Einführung
In der differenzierten stadienabhängigen Behandlung von Patienten mit einem Prostatakarzinom wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Auf dem „Genitourinary Cancers Symposium” der American Society of Clinical Oncology (ASCO GU) in San Francisco 2023 konnten zahlreiche neue Studienergebnisse sowie Subgruppen- und Interimsanalysen zu laufenden Studienprojekten präsentiert und diskutiert werden. An dem Symposium nahmen etwa 5600 Urologen, Onkologen, Radiologen und Radioonkologen teil, 750 Abstracts wurden an drei Kongresstagen präsentiert. Im Folgenden werden interessante Daten zum lokalisierten Prostatakarzinom, zum metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) und zum metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) vorgestellt und kommentiert. Dabei ist der Trend in Richtung einer personalisierten Medizin auch bei der Behandlung des Prostatakarzinoms nicht zu übersehen.
Lokalisiertes Prostatakarzinom: Salvage-Radiatio post RPx
Stellenwert und Intensität der sogenannten Salvage-Radiatio im Anschluss an eine radikale Prostatektomie (RPx) sind seit Jahren insbesondere vor dem Hintergrund der Lebensqualität der betroffenen Patienten Gegenstand einer intensiven Diskussion zwischen Urologen und Radioonkologen. Im Jahr 2017 wurden die Ergebnisse der RTOG-9601-Studie präsentiert, mit denen erstmals gezeigt werden konnte, dass die zusätzliche Gabe von Bicalutamid 150 mg zur Salvage-Radiatio die Gesamtüberlebensrate über einen Zeitraum von zwölf Jahren im Vergleich zu einer alleinigen Salvage-Radiatio signifikant verbessert. Mit der GETUG-AFU-16-Studie konnte zumindest für das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS) gezeigt werden, dass auch mit einer sechsmonatigen Androgendeprivationstherapie (ADT) ein Vorteil gegenüber der alleinigen Salvage-Radiatio erzielt werden kann. Dieser Vorteil war im Hinblick auf das Gesamtüberleben bei einer weiteren Follow-up-Untersuchung aber nicht mehr nachweisbar, was die kurzzeitige ADT etwas infrage gestellt hat. 2022 konnte mit der RADICALS-HD-Studie dokumentiert werden, dass eine kurzfristige sechsmonatige ADT das metastasenfreie Überleben (MFS) nach einer Salvage-Radiatio nicht verbessert, dass sich bei einer 24 Monate dauernden ADT aber ein positiver Effekt zeigt. In der FORMULA-509-Studie wurde bei Patienten mit einem Rezidiv nach radikaler Prostatektomie eine Salvage-Bestrahlung durchgeführt und zusätzlich für sechs Monate entweder eine Zweifachtherapie mit ADT und Bicalutamid oder eine Dreifachtherapie mit ADT, Abirateron/Prednison (AAP) und Apalutamid gegeben. Insgesamt 345 Patienten konnten für die Studie rekrutiert werden. Einschlusskriterien waren ein PSA-Wert (prostataspezifisches Antigen) von mindestens 0,1 ng/ml nach einer radikalen Prostatektomie und mindestens ein weiterer ungünstiger Risikofaktor, wie zum Beispiel ein Gleason-Score von 8 bis 10, ein PSA-Wert von >5 ng/ml, pathologisch positive Lymphknoten, ein Stadium pT3 oder eine PSA-Verdopplungszeit (PSA-DT) <10 Monate. Stratifiziert wurde nach PSA-Werten >0,5 und ≤0,5 ng/ml sowie nach den Lymphknotenstadien pN1 und pN0. Als primärer Endpunkt wurde das rPFS und als sekundärer Endpunkt das MFS festgelegt. Das mediane Follow-up erfolgte nach 34 Monaten, 46 % der Patienten hatten einen Gleason-Score von 8 bis 10 und 31 % hatten einen PSA-Wert >0,5 ng/ml. Die Patienten mit einem Altersmedian von 63,7 Jahren waren in einem guten Allgemeinzustand: 89,6 % der Patienten hatten einen ECOG-Score von 0 und 10,4 % einen „Eastern Cooperative Oncology Group”-(ECOG-)Score von 1. 29 % der Patienten hatten einen Lymphknotenbefall im Stadium pN1. Die Auswertung des Gesamtkollektivs ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Behandlungsarmen bezüglich des progressionsfreien und des metastasenfreien Überlebens. Allerdings profitierte die Subgruppe der Patienten mit einem Ausgangs-PSA-Wert >0,5 ng/ml von einer sechsmonatigen intensivierten Therapie aus ADT, AAP und Apalutamid signifikant sowohl mit einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (HR = 0.50; 95%-KI 0.27–0.95; P = 0.03 zweiseitig) als auch des metastasenfreien Überlebens (HR = 0.32; 95%-KI 0.13–0.84; P = 0.02 zweiseitig). Ein Vergleich der Ergebnisse der FORMULA-509-Studie mit denen der RADICALS-HD-Studie bestätigt die These, dass eine kurzfristige intensivierte Therapie bei den Patienten nach einer radikalen Prostatektomie sinnvoll sein kann, wenn sie zum Zeitpunkt der Diagnostik oder zu Beginn der Salvage-Radiatio einen PSA-Wert von >0,5 ng/ml haben. Die moderne Kombinationstherapie ist nicht der neue Standard im Rahmen der Salvage-Radiatio, zumindest nicht im kurzfristigen Applikationsmodus. Die Effektivität einer langfristigen Anwendung ist Gegenstand von laufenden Studien.
