirkungen. Ester-Steroidpräparate wie Loteprednol sind diesbezüglich sicherer und konnten niedrig dosiert bei allergischer Konjunktivitis auch über vier Wochen ohne die typischen Nebenwirkungen eingesetzt werden. Zudem kann – wie beim trockenen Auge auch – das Konzept des „Bridgings” angewendet werden, um den Patienten langfristig angemessen zu behandeln. Auch hier würde die Therapie mit einem sicheren Kortikosteroid, das heißt, mit geringerem Risiko für eine Augeninnendrucksteigerung, beginnen und parallel dazu eine viermal tägliche Ciclosporin-Therapie starten.

Intraokulare Entzündung

Klassisches Einsatzgebiet für topische Kortikosteroide sind auch nicht infektiöse intraokulare Entzündungen, beispielsweise im Rahmen einer anterioren Uveitis (Iritis). Diese häufigste Form der Uveitis kann in sehr unterschiedlichen Verlaufsformen von akut über chronisch bis rezidivierend auftreten und geht mit unspezifischen Symptomen wie Augenrötung, Photophobie, Epiphora, Visusminderung und Schmerzen einher. Als wesentliche Therapieziele werden in der Leitlinie der Fachgesellschaften unter anderem die Behandlung des akuten Entzündungsschubes und die Prophylaxe von Rezidiven und Komplikationen genannt. Im Akutfall empfiehlt die Leitlinie die Behandlung mit hochpotenten topischen Kortikosteroiden wie Dexamethason 0,1 % oder Prednisolonacetat 1 %. Visköse galenische Formen wie beispielsweise Gele oder Suspensionen ermöglichen dabei eine längere Kontaktzeit auf der Augenoberfläche als Tropfen und entfalten eine höhere Wirkstoffkonzentration in der Kornea und im Kammerwasser. Darüber hinaus ist es wichtig, auch mögliche, zugrunde liegende Systemerkrankungen diagnostisch abzuklären, wie das Fallbeispiel zeigt. Der Patient, ein Physiotherapeut, führt seine seit Längerem bestehenden Rückenbeschwerden auf die Anforderungen in seinem Beruf zurück. In der Vergangenheit war bereits mehrfach „ein rotes Auge” aufgetreten, allerdings wird der Patient erst jetzt aufgrund der Befundschwere mit einer massiven fibrinösen Reaktion und herabgesetztem Visus bei einem Augenarzt vorstellig. Wesentlich ist in diesem Fall einer anterioren Uveitis eine zu Beginn hochfrequente, mindestens stündliche Behandlung mit einem hochpotenten Kortikosteroid, die befundabhängig über längere Zeit (ggf. bis mehrere Wochen) beibehalten werden sollte. Weiterhin sollte aufgrund des Rückenschmerzes, der bei diesem Patienten vor allem morgens nach langem Liegen auftrat und bei Bewegung besser wurde, eine weiterführende Labordiagnostik (Bestimmung HLA-B27) auf inflammatorische Marker (CRP) erfolgen. Nicht selten können damit zugrunde liegende systemische Erkrankungen wie etwa Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), reaktive Arthritis oder andere HLA-B27-assoziierte Erkrankungen (entzündliche Darmerkrankungen, Psoriasis) frühzeitig erkannt und gegebenenfalls behandelt werden. In diesem Zusammenhang sollten sich Augenärzte bewusst sein, dass sie oftmals die Erstdiagnose einer Grunderkrankung stellen und ihnen somit eine wichtige Bedeutung zukommt. Dementsprechend ist es wichtig, eine gezielte Anamnese mit konkreter Nachfrage, ob und zu welchen Zeitpunkten Rückenschmerzen auftreten oder ob „rote Augen” in der Vergangenheit bereits häufiger auftraten, durchzuführen.

