Schlaf und Schlafstörungen im höheren Lebensalter

Schlafstörungen sind bei älteren Menschen besonders häufig. Bis zu 50 % der Patienten ab 65 Jahren berichten über Ein- oder Durchschlafstörungen, die oft auch die Tagesbefindlichkeit beeinträchtigen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Behandlung. Durch eine umfassende Anamnese, evtl. unter Hinzunahme eines Schlaftagebuches, kann in den meisten Fällen bereits eine erste Einordnung der Schlafstörung erfolgen.

Mit zunehmendem Alter nehmen vor allem Insomnien zu, d. h. Ein- oder Durchschlafstörungen oder frühes Erwachen. Zu den ersten Behandlungsmaßnahmen zählen Patientenedukation und die Anwendung von Schlafhygiene, d. h. die Optimierung der Schlafgewohnheiten und der Schlafumgebung.

Reicht dies nicht aus, sind eine kognitive Verhaltenstherapie und eine Pharmakotherapie mit niedrigem Neben- und Wechselwirkungspotenzial die nächsten Eskalationsschritte. Bei einer therapieresistenten Insomnie empfiehlt sich eine Abklärung im Schlaflabor.

Prof. Dr. med. Helmut Frohnhofen
Schlafbeschwerden sind der dritthäufigste Anlass für einen Arztbesuch.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123028340017
Zeitraum 12.02.2023 - 11.02.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Helmut Frohnhofen
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Heel GmbH
Bewertung 4.3 (1091)

Einleitung

Probleme mit dem Nachtschlaf sind der dritthäufigste Grund für das Aufsuchen des Hausarztes. [1]. Vor allem ältere Menschen leiden unter Schlafstörungen. Sie klagen über Ein- oder Durchschlafstörungen, nicht erholsamen Nachtschlaf oder – seltener – über Früherwachen. Schlafstörungen beeinträchtigen das Wohlbefinden und reduzieren die Lebensqualität. Daher sollten Schlafstörungen auch bei älteren Menschen ernst genommen werden. Da sich der Schlaf und das Schlafvermögen mit dem Älterwerden verändert, ist es wichtig diese natürlichen Veränderungen zu kennen. Diese normalen Veränderungen müssen unbedingt von behandlungsbedürftigen Störungen abgegrenzt werden, damit keine Fehlbehandlung erfolgt.

Definition

Schlaf ist eine autonome physiologische Funktion, die nicht willentlich herbeigeführt werden kann. Schlaf kann nicht erzwungen werden, sondern er tritt ein, er realisiert sich. Faktoren, die den Eintritt des Schlafes behindern können, sollten abgestellt bzw. vermieden werden. Qualitativ schlechter Schlaf oder eine zu kurze Schlafdauer führen zu einer gestörten Tagesbefindlichkeit. Wer tagsüber Beschwerden hat wie Müdigkeit oder Schläfrigkeit, hat eine relevante Schlafstörung. Deshalb sollte auch eine der ersten Fragen an Patienten mit Schlafproblemen sein: „Wie fühlen Sie sich tagsüber?“ Gerade ältere Menschen mit Tagesmüdigkeit oder Schläfrigkeit haben häufig Probleme, ihren Alltag zu regeln. Hirnleistung, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnis sind beeinträchtigt. Dadurch kann auch die Fähigkeit zur Selbstversorgung gefährdet sein, Angehörige werden stärker in die Versorgung eingebunden und das Risiko für Pflegebedürftigkeit und Abhängigkeit steigt [2]. Schlafstörungen werden nach der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-3) in sechs Hauptgruppen gegliedert [3]:
  • Schlaflosigkeit bzw. Insomnie
  • schlafbezogene Atmungsstörungen
  • Hypersomnolenzsyndrome (pathologische Tagesschläfrigkeit)
  • Störungen des zirkadianen Rhythmus
  • Parasomnien (u.a. Pavor Nocturnus, Zähneknirschen oder Reden im Schlaf)
  • schlafbezogene Bewegungsstörungen.