Lokalisiertes Prostatakarzinom: OP versus Radiatio
Eine häufige Frage der Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom betrifft das Thema Nebenwirkungen und Lebensqualität im Anschluss an eine Operation im Vergleich zu einer Radiatio. Die 2016 publizierten 10-Jahres-Outcomedaten der prospektiven ProtecT-Studie haben gezeigt, dass das progressionsfreie Überleben der Patienten im Anschluss an eine radikale Prostatektomie oder eine Radiatio im Vergleich zu einer aktiven Überwachung zwar verbessert wird, dass dafür aber Probleme mit Inkontinenz, Darm- und Sexualfunktion deutlich zunehmen. In der prospektiven randomisierten PACE-A-Studie wurde dieses Thema noch einmal untersucht. Bei Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom und niedrigem oder mittlerem Risiko wurde der Krankheitsverlauf nach einer stereotaktischen Radiatio („stereotactic body radiotherapy”, SBRT; 26,25 Gy in fünf Fraktionen) mit dem nach einer radikalen Prostatektomie verglichen. Die für diese Studie rekrutierten Patienten hatten das Stadium T1c bis T2c, einen Gleason-Score ≤7a, einen PSA-Wert <20 ng/ml und bislang keine ADT. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 1 : 1. Der von Patienten berichtete primäre Endpunkt setzte sich zusammen aus der Harninkontinenz gemessen mit der Anzahl an täglich verbrauchten Vorlagen und dem EPIC-26-Subdomain-Score für Darmbeschwerden („expanded prostate cancer index”, EPIC). Für die Studie konnten aufgrund der COVID-19-Pandemie nur ein relativ kleines Kollektiv von insgesamt 123 Patienten mit einem Altersmedian von 65,5 Jahren rekrutiert werden. Für die Auswertung standen Daten von 46 operierten Patienten und 56 bestrahlten Patienten zur Verfügung. Der große Unterschied zwischen der Inkontinenzrate von 46,8 % nach der radikalen Prostatektomie und nur 4,5 % nach stereotaktischer Bestrahlung relativiert sich aber durch die Tatsache, dass 88 % der Patienten nur eine einzige Vorlage am Tag benutzt hatten. Ob es sich hier um eine reine Sicherheitsvorlage handelte oder diese tatsächlich wegen einer Inkontinenz benutzt wurde, geht aus den Daten nicht hervor. Bei der Auswertung der Darmbeschwerden fand sich kein großer Unterschied: Im Anschluss an den chirurgischen Eingriff berichteten 12,9 % der Patienten über sehr leichte Probleme, nach der Radiatio war das bei 30,4 % der Patienten der Fall, weitere 15,2 % berichteten nach der Bestrahlung über leichte oder moderate Darmprobleme. Ein Blick auf die Verläufe von vier EPIC-Subdomain-Scores zeigt, dass die Patienten insbesondere bei der Harninkontinenz und den sexuellen Funktionsstörungen die Operation schlechter bewerten als die stereotaktische Radiatio. Bei den Darmbeschwerden –, es handelt sich hier meist um Probleme mit der Stuhlentleerung – und bei der Harnwegsobstruktion schneidet der chirurgische Eingriff zwar besser ab, aber die Unterschiede zwischen den beiden Beobachtungsarmen sind nur marginal. Die PACE-A-Studie hat die Frage zur besseren Lebensqualität nach einer OP im Vergleich zur Radiatio bei Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom nicht klären können. Inwieweit die Ergebnisse dieser prospektiven Studie den klinischen Alltag beeinflussen, ist abzuwarten.
Lokalisiertes Prostatakarzinom: Konventionelle versus hypofraktionierte Radiatio
Eine hypofraktionierte Radiatio („hypofractionated high dose intensity modulated radiotherapy”) hat im Rahmen der Behandlung von Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom im Vergleich zur konventionellen Bestrahlung über einen Zeitraum von sechs Wochen den Vorteil, dass sie nur vier Wochen in Anspruch nimmt. Die Effektivität einer hypofraktionierten Radiatio ist dokumentiert, sie führt aber auch zu einer erhöhten Komorbidität. Mit den 10-Jahres-Outcomedaten der CHHiP-Studie wurden jetzt Daten zum Langzeitverlauf der Effektivität und der Komorbidität der hypofraktionierten Radiatio im Vergleich zur konventionellen Bestrahlung präsentiert. In die Studie wurden insgesamt 3216 Patienten mit einem klinischen Tumorstadium von T1b bis T3a N0 und M0 sowie einem PSA-Wert ≤30 ng/ml eingeschlossen. Der Altersmedian lag bei 69 Jahren; 88 % der Patienten waren in der „National Comprehensive Cancer Network”-(NCCN-)Risikogruppe „low” und „intermediate” eingestuft, der mediane PSA-Wert lag bei 10 ng/ml. Nach einer drei- bis sechsmonatigen Hormonbehandlung wurde im Verhältnis 1 : 1 : 1 randomisiert auf drei Studienarme mit entweder 74 Gy/37f (f = fraktionen) über 7,4 Wochen, 60 Gy/20f über vier Wochen und 57 Gy/19f über 3,8 Wochen. Zehn Jahre nach Randomisierung zeigte sich im Hinblick auf das biochemische Rezidiv, dass die hypofraktionierte Radiatio dem konventionellen Bestrahlungskonzept nicht unterlegen ist. Es fand sich kein signifikanter Unterschied bei der Rate von 76 % für das rezidivfreie Überleben in der 74-Gy-Gruppe (95%-KI 73.1–78.6), 79,8 % in der 60-Gy-Gruppe (95%-KI 77.1–82.3) und 73,1 % in der 57-Gy-Gruppe (95%-KI 70.2–75.9). Auch bei der Fernmetastasierung ergaben sich zwischen den drei Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Nach zehn Jahren waren noch 94 % der Patienten in der 74-Gy-Gruppe, 94,3 % in der 60-Gy-Gruppe und 93 % in der 57-Gy-Gruppe frei von Fernmetastasen. Beim Gesamtüberleben konnte in der Gruppe mit der hypofraktionierten Radiatio mit 83 % zwar die höchste Überlebensrate dokumentiert werden, es ergaben sich aber zu den beiden anderen Gruppen mit 78,4 % nach 74 Gy und 79,9 % nach 57 Gy keine signifikanten Unterschiede. Bezüglich der Effektivität ist die hypofraktionierte Radiatio also einer konventionellen Bestrahlung nicht unterlegen. Die gleiche Aussage gilt bezüglich der für die Lebensqualität relevanten Komorbiditäten Miktions- und Darmbeschwerden im Anschluss an die Bestrahlung. Hier wurden Daten über einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Radiatio präsentiert. Die Prävalenz von moderaten und deutlichen Miktionsbeschwerden lag nach 74 Gy bei 6,7 %, nach 60 Gy bei 9,3 % und nach 57 Gy bei 7,9 %. Bei moderaten und deutlichen Darmbeschwerden betrug die Prävalenz nach 74 Gy 5,4 %, nach 60 Gy 7,6 % und nach 57 Gy 5,3 %. Die Langzeitdaten der CHHiP-Studie stützen eine hypofraktionierte Radiatio mit 60 Gy über vier Wochen als Therapiestandard bei Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom.
