Psoriasis-Management – Leidensdruck erkennen und mindern

Viele Patienten mit chronischen Hauterkrankungen wie der Psoriasis erleben Stigmatisierung. Betroffene fühlen sich diskriminiert und entwickeln mitunter soziale Ängste. In der Folge kann es zu einem Kreislauf aus Depressionen, Begleiterkrankungen wie Übergewicht kommen, die wiederum die Entzündung verstärken. Mittlerweile haben sich verschiedene Projekte zur Aufgabe gemacht, durch Aufklärung Stigmatisierung zu begegnen und damit Diskriminierung zu verhindern.

Eine optimale Psoriasis-Therapie muss neben der Krankheitsaktivität auch die Lebensqualität berücksichtigen. Häufig besteht bei Patienten ein Leidensdruck, der vom Arzt mitunter nicht erkannt wird. Eine frühzeitige und geeignete Behandlung der Psoriasis sollte nicht nur die Krankheitslast reduzieren, sondern das Ausmaß von Begleiterkrankungen mindern.

Zur Behandlung der leichten Psoriasis vulgaris empfiehlt die Leitlinie eine topische Therapie. Liegt jedoch eine Beteiligung der Kopfhaut, Nägel oder Genitalien vor und ist die Lebensqualität der Patienten stark beeinträchtigt, so sollte ein „Upgrade“ auf eine Systemtherapie erwogen werden. Auch bei mittelschwer und schwer betroffenen Patienten sollte eine Systemtherapie eingeleitet werden.

Prof. Dr. med. Ulrich Mrowietz
Stigmatisierung ist immer eine Form der Diskriminierung, die die Lebensqualität des Patienten stark einschränkt.

Prof.  Dr. med. Petra Staubach-Renz
Eine optimale Psoriasis Therapie muss möglichst individuell an den Patienten angepasst werden, um den Leidensdruck und Komorbiditäten zu verringern.

Dr. med. Andreas Pinter
Für einen zufriedenstellenden Therapieverlauf müssen die Ziele gemeinsam mit dem Patienten ausgearbeitet werden.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709122073440011
Zeitraum 29.08.2022 - 28.08.2023
Zertifiziert in D, AT
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Ulrich Mrowietz
Prof. Dr. med. Petra Staubach-Renz
Dr. med. Andreas Pinter
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Animierter Vortrag (eTutorial)
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner AMGEN GmbH
Bewertung 4.2 (357)

Einleitung

Psoriasis ist eine chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Erkrankung, die in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen aller Altersgruppen betrifft [1, 2, 3]. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Ätiologie weist genetische und immunvermittelte Komponenten auf, ist jedoch nicht vollständig geklärt. Die häufigste Manifestationsform ist die Plaque-Psoriasis. An ihr leiden ungefähr 80 % der Patienten [4]. Etwa die Hälfte der Erkrankten hat eine leichte Ausprägung, etwa 30 % eine mittelschwere und etwa 20 % eine schwere Verlaufsform [5]. Die Schuppenflechte verursacht eine große körperliche, emotionale und soziale Belastung [6]. Juckreiz oder Schmerzen sind häufig begleitende Symptome [7]. Der sichtbare Befall der Haut und Nägel führt nicht selten zu Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung. Für viele ist die Lebensqualität daher erheblich eingeschränkt [6].