Postoperative Entzündung

Weiterhin kommt Kortikosteroiden auch in der postoperativen Behandlung eine große Bedeutung zu. So sind im Anschluss an filtrierende Glaukomoperationen Kortikosteroide aufgrund ihrer antiproliferativen Wirkung in der Regel unverzichtbar und werden trotz ihres potenziell drucksteigernden Effektes eingesetzt. Ein weiteres großes Einsatzgebiet für topische Kortikosteroide bleibt auch die Nachsorge nach Kataraktoperation. Ebenso führt die heute minimalinvasiv und schonend durchgeführte Kataraktoperation zu physiologischen Veränderungen und Alteration der Blut-Kammerwasser-Schranke. Es werden im Irisgewebe und Ziliarkörper Entzündungsmediatoren wie Prostaglandine ausgeschüttet. Es kommt zu einer Kaskadenreaktion unter Beteiligung von Makrophagen und anderen Immunzellen sowie einer Ansammlung von Proteinen im Kammerwasser (Tyndall-Effekt). Symptome einer postoperativen Entzündungsreaktion können „Missempfindung”, Photophobie, Augenrötung sein. Bei persistierender Entzündung kann durch die Akkumulation von Entzündungsmediatoren (v. a. Prostaglandinen) im Glaskörper eine Störung der Blut-Retina-Schranke eintreten. In der Folge kommt es zur erhöhten Permeabilität der perifovealen Kapillaren und zur Ansammlung intraretinaler Flüssigkeit. Resultat ist ein zystoides Makulaödem, das durch Visusminderung den Erfolg des Eingriffes deutlich gefährdet. Selbst nach komplikationsloser Kataraktchirurgie entwickeln 1 bis 2 % der Patienten ein klinisch signifikantes zystoides Makulaödem. Bei Patienten mit Diabetes mellitus ist aufgrund ihres ohnehin erhöhten Entzündungsstatus das Risiko für ein zystoides Makulaödem vielfach höher. Randomisierte Studien haben gezeigt, dass topische Kortikosteroide und nicht steroidale Antiphlogistika (NSAID) diese Reaktionen kontrollieren und ein zystoides Makulaödem reduzieren und verhindern können.