Therapieintensivierung beim mHSPC: ARASENS-Studie
Die Ergebnisse der ARASENS-Studie wurden bereits auf der letzten ASCO-GU-Jahrestagung 2022 vorgestellt. Insgesamt 1305 Patienten mit einem mHSPC wurden im Verhältnis 1 : 1 in zwei Behandlungsarme randomisiert aufgeteilt. Im ersten Studienarm wurden die Patienten mit sechs Zyklen Docetaxel sowie dem Androgenrezeptor-Antagonisten Darolutamid 600 mg zweimal täglich und einer ADT behandelt. Im zweiten Studienarm erhielten die Patienten die gleiche Therapie, aber Placebo anstatt Darolutamid. Primärer Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben (OS). Darolutamid verbesserte das Gesamtüberleben in Kombination mit einer ADT und Docetaxel im Vergleich zu Placebo signifikant mit einer Hazard Ratio von 0.68. Das entspricht einer Reduktion des Sterberisikos im Beobachtungszeitraum der Studie um 32,5 %. Die Auswertung der unerwünschten Ereignisse bestätigte die gute Verträglichkeit von Darolutamid selbst in Kombination mit Docetaxel. Darolutamid hat sich damit als eine wirksame und sichere Alternative für Patienten mit einem metastasierten hormonsensiblen Prostatakarzinom (mHSPC) erwiesen, die eine Chemotherapie mit Docetaxel erhalten sollen. Die entsprechende EU-Zulassung wurde Anfang März 2023 erteilt. Auf der aktuellen ASCO-GU-Jahrestagung 2023 wurden Daten zur ARASENS-Studie präsentiert, die die Frage beantworten sollten, ob es Unterschiede im Benefit der Hinzunahme von Darolutamid bezüglich des Tumorvolumens („high volume disease”) und der Risikoklassifikation („high risk disease”) gibt. Die Relevanz dieser beiden Faktoren wurde in der CHAARTED- und der LATITUDE-Studie dokumentiert. Christopher Sweeney stellte bereits 2014 die Ergebnisse der CHAARTED-Studie vor, in der Patienten mit einem mHSPC jeweils zusätzlich zur ADT entweder eine Chemotherapie mit Docetaxel erhielten oder Placebo. High-Volume-Patienten mit definitionsgemäß mindestens vier Knochenmetastasen, davon mindestens eine außerhalb von Wirbelsäule oder Becken und/oder viszeralen Metastasen profitierten mit einem Gesamtüberlebensvorteil von 17 Monaten im Gegensatz zu den Low-Volume-Patienten, bei denen kein signifikanter Überlebensvorteil dokumentiert werden konnte. Ein Update der Studie im Jahr 2016 bestätigte den Überlebensvorteil von 16,8 Monaten für die mHSPC-Patienten mit einer hohen Tumorlast. Die Ergebnisse der LATITUDE-Studie wurden 2017 von Karim Fizazi präsentiert, in die erst kürzlich diagnostizierte Patienten mit einem Hochrisiko metastasierten hormonnaiven Prostatakarzinom (mHNPC) eingeschlossen wurden, wenn sie mindestens zwei der drei Hochrisikokriterien Gleason-Score ≥8, Vorliegen von ≥3 osseären Läsionen und Vorliegen messbarer viszeraler Läsionen erfüllten. Die Behandlung erfolgte entweder mit ADT und Abirateron/Prednison oder mit ADT und Placebo. Im Follow-up über 5,5 Jahre zeigte sich ein Gesamtüberlebensvorteil von 16,8 Monaten bei den Patienten, die mit Abirateron/Prednison behandelt wurden. Die Anwendung der CHAARTED-Kriterien für die Einstufung der Tumorlast und der LATITUDE-Kriterien für die Risikoklassifikation auf die insgesamt 1305 Patienten der ARASENS-Studie ergab große Überlappungen: 1005 (77 %) der Patienten hatten eine hohe Tumorlast („high volume disease”) und 300 Patienten (23 %) eine niedrige Tumorlast; 912 Patienten (70 %) wurden als Hochrisikopatienten eingestuft und 393 (30 %) als Patienten mit einem niedrigen Risiko. Alle Patienten, die nicht die Mindestanforderungen für eine hohe Tumorlast oder ein hohes Risiko erfüllten, wurden automatisch als Patienten mit niedriger Tumorlast oder niedrigem Risiko definiert. Bezüglich des Erkrankungszeitpunktes wurden folgende Daten gezeigt: Von den Patienten mit einer hohen Tumorlast waren 87 % de novo erkrankt, hatten also eine primäre Metastasierung; bei den Patienten mit einer niedrigen Tumorlast betrug die Quote 82 %. Patienten mit hohem Risiko waren zu 91 % primär metastasiert, mit niedrigem Risiko nur zu 73 %. Die Analyse der Gesamtüberlebensrate zeigte bei den Patienten mit hoher Tumorlast erwartungsgemäß einen signifikanten Vorteil für die aktive Dreifachkombination bestehend aus Darolutamid, ADT und Docetaxel (HR 0.69; 95%-KI 0.57–0.82). In der Kaplan-Meier-Darstellung trennten sich beide Kurven bereits früh. Bei den Patienten mit niedriger Tumorlast trennten sich beide Kurven nach ungefähr 30 Monaten zugunsten der aktiven Dreifachkombination. Die Hazard Ratio von 0.68 (95%-KI 0.41–1.13) war vergleichbar mit dem Wert, der bei den Patienten mit hoher Tumorlast errechnet wurde. Aufgrund der besseren Prognose war in der Kaplan-Meier-Darstellung zum Gesamtüberleben bei den Patienten mit niedriger Tumorlast der Verlauf beider Kurven flacher. Der Vergleich der Überlebenskurven von der Hochrisikogruppe und der Gruppe mit niedrigem Risiko zeigte einen ähnlichen Verlauf mit einer frühen Trennung, auch hier prognosebedingt etwas flacher bei den Patienten mit niedrigem Risiko. Die Hazard Ratios waren auch hier relativ ähnlich mit 0.71 (95%-KI 0.58–0.86) für die Hochrisikogruppe und 0.62 (95%-KI 0.42–0.90) für die Niedrigrisikogruppe. Es ergibt sich die Frage, warum sich der Kurvenverlauf der Gruppe mit niedriger Tumorlast („low volume”) von dem mit niedrigem Risiko („low risk”) unterscheidet. Eine mögliche Erklärung sind die unterschiedlichen Patientenzahlen und Kriterien zur