Klinische Formen und Komorbiditäten

Die typische Hautveränderung (Primäreffloreszenz) der Psoriasis ist die scharf begrenzte erythrosquamöse Plaque, bei der als klinisches Korrelat der Entzündung eine Infiltration und Rötung sowie als Zeichen der Hyperparakeratose eine Schuppung zu sehen sind [8]. Prädilektionsstellen sind der behaarte Kopf, die Streckseiten von Ellenbogen und Knien und die Sakralregion mit Befall der Analfalte. Grundsätzlich können alle Körperstellen inclusive Nägel, Genitalbereich oder Handteller und Fußsohlen betroffen sein. Die meist kleinen bis handtellergroßen schuppigen Hautveränderungen sind gut begrenzt, erhaben und rötlich. Häufig sind Plaques von silbrig-weißen Schuppen bedeckt. Zusätzlich können entzündlich mitunter auch schuppende Herde in den Körperfalten (Achseln, Leisten, submammär) auftreten, was als Psoriasis intertriginosa bezeichnet wird [8]. Neben der Haut können auch Gelenke und Nägel betroffen sein. Bei etwa 30 % der Psoriasis-Patienten wird im Verlauf der Krankheit eine Psoriasis-Arthritis (PsA) festgestellt [9] und etwa die Hälfte zeigt eine Beteiligung der Nägel. Bei Patienten mit PsA ist der Nagelbefall mit 80% noch häufiger [10]. Die frühzeitige Diagnose einer PsA ist besonders wichtig, da bereits zehn Monate nach Beginn der Erkrankung bei jedem vierten Betroffenen erosive Veränderungen an den Gelenken nachweisbar sind. Nach zwei Jahren ist dies schon bei 40 % der Fall [11]. Patienten mit Psoriasis leiden häufiger unter bestimmten Begleiterkrankungen als Hautgesunde [1]. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Morbidität und zum Teil auch auf die Mortalität der Erkrankten und kann die Lebenserwartung einschränken [8]. Komorbidität, die das kardiovaskuläre Gesamtrisiko erhöhen, wie Diabetes mellitus, Adipositas, arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen (auch als metabolische Syndrom zusammengefasst), sind ebenso typisch wie chronisch-entzündliche Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) [1]. Zudem sind bei Menschen mit Psoriasis weitere Hauterkrankungen häufiger als in der übrigen Bevölkerung [10]. Auch besteht ein erhöhtes Risiko für Psoriasis-Arthritis, wenn Patienten eine Nagel-, Kopfhaut- und/oder intergluteale/perianale Psoriasis aufweisen. Psoriasis-Arthritis ist zudem mit einem erhöhten Risiko für Parodontitis verbunden. [12, 13].

Klinische Bewertung des Schweregrades

Zur Bestimmung des Schweregrades der Psoriasis werden unterschiedliche Methoden der Quantifizierung von Haut- und/oder Gelenksymptomen oder der Beeinträchtigung der Lebensqualität (LQ) verwendet. Zu den etablierten Scores gehören der „Body Surface Area“-Index (BSA), der „Psoriasis Area and Severity Index“ (PASI) und der „Dermatology Life Quality Index“ (DLQI). Der BSA ermittelt den Prozentsatz der betroffenen Körperoberfläche. Der PASI erfasst die Intensität der Schuppung, Rötung, und Dicke der Hautläsion – jeweils bewertet mit 0 bis 4 Punkten – sowie das Ausmaß des Befalles an Kopf, Rumpf, Armen und Beinen – jeweils bewertet mit 0 bis 6 Punkten. Der Maximalwert beträgt somit 72 Punkte. Der DLQI misst die Beeinträchtigung der Lebensqualität und kann maximal 30 Punkte erreichen. Bei Werten <3 ist der Patient in der Regel nicht durch seine Hauterkrankung beeinträchtigt, bei Werten >10 liegt bereits eine sehr schwere Beeinträchtigung vor. Eine leichte Psoriasis liegt bei BSA-, PASI- und DLQI-Werten von maximal 10 vor. Mittelschwere bis schwere Schuppenflechte ist definiert als BSA >10 oder PASI >10 und DLQI >10 [11].

