Risikostratifizierung bei pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH)

Das in den europäischen Leitlinien im Jahr 2015 neu eingeführte Konzept zur Risikostratifizierung von PAH-Patienten war zunächst nicht Evidenz-basiert. Im Rahmen großer Registerstudien wurden wesentliche Kenngrößen zur Risikoeinschätzung und Verlaufsprognose mittlerweile näher untersucht und deren Evidenz nun erstmals bestätigt.

Belastbare Vorhersagen der Überlebenswahrscheinlichkeit sind bereits anhand weniger, nichtinvasiv messbarer Faktoren wie der 6-Minuten-Gehstrecke, der Funktionsklasse und des Biomarkers NT-pro-BNP möglich. Je mehr dieser Parameter insbesondere im Therapie-Verlauf in den Niedrigrisikobereich fallen, desto besser ist die Prognose der Patienten.

Umgekehrt ist jegliche Krankheitsprogression im Sinne der Verschlechterung der 6-Minuten-Gehstrecke, der Funktionsklasse, die Notwendigkeit einer Intensivierung der PAH-Therapie oder eine Hospitalisierung wegen PAH mit einer deutlichen Prognoseverschlechterung assoziiert. Auch hierfür liegt die Evidenz seit kurzem vor.

Prof. Dr. Marius Hoeper, Hannover
Der neue PAH-Therapiealgorithmus räumt der Kombinationstherapie einen wesentlich größeren Stellenwert ein.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709118066510018
Zeitraum 25.06.2018 - 26.06.2019
Zertifiziert in D
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. Marius Hoeper
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vortrag (24:24 Min.), Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner Actelion Pharmaceuticals Deutschland GmbH
Bewertung 3.8 (661)

Einleitung

Grundlage der Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie sind die europäischen Leitlinien aus dem Jahr 2015, die Anfang 2016 publiziert wurden [1]. Eine wesentliche Neuerung dieser ESC/ERS-Leitlinien war insbesondere der neue, jetzt allgemein eingesetzte Therapiealgorithmus. Er unterscheidet sich von vorangegangenen Algorithmen, indem er der medikamentösen Kombinationstherapie einen wesentlich größeren Stellenwert eingeräumt hat. Zudem wurde erstmalig auch die Risikostratifizierung der Patienten in der Therapie der PAH mit einbezogen, sowohl für die initiale Therapieentscheidung als auch für die Therapie im Verlauf [1].

PAH-Risikostratifizierung

Eine zentrale Neuerung der europäischen Leitlinien 2015 war das in Tabelle 1 dargestellte Konzept zur PAH-Risikostratifizierung. Anhand eines Ampelschemas werden die Patienten entsprechend ihrer erwarteten 1-Jahres-Sterblichkeit eingeteilt in: Niedrigrisikopatienten (grün) mit einer erwarteten 1-Jahres-Sterblichkeit von weniger als 5 %, Intermediärrisikopatienten (gelb) mit einem 5%- bis 10%igen Sterblichkeitsrisiko und Hochrisikopatienten (rot), bei denen das Sterblichkeitsrisiko innerhalb eines Jahres auf mehr als 10 % eingeschätzt wird. Die individuelle Klassifikation der Patienten erfolgt anhand klinischer Zeichen, dem Fortschreiten der Erkrankung, dem Vorhandensein von Synkopen, der Funktionsklasse im 6-Minuten-Gehtest, der Spiroergometrie (also dem „Cardiopulmonary Exercise Testing“), Biomarkern, insbesondere den BNP- und NT-proBNP-Spiegeln, Bildgebung – hier vor allem im klinischen Alltag die Echokardiografie, aber auch die Kernspintomografie des Herzens – und der invasiv gemessenen Hämodynamik. Für alle vorgenannten Determinanten wurden zudem konkrete Grenzwerte für jeden der drei Risikobereiche definiert. In der Praxis stellen sich Patienten vor, bei denen nicht alle Werte in den gleichen Risikobereich fallen. Patienten können daher zu einem Zeitpunkt Werte haben, die im Niedrig-, Intermediär- und Hochrisikobereich liegen. Dies kann eine therapeutische Herausforderung darstellen. Welche Bedeutung die Leitlinienautoren der neuen Risikostratifizierung beigemessen haben, zeigt sich nicht zuletzt im Empfehlungsgrad: Das Ziel der Therapie ist das Erreichen des Niedrigrisikostatus. Ein Intermediärrisikostatus wird hingegen für die meisten Patienten als nicht akzeptabel angesehen.