Schlafbedarf im Alter

Schlaf ist wichtig für ein Funktieren vieler Körperfunktionen. Der Bedarf an Schlaf ändert sich bei Erwachsenen mit den Jahren eher moderat, wobei die größten Veränderungen zwischen dem 60sten und 70sten Lebensjahr auftreten. Alte Menschen brauchen also nicht generell weniger Schlaf als junge Menschen. Aber die Verteilung der Schlafphasen über einen Zeitraum von 24 Stunden ändert sich. So schlafen alte Menschen tagsüber 30 bis 60 Minuten, auch vormittags. Der Bedarf an Schlaf liegt aber auch bei älteren Menschen zwischen 7 und 8 Stunden. In einer Befragung von 164 geriatrischen Klinikpatienten [4], die im Mittel 80 Jahre alt waren, wurde von der Mehrheit der Befragten sogar ein benötigter Nachtschlaf von 8 Stunden angegeben, um sich tagsüber fit zu fühlen. Kurzschläfer, die weniger als 5 Stunden Nachtschlaf benötigen und trotzdem tagsüber fit sind, machen nur etwa 1-2 % der Bevölkerung aus. Langschläfer, die täglich mehr als 9 Stunden Schlaf brauchen – und das ist genetisch determiniert – haben einen Anteil von ca. 10-15 % an der Allgemeinbevölkerung. Wenn Langschläfer zum Beispiel nur 7 oder 8 Stunden schlafen, was für sie selber viel zu wenig ist, dann bekommen sie auch eine entsprechende Tagessymptomatik. Um gerade im höheren Lebensalter normalen Schlaf von Schlafstörungen abgrenzen zu können ist es wichtig, die physiologischen Veränderungen des Schlafes mit zunehmendem Lebensalter zu kennen. Diese Veränderungen sind in einer großen Kohortenstudie mit über 3.000 Teilnehmern untersucht worden [5]. Die Teilnehmer dieser Studien waren zwischen 5 und 102 Jahre alt. Die Ergebnisse die Studie zeigen, dass die Gesamtschlafzeit vom 40sten bis zum 70sten Lebensjahr um etwa 10 Minuten pro Lebensdakade bzw. eine Minute pro Lebensjahr abnimmt. Der Tiefschlafanteil verringert sich pro Dekade um etwa 2 % und die Schlafeffizienz, also die Zeit, die man schlafend im Bett verbringt, um etwa 3 %. Die Wachliegezeit nach dem erstmaligen Einschlafen (Wake after Sleep Onset, WASO) steigt pro Dekade um etwa 10 Minuten bzw. pro Lebensjahr um eine Minute an. Die Einschlaflatenz – d.h. die zum Einschlafen erforderliche Zeit – erhöht sich im Alter nur geringfügig (rund +5 % wenn man 20-Jährige mit 70-Jährigen vergleicht). Die klinische Erfahrung bestätigt diese Daten. Ältere Menschen klagen viel seltener über Einschlafschwierigkeiten, das nächtliche Erwachen und das Wachliegen in der Nacht sind das Problem. Was sind die Kriterien für einen normalen Schlaf bei Älteren? Die Gesamtschlafzeit sollte 6-8 Stunden betragen. Die Einschlaflatenz sollte weniger als 30 Minuten betragen. Sie liegt üblicherweise bei 15-20 Minuten. Die Wachliegezeit im Bett darf im höheren Alter (70+) bis zu 2 Stunden betragen. Zwei bis vier Aufwachereignisse pro Nacht gelten als normal. Entscheidend ist immer die Tagesbefindlichkeit. Müdigkeit und ungewolltes Einschlafen am Tag weisen auf eine Störung hin. Ein Mittagsschlaf ist durchaus erlaubt, sollte aber 30 Minuten nicht überschreiten. Bei längerem Mittagsschlaf treten bereits tiefe Schlafphasen auf, die nach dem Wecken zur sogenannten sleep hesitation führen. Das Gehirn kann dann bis zu eine Stunde brauchen, um wieder seine volle Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Diagnostik