Stigmatisierung

Menschen mit sichtbaren Hautkrankheiten sehen sich häufig Vorurteilen ausgesetzt. Sie erleben im Alltag Diskriminierung und Ausgrenzung, was die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann. Stigmatisierung kann Angststörungen oder Depression auslösen [6]. Zu unterscheiden sind dabei die öffentliche Stigmatisierung und die Selbststigmatisierung [14]. Mögliche Reaktionen der Betroffenen – wie Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht oder Therapieuntreue – erhöhen die Krankheitslast und tragen ihrerseits zu einer weiteren Verschlechterung der systemischen Entzündung bei. Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2018 [15] hat die Zustimmung zu den nachfolgenden Aussagen abgefragt: „Die meisten Deutschen denken, dass Leute mit Schuppenflechte sich besser pflegen müssen.“ Annähernd jeder vierte Befragte glaubte, dass dies die landläufige Meinung sei. Der Aussage „Die meisten Menschen ekeln sich vor Schuppenflechte“ stimmten 32 % zu. Der Meinung „Die meisten Menschen starren Menschen mit Hautveränderungen an“ schloss sich fast jeder zweite Umfrageteilnehmer an (Abb. 1). Die Untersuchung zeigt, dass Wissensdefizite eine der primären Ursachen für (öffentliche) Stigmatisierung sind.
Stigmatisierendes Verhalten von Medizinstudierenden und medizinischen Laien gegenüber Psoriasis-Betroffenen haben Pearl und Kollegen untersucht [16]. Negative Attribute wie schmutzig, unhygienisch, eklig oder ansteckend wurden Betroffenen besonders von Laien zugeschrieben. Als krank, unattraktiv, unsicher oder traurig wurden Betroffene von Medizinstudierenden annähernd ebenso häufig angesehen wie von Laien. Etwa 27 % der Laien und 6 % der Studierenden hielten Psoriasis für ansteckend.
Bei manchen Betroffenen gehen solche Vorurteile in eine Selbstdiskriminierung über. In ihrem Selbstbild besitzen sie dann keinerlei Attraktivität für andere oder ihren Partner [Mrowietz 2019]. Dies ist besonders bei schwerer Psoriasis der Fall, auch bei Hautläsionen im Genitalbereich, wobei oft schon der Befall von sichtbaren Körperregionen reicht.

Psychologische und soziale Folgen

Patienten mit sichtbaren Hautveränderungen weisen im Vergleich zu Hautgesunden deutlich erniedrigte Lebensqualitäts- und psychosoziale Funktions-Scores auf [17]. Sichtbare Plaques können beispielsweise die Erfolgsaussichten bei der Berufswahl oder der Partnerwahl senken und die Möglichkeiten der Lebensgestaltung negativ beeinflussen. Aus sozialer Angst – und um Diskriminierung zu entgehen –können der Freundeskreis oder die Öffentlichkeit gemieden werden, was langfristig zum Fehlen eines sozialen Umfeldes, Partnerlosigkeit oder einem niedrigen Bildungsstatus führen kann [18].

Teufelskreis Entzündung

Das Risiko, an Depression zu erkranken, ist für Psoriasis-Betroffene mehr als zweifach erhöht [19]. Nicht nur das systemische Entzündungsgeschehen, dass die Psoriasis kennzeichnet, kann die Entstehung einer Depression auf zellulärer Ebene im Gehirn begünstigen. Psychische und soziale Faktoren als Folgen von Ausgrenzung können hier ebenso eine Rolle spielen. Komorbidität und manche Therapeutika können der Entstehung einer Depression ihrerseits Vorschub leisten. So leiden zum Beispiel viele Psoriasis-Patienten an Übergewicht oder Adipositas, was die systemische Entzündung antreibt und additiv gesellschaftlich stigmatisiert wird. Auch Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum können das Entzündungsgeschehen weiter verschlechtern. So kann es zu einem Teufelskreis aus Übergewicht, Entzündung und Depression kommen (Abb. 2). Die Behandlung der entzündlichen Erkrankung kann diesen Teufelskreis durchbrechen [20].