Neue Evidenz

Das in den europäischen Leitlinien von 2015 neu eingeführte Risikostratifizierungskonzept und die darin definierten Parameter zur Risikoeinschätzung und Verlaufsprognose wurden zunächst ohne vorhandene Evidenz aufgestellt. Im Rahmen großer Registerstudien wurden wesentliche Kenngrößen näher untersucht und deren Relevanz und die Evidenz nun bestätigt. Hervorzuheben sind das schwedische Register zur Behandlung von Patienten mit pulmonaler Hypertonie, die COMPERA-Studie, überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, und eine Registerstudie aus Frankreich. Insgesamt wurden über 3.000 Patienten ausgewertet [2–4]. Die aktuellen Publikationen hierzu werden nachfolgend näher vorgestellt. Die Kohorten unterscheiden sich geringfügig hinsichtlich ihres Patientenkollektivs. Der überwiegende Teil der untersuchten Patienten war weiblich. Im französischen Register wurden ausschließlich Patienten mit idiopathischer PAH, familiärer PAH oder durch Drogen bzw. Substanz- und Toxin-induzierter PAH eingeschlossen. Andere assoziierte Formen der PAH wurden in dieser Analyse ausgeschlossen. Zwei Drittel der Patienten in der COMPERA-Studie sind vergleichbar mit jenen im französischen Register. Allerdings waren in COMPERA auch Patienten mit Bindegewebserkrankung, mit angeborenen Herzfehlern (AHF) und assoziierter PAH eingeschlossen, ebenso wie Patienten mit portaler arterieller Hypertonie oder HIV-assoziierter PAH. Letzteres trifft auch für die schwedische Kohorte zu. Klinische Variablen, die die Prognose dieser Patienten möglicherweise einschätzen lassen, wie zum Beispiel das Auftreten von Synkopen, wurden in keiner Kohorte ausgewertet. Zur Beurteilung des funktionellen Status wurde in allen drei Populationen die Funktionsklasse abgefragt und ausgewertet. Auch wurde jeweils ein 6-Minuten-Gehtest durchgeführt. Eine Spiroergometrie erfolgte in keiner der Registerstudien. Die Einschätzung der Rechtsherzinsuffizienz wurde anhand von BNP und/oder NT-proBNP bei allen Patienten der COMPERA-Kohorte und bei den schwedischen Patienten durchgeführt und bei 603 Patienten der französischen Kohorte. Echokardiografische Untersuchungen wurden in der schwedischen Kohorte nur rudimentär durchgeführt. In der COMPERA-Kohorte und der französischen Kohorte wurden diese Daten nicht ausgewertet. Hinsichtlich der hämodynamischen Parameter wurden zu Studienbeginn bei allen Teilnehmern der rechtsatriale Druck und der Herzindex bestimmt. Die gemischt venöse Sättigung wurde lediglich in der COMPERA-Kohorte und unter den schwedischen Patienten ermittelt. Somit lagen bei allen Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose hämodynamische Daten vor. Im Followup wurden hämodynamische Daten bei allen französischen Patienten erhoben. Ebenso bei knapp einem Drittel der Patienten in der COMPERA-Kohorte und dem schwedischen Register.