Effektive, rasche Linderung postoperativer Entzündung

Zudem werden nach Kataraktoperation häufig Situationen unterschätzt, die eher auf eine bestehende Problematik der Augenoberfläche zurückzuführen sind. So besteht bei vielen der überwiegend älteren Patienten bereits präoperativ eine nicht diagnostizierte Sicca-Problematik. Diese wird durch das Operationstrauma mit Aktivierung der Entzündungsmediatoren noch weiter verstärkt und resultiert in Beschwerden und in der Unzufriedenheit der Betroffenen. So wies in einer prospektiven Fallserie, in der 120 Kataraktpatienten konsekutiv auf Anzeichen von Störungen der Augenoberfläche hin untersucht wurden, über die Hälfte der Patienten eine abnormale Tränenfilmosmolarität auf; 63,3 % zeigten einen erhöhten MMP-9-Spiegel, der als Marker für das Vorliegen eines trockenen Auges gilt. Die American Society of Cataract and Refractive Surgery (ASCRS) hat daher einen Algorithmus entwickelt, nach dem bereits vor intraokularen Eingriffen die Problematik eines trockenen Auges sorgfältiger abgeklärt und bei Bedarf auch eine anti-entzündliche Therapie eingeleitet werden soll. Auch die postoperative Gabe von Kortikosteroiden wird hier ausdrücklich einbezogen und ermöglicht – neben einer effektiven Reduktion des Entzündungsstaus der Vorderkammer – eine rasche Linderung der Oberflächenbeschwerden. In einer prospektiven, randomisierten Studie mit über 800 Patienten in 53 Zentren wurde die Anwendung eines Kortikosteroids in Kombination mit einem Antibiotikum über zwei Wochen – so wie es in der postoperativen Versorgung häufig angewendet wird – verglichen mit der kombinierten Gabe über nur eine Woche, gefolgt von einer isolierten Behandlung mit einem Dexamethason-Präparat. Ein Vergleich der beiden Behandlungsarme zu Tag 8 zeigte keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich des postoperativen Entzündungszustandes der Vorderkammer und einer konjunktivalen Hyperämie. Bereits die einwöchige Behandlung führte bei über 85 % der Patienten zu einem reizfreien Zustand der Vorderkammer. Auch eine konjunktivale Hyperämie war bei über 88 % der Patienten vollständig abgeklungen, und der Gesamtscore okulärer Symptome (Total Ocular Symptom Score, TOSS) lag bei über 80 % der Patienten bei 0. Dies legt nahe, dass für den unmittelbar postoperativen Reizzustand nach Katarakt-OP eine längere Therapie bei vielen Patienten nicht notwendig ist. Gleichzeitig muss beachtet werden, dass ein zystoides Makulaödem oft erst verzögert (vier bis sechs Wochen postoperativ) eintritt und die Nachbehandlung zum Beispiel mit NSAID davon unbeeinflusst ist. Die nur kurzzeitige postoperative Gabe von Steroiden vermindert das Risiko unerwünschter Wirkungen wie intraokularer Drucksteigerung. Diesbezüglich bietet insbesondere Loteprednol ohnehin ein hohes Sicherheitsprofil. So zeigt eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 813 Patienten mit postoperativem Entzündungszustand (≥ Grad 2) nach Kataraktoperation, dass mittels Loteprednol sowohl das subjektive Befinden der Patienten als auch die entzündliche Komponente innerhalb kurzer Zeit deutlich verbessert wurde – und dies bei minimalem Risiko eines intraokularen Druckanstieges. Bereits am achten postoperativen Tag war der Anteil der Patienten ohne jegliche Anzeichen eines postoperativen Entzündungszustandes unter Loteprednol signifikant höher als in der Kontrollgruppe (31 % vs. 15 %, p < 0,001). Weiterhin wiesen 74 % der Patienten in der Verumgruppe keine „Schmerzen” mehr auf, während der Anteil in der Kontrollgruppe mit 44 % signifikant niedriger war. Hinsichtlich eines transienten Augeninnendruckanstieges von ≥10 mmHg gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Auch in Zukunft wird die Therapie mit Kortikosteroiden im Bereich der Ophthalmologie eine wichtige Rolle spielen. Selektive Glukokortikoid-Rezeptor-Agonisten (SEGRA), die ebenfalls eine neue, große Wirkstoffklasse mit unterschiedlichen Substanzen darstellen, können möglicherweise auch in die Augenheilkunde Einzug finden und dazu beitragen, unerwünschte Wirkungen weiter zu reduzieren und die potenten Wirkungen der Kortikosteroide weiter in den Fokus zu rücken.

Fazit

  • Steroide bleiben ein wichtiger Bestandteil unserer Behandlungsoptionen.
  • Sie weisen vielfältige biologische Wirkungen auf – je nach Molekülstruktur, Galenik, Applikationsform und -dauer.
  • Behandlungszeitraum mit topischen Kortikosteroiden beträgt bei vielen Indikationen zwischen zwei und sechs Wochen
  • Visköse Zubereitungen wie Salben oder Gele verlängern die Kontaktzeit auf der Augenoberfläche und erreichen eine höhere Wirkstoffkonzentration.
  • Eine gezielte Wahl des Wirkstoffes entsprechend der Indikation ist entscheidend.
  • Eine Oberflächenproblematik ist häufig mit topischen Steroiden gut beherrschbar; möglichst Anwendung nicht konservierter Präparate.
  • Bei intraokularen Entzündungen sind eine intensive Behandlung und der Einsatz gut penetrierender Kortikosteroide erforderlich.
  • Diesbezüglich sind Dexamethason, Prednisolon oder Loteprednol zu bevorzugen, wobei Loteprednol auch bezüglich eines intraokularen Druckanstieges ein gutes Sicherheitsprofil aufweist.

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