Risikoklassifizierung in der Low-Risk- und Low-Volume-Gruppe. In der Low-Volume-Gruppe waren pro Therapiearm etwa 150 Patienten und in der Low-Risk-Gruppe etwa 200 Patienten. Bei den zweimal 50 Patienten mehr in der Low-Risk-Gruppe muss es sich definitionsgemäß um High-Volume-Patienten gehandelt haben. Diese Klassifizierung ist nur möglich bei Patienten mit einer großen Anzahl von Metastasen, einem Gleason-Score von <8 und ohne viszerale Metastasen. Dem entspricht ein Anteil von nur etwa 40 % Patienten mit einem initialen Gleason-Score von ≥8 in der Low-Risk-Gruppe und einem Anteil von 95 % in der High-Risk-Gruppe. In der High-Volume- und Low-Volume-Gruppe lag der Anteil von Patienten mit einem initialen Gleason-Score von ≥8 bei rund 80 %. Die Analyse des Endpunktes Zeit bis zur Kastrationsresistenz („time to CRPC”) zeigte vor allem für die Patienten mit einem Low-Volume-mHSPC eine deutliche Risikoreduktion (HR 0.21; 95%-KI 0.14–0.33). Für diese Patienten hat sich die Gabe von Darolutamid zusätzlich zu ADT und Docetaxel als sehr hilfreich erwiesen.
Therapieintensivierung beim mHSPC: PEACE-1-Studie
In der PEACE-1-Studie konnte dokumentiert werden, dass Patienten mit einem de novo mHSPC mit einem durchschnittlichen Überlebensvorteil von 1,5 Jahren profitieren, wenn sie zusätzlich zur ADT und Docetaxel mit Abirateron/Prednison (AAP) behandelt werden. Auf der aktuellen ASCO-GU-Jahrestagung 2023 wurden Ergebnisse einer Subgruppenanalyse der PEACE-1-Studie zur Fragestellung präsentiert, ob die zusätzliche Gabe von Abirateron/Prednison bei jüngeren Patienten (<70 Jahre) und älteren Patienten (≥70 Jahre) zu einem unterschiedlichen Benefit führt. 37 % der Patienten in der PEACE-1-Studie waren über 70 Jahre alt und hatten mit 36 % ECOG 1 bis 2 einen schlechteren Allgemeinzustand als die jüngeren Patienten (26 % ECOG 1 bis 2). Auch die Quote von Komorbiditäten, wie einer arteriellen Hypertonie (57 % vs. 38 %) oder einem Typ-2-Diabetes (16 % vs. 11 %), war bei den älteren Patienten höher. Bei den Eigenschaften („disease characteristics”) des Prostatakarzinoms gab es zwischen beiden Altersgruppen keine Unterschiede. Es war den Prüfärzten im Rahmen der Studie in der Mitte der Rekrutierungszeit erlaubt, frei darüber zu entscheiden, ob ein Patient zusätzlich zur ADT noch mit Docetaxel behandelt wird. Erst im letzten Teil der Studie war die Gabe von Docetaxel zusätzlich zur ADT als „standard of care” (SOC) verpflichtend. Docetaxel wurde bei den älteren Männern weniger häufig eingesetzt als bei den jüngeren (51 % vs. 66 %). Die Auswertung der Gesamtpopulation für das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS), die entweder mit ADT oder ADT und Docetaxel als „standard of care” behandelt wurden, ergab, dass jüngere (HR 0.49; 95%-KI 0.35–0.69) und ältere Patienten (HR 0.65; 95%-KI 0.42–1.01) von der zusätzlichen Gabe von Abirateron/Prednison profitieren. Was das Gesamtüberleben (OS) betrifft, ist der Benefit durch die Hinzunahme von Abirateron/Prednison bei den jüngeren Patienten größer (HR 0.73; 95%-KI 0.58–0.92) als bei den älteren Patienten (HR 0.95; 95%-KI 0.72–1.25), was zum Teil damit erklärt werden kann, dass die Lebenserwartung der Patienten ≥70 Jahre kleiner ist. Die Daten weisen darauf hin, dass der Benefit durch Abirateron/Prednison mit zunehmendem Alter der Patienten abnehmen könnte. Der Blick auf die Kaplan-Meier-Kurven der Patienten, die als „standard of care” ADT und Docetaxel erhalten haben, zeigt, dass sowohl jüngere als auch ältere Patienten von der Hinzunahme von Abirateron/Prednison profitieren. Die Hazard Ratios für beide Altersgruppen liegen sowohl für das rPFS als auch für das OS relativ nah beieinander, was für eine gute Selektion der Patienten spricht, die mit ADT plus Docetaxel behandelt wurden. Um die Ergebnisse der Updates zur ARASENS- und zur PEACE-1-Studie zusammenzufassen: Die Hazard Ratios in der ARASENS-Studie sind für Low- und High-Volume-Patienten sowie Low- und High-Risk-Patienten relativ ähnlich. In der Low-Volume-Gruppe teilen sich die Kurven allerdings erst nach 30 Monaten. In der ARASENS-Studie wurde der Median bisher nur im Placeboarm (48,9 Monate) erreicht, nicht jedoch im Darolutamid-Arm. Diese Daten sind vergleichbar mit der 2022 vorgestellten PEACE-1-Studie. Die Auswertung der Subgruppen nach Volumen der Erkrankung bzw. Risiko der ARASENS-Studie lässt des Weiteren auf einen konsistenten therapeutischen Vorteil schließen, da trotz geringerer Anzahl an Patienten im Vergleich zur Gesamtstudie in den jeweiligen Gruppen, mit Ausnahme der kleinsten Low-Volume-Population, ein statistisch signifikanter OS-Vorteil gezeigt werden konnte. Die Volumeneinteilung ist möglicherweise für die Prognose und die Therapieentscheidung hilfreicher als die Risikoeinteilung. Die Daten unterstreichen insgesamt die Hinzunahme eines Androgenrezeptor-Antagonisten zu einer Therapie mit ADT oder ADT plus Docetaxel unabhängig von Tumorvolumen und Tumorrisiko. Es gibt relevante Evidenz dafür, dass die Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom von Docetaxel profitieren, es bleibt aber die Frage, in welchem Krankheitsstadium Docetaxel angewendet wird: bereits frühzeitig im Rahmen der Dreifachkombination bestehend aus Androgenrezeptor-Antagonist, ADT und Docetaxel oder erst später, wenn die Erkrankung in Richtung Kastrationsresistenz fortschreitet.