Die Abklärung von Schlafstörungen im Alter baut auf einer umfassenden Anamnese mit einfachen Fragen nach der Qualität des Nachtschlafs, Schnarchen, Bewegungsstörungen, und insbesondere der Tagesbefindlichkeit des Patienten auf. Dazu hat die amerikanische geriatrische Gesellschaft Musterfragen entwickelt wie „Fällt es Ihnen häufig schwer einzuschlafen?“, „Wie oft wachsen Sie nachts auf?“, „Fühlen Sie sich tagsüber häufig müde und schläfrig?“ (Tabelle 1) [6].

Fragebögen und Skalen

Oft werden diese Fragen allerdings nicht verlässlich beantwortet bzw. können von allein lebenden Patienten auch nicht zuverlässig beantwortet werden.Hilfreich kann der Einsatz von standardisierten Fragebögen und Skalen sein wie der Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI). Die insgesamt 18 Items bilden sieben Komponenten des Schlafes ab (Schlafqualität, Schlaflatenz, Schlafdauer, Schlafeffizienz, Schlafstörungen, Schlafmittelkonsum, Tagesmüdigkeit), für die jeweils 0-3 Punkte vergeben werden. Ein Summenscore von mehr als 5 Punkten weist auf eine relevante Störung der Schlafqualität hin [7]. Zur Beurteilung der Tagesschläfrigkeit wird sehr häufig die Epworth Sleepiness Scale (ESS) eingesetzt [8]. Die ESS ist das weltweit am häufigsten verwendete Instrument. Sie enthält allerdings einige Fragen aus dem täglichen Leben, die für ältere oder geriatrische Patienten nicht mehr zutreffen. Daher besteht die Gefahr, dass bei der Verwendung der ESS das wirkliche Ausmaß von Schläfrigkeit bei älteren und insbesondere geriatrischen Patienten unterschätzt wird. Derzeit werden verschiedene Skalen und Messinstrumente zur Beurteilung von Schlafstörungen bei älteren Patienten entwickelt und validiert. Wertvolle diagnostische Erkenntnisse liefert ein Schlaftagebuch. Hierin sollen die Patienten über einen Zeitraum von wenigstens zwei Wochen konsequent alle Ereignisse notieren, die mit dem Schlaf zu tun haben einschließlich der Tagesbefindlichkeit. Häufig kann bereits anhand dieser Anamnese eine erste Einordnung hinsichtlich der sechs Klassen von Schlafstörungen nach der ICSD-3 erfolgen. Anschließend kann gezielt weiter nachgefragt werden. Unter den apparativen Untersuchungen steht an erster Stelle die einfache Aktimetrie. Am Handgelenk oder am Bein getragen, können die kleinen Geräte nächtliche Bewegungen registrieren. Die Aufzeichnung erfolgt in der Regel über 1-2 Wochen. Die so dokumentierten Aktivitätsprofile korrelieren sehr gut mit Messungen im Schlaflabor und geben wichtige Hinweise auf mögliche Ursachen einer Schlafstörung. Etwas aufwendiger ist die Polygraphie. Dabei werden während des Schlafs 4-6 Parameter gemessen. Hierzu zählen die Atmung, die Sauerstoffsättigung des Blutes, die Herzfrequenz, die Körperlage, der Atemfluss an Nase und Mund sowie Schnarchgeräusche. Schwere Formen einer Schlafapnoe lassen sich mit Hilfe der Polygraphie verlässliche diagnostizieren. Unauffällige Befunde schließen eine Schlafapnoe nicht aus, da bei der polygraphischen Messung keine Information darüber verfügbar sind, ob der Patient auch tatsächlich geschlafen hat. Die aufwendigste und kostenintensivste Untersuchung ist die Polysomnographie im Schlaflabor, bei der der Nachtschlaf und die Schlafqualität mit Hilfe von bis zu 30 Elektroden aufgezeichnet werden. Diese teure Untersuchung wird aber gerade von älteren Patienten häufig nicht toleriert, weil z.B. nachts die Toilette nicht aufgesucht werden kann. Schließlich gibt es noch Spezialuntersuchungen zur Beurteilung von Müdigkeit oder Wachheit eines Patienten, z.B. über die Aufzeichnung des Zitterns der Pupille, die Spezialisten vorbehalten sind. Solche Untersuchungen bieten sich etwa bei Kraftfahrern oder Piloten an, um die volle Wachheit sicherzustellen, die für den Beruf notwendig ist.