Schwedisches Register

In der ersten der jüngst veröffentlichten Studien hat die Arbeitsgruppe um Kylhammar und Kollegen das schwedische Register ausgewertet [2]. Darin erfasst waren die nicht invasiven Variablen WHO-Funktionsklasse, 6-Minuten-Gehstrecke und NT-proBNP-Werte. Ferner die echokardiografisch gemessene rechtsatriale Fläche (RA) und die hämodynamischen Variablen: rechter Vorhofdruck (RAP), Herzindex (HI, engl. Cardiac Index, CI), gemischt venöse Sauerstoffsättigung (SvO2), wie sie auch in den Leitlinien empfohlen werden, mit den entsprechenden Grenzwerten. Für jeden Patienten wurde das durchschnittliche Risiko bei Erstdiagnose kalkuliert und dann im Verlauf, das heißt unter Therapie, das Überleben beobachtet. Die aus den Daten erstellten Kaplan-Meier-Kurven zeigen anschaulich, dass die Kurvenverläufe der drei Risikogruppen sowohl zum Zeitpunkt der Ausgangsdiagnose als auch im Verlauf gut diskriminieren (Abbildung 1). Patienten im Niedrigrisikobereich hatten ein wesentlich besseres Überleben als Patienten im Intermediärrisikobereich. Hingegen hatten die Patienten im Hochrisikobereich die mit Abstand schlechteste Prognose. Die Vorhersage der Überlebenswahrscheinlichkeit war unter Therapie zuverlässiger als zum Zeitpunkt der Erstdiagnose. Die Kurvenverläufe diskriminieren entsprechend sehr deutlich. Die Forscher konnten ebenfalls zeigen, dass eine Veränderung unter Therapie prognostisch relevant war. Das heißt, ein Patient, der zum Zeitpunkt der Diagnosestellung kein Niedrigrisikopatient war und sich unter Therapie in den Niedrigrisikobereich bewegte, hatte die gleiche Prognose wie Patienten, die durchgehend im Niedrigrisikobereich waren. Diese Beobachtung bestätigt wiederum frühere Daten dahingehend, dass die Risikoabschätzung im Verlauf eine zuverlässigere Vorhersage der Überlebenswahrscheinlichkeit ermöglicht als die Risikostratifizierung bei Erstdiagnose.

COMPERA-Studie

Im COMPERA-Register wurde ein sehr ähnlicher Ansatz verfolgt, jedoch mit wesentlich größeren Patientenzahlen [3]. Die erfassten Risikoparameter entsprachen im Wesentlichen denen der Skandinavier, bis auf die nicht erhobenen echokardiografischen Befunde. Auch die COMPERA-Daten zeigen eine sehr gute Diskriminierung der Überlebenswahrscheinlichkeiten der einzelnen Risikostrata. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit im Verlauf war ebenfalls besser als zum Zeitpunkt der Erstdiagnose. Vor allem aber zeigte sich, dass die beobachteten Überlebenszeiten sowohl zum Ausgangszeitpunkt als auch im späteren Verlauf genau innerhalb der in den europäischen Leitlinien definierten Bandbreiten für die 1-Jahres-Mortalität von <5 %, 5 bis 10 % und mehr als 10 % lagen. Die COMPERA-Autoren haben sich zudem der Frage der prognostischen Relevanz unterschiedlicher Risikovariablen gewidmet und dabei durchaus Überraschendes festgestellt: Nicht die hämodynamischen Variablen waren zum Zeitpunkt der Erstdiagnose prognostisch besonders relevant, sondern vor allem die 6-Minuten-Gehstrecke, die Funktionsklasse, die Biomarker und die gemischt venöse Sauerstoffsättigung. Hingegen hatten der rechtsatriale Druck und der Herzindex kaum Einfluss auf das Überleben der Patienten (Abbildung 2). Noch deutlicher trennten sich prognostisch bedeutsame und weniger relevante Variablen im Therapieverlauf. Hier dominierten eindeutig die nicht invasiv messbaren Variablen, die 6-Minuten-Gehstrecke, die Funktionsklasse und die Biomarker. Die hämodynamischen Werte waren nicht mehr relevant. Allerdings sollten diese Ergebnisse mit einer gewissen Vorsicht bewertet werden, da die Datensätze des Therapieverlaufs mitunter unvollständig waren.