Therapieintensivierung beim nmCRPC: Real-World-Daten zu Apalutamid
Zur Behandlung der Patienten mit einem nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (nmCRPC) sind die drei Androgenrezeptor-Antagonisten Apalutamid, Enzalutamid und Darolutamid jeweils in Kombination mit einer ADT zugelassen. Um die Daten aus den Zulassungsstudien mit den Therapieergebnissen und der Anwendungssicherheit unter Real-World-Bedingungen zu vergleichen, wurden auf der aktuellen ASCO-GU-Jahrestagung zwei Studien vorgestellt. PSA-Response und metastasenfreies Überleben (MFS) von 406 Patienten mit einem nmCRPC, die unter Real-World-Bedingungen mit Apalutamid behandelt wurden, wurden mit den Daten der SPARTAN-Studie verglichen. Es zeigte sich, dass sowohl PSA-50- als auch PSA-90-Response unter Real-World-Bedingungen mit den Ergebnissen in der SPARTAN-Studie vergleichbar sind. Die Ansprechquoten in der Zulassungsstudie waren geringfügig besser. Beim PSA-0,2-Response, also dem Absinken des PSA-Wertes unter die Nachweisgrenze, war die Ansprechquote bei den Patienten unter Real-World-Bedingungen sogar etwas besser als in der SPARTAN-Klientel. Die Daten zum MFS im Real-World-Setting fügten sich exakt in die Verlaufskurve der SPARTAN-Studie ein.
Therapieintensivierung beim nmCRPC: DEAR-Studie
Als weiteres Real-World-Projekt wurde die retrospektive DEAR-Studie mit Daten von US-amerikanischen nmCRPC-Patienten präsentiert, die vom August 2019 bis März 2022 unter Praxisbedingungen mit Darolutamid, Enzalutamid oder Apalutamid behandelt worden sind. Zielsetzung dieser Studie war es herauszufinden, ob es zwischen den drei Androgenrezeptor-Antagonisten Unterschiede beim Anteil der Patienten gibt, bei denen die initiale Therapie wegen unerwünschter Wirkungen abgesetzt oder gewechselt werden musste, die Patienten verstorben sind oder bei denen ein Progress zum mCRPC festgestellt wurde. Die Rate an Therapieabbrüchen war bei den initial mit Darolutamid behandelten Patienten im Vergleich zu den beiden anderen Kohorten etwas niedriger, was die in den Zulassungsstudien dokumentierte gute Wirksamkeit und Verträglichkeit auch unter Real-Life-Bedingungen bestätigt.
PARP-Inhibitoren beim mCRPC: Wirkungsweise und Rückblick PROfound-Studie
Die Poly-(ADP-Ribose-)Polymerase (PARP) ist ein für die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen notwendiges Enzym. Pro Tag kommt es in Körperzellen im Rahmen der normalen Zellteilungsaktivität zu 10.000 bis 20.000 DNA-Mutationen und Einzelstrangbrüchen, die repariert werden müssen. PARP bindet dazu an die Abschnitte mit DNA-Schaden, vermittelt die Bindung von DNA-Reparaturproteinen und fügt Poly-ADP-Ribose-Einheiten an Zielproteine (PARylation), um Einzelstrangbrüche zu reparieren. Kommt es einmal nicht zu einer suffizienten Reparatur, zum Beispiel durch den Einsatz eines PARP-Inhibitors, können DNA-Doppelstrangbrüchen entstehen, die in gesunden Zellen, aber durch homologe Reparaturmechanismen (homologe Rekombination, HR) korrigiert werden können. Es handelt sich hier um homologe Reparaturgene wie „breast cancer gene 1” (BRCA1) und „breast cancer gene” 2 (BRCA2) sowie „ataxia telangiectasia mutated” (ATM). Mutationen in den BRCA-Genen sind mit einem erhöhten Risiko verschiedener Krebserkrankungen assoziiert, wie zum Beispiel einem Mamma-, Ovarial-, Prostata- oder Pankreaskarzinom. Bei gesunden Gewebezellen mit einer intakten homologen Rekombinationsreparatur hat eine PARP-Hemmung wenig Effekt. Wenn in Tumorzellen durch pathogene Alterationen die homologe Rekombinationsreparatur (HRR) gestört ist, führt die zusätzliche Blockade der Einzelstrangreparatur durch PARP zum Untergang der Zelle. Die PARP-Inhibition hat folglich einen tumorselektiven synthetischen Zelltod zur Folge, deren Wirksamkeit in Kombination mit weiteren Medikamenten auch bei Patienten mit einem mCRPC neue Chancen eröffnet. In der PROfound-Studie konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einem mCRPC, die unter der Behandlung mit Enzalutamid oder Abirateron einen Progress zeigten, die Gabe von Olaparib im Vergleich zur Behandlung mit dem zweiten Androgenrezeptor-gerichteten Medikament (New Hormonal Agent; NHA) zu einer deutlichen Verlängerung des rPFS (HR 0.22; 95%-KI 0.15–0.32) und des finalen OS (HR 0.63; 95%-KI 0.42–0.95) führte, wenn diese Patienten Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen hatten. Kritisch diskutiert wurde allerdings der Kontrollarm der Studie aufgrund der möglichen Ineffektivität des zweiten NHA durch Kreuzresistenz. Ein Vergleich von PARP-Inhibitor und Taxan-basierter Chemotherapie lag bislang noch nicht vor.