Übersicht der diagnostischen Verfahren

Je nach Art der Schlafstörung werden nicht-apparative und apparative Verfahren einschließlich einer Leistungsdiagnostik eingesetzt (Tabelle 2) [9]. Eine Insomnie muss beispielsweise nicht zwingend im Schlaflabor untersucht werden. Hier reichen in der Regel die Anamnese, die Dokumentation des Schlafvermögens im Schlaftagebuch und die Verlaufsbeurteilung durch den Patienten. Besteht hingegen der Verdacht auf eine schlafbezogene Bewegungsstörung, eine Atmungsstörung im Schlaf oder eine Parasomnie, dann lässt sich eine Schlaflaboruntersuchung meistens nicht umgehen. Liefert eine Polygraphie bei einer obstruktiven Schlafapnoe einen eindeutigen schweren Befund, kann auf das Schlaflabor meist verzichtet und direkt mit der Behandlung begonnen werden. Leistungstests sind insbesondere bei berufstätigen Patienten wichtig, die sehr vigilant sein müssen.

Insomnie

Gehen wir zunächst nochmal auf die Insomnie ein, deren Häufigkeit mit dem Alter ansteigt. Etwa die Hälfte der Patienten ab 65 Jahren berichtet bei Nachfragen über Ein- oder Durchschlafstörungen oder Früherwachen, definiert als Aufwachen vor 5 Uhr morgens und danach nicht mehr einschlafen zu können [10]. Frauen sind häufiger betroffen als Männer [11]. Nicht selten liegen Schlafstörungen in Kombination vor. Voraussetzung für die Diagnose einer chronischen Insomnie ist, dass die Symptomatik an wenigstens 3 Tagen in der Woche auftritt und für wenigstens 1 Monat andauert – trotz ausreichender Gelegenheit zu schlafen. Zudem muss die Tagesbefindlichkeit beeinträchtigt sein [6]. Daraus ergibt sich auch die Behandlungsbedürftigkeit. Eine symptomatische Insomnie muss behandelt werden. Eine Insomnie ist bei Älteren häufig mit anderen Erkrankungen assoziiert. Hierzu gehören Bettlägerigkeit, Inkontinenz, Herzprobleme, Depression, dementielle Syndrome, die Parkinsonerkrankung oder auch Schmerzsyndrome. Diese Krankheiten können eine Schlafstörung begünstigen oder auslösen [12]. Diese Form der Insomnie wird heute als komorbide Insomnie bezeichnet, also z.B. Insomnie bei Schmerzen, bei Immobilität oder bei Herzinsuffizienz. Der Begriff sekundäre Insomnie ist obsolet. Neben Alkohol, Kaffee, Tee und Kakao können auch zahlreiche Medikamente den Schlaf beeinträchtigen, u.a. Betablocker und L-Dopa (Förderung von Alpträumen), Kortikoide, Theophyllin, aktivierende Antidepressiva und Diuretika (Tabelle 3). Bei Patienten mit komorbider Insomnie wird primär die Grunderkrankung behandelt. Häufig persistiert jedoch die Insomnie trotz optimaler Therapie der Grunderkrankung, sodass zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind.