Entstigmatisierung

Die Bedeutung der Stigmatisierung bei chronischen Hautkrankheiten wird zunehmend erkannt. Bei der Entwicklung von Interventionen zur Entstigmatisierung werden Annahmen und das Verhalten Nichtbetro?ener gezielt berücksichtigt [14]. Öffentliche Kampagnen wie „Bitte berühren“ des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen sind erste Maßnahmen, um die Allgemeinheit für Menschen mit Hauterkrankungen zu sensibilisieren und Vorurteile und Diskriminierung zu bekämpfen. Eine weitere Initiative ist das vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Projekt „ECHT“ (Konzeption, Entwicklung und Erprobung von Interventionsformaten zur Entstigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen in Deutschland). Es wird gestützt von einem Konsortium aus 25 Versorgungsforschern, Patientenvertretern, Dermatologen, Hausärzten, Psychologen und Erziehungswissenschaftlern. Ziel ist es, der Politik wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern und konsentierte Handlungsempfehlungen für zukünftige Anti-Stigma-Maßnahmen zu erarbeiten.

Individueller Leidensdruck

Unabhängig von der klinischen Bewertung des Schweregrades nehmen Patienten ihre Einschränkungen durch die Psoriasis-Erkrankung unterschiedlich wahr. Die individuelle Krankheitslast wird dabei maßgeblich durch die Faktoren Krankheitsaktivität und Lebensqualität bestimmt. Größe, Intensität und Lokalisation der Läsionen definieren die Aktivität. Wie stark die Lebensqualität eingeschränkt ist, hängt einerseits von der Wahrnehmung, andererseits von Symptomen wie Juckreiz, Schmerz, Blutungen, aber auch vom Pflegeaufwand und der allgemeinen Lebenssituation ab. Der Grad der Beeinträchtigung der Lebens- oder Berufsgestaltung und der sozialen Aktivität ist ebenfalls bedeutsam und wird je nach Geschlecht, Alter und Ausprägung individuell bewertet.

Annäherung zwischen Patienten- und Arztperspektive

Patienten und Ärzte haben offenbar sehr unterschiedliche Sichtweisen, wenn es um die Relevanz von Faktoren geht, die zur Krankheitslast der Psoriasis beitragen. So konnte eine Befragung von Psoriasis Patienten und Ärzten beispielsweise zeigen, dass bis zu 90 % der Psoriasis-Patienten unter Jucken leiden [21, 22]. Hiervon bewerten mehr als die Hälfte diesen als mittelstark bis stark (5 bis 10 auf der visuellen Analogskale). Etwa 44 % aller Betroffenen geben Jucken als das dominante Krankheitssymptom an [23, 24]. Für mehr als die Hälfte sind es andere Symptome, zum Beispiel Schuppenbildung 16 %, Lokalisation und Größe der Läsion 11 %, Schuppung 10 % (Abb. 3). Die Dermatologen dagegen zeigten eine andere Einschätzung: Nur 7 % der Ärzte geben an, dass der Jucken der störendste Faktor sei. Hingegen hielten 51 % der Behandler Lokalisation und Größe der Hautläsionen für maßgeblich.

Limitationen der Schweregradbestimmung

Die oben beschriebenen Verfahren der Schweregradeinteilung können die individuelle Belastung eines Patienten nur unzureichend charakterisieren. BSA und PASI nehmen vor allem Lokalisation und Intensität der Plaques in den Fokus, lassen aber einige Faktoren, die für den Patienten besonders wichtig sein können, außer Acht. Hautschmerzen und Juckreiz oder die Beteiligung von Kopfhaut, Nägeln, Hand- und Fußflächen sowie die Zufriedenheit mit der Therapie werden nicht entsprechend berücksichtigt (Abb. 4). Der hohe Einfluss von Juckreiz auf die Psyche und die Lebensqualität von Patienten mit Psoriasis wurde lange Zeit unterschätzt. Nach aktuellen Erhebungen leiden mehr als 70 % der Patienten an Juckreiz und haben eine nachweisbar geringere Lebensqualität sowie eine höhere Prävalenz einer Depression [7]. Auch wird eine mögliche genitale Beteiligung im DLQI nur indirekt über die Frage nach der Beeinträchtigung der Sexualität aller Hautveränderungen erfasst. Ein genitaler Befall kann für Betroffene in physischer und psychischer Hinsicht aber besonders belastend sein.