PARP-Inhibitoren beim mCRPC: TRITON-3-Studie
Die Ergebnisse der TRITON-3-Studie wurden deshalb als notwendige Ergänzung zum PROfound-Studienansatz auf der aktuellen ASCO-GU-Jahrestagung mit Spannung erwartet. Einschlusskriterien waren chemotherapienaive Patienten mit BRCA1/2-Alteration oder einer ATM-Mutation sowie einer Vorbehandlung mit den NHA Abirateron oder Enzalutamid. Die Patienten wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert in den Behandlungsarm mit dem PARP-Inhibitor Rucaparib 600 mg bid (n = 270) im Vergleich zum Kontrollarm nach Wahl des behandelnden Arztes („physician’s choice”) entweder mit Docetaxel (n = 75) oder einem NHA (Abirateron oder Enzalutamid) (n = 60). Es wurde stratifiziert nach dem „ECOG Performance Status”, einer hepatischen Metastasierung und der Art der pathogenen HRR-Mutation. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben auf Bildgebungsbasis. Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben und die Ansprechraten. Patienten mit Progress unter Docetaxel oder einem Androgenrezeptor-Antagonisten konnten in den Rucaparib-Arm wechseln. Die Basisdaten der rekrutierten Patienten bezüglich Alter, ECOG-Status und Vorbehandlungen waren zwischen den Studienarmen gleich verteilt. Durch Rucaparib konnte im Vergleich zum Kontrollarm mit „Physician’s choice”-Medikation in der Subgruppe mit BRCA-Mutation eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens im Median von 6,4 auf 11,2 Monate erreicht werden (HR 0.50; 95%-KI 0.36–0.69; Log-Rank P < 0.0001). Unter Mitberücksichtigung der ATM-mutierten Patienten in der Intend-to-treat-(ITT-)Population war die Verlängerung des PFS mit 6,4 auf 10,2 Monate vergleichbar. Auch im Vergleich zu Docetaxel konnte mit Rucaparib bei den BRCA-mutierten Patienten eine signifikante PFS-Verbesserung von 8,3 auf 11,2 Monate erreicht werden (HR 0.53; 95%-KI 0.37–0.77; Log-Rank P = 0.0009). Der Vergleich zwischen Rucaparib und Abirateron oder Enzalutamid fiel sogar mit einer PFS-Verlängerung von 4,5 auf 11,2 noch etwas deutlicher aus (HR 0.38; 95%-KI 0.25–0.58; Log-Rank P < 0.0001). Die Analyse der ITT-Population einschließlich der ATM-mutierten Patienten führte zu vergleichbaren Ergebnissen. Zum Gesamtüberleben wurde eine Interimsanalyse mit einem ermutigenden Ergebnis mit 24,3 Monaten für Rucaparib im Vergleich zu 20,8 Monaten für den „Physician’s choice”-Kontrollarm präsentiert. 75 % der Patienten mit einem Progress im „Physician’s choice”-Arm wechselten während der Studie in den Rucaparib-Arm, sodass diese Interimsanalyse zum Gesamtüberleben bereits eine deutliche Tendenz zugunsten des PARP-Inhibitors dokumentiert.
PARP-Inhibitoren beim mCRPC: Kombination von PARP- und AR-gerichteter Therapie
Die Kombination eines PARP-Inhibitors und einem NHA wurde bei Patienten mit einem mCRPC unabhängig vom Vorhandensein einer HRR-Alteration in der PROpel- und der TALAPRO-2-Studie untersucht. Theoretische Grundlage dieser Kombination sind Hinweise auf einen möglichen Synergismus, indem einerseits PARP-Inhibitoren die Tumorzellen für eine antihormonelle Therapie sensibilisieren und andererseits Androgenrezeptor-Antagonisten wie Abirateron oder Enzalutamid über eine Regulation der DNA-Reparaturmechanismen eine funktionelle Störung der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) von Doppelstrangbrüchen induzieren, obwohl keine Mutation vorliegt. Zudem wurden Ergebnisse der biomarkerpositiven (HRR+) Kohorte der MAGNITUDE-Studie präsentiert.