Die französischen Daten

Die französische Arbeitsgruppe hat einen anderen Ansatz gewählt [4]. Hierbei wurde nicht mehr die durchschnittliche Berechnung des individuellen Risikos zugrunde gelegt, sondern die Anzahl der Variablen, die sich im Niedrigrisikobereich befanden. Als prognostisch relevante Kenngrößen definierten Boucly und Kollegen
  • die Funktionsklasse, die einem niedrigen Risiko zugeordnet wurde, wenn sie in der Klasse 1 oder 2 lag,
  • einen 6-Minuten-Gehtest über 440 Meter,
  • einen rechtsartialen Druck unter 8 mmHg und
  • einen Herzindex von mindestens 2,5 l/min/m2.
Für 1017 der ursprünglich eingeschlossenen 1591 Teilnehmer lagen diese Variablen vollständig vor, sowohl zum Zeitpunkt der Erstdiagnose als auch im Verlauf. Ferner wurden in einer Subgruppenanalyse 603 Patienten ausgewertet, für die ebenfalls die NT-proBNP-Werte vorlagen. Patienten, die alle vier genannten Kriterien erreichen, werden in Abbildung 3 als grünes Säulensegment dargestellt. Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose trifft das lediglich auf 6 % der Patienten zu. Drei erfüllte Kriterien zeigt der hellblaue Balken an, zwei der genannten Kriterien werden als dunkelblaues Feld und ein Kriterium als gelber Balken dargestellt. Die rote Fläche stellt die Patienten dar, die keines der genannten Kriterien erreichen. Vergleicht man die beiden Säulen, wird deutlich, wie sich unter der Therapie die Zusammensetzung der erreichten Kriterien verändert, denn die Risikoparameter unterliegen einer Dynamik und lassen sich beeinflussen. Zum Zeitpunkt der ersten Reevaluation hatten 17 % der Patienten alle Kriterien erreicht und jeder vierte Teilnehmer immerhin drei Kriterien.

Risikostratifizierung in Frankreich

Die Arbeitsgruppe konnte zudem eindrucksvoll darstellen, dass die Anzahl der Niedrigrisikovariablen im Verlauf deutlich mit der Prognose der Patienten assoziiert war. Patienten, bei denen alle vier Variablen im Verlauf im Niedrigrisikobereich lagen, hatten ein sehr gutes Überleben, nicht nur nach einem Jahr, sondern auch nach bis zu 5 Jahren (Abbildung 4). Wie zuvor in der COMPERA-Studie wurde auch in der französischen Arbeit die prognostische Aussagekraft der verwendeten Risikoparameter bewertet, und zwar mittels univariabler und multivariabler Analysen. Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose war lediglich die 6-Minuten-Gehstrecke signifikant und unabhängig mit dem Überleben assoziiert. Hingegen waren im Follow-up wieder alle Variablen unabhängig prognostisch relevant. Für die Risikostratifizierung und Therapiesteuerung sind somit alle Kenngrößen bedeutsam.