Psoriasis-Management

Die Versorgung von Menschen mit Psoriasis beinhaltet mehr als die Behandlung von Symptomen. Die Komplexität der Schuppenflechte erfordert einen ganzheitlichen Ansatz im Sinne eines Managementkonzepts. Dies schließt eine Ermittlung möglicher Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Dyslipidämie, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen sowie Psoriasis-Arthritis, chronische Darmerkrankungen, anderer Hauterkrankungen wie z.B. Akne inversa und mögliche Komplikationen, wie z.B. Herzinfarkt und Schlaganfall, sowie regelmäßige Screenings einschließlich eines Screenings auf Arzneimittelinteraktionen ein (Abb. 5) [25]. Bei Bedarf müssen Spezialisten wie z.B. Rheumatologen oder Internisten hinzugezogen werden. Scores wie PASI und DLQI unterstützen dabei, individuelle Beeinträchtigungen des Patienten zu quantifizieren und das Erreichen von Therapiezielen kontinuierlich festzulegen und zu verfolgen. Nur wenn alle relevanten Informationen vorliegen, können gemeinsam mit dem Patienten geeignete therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Das optimale Management kann sich wiederum positiv auf das Ergebnis, die Adhärenz und auf die Zufriedenheit mit der Therapie auswirken.

Therapieziele aus Arzt- und Patientensicht

Psoriasis-Patienten wünschen sich ein einfaches Therapieregime mit schnell einsetzender, guter und lang anhaltender Wirkung bei wenigen Nebenwirkungen. Ärzte sollten additivweitere Faktoren wie Komorbidität berücksichtigen, die sich durch die Wahl der geeigneten Therapie bzw. des Medikamentes auf den gesamten Gesundheitszustand auswirken. Bei der Therapie soll eine Wirkung auf alle Aspekte der Schuppenflechte bedacht werden, bei möglichst geringer Nebenwirkungsrate und Aufwand durch Monitoring. In Bezug auf die eingesetzten Pharmaka müssen Kombinationsmöglichkeiten, Vortherapien, Kontraindikationen sowie Wechselwirkungen oder die Bildung von „Anti-Drug-Antibodies“ (bei Biologika) bedacht werden.

Therapeutische Optionen

Das Therapieziel ist die Reduktion der Krankheitslast. Hier stehen sowohl die Ansprechrate auf den Hautzustand als auch die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund. Bei der Beurteilung von Schweregrad und Therapieerfolg haben sich PASI, BSA und DLQI bewährt, aber auch Speziallokalisationen wie Genitalbereich oder Nägel sollten gesondert beachtet werden. Grundlage jeder Psoriasis-Behandlung ist die Basistherapie mit wirkstofffreien Pflegeprodukten [4]. Die Basistherapie spielt unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung oder dem angewendeten Therapiekonzept eine wichtige Rolle [26] und sollte täglich unabhängig von der Krankheitslast erfolgen. Eine adäquate Basistherapie kann die beeinträchtigte Lebensqualität von Psoriasis-Patienten positiv beeinflussen. Zur Behandlung der leichten Psoriasis empfiehlt die Leitlinie unter anderem topische Therapie mit Kortikosteroiden und Vitamin D3-Analoga, auch in Kombinationspräparaten [4]. Menschen mit mittelschwerer oder schwerer Psoriasis werden systemisch behandelt. Entsprechend der deutschen S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris stehen unterschiedliche Erst- und Zweitlinienoptionen zur Verfügung [4]. Neben der Fototherapie zählen konventionelle Medikamente wie Fumarsäureester, Methotrexat, Ciclosporin und Retinoide zur Erstlinientherapie. Bei nicht ausreichendem Therapieerfolg, bei Unverträg-lichkeit und/oder Kontraindikationen stehen in der zweiten Linie ein Phosphodiesterase-4-Hemmer und verschiedene Biologika bzw. Biosimilars zur Wahl (Abb.6).