Teufelskreis der Insomnie

Ein Patient mit chronischer Insomnie gerät unbehandelt schnell in einen Teufelskreis: Er sorgt sich um seinen Schlafmangel, grübelt und löst eine negative Denkspirale aus, bei der das Bett mit Nicht-Schlafen-Können assoziiert wird. Manche Patienten versuchen, über lange Liegezeiten einen Schlafmangel zu kompensieren oder tagsüber Schlaf nachzuholen. Zu den klinischen Folgen der Maladaption zählen neben Müdigkeit Stimmungsschwankungen, Leistungseinbußen, zunehmende soziale Isolation, Depressivität und Ängstlichkeit. Dadurch werden die Sorgen um den Schlafmangel weiter verstärkt (Abbildung 1). Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Erste Wahl bei der Behandlung einer Insomnie sind Aufklärung, Tipps zur Schlafhygiene und verhaltenstherapeutische Maßnahmen.

Diagnostischer Algorithmus

Wurde eine Insomnie aufgrund der oben dargestellten Kriterien diagnostiziert, sollte im Patientengespräch weiter abgeklärt werden, ob die Schlafzeiten dem erwarteten Umfang entsprechen. Viele ältere Patienten mit Schlafstörungen gehen nicht zu den üblichen Zeiten - also zwischen 21 und 23 Uhr - zu Bett, sondern deutlich früher. Dies kann zu einer Störung des zirkadianen Rhythmus führen. Die Patienten sollten dazu ermuntert werden, später ins Bett zu gehen, was aber in der Umsetzung problematisch sein kann, z.B. wenn körperliche Unterstützung beim Zubettgehen benötigt wird. In manchen Seniorenheimen betragen die Bettliegezeiten, abhängig von der Personalstruktur, 14-16 Stunden. Durch die langen Ruhephasen zerfällt der zirkadiane Rhythmus, die Patienten sind abends nicht müde und finden keinen Schlaf. Der richtige Ansatz ist hier eine aktivierende Pflege: Die Patienten zu mobilisieren und zumindest zu den Mahlzeiten aus dem Bett zu bringen, um den Rhythmus zu stabilisieren. Bei einer neu aufgetretenen Insomnie sollte an eine akute Störung gedacht werden, die sich sekundär auf das Schlafvermögen auswirkt. Infrage kommen z.B. Bewegungsstörungen im Rahmen eines Restless-Legs-Syndrom, als Nebenwirkungen von Medikamenten, bedingt durch Eisenmangel oder andere internistische oder psychiatrische Erkrankungen. Auch Neuverordnungen von Medikamenten, die den Schlaf stören können, können ursächlich sein.

Insomnie und Stress

Eine Insomnie erzeugt Stress. Emotionaler, körperlicher sowie durch Fehlverhalten ausgelöster Stress führt zum Anstieg des Stresshormons Cortisol im But, das u.a. an Corticoidrezeptoren im Gehirn bindet, Hirnzellen stimuliert und so wiederum einer Insomnie Vorschub leisten kann [13, 14]. Auch die für die Tag-Nacht-Rhythmus-Regulation relevanten Hirnareale verfügen über Corticoidrezeptoren. Die Cortisolspiegel sind bei Patienten mit Insomnie im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen erhöht [15]. Dieser Zusammenhang liefert einen therapeutisch relevanten Ansatz, indem gezielt Medikamente eingesetzt werden, die das erhöhte Stressniveau senken können. So konnten Doering und Kollegen im Rahmen einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie an 46 Probanden zeigen, dass pflanzliche Mischpräparate, die Passiflora incarnata, Avena sativa, Coffea arabica, und Zincum isovalerianicum enthielten, bei Patienten mit Insomnie das Stressniveau senken und genau über diesen Mechanismus schlaffördernd wirken [16].