Bedeutung von BNP/NT-proBNP

In einer weiteren Auswertung bezogen die Forscher die erhobenen NT-proBNP-Biomarker-Daten mit in die Betrachtung ein. Im direkten Vergleich der fünf Prognosefaktoren fielen die hämodynamischen Variablen nun deutlich zurück, sodass sich nur noch die nicht invasiven Variablen, und zwar die WHO-Funktionsklasse, die 6-Minuten-Gehstrecke und die Biomarker, als unabhängige Prädiktoren des Überlebens erwiesen. Auf der Grundlage dieses neuen Sets mit nur noch drei Niedrigrisikovariablen haben Boucly und Kollegen abermals die Überlebenskurven der Studienteilnehmer berechnet. Es zeigte sich erneut eine deutliche Trennung aller drei Gruppen abhängig davon, ob kein Kriterium, eines, zwei oder alle drei im Niedrigrisikobereich lagen. Mit jedem einzelnen Faktor, der in den Niedrigrisikobereich fällt, steigt die Wahrscheinlichkeit eines guten Langzeitüberlebens. Diejenigen Patienten, die unter Therapie alle drei Kriterien im Niedrigrisikobereich hatten, erreichten ein sehr gutes Langzeitüberleben mit einer 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 97 %. Unter Studienbedingungen gelang dies immerhin 115 Patienten, also etwa jedem fünften Teilnehmer. Ein solch hoher Wert wird im Behandlungsalltag auch an exzellenten PAH-Zentren bisher nur selten erreicht.

Vergleich der Studienstrategien

Vergleicht man die französische Arbeit mit den Ergebnissen der COMPERA-Studie, zeigt sich ein deutlicher Unterschied beim Langzeitüberleben der Patienten. Hier konnten die französischen Forscher ein hervorragendes Langzeitüberleben ihrer Patientenpopulation erreichen. Zwar hatten die Niedrigrisikopatienten mit der COMPERA-Strategie der Mittelwertbildung ebenfalls ein sehr gutes 1-Jahres-Überleben, fielen beim 5-Jahres-Überleben jedoch deutlich zurück mit Raten von nur noch 70 bis 75 %. Dies wirft die Frage auf, ob die abweichenden Vorhersagewahrscheinlichkeiten des Langzeitüberlebens auf die unterschiedlichen Strategien oder auf ungleiche Patientenkollektive zurückzuführen sind. Die COMPERA-Studiengruppe hat ihre Analyse daher noch einmal analog dem französischen Vorgehen wiederholt. Es zeigte sich ein nahezu identisches Ergebnis zur französischen Analyse. Auch die COMPERA-Patienten hatten ein exzellentes Langzeitüberleben mit einer 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 95 %, wenn alle drei nicht invasiven Kriterien im Niedrigrisikobereich lagen. Allerdings erreichten nur 9 % der Patienten der COMPERA-Population dieses Überleben [5]. Woher stammen diese Unterschiede, und warum gelingt es so selten, Patienten in den Niedrigrisikobereich zu bringen, der mit einer deutlich besseren Prognose einhergeht? Einer der wichtigsten Faktoren scheint das Alter der Patienten zu sein. Die COMPERA-Daten liefern hierzu deutliche Hinweise. Patienten, die unter Therapie drei Niedrigrisikokriterien erreichen, waren wesentlich jünger als die Patienten, die weniger positive Ergebnisse unter Therapie hatten. Eine kürzlich publizierte Arbeit, die ebenfalls das schwedische Register ausgewertet hat, zeigt den Zusammenhang von Alter und Erreichen von Niedrigrisikokriterien besonders deutlich [6]. Die Forscher haben hierzu altersabhängige Wahrscheinlichkeiten gebildet, einen Niedrigrisikostatus zu erreichen (Abbildung 5). Gut gelingt das offenbar bei jungen Patienten mit typischer idiopathischer pulmonal arterieller Hypertonie im Alter zwischen 18 und 45 Jahren, die bereits bei Erstdiagnose 30 % der Niedrigrisikokriterien erreichen und unter Therapie sogar 80 %. In der Altersgruppe zwischen 46 und 64 Jahren sinkt die Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel unter Therapie zu erreichen um die Hälfte auf gerade einmal 40 %, und in der Altersgruppe ab 65 Jahren gelingt das nur noch in den seltensten Fällen. Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen ist es das Alter selbst, das dazu führt, dass bei prognostisch relevanten Kriterien wie 6-Minuten-Gehstrecke und der Funktionsklasse keine Bestwerte mehr erreicht werden. Andererseits könnte es auch daran liegen, dass ältere Patienten nicht immer ausreichend intensiv oder aggressiv behandelt werden, weil die Therapie gefühlt schlechter anschlägt oder mehr Nebenwirkungen zeigt. Die oben vorgestellten, jüngst publizierten Daten wurden auf dem 6. Weltsymposium zur pulmonalen Hypertonie in Nizza intensiv diskutiert. Dort wurde vorgeschlagen, die Risikostratifizierung der Leitlinie aus dem Jahr 2015 zu vereinfachen und künftig nur noch die Variablen Funktionsklasse, 6-Minuten-Gehstrecke, Biomarker und einige hämodynamische Variablen zur Risikostratifizierung zu verwenden. Hierfür fand sich keine Mehrheit, aus nachvollziehbaren Gründen. Zum einen wurden die oben vorgestellten Variablen nicht deshalb ausgewählt, weil die Autoren der Meinung waren, dass sie wichtiger oder besser geeignet seien als andere Variablen, sondern es waren die verfügbaren Messgrößen der ausgewerteten Datensammlungen. Zum anderen wird in der Praxis kaum ein PH-Experte beispielsweise auf die echokardiografische Bildgebung des rechten Herzens verzichten wollen. Einige Zentren verwenden häufig die Kernspintomografie. „Cardiopulmonary Excercise Testing“, also die Spiroergometrie, ist ebenso wichtig und selbstverständlich wie eine gründliche Anamnese des Patienten zur Beurteilung, ob ein Patient im Verlauf stabil ist oder sich klinisch verschlechtert hat.