Therapieempfehlungen der Psoriasis vulgaris – modifiziert nach S3-Leitlinie Abbildung 6: Therapieempfehlungen der Psoriasis vulgaris – modifiziert nach S3-Leitlinie

Einige Biologika mit First-Line-Status laut Zulassung, können unter bestimmten Voraussetzungen in der Erstlinientherapie zum Einsatz kommen, wenn konventionelle First-Line-Therapien keinen ausreichenden Therapieerfolg bei schwerst-betroffenen Patienten erwarten lassen. Grundsätzlich erfolgt die Entscheidung zum Einsatz eines Systemtherapeutikums auf Basis der Kriterien zur wirtschaftlichen Verordnung (Wirtschaftlichkeitsgebot) und anhand der patientenindividuellen Risiko- und Nutzeneinschätzung im Sinne der Kosten-Nutzen-Relation. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist dann das kostengünstigere Präparat zu verordnen, wenn damit der angestrebte Nutzen bei vertretbarem Risiko gleichermaßen erreicht werden kann [27]. Zusätzlich existieren zum Einsatz von Biosimilars in einzelnen KV-Regionen Quotenregelungen, die auch zu berücksichtigen sind.

Upgrade-Kriterien

Das europäische Konsensuspapier unterteilt die Schwere von Psoriasis vulgaris in leicht und mittelschwer bis schwer, und bezieht erstmals die Beurteilung der Lebensqualität in die Ermittlung des Schweregrades mit ein [11]. Bestimmte Faktoren können zu einer besonders starken Einschränkung der Lebensqualität führen und eine Höhereinstufung des Schweregrades (von leicht auf mittelschwer bis schwer) erforderlich machen. Hierzu gehören
  • Befall sichtbarer Körperregionen,
  • Befall größerer Regionen der Kopfhaut,
  • Befall der Genitalien,
  • Befall der Handflächen/Fußsohlen,
  • Befall von mehr als zwei Fingernägeln,
  • Starkes Jucken, das zum Kratzen veranlasst,
  • Vorhandensein einzelner hartnäckiger Plaques.

Eine Höherstufung des Schweregrads (Upgrade) aufgrund dieser Kriterien zieht in der Regel die Einleitung einer Systemtherapie nach sich und ist ausreichend zu dokumentieren. Versorgungsdefizite bei Patienten mit mittelschwerem Hautbefall
Für die große, heterogene Gruppe der mittelschwer Erkrankten, die sich häufig mit einem moderaten Hautbefall und Einschränkungen in der Lebensqualität präsentieren, liegen bisher keine validen Daten aus Deutschland vor. Dass speziell diese Patientengruppe möglicherweise unterversorgt ist, zeigt eine Real-World-Studie von Nast und Kollegen, die die Verschreibungshäufigkeiten verschiedener Psoriasis-Therapien bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Schuppenflechte untersucht hat [28]. Bei den ausgewerteten 2288 Arztbesuchen erhielten 31 % der Patienten eine systemische Therapie, knapp 50 % wurden topisch behandelt. Bei 17 % wurde additiv eine Fototherapie eingeleitet. Auch für Patienten mit einer leichten Psoriasis können laut Leitlinie additiv zu den äußerlichen Therapien Systemtherapien verordnet werden, wenn zusätzlich beeinträchtigende Sondermanifestationen wie z.B. Nägel, Genital, Kopfhautbefall, palmoplantar betroffen sind. Die Nichtbeachtung oder Unterbewertung von Sondermanifestationen kann somit zu einem unzureichenden Management von Patienten beitragen. Selbsteinschätzung der Krankheitsschwere durch Psoriasis-Patienten
Tveit und Kollegen haben 1072 Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad danach befragt, wie gravierend sie ihre Erkrankung beurteilen [29]. Die Beurteilung des klinischen Schweregrades erfolgte anhand des Anteils der betroffenen Körperoberfläche (Abb. 7). Patienten mit eher milder Verlaufsform gaben vorwiegend keine bzw. keine besondere Beeinträchtigung an. Schwer erkrankte Patienten zeigten sich erwartungsgemäß stark bzw. sehr stark beeinträchtigt. Ähnlich stark eingeschränkt fühlten sich sehr häufig aber auch jene Patienten, die aufgrund ihres limitierten Anteils der betroffenen Körperoberfläche klinisch als mittelschwer eingeschätzt waren. Diese Selbsteinschätzung wird häufig durch die übermäßig starke Beeinträchtigung der Lebensqualität von besonders belastenden Psoriasis-Manifestationen hervorgerufen. Anhand der bereits beschriebenen Upgrade Kriterien [11] kann daraus auch eine höhere Beurteilung der Krankheitsschwere resultieren.