MAGNITUDE-Studie
In dieser Phase-III-Studie wurde die Kombination aus dem PARP-Inhibitor Niraparib und Abirateron/Prednison (AAP) im Vergleich zu Placebo und AAP als Erstlinie bei Patienten mit einem mCRCP mit und ohne Mutationen bei der homologen Rekombinationsreparatur eingesetzt. Um die Patienten den beiden Kohorten vor Therapiebeginn zuzuordnen, wurde der Biomarkerstatus im Rahmen eines Pre-Screenings ermittelt. Danach erfolgte für beide Kohorten die randomisierte Zuteilung im Verhältnis 1 : 1 auf die beiden Behandlungsarme. Die Ergebnisse der ersten Interimsanalyse wurden bereits auf dem ASCO-GU 2022 präsentiert. Patienten, die keine HRR-Mutationen hatten (biomarkernegativ), profitierten in einer Zwischenanalyse von einer Kombinationstherapie aus Niraparib und Abirateron/Prednison im Vergleich zum Placeboarm nicht; die Rekrutierung der biomarkernegativen Kohorte wurde deswegen frühzeitig beendet. Die Analyse des primären Endpunktes rPFS bei den Patienten mit einer BRCA1/2-Mutation ergab eine signifikante Risikoreduktion um 47 % zugunsten der Kombination Niraparib und Abirateron/Prednison mit einer Hazard Ratio von 0.53 (95%-KI 0.36–0.79). Die Ergebnisse der ersten Interimsanalyse unterstützten die Empfehlung, biomarkerpositive Patienten in der Erstlinie mit der Kombination aus einem PARP-Inhibitor und Abirateron/Prednison zu behandeln. Auf dem aktuellen ASCO-GU wurden die Ergebnisse der zweiten Interimsanalyse zur Effektivität der Kombination von Niraparib und AAP im Vergleich zu Placebo und AAP bei der biomarkerpositiven Kontrollgruppe nach einem zusätzlichen Follow-up von acht Monaten vorgestellt. Es ergaben sich deutliche Vorteile für die PARP-Inhibitor-AAP-Kombination bezüglich der Endpunkte radiologisches progressionsfreies Überleben (rPFS), Zeit bis zur symptomatischen Progression (TSP) und Zeit bis zur zytotoxischen Chemotherapie (TCC). Die Auswertung zum Gesamtüberleben der BRCA -Subgruppe unter der Kombinationstherapie von Niraparib und Abirateron/Prednison zeigte auf den ersten Blick entgegen den Erwartungen einen nicht so deutlichen Effekt mit einer Hazard Ratio von 0.88. Nach der rechnerischen Berücksichtigung von Unterschieden in beiden Behandlungsgruppen bei den Baseline-Charakteristika und bei den Folgetherapien ergab sich aber ein deutlicher Effekt zugunsten der Kombination gegenüber einer Abirateron-Monotherapie mit einer HR von 0.54 (95%-KI 0.33–0.95). Die Frage nach dem möglicherweise bei BRCA-Mutationen ungünstigen Einfluss einer Abirateron-Vorbehandlung, die im Rahmen der MAGNITUDE-Studie bis zu vier Monate vor dem Beginn der Therapie mit dem PARP-Inhibitor möglich war, wurde in einer weiteren Analyse untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Benefit der zusätzlichen PARP-Therapie bei den Patienten bestehen bleibt, die weniger als zwei Monate mit Abirateron vorbehandelt wurden. Bei den Patienten, die länger als zwei Monate vorbehandelt wurden, geht der positive Effekt von Niraparib verloren. Ob dieses Ergebnis auch auf andere PARP-Inhibitoren übertragbar ist, bleibt abzuwarten. Eine länger bestehende Vorbehandlung mit Abirateron/Prednison könnte die Effektivität eines PARP-Inhibitors möglicherweise reduzieren, was für einen möglichst gleichzeitigen Einsatz der Kombination von AAP und PARP-Inhibitor spricht.
PROpel-Studie
In der PROpel-Studie wurde die Kombination von Abirateron mit dem PARP-Inhibitor Olaparib in der Dosierung von 300 mg bid in der Erstlinie mit Placebo und Abirateron verglichen. Insgesamt wurden 796 sogenannte „all comer”-Patienten im Verhältnis 1 : 1 randomisiert auf die beiden Behandlungsarme aufgeteilt. Alle Patienten erhielten zusätzlich eine Androgendeprivationstherapie. Eine Vorbehandlung mit Docetaxel im Stadium mHSPC war erlaubt, wurde aber bei der Stratifizierung berücksichtigt, ebenso wie die Lokalisation der Metastasen. Nicht berücksichtigt bei der Randomisierung wurde dagegen der HRR-Status. Eine entsprechende Testung wurde jedoch im Voraus präspezifiziert und nach der Randomisierung und vor der primären Analyse bestimmt. Eine vorherige Gabe von Abirateron war nicht erlaubt. Eine Behandlung mit anderen „next generation hormone agents” (NHA) musste mindestens zwölf Monate vor Aufnahme in die Studie beendet worden sein. Primärer Endpunkt der Studie war das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS). Eine Vorbehandlung mit Docetaxel hatten bei Studieneinschluss 22,6 % der Patienten im Olaparib-Arm und 22,4 % der Patienten im Placeboarm erhalten. HRR-positiv waren 27,8 % (n = 111) der Patienten in der Olaparib-Gruppe im Vergleich zu 29,0 % (n = 115) in der Placebogruppe. Die Ergebnisse zum primären Endpunkt wurden auf dem ASCO-GU 2022 präsentiert. Es ergab eine Risikoreduktion von 34 % für die radiologische Progression oder das Versterben unter der Kombinationstherapie mit Olaparib und Abirateron mit einer Hazard Ratio von 0.66 (95%-KI 0.54–0.81; P < 0.0001). Bezüglich des Gesamtüberlebens konnte zunächst nur ein positiver Trend zugunsten der Kombination mit Olaparib dargestellt werden. Auf dem aktuellen ASCO-GU 2023 wurden die finalen Daten zum Gesamtüberleben vorgestellt. Der Benefit für die Gesamtkohorte mit einer Hazard Ratio von 0.81 (95%-KI 0.67–1.00) betrug ca. sieben Monate, war allerdings nicht statistisch signifikant. Die Auswertung der Subgruppen mit und ohne HRR-Mutation zeigt, das vor allem die Patienten mit HRR-Mutation (28,4 % der ITT-Population) profitieren (HR 0.66; 95%-KI 0.45–0.95). Dies galt insbesondere für Patienten mit Nachweis einer BRCA1/2-Mutation mit einer 71%igen Reduktion des Risikos zu versterben durch die Hinzunahme von Olaparib. Eine PARP-Inhibition ist für diese Patientenklientel prognoseverbessernd. Der Effekt bei den Patienten ohne HRR-Mutation ist mit einer Hazard Ratio von 0.89 (95%-KI 0.70–1.14) deutlich schwächer ausgeprägt. Ob eine PARP-Inhibition hier sinnvoll ist, muss im Einzelfall diskutiert werden.