Krankheitsprogression und Sterblichkeit

In einer kürzlich veröffentlichten Studie von McLaughlin et al. wurden die Daten der zwei größten bis dato durchgeführten PAH-Therapiestudien, und zwar die der SERAPHIN-Studie mit Macitentan und die der Griphon-Studie mit Selexipag, noch einmal ausgewertet [7]. Im Vordergrund stand dabei nicht die Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit der Studienmedikamente, sondern die Fragestellung, was das Auftreten einer Krankheitsverschlechterung für die weitere Prognose der Patienten bedeutet. In der Analyse waren daher alle Patienten eingeschlossen, unabhängig davon, ob sie in den Studien die aktive Substanz oder das Placebo erhalten hatten. Beide Studien, SERAPHIN und GRIPHON, waren ereignisgetriebene Langzeitstudien von hoher Qualität, die sich im Design nur unwesentlich unterschieden haben. Relevante Ereignisse waren klinische Verschlechterung im Sinne der Verschlechterung der 6-Minuten-Gehstrecke, Funktionsklasse oder auch die Notwendigkeit einer Intensivierung der PAH-Therapie oder auch Krankenhausaufnahmen durch eine Verschlechterung der PAH. Letzteres war kein eigenständiger Endpunkt in SERAPHIN-Studie. In ihrer Analyse haben die Autoren als primären Zeitpunkt die ersten drei Studienmonate gewählt und das Überleben der Patienten, die innerhalb dieses Zeitraums ein definiertes Verschlechterungsereignis hatten, verglichen mit dem Überleben der Patienten, die ereignisfrei waren. Zur Kontrolle wurden die Analysen jeweils nach 6 und nach 12 Monaten wiederholt. Die Landmark-Analyse konnte zeigen, dass das Auftreten einer definierten Krankheitsverschlechterung innerhalb der ersten 3 Monate mit einer signifikant erhöhten Sterblichkeit assoziiert war. In der SERAPHIN-Studie war die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf zu sterben, bei den Patienten, die ein solches Ereignis hatten, um mehr als das Dreifache erhöht. Bei Patienten mit einem Ereignis in den ersten 3 Monaten lag die Sterblichkeit in den ersten 12 Monaten bei 30 %. Bei Patienten ohne ein solches Ereignis betrug sie deutlich unter 10 %. 30 % Sterblichkeitswahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres ist als exzessiv hohes Risiko zu werten. In der GRIPHON-Studie zeigte sich die Korrelation nochmals deutlicher. Hier lag die Sterblichkeit bei Patienten mit einem Ereignis viereinhalbfach höher als in der Kontrollgruppe. Die 1-Jahres-Sterblichkeit erreichte knapp die Marke von 40 %. Das ist das höchste Risiko, das man diesen Patienten zuordnen kann. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse dürfen klinische Verschlechterungen bei Patienten mit PAH auf keinen Fall ignoriert werden. Sie müssen immer als deutliches Zeichen eines sehr hohen Risikos gewertet werden und gegebenenfalls eine Intensivierung der Therapie nach sich ziehen. Der zusätzliche Endpunkt „Krankenhausaufnahmen durch eine Verschlechterung der PAH“ erlaubte eine weitergehende Analyse der GRIPHON-Studiendaten. Hierbei wurden zwei Ereignisse durch Gruppierung gebildet, die wesentlich zum primären Endpunkt beigetragen haben. Eine Gruppe fasste die klinischen Verschlechterungen zusammen, also die Abnahme der 6-Minuten-Gehstrecke, die Verschlechterung der Funktionsklasse sowie die Notwendigkeit einer Intensivierung der PAH-Therapie. Diesen wurden die Krankenhausaufnahmen gegenübergestellt. Beide Ereignisse führten unabhängig voneinander eindeutig zu einer erhöhte Sterblichkeitswahrscheinlichkeit (Abbildung 6). Auch diese Untersuchung verdeutlicht noch einmal die klinische Relevanz einer Krankheitsprogression und/oder Hospitalisierung, die in aller Regel mit einer erheblich erhöhten Mortalität der Patienten vergesellschaftet ist. Daher sollte bei diesen Patienten – wenn möglich – eine Therapieintensivierung oder, sofern solche Patienten denn infrage kommen, eine Evaluation für eine Transplantation zeitnah erfolgen.