Real World Evidence: besondere Manifestationen

Die in Deutschland, Großbritannien und Irland durchgeführte APPRECIATE-Studie unter 250 mit Apremilast behandelten Psoriasis-Patienten ging der Frage nach, wie häufig besondere Manifestationen (Nagel, Kopfhaut, Jucken) vorkommen. Bei etwa 88 % zeigte sich mindestens eine dieser besonderen Belastungen (Abb. 8). Die Patienten zeigten infolge der Behandlung mit dem Phosphodiesterase-4-Inhibitor nach fünf bis sieben Monaten eine deutliche Verbesserung ihrer PASI-Scores. Diese lagen je nach Häufigkeit der Präsenz an Sondermanifestationen zu Therapiebeginn zwischen 11,4 und 16,9 (alle drei Manifestationen) und reduzierten sich durch die Medikation auf Werte zwischen 4,8 und 5,6. Bei Ermittlung des BSA oder des Lebensqualitätsindex DLQI anstelle des PASI zeigten sich vergleichbare Effekte.

Zusammenfassung

Psoriasis ist eine chronische Hauterkrankung, die in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen betrifft und mit Komorbidität assoziiert ist. Patienten mit chronischen Hauterkrankungen wie der Psoriasis erleben im Alltag häufig Stigmatisierung. Die Betroffenen fühlen sich diskriminiert und entwickeln mitunter soziale Ängste.
Eine optimale Psoriasis-Therapie muss neben der Krankheitsaktivität auch die Lebensqualität berücksichtigen. Häufig besteht bei Patienten ein hoher Leidensdruck, z.B. ausgelöst durch Pruritus oder Beteiligung im Genitalbereich, der vom Behandler nicht erkannt wird, der sich mithilfe bekannter Scores wie BSA oder PASI und DLQI nicht ausreichend erfassen lässt. Bei der Wahl der geeigneten Behandlung empfehlen die Leitlinien bei der milden Form eine topische Therapie. Liegt jedoch eine Beteiligung der Kopfhaut, Nägel oder Genitalien vor und ist die Lebensqualität des Patienten stakt beeinträchtigt (DLQI >10), so sollte ein „Upgrade“ mit einer Systemtherapie erwogen werden. Gerade bei Patienten mit mittelschwerer Psoriasis besteht in der Praxis häufig eine Unterversorgung, da sie keine systemische Therapie erhalten. Hier hat eine Auswertung der APPRECIATE-Studie gezeigt, dass die Manifestationen (Nagel, Kopfhaut) und Jucken häufig vorkommen und erfolgreich auf eine Behandlung mit PD4-Inhibitoren durch Reduktion der Krankheitsaktivität aber Verbesserung der Lebensqualität ansprechen.