TALAPRO-2-Studie
In die TALAPRO-2-Studie wurden insgesamt 805 „all comer”-Patienten mit einem First-Line-mCRPC und einem ECOG-Status von 0 oder 1 eingeschlossen. Die Patienten wurden im Verhältnis 1 : 1 randomisiert aufgeteilt und entweder mit dem PARP-Inhibitor Talazoparib (0,5 mg/Tag) und Enzalutamid (160 mg/Tag) oder mit Placebo und Enzalutamid (160 mg/Tag) behandelt. Primärer Endpunkt war das radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS), das im Rahmen eines verblindeten unabhängigen zentralen Reviews (BICR) bestimmt wurde. Stratifiziert wurde nach einer vorherigen Behandlung mit Abirateron oder Docetaxel und nach dem Vorhandensein oder Fehlen von HRR-Mutationen oder einem unbekannten HRR-Status. Im Vergleich zur PROpel-Studie war in der TALAPRO-2-Studie die Rate der Patienten mit nachgewiesener HRR-Mutation geringer. Im Talazoparib-Arm hatten 5,7 % eine BRCA2-Mutation, im Placeboarm waren es 6,9 % im Vergleich zu 11,8 % und 9,6 % in der PROpel-Studie. Ein Grund dafür dürfte sein, dass bei fast allen Patienten die Mutationsanalyse ausschließlich mit Tumorgewebe durchgeführt wurde. Der Anteil der Patienten mit einem unbekannten HRR-Status war in beiden Studienarmen relativ hoch. Die Kombination von Talazoparib und Enzalutamid führte in der „all-comer”-Population zu einer signifikanten Reduktion des Risikos für Progress oder Tod von 37 % (HR 0.63; 95%-KI 0.51–0.78; P < 0.001). Die Analyse der Subgruppen mit HRR-Mutation oder fehlenden Mutationen bzw. unbekanntem Status zeigte bei den HRR-mutierten Patienten einen deutlicheren Effekt für die Hinzunahme von Talazoparib. Für die Auswertung des Gesamtüberlebens waren die Daten noch nicht reif. Durch die Kombination des PARP-Inhibitors mit einem Androgenrezeptor-Antagonisten ist mit einer erhöhten Inzidenz von Nebenwirkungen zu rechnen. Bei den schwerwiegenden Nebenwirkungen Grad 3 bis 4 lag die Quote im Talazoparib/Enzalutamid-Arm bei 71,9 % im Vergleich zu 40,6 % beim Placebo/Enzalutamid-Arm. Die Abbruchquote aufgrund von Nebenwirkungen lag bei 19,1 % und 12,2 %. Ein myelodysplastisches Syndrom und eine akute myeloische Leukämie wurden bei jeweils einem Patienten unter der Behandlung mit Talazoparib dokumentiert. Die Quote von pulmonal venösen Embolien lag in der Talazoparib/Enzalutamid-Gruppe bei 2,5 % im Vergleich zu 0,7 % in der Placebo/Enzalutamid-Gruppe.
Fazit
- Die moderne Kombinationstherapie mit ADT, AAP und Apalutamid ist nach den Ergebnissen der FORMULA-509-Studie kein neuer Therapiestandard als Begleitung zu einer Salvage-Radiatio nach radikaler Prostatektomie.
- Die Frage nach einer besseren Lebensqualität im Anschluss an eine radikale Prostatektomie im Vergleich zu einer Radiatio kann mit den Ergebnissen der PACE-A-Studie nicht beantwortet werden.
- Die 10-Jahres-Outcomedaten der CHHiP-Studie stützen eine hypofraktionierte Radiatio über vier Wochen mit 60 Gy als neuer Therapiestandard bei Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom.
- Subgruppenanalysen zur ARASENS-Studie zeigten bei mHSPC-Patienten mit hoher Tumorlast („high volume”) bezüglich des Gesamtüberlebens einen besseren Effekt der Dreifachkombination aus Darolutamid, ADT und Docetaxel als bei Low-Volume-Patienten. Bei Low-Volume-Patienten konnte für die Dreifachkombination ein deutlicher Effekt bei der Verlängerung der Zeit bis zur Kastrationsresistenz dokumentiert werden.
- Eine Subgruppenanalyse zu PEACE-1 hat gezeigt, dass der Benefit einer Behandlung mit Abirateron/Prednison zusätzlich zu ADT oder ADT plus Docetaxel („physician’s choice”) bei Patienten <70 Jahre größer ist als bei Patienten ≥70 Jahre.
- Real-World-Daten zu Apalutamid sowie aus der DEAR-Studie mit allen drei Androgenrezeptor-Antagonisten bestätigen die in den Zulassungsstudien dokumentierte gute Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Substanzgruppe bei Patienten mit einem nmCRPC.
- In der TRITON-3-Studie war bei Patienten mit einem mCRPC der PARP-Inhibitor Rucaparib einer Behandlung mit Docetaxel oder einem NHA („physician’s choice”) bezüglich des rPFS überlegen.
- Die zweite Interimsanalyse der MAGNITUDE-Studie ergab eine bessere Wirksamkeit der Kombination von Niraparib und Abirateron/Prednison (AAP) im Vergleich zu einer AAP-Monotherapie bei Patienten mit mCRPC und BRCA1/2-Mutation. Eine längere AAP-Vorbehandlung könnte die Effektivität der Kombinationstherapie mit einem PARP-Inhibitor reduzieren.
- Die Analyse der PROpel-Studie zum Gesamtüberleben dokumentierte einen nicht signifikanten Benefit durch die Kombination von Olaparib und Abirateron/Prednison für die ITT-Population. Die Subgruppe der BRCA1/2-mutierten Patienten profitierte hochsignifikant vom Einsatz der Kombinationstherapie.
- Die Kombination von Talazoparib mit Enzalutamid im Vergleich zu einer Enzalutamid-Monotherapie (TALAPRO-2-Studie) führte bei Patienten mit einem mCRPC zu einer signifikanten Verlängerung des rPFS. Die Risikoreduktion ist bei HRR-mutieren Patienten noch deutlicher ausgeprägt. Beachtet werden müssen beim Einsatz der Kombination die erhöhte Rate schwerwiegender Grad-3- bis Grad-4-Nebenwirkungen im Vergleich zur Monotherapie mit dem AR-Inhibitor
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