Management von Schlafstörungen im Alter

Patienten mit chronischer Insomnie sind behandlungsbedürftig und sollten in ein Behandlungsschema mit regelmäßigen Kontakten eingebunden werden (Abbildung 2). Im ersten Schritt werden allgemeine Informationen zum Thema Schlaf/Schlafen vermittelt. Umfangreiche Informationen hierzu können Patienten auch im Internet herunterladen, so z.B. den Patientenratgeber der Dt. Ges. für Schlafforschung und Schlafmedizin [17]. Die Patienten müssen zudem die Regeln der Schlafhygiene (siehe unten) erlernen. Einigen Patienten helfen solche Informationen bereits. Das Führen eines Schlaftagebuchs gehört ebenfalls zu den Basismaßnahmen, bevor weiter interveniert wird. Oft kommen diese Techniken in Kombination zum Einsatz. Das heißt Anamnese mit Schlaftagebuch steht an erster Stelle, dann Verhaltenstherapie und nach zwei Wochen sollte der Patient neu bewertet werden, ob klinisch eine Besserung eingetreten ist. Schlafhygiene bedeutet, optimale Umgebungsbedingungen zu schaffen. Dazu zählt:
  • kein Fernsehen im Schlafzimmer. Das blaue Licht reguliert das Melatonin herunter und stört den Schlaf.
  • das Zimmer sollte dunkel sein. Wenn es zu hell ist, auch mal eine Schlafbrille tagen.
  • die richtige Matratze. Idealerweise sollte sie beim Kauf zunächst über mehrere Nächte ausprobiert werden.
  • Gehörschutz. Das Gehör adaptiert im Schlaf nicht. Leichte Geräusche ab 40 Dezibel (dB) werden wahrgenommen, stören das autonome Nervensystem und erzeugen Stress. Wach wird man in der Regel erst bei Geräuschen ab 60 dB.
  • Der Wecker sollte so aufgestellt werden, dass man ihn nicht sieht und nicht immer darauf schauen kann.
  • Die Raumtemperatur sollte angenehm sein, die Luftfeuchtigkeit ausreichend hoch.
  • kein opulentes Mahl am Abend, sondern leichte Kost.
  • evtl. ein Getränk in Reichweite, damit man nachts etwas trinken kann ohne aufstehen zu müssen.
Wird interveniert, zählt die kognitive Verhaltenstherapie (KVT-I) mit Methoden zur Entspannung, Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion, paradoxer Intention oder kognitiver Restrukturierung zu den ersten Maßnahmen. Vielfach werden Techniken kombiniert. Auch Yoga, Meditation oder autogenes Training können helfen. Zu beachten: Entspannungstechniken sind bei Patienten mit Restless-legs-Syndrom kontraproduktiv, da sie die Symptomatik verstärken. Ansonsten sind die Methoden nebenwirkungsfrei und können gut angewendet werden. In der Praxis kann es jedoch sein, dass die KVT-I nicht in jedem Einzelfall so einfach umsetzbar ist.