Zusammenfassung

Ungeachtet der jüngsten Erkenntnisse zur prognostischen Bedeutung der unterschiedlichen Parameter zur Risikostratifikation von PAH-Patienten behält der in der Leitlinie aus dem Jahr 2015 festgeschriebene Therapiealgorithmus seinen Stellenwert und bleibt auch nach dem letzten Weltsymposium in Nizza im Grundsatz bestehen. Die proaktive Kombinationstherapie gewinnt künftig weiter an Bedeutung. Entscheidend für die Wahl der Therapie wird die individuelle Risikostratifizierung. Hierzu liegen erstmals validierte, vereinfachte Strategien zur Beurteilung des Risikoprofils von Patienten mit PAH sowie zur Anpassung der Therapie bei Bedarf vor. Dennoch sollte das Vorgehen insgesamt nicht zu stark vereinfacht werden. Das multidimensionale Risikomodell der Leitlinien, das die Gestalt des Patienten gut beschreibt, sollte für die klinische Gesamtbeurteilung erhalten bleiben.

Literatur:

1. Galie N, Humbert M, Vachiery JL et al. 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Respir J 2015; 46: 903–975 2. Kylhammar D et al. A comprehensive risk stratification at early follow-up determines prognosis in pulmonary arterial hypertension. Eur Heart J. 2017 Jun 1. doi: 10.1093/eurheartj/ehx257. 3. Hoeper MM et al. Mortality in pulmonary arterial hypertension: prediction by the 2015 European pulmonary hypertension guidelines risk stratification model. Eur Respir J 2017; 50:1700740 4. Boucly A et al. Risk assessment, prognosis and guideline implementation in pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2017; 50: 1700889 5. Hoeper MM, Boucly A, Sitbon O. Age, risk and outcomes in idiopathic pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2018; 51: 1800629 6. Hjalmarsson C al. Impact of age and comorbidity on risk stratification in idiopathic pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2018; 51: 1702310 7. McLaughlin VV et al. Prognostic Implications of Pulmonary Arterial Hypertension-Related Morbidity. J Amer Coll Cardiol 2018;71:752–763