Pharmakotherapie

Führen die Basismaßnahmen nicht zur klinischen Besserung und ist der Leidensdruck entsprechend hoch, können für kurze Zeit Schlafmittel verabreicht werden. Oft hat bereits die Einnahme eines Präparates, unabhängig von seiner Wirksamkeit, einen konditionierenden Effekt und fördert schon das Schlafvermögen. Vorzugsweise sollten gut verträgliche, pflanzliche Arzneimittel eingesetzt werden. Die Wahl des Präparats sollte vom Alter des Patienten, dem Nebenwirkungsrisiko oder der Verträglichkeit bereits verordneter Medikamente abhängig gemacht werden. Dabei sollten auch Toleranzentwicklung, Hang-over- und Absetz-Phänomene eingeschätzt werden. Die Therapiedauer (als Bedarfs- oder auch intermittierende Therapie 2-3 Mal pro Woche) sollte im Voraus mit dem Patienten vereinbart werden. Hypnotika sind für maximal vier bis sechs Wochen zugelassen. Schlaffördernde Medikamente erzeugen keinen physiologischen Schlaf. Das sollte auch dem Patienten vermittelt werden. Hypnotika, also Benzodiazepine und Z-Substanzen, sollten eher zurückhaltend, zeitlich befristet und intermittierend gegeben werden. Denn es besteht innerhalb kurzer Zeit das Risiko der Abhängigkeit und Toleranzentwicklung. Den Patienten muss vermittelt werden, dass Schlafmittel kein Dauerkonzept sind. Benzodiazepine, vor allem in höheren Dosen, und auch Z- Substanzen wurden bei Älteren zudem mit einem erhöhten Sturz- und Frakturrisiko assoziiert [18]. Es gibt sogar Hinweise für eine geringfügige Erhöhung der Gesamtmortalität bei Patienten unter Einnahme von Benzodiazepinen [19]. Nach vierwöchiger Pharmakotherapie sollte erneut geprüft werden, ob eine klinische Besserung eingetreten ist. Sollte das nicht der Fall sein, muss eine Neubewertung der gesamten Situation erfolgen. Bei entsprechendem Leidensdruck bietet sich eine Überweisung zu einem Schlafspezialisten an. Nebenwirkungsarme pflanzliche Präparate haben in standardisierten Messungen im Schlaflabor aber auch in standardisierten Befragungen nur einen geringen Effekt auf die Einschlaflatenz gezeigt, wie die Arbeitsgruppe von Fernandez-San-Martin in ihrer Metaanalyse gezeigt hat [20]. Allerdings fühlen sich die meisten Behandelten nach Einnahme der Phytotherapeutika nachweislich besser und leistungsfähiger, was ja das Behandlungsziel dieser Therapie ist. Zudem sind bei pflanzlichen Präparaten wenige Nebenwirkungen zu erwarten. Dies qualifiziert sie als Präparate der ersten Wahl.

Therapieresistente Insomnie

Patienten mit therapieresistenter Insomnie sind Kandidaten für ein Schlaflabor. Hier können weitere Schlafstörungen wie Bewegungsstörungen und Parasomnien nachgewiesen werden. Auch Patienten mit Verdacht auf organisch bedingte Schlafstörungen wie eine obstruktive Schlafapnoe oder ein Restless-legs-Syndrom und Risikogruppen wie Berufskraftfahrer oder Maschinenarbeiter, die bei Tagesmüdigkeit gefährdet sind, sollten möglichst in einem Schlaflabor untersucht werden. Eine apparative Untersuchung ist auch sinnvoll bei Patienten, bei denen zwischen der Eigenwahrnehmung der Schlafprobleme und der Schilderung der Symptomatik aus dem persönlichen Umfeld eine erhebliche Diskrepanz besteht. Eine Sonderform des gestörten Schlafes ist die Schlafwahrnehmungsstörung. Bei dieser Störung hat der Patient das Gefühl, nicht geschlafen zu haben obwohl Schlaf von anderen Personen beobachtet wird. Dieses zunächst widersprüchlich erscheinende Phänomen erklärt sich dadurch, dass Leichtschlaf (Stadien N1 und N2) oft vom Patienten nicht als Schlaf empfunden wird. Über diese Störung muss aufgeklärt werden, damit der Patient und seine Betreuer dieses Phänomen richtig einordnen können. Therapeutisch ergeben sich dann keine weiteren Konsequenzen.

Zusammenfassung

Der Behandlungsbedarf richtet sich bei älteren Patienten mit Schlafproblemen nach der Tagesbefindlichkeit. Wer tagsüber müde ist und seine Alltagstätigkeiten nicht zufriedenstellend verrichten kann, hat eine relevante Störung und sollte behandelt werden. Erste Maßnahmen sind Patientenedukation und Tipps zur Schlafhygiene. Wird interveniert, steht die kognitive Verhaltenstherapie an erster Stelle. Reicht dies nicht aus, sollte eine Pharmakotherapie erwogen werden. Primär bieten sich gut verträgliche pflanzliche Mittel an, die vor allem die subjektiv empfundene Schlafqualität verbessern. Letzte Option sind Hypnotika, also Benzodiazepine und Z-Substanzen, die für maximal vier bis sechs Wochen eingesetzt werden sollten.